Charvel röstet die Mittelklasse
Wie heißt es doch so schön: Was lange währt, wird endlich gut! Eine ganze Menge Zeit gelassen hat sich Charvel seit der Ankündigung seiner neuen Powerstrats mit geröstetem Hals und auch zum Zeitpunkt dieses Tests sind die Modelle in Deutschland noch nicht einmal lieferbar. Wie gut, dass wir aus der Gitarrenredaktion von AMAZONA.de so einen guten Draht zur Marketingabteilung von Fender haben und von dort schon vorab ein Instrument loseisen konnten. Für die, die es noch nicht wissen bzw. wussten: Charvel gehört seit fast 20 Jahren zu FMI (Fender Musical Instruments), genau so wie auch der andere klangvolle Name Jackson Guitars unter dem Dach von Fender beheimatet ist. Nun ist sie also da, die neue Pro-Mod-Serie mit ihren voll im Trend liegenden, gerösteten Hälsen und bei uns eingetroffen ist als Stellvertreterin der neuen Serie die Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM DRB in einem olivgrünen Militarylook.
Charvel Pro-Mod DK24 HSH – Facts & Features
Ich muss ja ehrlich zugeben, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob dieses geröstete bzw. erhitzte Ahorn des Halses nicht doch bloß ein Fake ist und anstelle eines Ofens hier bloß ein paar Pinselstriche Beize zum Einsatz kamen, um die karamellbraune Färbung zu erreichen. Ich hatte ja schon diverse Premiuminstrumente von verschiedenen Herstellern in den Händen, die mit diesem neuen trendigen Feature locken, u. a. waren das die Music Man Valentine oder das Jackson USA Signature-Modell des Def Leppard Gitarristen Phil Collen. An diesen Gitarren wirkt die Oberfläche des Halses mit ihrer tiefen Struktur und dem fast schon honigfarbenen Ton weitaus realistischer, als es bei unserem Testinstrument der Fall ist.
Ungeachtet dessen präsentiert sich aber der Hals unserer Pro-Mod DK24 in einem perfekten Zustand, das betrifft sowohl die Bundierung und den sauber eingesetzten Sattel als auch die Rückseite, die mit ihrem Satinfinish dem gefürchteten Kleben der Greifhand keine Chance gibt und mit ihrem extrem flachen Profil genau den Komfort bietet, den man von einer guten Superstrat erwartet. Denn nichts anderes ist diese Gitarre – und dafür ist Charvel ja seit den frühen 80er Jahren bekannt und berühmt! Den hohen Qualitätsstandard in dieser Preisklasse genießen die Charvels durch die mexikanische Produktion von Fender, man kann und darf also hier eine ähnlich gute Qualität erwarten, wie bei den übrigen Teles, Strats, Jazzmasters etc., die in Mexiko die Werkshallen von Fender verlassen.
Klassischer Superstrat Dinky-Body
Ein organisch geformter Übergang fügt den Hals in den Korpus, der auf Basis der Dinky-Serie entstanden ist und aus Erle gefertigt wurde. Es muss ein ziemlich leichtes Stück Erle sein, denn das Gewicht der Gitarre ist, trotz der Hardware mit dem Vibrato, den Klemmmechaniken und den drei Tonabnehmern angenehm leicht. Fräsungen an Vorder- und Rückseite bieten weiteren Spielkomfort und durch das weite Cutaway lässt sich der Hals bis zum letzten Bund ohne Mühen bespielen. Eine nach wie vor gute Idee ist das Verfrachten der Klinkenbuchse an die Unterseite des Korpus, denn so verschwindet nicht nur das angeschlossene Kabel so gut wie komplett aus dem Sichtfeld, auch die Gefahr eines Schadens beim Drauftreten wird so vermieden. Zusammen mit einem Winkelstecker am Kabel und dem Durchführen der Strippe zwischen Gurtknopf und Gurt kann hier absolut nichts schiefgehen!
Wie eingangs bereits erwähnt, besitzt unser Instrument ein mattes, olivgrünes Finish. Wem das zu düster ist, der hat die Option auf ein freundliches Orange. Nur in diesen beiden Farben ist die Charvel Pro-Mod DK24 HSH lieferbar.
Charvel Pro-Mod DK24 HSH – Hardware und Elektronik
Wirklich gespannt war ich auf die Funktion des auf der Decke montierten Gotoh Custom 510 Vibratosystems, das aus einem Vintage-Style-Block mit geschraubtem Hebel und einem Satz Klemmmechaniken aus Charvel- bzw. Fender-eigener Produktion besteht. Der Vibratoblock ruht auf zwei Bolzen und ist schwebend eingestellt, eine Unterfräsung im Korpus sorgt dafür, dass auch Upbendings möglich sind. Bei unserem Testinstrument waren immerhin drei Halbtöne nach oben möglich, in die andere Richtung geht es hinunter bis zum völligen Erschlaffen der Saiten. Die Stimmstabilität dabei ist beeindruckend gut, ehrlich gesagt hätte ich das diesem System nicht zugetraut! Absolut tauglich für Divebombs und dank des leichteren Handlings m.M.n. eine echte Alternative zu den oft störrisch zu bedienenden „Floyd-Rose-Monstern“.
