Wie glaubwürdig ist ein günstiger Simulant?
Elektrische Gitarren direkt aufzunehmen, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die aufwendige Mikrofonierung eines Verstärkers bzw. dessen Lautsprechers und der damit verbundene Lärm sind lästige Kleinigkeiten, die man mit einer Loadbox und diversen und auch oft mit Effekten bestückten Plugins sicherlich leichter hinbekommt und dabei oft sehr gute klangliche Ergebnisse erhält, die man, sofern überhaupt, inzwischen kaum von einer Abnahme mit einem Mikrofon unterscheiden kann, da die Verwendung von Impulsantworten (IRs) im Allgemeinen sehr hochklassige Ergebnisse garantiert. Der Joyo Preamp House R-15 ist ein günstiger Kandidat, um schnell und einfach mehr als brauchbare Ergebnisse in die DAW zu bekommen. Schauen wir uns an, was der Testkandidat zu bieten hat:
Joyo Preamp House R-15 – Impulse Responses
Die Elektronik des Joyo Preamp House R-15 wurde in einem stabilen Metallgehäuse mit den Abmessungen 130 x 110 x 50 mm (B x T x H) untergebracht. Das Pedal macht einen soliden und wertigen Eindruck und wiegt 450 g. Die Bedienelemente wie die Knöpfe, Schalter, Buchsen und Potis sind von guter Qualität. Der Joyo Preamp House R-15 bietet neun integrierte Preamps mit insgesamt 18 Preamp-Simulationen, da jedes Verstärkermodell jeweils über einen Clean- und Distortion-Kanal verfügt. Die Umschaltung erfolgt dank Relaissteuerung geräuschlos. Die Stromaufnahme des Testobjekts beläuft sich auf 320 mA, die Stromversorgung erfolgt über ein 9 V DC-Netzteil (Hohlstecker Buchse 5,5 x 2,1 mm, Minuspol innen), das nicht im Lieferumfang enthalten ist. Versorgt man das Pedal mit einem zu schwachen Netzteil, hört man am Ausgang nur ein pumpendes Brummen und erhält kein brauchbares Ausgangssignal, deswegen ist ein entsprechend leistungsfähiges Netzteil Pflicht. Digital arbeitende Pedale haben naturgemäß etwas mehr Stromhunger als analoge Effektpedale. Der Batteriebetrieb wird nicht unterstützt und wäre auch sinnfrei bei der doch nicht ganz geringen Stromaufnahme des Pedals.
Der Joyo Preamp House R-15 besitzt vier 6,3 mm Klinkenbuchsen, wobei zwei als Ein- und Ausgang für die Instrumentenkabel fungieren. Erfreulicherweise wurde dem Joyo Preamp House R-15 ein Einschleifweg (Send & Return: 2x 6,3 mm Klinke) spendiert, man kann also auch die eigenen Fußtreter (Modulationseffekte, Delay, Hall, etc.) oder auch „19-Zoller“ einschleifen, um diese gleich mit Effekten aufzunehmen. Möchte man auch seine gewohnten und bevorzugten Lieblingsverzerrerpedale anschließen, sollten diese natürlich vor dem Eingang des Joyo Preamps in der Signalkette platziert werden. Durch den symmetrischen XLR-Ausgang kann das Signal an die DAW oder ein Mischpult geschickt werden. Um das Gerät zum Üben zu benutzen, lässt sich das Ausgangssignal auch über den Kopfhörerausgang: (3,5 mm Miniklinke) abhören.
Regler & Bedienelemente des Loadbox Pedals
Die beiden Fußtaster (Relaissteuerung) schalten zwischen einem klaren Sound (A) und der verzerrten Sektion der Verstärkersimulation um. Der jeweilige Schaltungszustand wird durch das Aufleuchten der orangenen Leuchtdioden angezeigt. Auch an der Front und Stirnseite des Pedals ist eine orangefarbene Beleuchtung zu sehen, diese leuchtet permanent und verändert sich nicht.
Die sogenannte Tone Selection beinhaltet eine dreibandige Klangregelung (Bass, Mids, Treble). Mit dem Gain-Regler wird erwartungsgemäß der Grad der Sättigung im klaren Bereich bzw. der Verzerrung im verzerrten Kanal B justiert. Um die Ausgangslautstärke an den Eingang eines Wandlers, Verstärkers, Mischpult etc. anzupassen, wird der MASTER-Regler verwendet.
Sollten im Verbund mit den anderen Komponenten Brummschleifen auftreten, können diese durch Drücken des Groundlift-Tasters (Gnd/Lift) vermieden werden.
