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Test: ESP LTD Ben Weinman Evertune, E-Gitarre

Von Jazz bis Metal - diese Hollowbody kann alles

12. Januar 2020

Markthalle Hamburg, Januar 2017: Es ist schweinekalt vor den Toren des Venues, aber das scheint mich und die 1100 anderen Anwesenden nicht weiter zu stören. Wir sind alle aus dem gleichen Grund zusammengekommen: Um Abschied zu nehmen von einer der polarisierendsten und zugleich wichtigsten Bands, die der Metal je hervorgebracht hat.

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Die Rede ist von Dillinger Escape Plan. 2017 setzten sie als Band das letzte Mal Fuß in Europa – es war die große Abschiedstournee, ein letzter Rundumschlag und ein Dankeschön an die Fans. Als ich drinnen bin, und die unsägliche Vorband über mich ergehen lasse, kommt mir der Gedanke, dass die Jungs in die Jahre gekommen sind. Ich würde mir selbst keinen Gefallen tun, die gleiche Energie auf der Bühne zu erwarten, mit der sie mich in Frankfurt, 2009 zum lebenslangen Fan hatten werden lassen. Also zügelte ich meine Erwartungen – und wurde eines Besseren belehrt. Ben Weinman, Greg Puciato und die anderen explodierten. Die ganze Zeit über kam ich aus dem Grinsen nicht raus, denn die Energie dieser Band war, auch all die Jahre später, nach wie vor unfassbar.

Für viele ist Dillinger Escape Plan einfach nur Krach. Das ist verständlich. Für andere ist sie einfach eine besonders brutale Metalcore-Variante, Chaos-Metal, Prog-Death – wie auch immer man es nennen möchte: Es ist intensive Musik und vor allem technisch bei näherer Betrachtung durchaus spannend. Was mir persönlich – zumindest auf der Höhe ihres Schaffens – maßgeblich zusagt, war und ist die Art, mit der sich diese Band jedweden Klischees entzog. Das galt vor allem für die Gitarrenarbeit. Ben Weinmans Riffing ist völlig einzigartig: ein bisschen jazzy, entfesselt, voller effektiv eingesetzter Dissonanzen und Stakkato-Riffing. Guitarworld nahm ihn nicht ohne Grund in die Top 50 der wichtigsten Metal-Gitarristen aller Zeiten mit rein. Für eine Signature Gitarre dieses Mannes bedeutet das: Wenn sie gebaut ist, um sowohl das volle Brett als auch die jazzigen Zwischentöne liefern zu können, ist sie als Modell alle Mal interessant. Und auch wenn ich mich jetzt ein wenig als Fanboy geoutet habe: Die für AMAZONA.de so bezeichnende Neutralität kommt selbstverständlich auch hier zum Tragen.

ESP LTD Ben Weinmann, E-Gitarre – Facts and Features

Gleich vorweg: Die Hollowbody-Bauform der Gitarre, inklusive See-Thru-Black Finish, ist sehr schön anzusehen und trifft meinen persönlichen Geschmack. Wer Ben Weinmans Spiel kennt, weiß, dass Stimmstabilität der entscheidende Punkt ist. Unter anderem wartet die Gitarre auch hier mit einem entscheidenden Clou auf, auf den wir später zu sprechen kommen. Erst mal die fundamentalen Specs:

Die Gitarre hat eine Hollowbody Bauform, aber einen festen Mahagoni-Korpus, die mit einem Top aus geflammtem Riegelahorn überlagert ist. Auffällig ist sofort das F-Loch neben dem Steg dieser Heavy E-Gitarre. Der Ahornhals der Gitarre geht von Kopfplatte bis Korpusende durch die Gitarre und ist also durchgehend, was der Stabilität zugute kommt. Ein wenig wundert es trotzdem, wenn man bedenkt, dass der Ideengeber dieser Gitarre mehr Exemplare verschrottet hat als ganze Szenen zusammen. Und Schäden an Gitarren mit durchgehendem Hals sind oft fatal und bedeuten einen Totalausfall.

