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Test: Harley Benton TUBE15 Celestion, Vollröhrencombo

Viel Combo fürs Geld!

9. Februar 2020

Wenn ich ehrlich sein darf, bei der Ankündigung, Harley Benton hätte einen Vollröhrencombo für unter 230 Euro auf den Markt gebracht, noch dazu mit einem 12 Zoll Celestion Speaker, der im Normalfall bereits 50 % der Fixkosten ausmacht, packte mich die Skepsis. Wie oft hatte ich schon sehr preisgünstige Vollröhrentops und Combos auf dem Seziertisch, bei denen sich schon beim ersten Ton aus dem Lautsprecher oder bereits auf den ersten Blick in Sachen Verarbeitung herausstellte, dass das Attribut „Vollröhrenbauweise“ lediglich der Verkaufsförderung diente und dem Renommee der meist hochwertigeren Bauweise mehr schadete als half. Dies würde aber so gar nicht zum Anspruch der Thomann Hausmarke passen, weshalb mich bei dem Harley Benton TUBE15 Celestion auch gleichzeitig die Neugier packte. Mal sehen, was der kleine Chinese klanglich so alles auf dem Kasten hat.

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Harley Benton TUBE15 Celestion Profilansicht

Das Konzept des Harley Benton TUBE15 Celestion

„Ein Einkanaler? Nur ein Sound? Selbst mein Übungsamp von Hersteller XY hat mindestens 3 verschiedene Sounds und dann noch eingebaute Effekte und blablabla …“ Wer kennt sie nicht, die ermüdenden Plattitüden aus Anfängermündern oder unerfahrenen Wannabes. Wer sich auskennt, weiß um das Konzept eines Vollröhreneinkanalers, der als Basis einen hochdynamischen Clean- oder Crunch-Sound zur Verfügung stellt, die Abwechslung kommt durch Pedale und den Volume-Regler der Gitarre. Dazu später mehr im Praxisteil.

Der Harley Benton TUBE15 Celestion ist in der Tat ein einkanaliger Vollröhren Combo, mit einem 12 Zoll Lautsprecher von Celestion (Seventy 80) und bezieht seine Leistung aus 3 Stück ECC83 (12AX7) in der Vorstufe und 2 Stück EL84 in der Endstufe. Durch einen Umschalter kann man die Proberaum-/Clublautstärke von 15 Watt auf 1 Watt Übungslautstärke umschalten. Der Klang ändert sich dann erwartungsgemäß etwas, behält aber im Großen und Ganzen die gleiche klangliche Ausrichtung. Achtung, nicht vergessen, ein lärmender 50 Watt Combo ist nur ca. 30 – 40 % lauter als unser Protagonist, man kann auch mit 15 Watt sehr laute Clubshows spielen, zumal ein 12-Zöller das Spektakel in der Regel auch sehr erwachsen mit angeht.

Harley Benton Gitarrenverstärker – die Kanäle

Der Kanalzug besteht neben der klassischen 3-Band-Klangregelung (Höhen, Mitten, Bässe), Gain und Master aus einem ungewohnten Tone-Regler und einem Reverb-Regler. Erster arbeitet mit Höhenbedämpfung + stabilem Bass, respektive Bassbeschneidung und aggressiveren Höhen am klanglichen Grundcharakter des Combos, zweiter regelt den Reverb-Anteil, der tatsächlich von einer kleinen Hallspirale, die am Boden des Gehäuses angebracht ist, erzeugt wird. Über einen Fußschaltereingang auf der Rückseite des Gehäuses kann der Effekt auch per Fuß aktiviert oder deaktiviert werden. Ein entsprechender Schalter liegt dem Combo nicht bei, sondern muss separat erworben werden.