Die Cab-Simulation kann mittels des kleinen Minischalters in der Mitte des oberen Bereichs des Pedals entweder komplett ausgeschaltet werden (was in der Praxis wenig sinnvoll ist) oder bei Bedarf für den Klinkenausgang ausgeschaltet werden. Somit könnte man auch das Signal unbeeinflusst über den Klinkenausgang an einen Verstärker schicken und gleichzeitig mit dem XLR-Ausgang bei aktivierter Speaker-Simulation aufnehmen. Wenn Klinken- und XLR-Ausgang mit Lautsprechersimulation arbeiten, böte sich an, den XLR-Ausgang in die DAW und den Klinkenausgang beispielsweise zum Abhören in ein Mischpult zu schicken, um eventuell auftretende Latenzen bei der Aufnahme zu umgehen. Natürlich kann das Signal auch über einen angeschlossenen, mit Miniklinke bestückten Kopfhörer monitoriert werden.
Das folgende Diagramm zeigt noch einmal die Anschlussmöglichkeiten des Joyo-Preamps:
Nicht wirklich klar ist, wofür die Mini-USB-Schnittstelle angebracht wurde. Natürlich kann man das Pedal darüber mit einem Computer verbinden. Meine Vermutung wäre, über den Computer neue Impulsantworten für weitere Lautsprecherboxen in das Pedal zu laden, aber die Anleitung und eine Recherche im Netz konnten keine wirkliche Erklärung hierfür anbieten.
Das folgende Video zeigt einige Features des Pedals, hierbei wird jedoch lediglich ein Sound (EVH-3) eingesetzt:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Joyo Preamp House R-15 – Handling
Die Bedienung des Joyo Preamp House R-15 ist sehr intuitiv und entspricht dem Umgang mit gängigen Verstärkermodellen. Im Handumdrehen lässt sich der gesuchte Klang „zurechtschrauben“. Die Klangregelung greift sinnvoll ein und ermöglicht ein effektives „Toneshaping“. Am besten wählt man zuerst das passende Verstärkermodell aus, entscheidet sich für einen klaren oder verzerrten Klang und passt anschließend mit dem Gain-Regler den Grad der Sättigung und die Klangregelung an das gewünschte Ergebnis an.
So klingt der Joyo Preamo House R-15
Die Tabelle zeigt die neun nachgebildeten Verstärkermodelle. Hierbei wurden alle klassischen Modelle wie Fender, VOX, Marshall, Mesa Boogie, Peavey, ENGL, Orange und auch sogar aktuellere Boliden wie der der Friedman BE100 berücksichtigt:
Für die Klangbeispiele erfolgte die Aufnahme über den XLR-Ausgang, die Speaker-Simulation ist dabei natürlich aktiviert. Die drei Regler der Klangregelung befanden sich für den Test alle auf 12 h. Diese kann den Sound sicherlich nochmals sehr effektiv beeinflussen. Besonders in der stark verzerrten Abteilung wie beispielsweise dem Mesa Boogie Dual Rectifier kann insbesondere mit dem Absenken (Scoopen) der Mitten noch viel erreicht werden. Auch der klaren Fender- oder leicht angezerrten AC30-Simulation können noch etwas mehr perlige Höhen hinzugefügt werden, um den charakteristischen Sound herzustellen.
Das erste Klangbeispiel ist die Simulation eines Fender Twin Reverbs (hier mit US 65 TW bezeichnet), der in der klaren Abteilung natürlich besonders interessant und die Basis für viele Aufnahmen ist. Ich fügte in Logic etwas Hall dazu, da ein klarer Fender Ton danach verlangt. Ansonsten wurden keine Effekte hinzugefügt:
Die Qualität der Simulation ist erfreulich gut, da die perligen Höhen und der Frequenzgang und Klang eines cleanen Fender Amps schön zum Vorschein kommen. Der typisch „Fender-artige“ Ton wird ansprechend simuliert, man hat beim Einspielen durchaus das Gefühl, über einen klaren Fender Amp zu spielen. Auch die leichte typische Kompression ist wahrzunehmen und kann mit dem Gain-Regler noch etwas in die Sättigung gefahren werden.
Ein VOX AC-30 Verstärker entwickelt nach meinem Empfinden im leicht angezerrten Bereich seinen typischen und aussagekräftigsten Klang. Der „zweite Kanal“ ist hierbei aktiviert, der Gain-Regler stand auf ca. 9 h.
Auch mit der VOX AC30 Simulation kann man sehr zufrieden sein, da sie den typischen Frequenzgang dieses Modells glaubwürdig rüberbringt.
Von großer Wichtigkeit im Rockbereich ist natürlich auch eine Simulation eines Marshall Röhrenverstärkers. Wir hören die Marshall JCM 900 Simulation, die hier mit UK 900 bezeichnet wird.
Auch hier wurden der typische Frequenzgang und die gewisse Aggressivität gut emuliert, für die man Marshall Verstärker kennt und liebt. Der Gain-Regler stand auf 12 h, es wären also noch einige Reserven vorhanden, um dem Sound noch mehr Verzerrung zu entlocken.
