Tribute-Paula im Edel-Look
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Mit der SC-550 II Gotoh PAF präsentieren die Low-Budget-Spezialisten von Harley Benton eine Single-Cut, die sich die 50er- und 60er-Jahre Baureihen der guten alten Les Paul zum Vorbild genommen hat und dabei mit Dingen wie etwa einer imposanten AAAA-Riegelahorndecke, einem gekammerten Korpus, Gotoh-Hardware oder den beiden Tesla-Humbuckern mit interessanten Features lockt. Bei einem Verkaufspreis von spöttischen 349,- Euro könnte der eine oder andere auf der Suche nach Alternativem zum Original da durchaus schwach werden, weswegen wir uns mal ein Testmodell haben zukommen lassen und es im folgenden Review ganz genau betrachten.
Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF – Korpus
Die erste Überraschung kommt gleich beim Herausnehmen aus dem Karton, denn der mit Hohlräumen versehene oder im Fachjargon auch als „gekammert“ bezeichnete Mahagonikorpus verleiht der Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF ein überraschend, ja geradezu sensationell geringes Gewicht. Die nächste Überraschung erfolgt spätestens beim Erblicken der Decke: Waren massive Ahorndecken in diesen Preisregionen und von dieser Qualität vor wenigen Jahren noch undenkbar, präsentiert Harley Benton auf ihrer neuen Single-Cut eine AAAA-Grade-Riegelahorndecke, die nahezu perfekt „bookmatched“ wurde und in einem attraktiven Paradise Amber Flame Finish erstrahlt. Umrandet wird die Decke von einem cremefarbenen Binding, die Farbe Creme ist auch die Farbe der Wahl bei den Rahmen der Pickups, der Blende des Dreiwegeschalters und den Rändern des Griffbretts.
Unterschiede zum berühmten Vorbild aus Nashville gibt es auf der Vorderseite keine auszumachen, anders sieht das jedoch auf der Rückseite aus. Hier fällt sofort der überarbeitete Hals-Korpus-Übergang auf, der für beste Voraussetzungen beim Bespielen der oberen Lagen sorgt. Die Abdeckungen für den Schalter und die Elektronik wurden erfreulicherweise versenkt eingesetzt, somit ist an dieser Stelle mit nur wenig Reibung zu rechnen.
Compound-Radius Mahagonihals
Eingeleimt in den Korpus wurde ein Hals aus Mahagoni, der mit einem Pau-Ferro-Griffbrett und 22 Blacksmith Edelstahlbünden ausgestattet ist. Die Halsrückseite verfügt über einen Compound-Radius, was bedeutet, dass die Stärke von 20 mm am ersten Bund zu 22 mm in der Oktavlage variiert. Das ’60s Halsprofil ist angenehm flach ausgefallen und trotz der lackierten Oberfläche gerät die Greifhand niemals in Versuchung, irgendwo auf halber Strecke zu stocken bzw. unangenehm anzukleben. Sauber eingesetzte Trapezoid-Einlagen weisen den Weg über das Griffbrett, das mit seinem 12″ Radius durchaus auch moderne Spieltechniken ermöglicht. Die Verarbeitung des Halses ist wie die des Korpus hervorragend gelungen, die Bünde sitzen sauber abgerichtet und frisch poliert in ihren Positionen. Ein ähnlich gutes Bild gibt der Grafitsattel ab, der mit seiner Breite von 42 mm das insgesamt sehr komfortable Spielgefühl der Gitarre weiter unterstützt.
SC-550 II Gotoh PAF – Hardware
Auch bei der Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF finden wir auf der Decke wieder die traditionelle Steg-Tailpiece-Konstruktion zur Aufnahme der Saiten, nichts anderes hätte man erwartet. Beide Teile besitzen eine dicke Chromschicht und strahlen mit dem Hochglanz-Finish der Decke regelrecht um die Wette. Am anderen Ende der Drähte erwartet uns an der pechschwarzen Kopfplatte ein Satz Kluson Style Mechaniken mit Keystone-Flügeln von Gotoh . Die sechs Tuner verrichten ihren Job sehr gut, sie bieten eine hohe Stimmstabilität sowie eine saubere Funktion ohne nennenswertes Spiel auf ihren Achsen. Somit ist ein Nachstimmen schnell und unkompliziert erledigt, wenn es überhaupt mal zu Verstimmungen kommt. Während der Testdauer hielt die Gitarre über mehrere Tage hinweg bei regelmäßigem Einsatz problemlos ihre Stimmung. Abgesehen von diesen technischen Aspekten ergänzen die Gotohs das optische Gesamtbild des Instruments mehr als stimmig.