Das Gehäuse des Combos ist mit den Abmessungen von 427 x 435 x 235 mm (B x H x T) angenehm handlich, mit einem Gewicht von 11,5 kg vergleichsweise leicht. Die Verarbeitung ist tadellos, Unsauberkeiten bei Kanten, Ecken oder Übergängen konnten nicht gefunden werden. Auf der Rückseite des Gehäuses befindet sich zudem ein serieller FX-Loop und ein zusätzlicher Lautsprecherausgang, der nach einer Impedanz zwischen 8 – 16 Ohm verlangt. Wird dieser Eingang belegt, wird der interne Lautsprecher deaktiviert. Eine sehr sinnvolle Einrichtung, kann man doch in der Praxis schnell entscheiden, ob der intern verbaute Lautsprecher für die Show ausreicht oder ob man auf ein externes Cabinet mit 2 oder 4 Lautsprechern wechseln soll.

Das Netzkabel ist fest verbaut und wird in bester Fender Combo Manier mit einem Klettband an der Seitenwand während des Transports fixiert, damit der herumfliegende Netzstecker nicht versehentlich die Membran des Lautsprechers beschädigt.

Harley Benton TUBE15 Celestion, Rückseite

Harley Benton Comboverstärker – In der Praxis

Nun denn, was erwartet man von einem einkanaligen Vollröhrencombo? Zunächst einmal sollte der Amp 2 Gain Bereiche abdecken, als da wären einen ordentlichen Clean-Sound, der auch in höheren Lautstärken unverzerrt bleiben sollte oder einen guten Crunch-Sound, der ordentlich am Volume-Regler der Gitarre hängt. Warum ausgerechnet diese beiden Sounds?

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Natürlich kann man auch als Gitarrist eine ganze Show über einen und den gleichen Sound spielen, was sich aber losgelöst von der Funktion als Rhythmusgitarrist in einer Reggae-Band als recht eintönig erweist. Hat man aber einen stabilen cleanen Sound, möglichst mit einer guten Anschlagsdynamik, kann man mit 2 Pedalen, z. B. einem Overdrive- und einem Distortion-Pedal ruck zuck aus seinem Amp einen Dreikanaler machen. Verfügt man über ein sehr gutes Distortion-Pedal, reicht sogar ein einziges Pedal, da man mit dem Volume-Regler der Gitarre seinen Overdrive-Sound ebenfalls umsetzen kann.

Auf der anderen Seite sorgt ein guter Crunch-Sound, der vom Amp erzeugt wird, bei zurückgedrehtem Volume-Regler an der Gitarre für einen mehr oder minder unverzerrten cleanen Sound und kann mittels eines Boosters oder Overdrives wiederum zu einem Dreikanaler erweitert werden. Zudem geben sich viele einkanalige Amps deutlich charakterstärker im Grundklang als hochgezüchtete Mehrkanaler, die für sich genommen im ersten Augenblick akustisch mehr überzeugen, sich im Bandkontext aber deutlich schlechter durchsetzen.

Schauen wir uns also zunächst einmal den cleanen Sound des Amps an. Zwei Punkte springen einem schon bei den ersten Tönen geradezu ins Gehör. Zum einen besitzt der Harley Benton TUBE15 Celestion für eine offene Combo einen unglaublich hohen Bassanteil. Ein durchaus nützliches Feature, muss man doch bei den meisten Combos den Bassregler ständig auf Anschlag halten, um die nach hinten „verlorene“ Abstrahlungsenergie aufzufangen.

Zum Zweiten hat Harley Benton wirklich gut daran getan, dem kleinen Combo einen Markenlautsprecher zu spendieren. Der Seventy 80 mag nicht unbedingt jedermanns Liebling aus dem Hause Celestion sein, aber gerade wenn es darum geht, die zuweilen etwas spröde anmutenden Sounds aus der Dekade der Siebziger umzusetzen, hinterlässt der Lautsprecher eine ausgezeichnete Figur. Die latent höhenreiche Wiedergabe passt sehr gut zu den stets dezent nasal klingenden Produktionen seiner Zeit und lassen Classic-Rock-Produktionen der Plexi-Ära mit kleinem Besteck recht nahe kommen. Wie oft habe ich schon erlebt, dass in der Combo Einsteigerklasse auf billigste Pappen gesetzt wurde, die teilweise gute Verstärkerkonzepte in einem quäkenden, beißenden Klang erstickten. Natürlich kann man bei diesem Bauteil die meisten Produktionskosten einsparen, aber so klingt das Ganze dann im Endeffekt auch.