Nun hören wir die EVH-3-Simulation:
Auch hier kann man im Frequenzgang und Verhalten eine Ähnlichkeit mit Van Halens Sound feststellen, wobei sich Eddies Ton sicher niemals in Perfektion kopieren ließe. Dafür sind auch noch ein entsprechender Halleffekt und ein recht kurzes Delay erforderlich, abgesehen von einem gelegentlich eingesetzten Phaser oder Flanger. Diese könnte man natürlich, soweit vorhanden, auch in den Effektweg einschleifen. Der Joyo Preamp House R-15 hat hier ja auch nur die Aufgabe, ausschließlich den Klang eines Verstärkers zu möglichst gut zu emulieren.
Da der Friedman Brown Eye 100 Verstärker sich langsam, aber stetig in die Bestenliste der begehrtesten Verstärker hochgearbeitet, wurde seine Emulation gleichfalls in das Pedal integriert. Hören wir nun die Simulation dieses Modells, auch hier kann man eindeutig große Parallelen zum Original feststellen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die „kleine Kiste“ eine Menge realitätsnahe Sounds bereithält und das direkte Aufnehmen sicherlich einfach und unkompliziert macht.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Stratocaster (SSH) – Joyo Preamp House R-15 – Apogee Duett – Mac mit Logic (etwas Hall hinzugefügt).
Klingt wirklich sehr gut. Das wäre bestimmt auch eine günstige Lösung für den gerade notwendigen Online-Unterricht. So muss man nicht immer mit Amp und Mikro arbeiten. Schade, dass man ihm kein Audio-over-USB spendiert hat.
Leider klingt der Joyo nur wie ein Simulant. Das schreibe ich nicht um der Firma Joyo Unrecht zu tun (ich habe 1 sehr gutes Pedal von Joyo), sondern zu warnen: in dieser Preisklasse gibt es heute keine wirklich gut klingende Simulanten. Gute Simulanten sind erst ab der 500 Euro-Grenze zu finden und sehr gute erst ab 1500 – siehe Kemper oder Fractal Audio.
@pootnik Die Kiste ist doch gar nicht für den professionellen Studio-Betrieb gedacht, aber zum Üben mit der DAW oder für die Schulband wird es wohl reichen.
Dem Designer von HB sollte mal jemand mitteilen, dass verchromte Plastikpotis ein No-Go sind, sowas kommt mir nicht aufs Board.
Profiler wie den Kemper würde ich nicht als Simulation/Emulation werten. ich habe neulich zum ersten Mal so ein Ding ausprobiert, sobald man an den Reglern dreht, hört man den Unterschied. Anscheinend ist so ein erstelltes Profil nur in einer bestimmten Regler-Stellung realistisch.
@pootnik Wenn man bedenkt, wie groß die klangliche Bandbreite eines Originals ist, wenn man dazu noch Lautsprecher, Mikrofon, Mikrofonposition und EQ am Mixer nimmt, bin ich mir nicht sicher, ob Du einen Blindtest bestehen würdest: Joyo vs. Original, aber natürlich ohne Dir vorher vorzuspielen, wie das Original klingt. Einfach zwei Sounds, und Du musst entscheiden, was das Original ist und was der Joyo.
Würdest Du? Ich nicht.
@bluebell Natürlich kann man auch einen Röhren-Verstärker so einstellen, dass er grausam klingt. Ich gehe aber von den Szenario aus: optimal eingestellter Röhren-Verstärker gegen optimal eingestellten Sumulanten. Meine Erfahrung (seit 1995) mit Simulanten macht mich sicher: Alle Simulanten unter 1000 euro werde ich in 1 Minute erkennen.
Es gibt sogar erfahrene Musiker, die Kemper oder AFX3 von Röhren unterscheiden können, und zwar im Blindtest. Da gibt es gute Videos von Andertons mit Chappers (Rob Chapman).
Hallo,
wollte um eine kleine Hilfe bitten.. Welches Netzteil benötigt das Joyo preamp house.. sie schreiben:
> Die Stromaufnahme des Testobjekts beläuft sich auf 320 mA, die Stromversorgung erfolgt über ein 9 V DC-Netzteil (Hohlstecker Buchse 5,5 x 2,1 mm, Minuspol innen), das nicht im Lieferumfang enthalten ist.
Habe bereits eines zurückschicken müssen.. wenn Sie so freundlich wären mir einen Anazon-Link zu posten, um weitere Verwechslungen zu vermeiden, wäre super..
Leider finde ich zu 320 mA nichts passendes
Danke im Voraus
Markus 👌
@McH1 Hallo, das Netzteil sollte mindestens 300 mA liefern können. Selbstverständlich kann ein Netzteil, was mehr Strom liefert (500mA oder mehr) den Job auch erledigen. Das Effektgerät zieht sich ja nur so viel Strom, wie es benötigt und sollte sowieso etwas überdimensioniert sein.