SC-550 II Gotoh PAF – Pickups
Die Tage von Roswell-Pickups in Gitarren und Bässen von Harley Benton scheinen wohl gezählt, der Hersteller tendiert mehr und mehr zu den Tonabnehmern des koreanischen Herstellers Tesla. Ich hatte vor Kurzem erst die Gelegenheit, eine Harley Benton Tele mit diesen Tonabnehmern zu testen und war vom Ergebnis mehr als überrascht. Gelang es doch den Pickups, den müden Grundklang der Gitarre spürbar aufzuwerten. Zwei Opus-1 Open Zebra AlNiCo-5 Humbucker sorgen für die elektrische Abnahme des Klangs bei unserer SC-550 II Gotoh PAF, geschaltet und geregelt wird wie zu erwarten über einen Dreiwegeschalter und die vier obligatorischen Regler für Lautstärke und Klang, die mit goldfarbenen Knöpfen bestückt wurden. Sowohl der knackig einrastende Schalter als auch die wie in Butter laufenden Regler hinterlassen einen sehr soliden wie zuverlässigen Eindruck.
Die SC-550 II Gotoh PAF – in der Praxis
Kaum zu glauben, welchen Qualitätsstandard die Gitarren von Harley Benton erreicht haben. Vor nicht mal einer Dekade konnte man noch getrost von „Feuerholz“ reden, mittlerweile aber erreichen die Instrumente der Thomann-Hausmarke eine kaum zu glaubende Performance und überzeugen mit einer Verarbeitung, die der Konkurrenz mehr und mehr den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Möglich wird dies aufgrund von Direktimport durch den Verzicht auf Zwischenhändler und die Nutzung von OEM-Fertigung, ansonsten würden die Instrumente minimum das Doppelte kosten, da lege ich mich mal fest. Und wäre trotzdem noch konkurrenzfähig, zumindest im Fall der Testgitarre. Denn unsere SC-550 II Gotoh PAF ist nicht nur hervorragend verarbeitet, sondern bietet dazu einen fetten Sound, eine bequeme Bespielbarkeit und nicht zu vergessen ein komfortables Handling dank ihres niedrigen Gewichts. Ganz sicher wirken sich diese Hohlkammern im Innern des Korpus auch auf den Klang der Gitarre insgesamt aus, der bereits im unverstärkten Zustand kräftig und mit einem ausgeglichenen Frequenzbild positiv auffällt.


Dabei glänzt die SC-550 II Gotoh PAF mit all den Attributen, die eine gute Paula ausmachen, allem voran mit einem ausgiebigen Sustain und einer direkten Tonansprache sowie dem weichen Spielgefühl einer 628 mm langen Mensur. Das Repertoire an Sounds reicht von präzisen und knochentrockenen Riffs des Steg-Humbuckers mit viel oder wenig Verzerrung über warme Crunch- und glockige Clean-Sounds bis zum beliebten dicken und singenden Lead-Sound des Humbuckers am Hals. Zur Kür gehört auch, dass die Dynamik und das Klangbild nicht leiden, sollte man mal mit den Volume-Potis und einem guten Amp an der Strippe experimentieren wollen. Die Regler verfügen allesamt über einen gleichmäßigen Verlauf und sind dank der rauen Oberflächen ihrer goldfarbenen Knöpfe auch mit feuchten Fingern stets zuverlässig zu bedienen.
Gibt es denn keinen Mangel an der SC-550 II Gotoh PAF? Man muss schon wirklich mit der Lupe suchen und nein, selbst dann fällt mir tatsächlich nichts auf. Die Gitarre wirk wie aus einem Guss und wenn man überhaupt etwas monieren möchte, dann ist es vielleicht die Saitenlage, mit dem unser Testinstrument ausgeliefert wurde. Aber selbst das ist dank des kerzengeraden Halses und den sauber eingesetzten Edelstahlbünden mit wenigen Handgriffen erledigt.
Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF – Klangbeispiele
Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF zusammen mit einem Orange Rocker 15 Terror eingesetzt. Der Verstärker wurde mit einer 1×12″ Celestion Vintage 30 Box betrieben und mit einem AKG C3000 Mikrofon abgenommen. Effekte wurden (wie immer) keine eingesetzt.
Es ist schon verrückt, wie gut die Teile aussehen. Mich würde interessieren, inwieweit sie eine ernsthafte Konkurrenz zur Gibson Les Paul Studio darstellt.
@Xevantris War vor 5 Jahren mit einer Freundin ein paar Gibson Modelle antesten. War überrascht wie schlecht die Heutzutage verarbeitet sind. Also würde behaupten, dass gerade die neuen Fabrikate von Gibson und Epiphone lange nicht mehr das sind, was sie mal waren.
interessant…
Bei meinem Modell (Harley Benton SC-550 II Gotoh PAF) ist der Lack auf der Rückseite so dunkel, dass man ihn für Schwarz halten könnte, wenn man ihn nicht bei sehr heller Beleuchtung betrachtet. Das finde ich schade, denn wenn man sehr viel Licht hat, dann sieht man das das Holz eigentlich ganz schön ist.
Ich habe meine Gitarre wegen einiger kleinerer Fehleinstellungen zurückgeschickt, Thomann hat sie überarbeitet und jetzt ist sie perfekt. Ich bin vollkommen begeistert von der Qualität, angesichts des Preises.
Meine Epiphone und meine Gibson sehen wertiger aus und sind auch besser verarbeitet. Aber für den Preis meiner Gibson könnte ich mir acht der Harley Benton Gitarren kaufen.