Die Klangbeispiele wurden mit einer Strat Texas Special von 1994 und einer Les Paul Standard von 2014 aufgenommen. Man hört sehr schön, wie extrem unterschiedlich der Amp auf die unterschiedlichen Bauweisen der Protagonisten reagiert. Einem Vollröhrencombo entsprechend wird der Sound (glücklicherweise) niemals „Transistor-Clean“, kann aber unter Zuhilfenahme des Volume-Reglers sehr clean gefahren werden. Der Sound ist eigenständig, setzt sich sehr gut durch und funktioniert erwartungsgemäß hervorragend mit verschiedenen Distortion-Pedalen.

Ebenso überzeugend kommt der Crunch-Bereich daher, in dem auch der Celestion Lautsprecher seine Stärken einsetzen kann. Bis ca. 12 Uhr im Master-Bereich liefert der Combo einen stabilen, sehr dynamischen Sound, ab diesem Bereich schmiert der Combo langsam in den Sag-Bereich ab. Was am Anfang noch seinen Reiz hat, gerät schnell in ein Fuzz-artiges Röcheln über, was im Avantgarde-Bereich bestimmt seine Freunde findet, mir persönlich aber etwas zu „fuzzy“ war.

Dreht man den Gain-Regler auf Anschlag, muss man aufpassen, dass sich der Klang nicht zu stark ins „Beißende“ oder „Matschige“ bewegt. Dem Ersten kann man unter Einbußen von etwas Frische mit dem Tone-Regler zu Leibe rücken, dem Zweiten nur mit der entsprechenden Tonabnehmerwahl. Gerade in den stärkeren Gain-Bereichen hört man dem Combo seine EL84 Endröhren an, die in diesem Bereich gerne etwas spitz klingen und in Sachen Hub und Kompression gegenüber den größeren Kollegen aus der EL34- oder 6L6-Abteilung etwas das Nachsehen haben. Dafür gehen sie früher in die Sättigung und erlauben auch bei kleinen Club-Shows eine stets dezente Endstufensättigung, während die großen Flaschen versuchen, ihre 50 Watt oder mehr ohne FOH-Schimpftiraden unter das Volk zu bekommen.

Harley Benton TUBE15 Celestion Leistungswahlschalter

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Fazit

Mit dem Harley Benton TUBE15 Celestion schafft es die Thomann Hausmarke, sehr viel Vollröhrenkultur aus einem sehr kleinen Geldbeutelinhalt zu schöpfen. Der Combo ist tadellos verarbeitet und bietet für unter 230 Euro sehr viele Einstellungsmerkmale, die einen Vollröhreneinkanaler so beliebt machen. In Verbindung mit den richtigen Pedalen lassen sich problemlos drei gute bis sehr gute Sounds generieren, so dass man mit einem zusätzlichen kleinen Pedalboard und entsprechender Spielkultur einen ganzen Abend klanglich interessant gestalten kann.

Plus

  • Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Verarbeitung
  • Klang

Preis

  • 229,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    kinsast

    Vielleicht könnte man noch anmerken dass wir es hier mit einer rebadged Kopie des Laney Cub12 zu tun haben (auch zu haben als Monoprice 15W combo)……

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @kinsast Danke für den Hinweis, den Laney gibt es auch in einer weniger empfindlichen Farbe.

    • Profilbild
      El Pony

      @kinsast Wobei der Cub 12 R keinen Speaker von Celestion verbaut hat und über die digitale Emulation einer Hallspirale verfügt. Ich erwähne das ohne Wertung, sondern der Vollständigkeit halber.

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