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Trotzdem: Aufgesetzt ist ein Griffbrett aus Makassar-Ebenholz, das sich ungewohnt rau anlässt. Das Thin-U-Profil gehört zu den beliebtesten unter den Shredding-Gitarristen – vergleichsweise dünn und gut anzupacken und bei den meisten ESPs und LTDs vertreten – keine echte Überraschung hier also. Der Radius des Griffbretts liegt bei 350 mm und das Griffbrett kommt mit 24 Jumbo-Bünden aus. Die Mensur der Gitarre ist zudem mit 648 mm ein bisschen länger als vieles, was man gewohnt ist. Eine massive Gitarre, ohne Frage, bei der die durchaus elegante Optik nicht unbedingt ein Klangbild vermuten lässt, das darauf ausgelegt ist, Köpfe abzuschrauben.

ESP LTD Hollowbody Signature, E-Gitarre – Hardware & Elektronik

Wie eingangs erwähnt, ist die besondere Stimmstabilität, die durch das Evertune Konzept gewährleistet werden soll, eins der wichtigsten Merkmale dieser Gitarre. Die Constant Tension Bridge, das F-Modell, ist nicht jedermanns Sache. Hier werden die Saiten in konstanter Spannung gehalten, komme was wolle. Verstimmen tut sich das gute Stück also nicht, dank des Feder-Systems, das der Urheber Cosmos Lyle (bester Name ever?) 2006 patentieren ließ. Ich persönlich habe eher unterschiedliche Erfahrungen mit der Evertune Mechanik gemacht und bin gespannt, wie sie sich in diesem Falle anlässt. Die Tuner kommen von Hause und sind LTD Locking Mechanismen, die verchromte Hardware passt hervorragend zum Restbild der E-Gitarre.

Was die Einstellungswege der Gitarre angeht, sind die Optionen überschaubar – was für diesen Preis meiner Meinung nach schon mal zu wenig ist. Ein Volume-Regler und ein Tone-Regler sowie der herkömmliche Dreiwegeschalter. Tatsache ist aber: Eine Push-and-Pull-Funktion des Potis ist gegeben, was die Gitarre in zwei separate Voicings versetzen kann: Im eingerasteten Modus den „Modern Active“-Modus, wo die Gitarre heller und verzerrter klingt, sowie „Modern Passive Attack“, wo die Gitarre mit einem etwas dunkleren Tone aufwartet und „dumpfer“ anmutet. Entscheidend werden hier also vor allem die Tonabnehmer sein – und da hat Weinman dafür gesorgt, dass seine Lieblinge eingesetzt werden: ein Alnico Humbucker der Sorte Fishman Fluence Modern am Hals und ein Keramik-Humbucker derselben Firma am Steg – eine nicht gerade häufige Kombi. Mal schauen, wie sich die beide in der mittleren Schaltposition ergänzen. Alnico-Humbucker haben bekanntlich einen größeren Output und sind „musikalischer“ als Humbucker mit Keramikmagneten – entsprechend besitzt die Gitarre auch ein Gehäuse für eine Standard 9 Volt Batterie. Gemessen also an den zwei separaten Modi und der interessanten Kombination von aktiven Tonabnehmern könnte man es hier doch mit einer guten klanglichen Flexibilität zu tun haben. Was bekommen wir also hier zu hören – klaren, schneidenden Metal Sound, einen warmen, brutzelnden Sound, wie es die Bauform vermuten lässt – oder nichts von beidem?

ESP Metal Gitarre mit Evertune Mechaniken – in der Praxis

Ich spiele die ESP LTD BW über einen Laney Lionheart. In der DAW fand keine Nachbearbeitung statt und abgenommen wurde die Gitarre mit einem Shure SDM57. Der EQ liegt über weite Teile auf 12 Uhr und ein Hauch Amp-Reverb garniert den Klang. Beim Klangbeispiel Bridge_2 kommt ein Overdrive-Pedal zum Einsatz, ansonsten an keiner anderen Stelle.