Bei den Pickups treffen wir wieder auf einen Markenhersteller: Seymour Duncan stattet die Pro-Mod DK24 mit drei ihrer Modelle aus. Die Typen Full Shred (Steg), Alnico II Pro APH-1N am Hals und der Custom Flat Strat Singlecoil in der Mittenposition sorgen für eine maximale Ausbeute an Sounds und werden wie üblich über einen Fünfwegeschalter und jeweils ein Poti für Ton und Lautstärke ausgewählt bzw. geregelt. Die Potis sind zwar nicht ganz frei von Spiel, dafür aber lässt sich der Lautstärkeregler wunderbar weich bedienen und auch der Schalter sollte eine ganze Weile seinen Job zuverlässig verrichten. Und sollte doch mal etwas wider Erwarten quietschen und/oder klemmen, kann man ja für relativ kleines Geld ein paar bessere Replacement-Parts einbauen, der Markt bietet ja da reichlich Optionen. Aber kein Grund, sich die Gitarre nicht mal anzuhören und sie vor allem anzuspielen – und das werden wir jetzt im Praxisteil tun.
Charvel Pro-Mod DK24 HSH – in der Praxis!
Schon nach wenigen Minuten Umgang mit der Klampfe wird klar: Hier haben wir es mit einer reinrassigen Superstrat zu tun, ohne Abstriche. Bereits der akustische Grundsound ist sehr drahtig und bissig zugleich, beim Sustain hingegen muss man auch hier wieder Abstriche machen. Aber wer braucht schon Sustain an der Gitarre, wenn der Amp ohnehin immer unter Zerrung läuft? Genau dafür ist die Charvel Pro-Mod DK24 HSH nämlich gemacht und das portieren auch die drei Seymour Duncan Pickups wunderbar an den angeschlossenen Verstärker. Im Zerren sind sie ganz groß und im Clean-Betrieb mehr als brauchbar, allerdings bieten die Singlecoil-Sounds nicht so ein druckvolles Pfund, wie man es zum Beispiel von einem guten Satz Fender Texas Special Singlecoils geboten bekommt. Dafür brummen die Pickups im Singlecoil-Modus so gut wie gar nicht und zudem bricht das Frequenz- und Klangbild insgesamt nicht zusammen, wenn man den weich laufenden Volume-Regler zurückdreht, um so noch ein paar mehr Nuancen aus der Interaktion zwischen Gitarre und Amp zu kitzeln.
Nur der Vollständigkeit halber habe ich bei den Klangbeispielen ein paar Cleansounds beigefügt, aber eigentlich will unsere Pro-Mod DK24 HSH so schnell wie möglich mit einem Highgain-Sound von der Leine gelassen werden. Und da macht das Instrument einfach eine Menge Spaß! Nicht zuletzt auch deshalb, weil alles herrlich flutscht: Das Vibrato arbeitet weich und ohne Verstimmungen, der Hals mit seinem flachen Profil und der satinierten Rückseite lässt die Greifhand ohne Widerstand von oben bis unten flitzen und die rechte Hand erhält durch das zierliche Vibrato eine ideale Position für Pickings und Abdämpfen der Saiten.
Für die Klangbeispiele musste wieder mein kleiner Orange Micro Dark mit angeschlossener 1×12″ Celestion V30 Box herhalten (macht er doch gerne!). Vor der Box wurde ein AKG C3000 Mikrofon platziert, ehe das Signal in Logic aufgenommen wurde.
Zunächst ein unverzerrter Sound, eingespielt mit der Position 2 des Schalters: Hals-Humbucker im SC-Modus und der Singlecoil dazu. Klingt rund, warm, aber doch vielleicht etwas steril. Zumindest nichts für Strat-Fans, aber die hätten den Artikel vermutlich bis hierhin ohnehin nicht gelesen …
Im zweiten Beispiel hören wir den Seymour Duncan am Steg zusammen mit dem Singlecoil in der Mitte, Schalterposition 4 von 5.
So jetzt aber rüber zu den verzerrten Sounds, die „offizielle Heimat“ unserer Dinky. Zunächst ein Riff, eingespielt mit dem SD am Steg.
Die beiden nächsten Beispiele zeigen die beiden Humbucker mit Leadsounds. Den Anfang macht der Hals-Pickup, im letzten Track dann der Duncan am Steg.
Meine Güte, gibt es die nicht in schöneren Farben? Gruselig …