Insgesamt lässt sich klar nachvollziehen, warum mehr und mehr Gitarrenbauer in den letzten Jahren verstärkt zu den Florence Pickups greifen: Ihr Output ist bisweilen saftiger als bei vielen Seymour Duncans, darüber hinaus stehen sie in Sachen Wärme und Transparenz den SDs wiederum in nichts nach. Die Tiefenlastigkeit ist bisweilen enorm, das merkt man natürlich vor allem beim Neck-Pickup, wo speziell im Clean-Bereich die hohen Lagen regelrecht erdrosselt werden. Aber speziell wenn beide Alnicos zum Einsatz kommen, ist eine hervorragende Transparenz gegeben, vor allem im verzerrten Bereich – besonders nachvollziehbar im Crunch-Klangbeispiel, wo der Gain auf 9 Uhr lag. Es ist nicht ganz einfach in Worte zu fassen, aber der Attack fühlt sich hier unmittelbarer und präziser an als bei vielen Seymour Duncans, ist klanglich aber am ehesten vergleichbar mit dem Custom 5 Bridge Seymour Duncan Humbuckern.

Ein weiterer Pluspunkt ist zweifelsohne das Sustain: Das Abdrosseln des Klangs verläuft sehr gleichmäßig, auch in der Hinsicht überzeugen die Pickups und verlässliche Holzkombination aus Mahagoni-Korpus und Ahornhals . Tatsächlich wirken aber selbst bei Nutzung der Bridge-Pickups die hohen Frequenzen ein bisschen erstickt, während das Low-End feucht-fröhlich brutzelt. Einen typischen Twang kriegt man mit dieser ESP also ganz sicher nicht hin. Insgesamt also ein weitaus wärmerer Sound, als man ihn von den EMGs gewohnt ist und bisweilen auch ein Stück transparenter und wärmer als viele SDs – Ben Weinman schien also genau zu wissen, was er wollte: eine Gitarre, die im Jazz-Picking oder extremen Metal zum Einsatz kommen kann. Und irgendwie lässt sich nur sagen, dass das Konzept aufgeht. Zum Thin-U-Profil lässt sich nur sagen, dass es sich ganz hervorragend bespielen lässt. Man hat den Eindruck, dass sich die Gitarre fügt, dass auch hohe Bundregionen fließend angegangen werden können, der höhere Bundradius ist aber sicher nicht jedermanns Sache.

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Fazit

Großartiges Sustain, großartige Pickups, großartige Bridge – die ESP Signature-Modelle haben allemal ihre Daseinsberechtigung und sind weitaus mehr als ein Gimmick. Hat halt was, wenn erfahrene Musiker, die seit Jahrzehnten touren, sich mit Gitarrenbauern zusammentun und Konzepte entwickeln. Das ist bei der Ben Weinman Signature nicht anders: eine hervorragende Gitarre, die im Zerr- und im Clean-Bereich formidabel funktioniert, mit einem ganz eigenen Charakter und nützlichen Features wie der Evertune Bridge.

Plus

  • hervorragende, vielschichtige Tonabnehmer
  • dynamische Resonanz
  • Evertune Bridge enorm stabil
  • Optik

Preis

  • 1.899,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    ctrotzkowski

    Moin Dimi,

    guter Artikel zu einer interessanten Gitarre – ich mag solche Grenzüberquerer.

    Im Praxisteil gehst Du nicht wie angekündigt auf das Evertune mehr ein – was umso spannender ist, da gerade die Clean-Beispiele beide ausgesprochen verstimmt klingen – besonders die G Seite im 2. Clean Beispiel (Nr. 7).

    Gruß,
    Carsten

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