Polyphon, Hybrid und echt stark
Polyphoner Synthesizer mit analogen Filtern
Ein 6-stimmiger polyphoner Hybrid-Synthesizer? Analoge Filter und digitale Oszillatoren? Mit 3 verschiedenen wählbaren Filtern? Im Jahr 2012? Ja, sind die denn wahnsinnig?
Muss man wohl ein bisschen sein; Mutable Instruments – die französischen One-Man-Show von Olivier Gillet – hat es trotzdem getan. Basierend auf dem Design des monophonen Shruthi-1 ist die Ambika entstanden. Aus dem Shruthi-1 wurden die meisten Konzepte übernommen: alle digitalen Oszillatormodelle, die analogen Filter und die Idee, die Hardware in funktionale Blöcke zu teilen. Dummerweise (oder auch nicht) auch das Konzept, den Synthesizer als Selbstbaukit zu veröffentlichen. Zusammenlöten muss man ihn also selbst.
Ich habe zum Test einen Prototypen mit 3 Stimmen und SMR-4 Filtern zur Verfügung, der mir sofort ans Herz gewachsen ist. Dieser Artikel ist als Preview zu sehen, das Projekt ist noch in der Betaphase, der „Pioneers Run“ mit 25 Exemplaren ist verteilt und das Feedback wird ausgewertet und in Verbesserungen umgesetzt. Der eigentliche Start ist grob für Ende 2012 geplant. Noch kann man ihn also nicht ins Studio stellen, aber trotzdem schauen wir uns das Ganze ein bisschen näher an. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste.
Die Hardware des AMBIKA-Synthesizers
Die Ambika besteht aus einem Motherboard und bis zu 6 Voice-Cards. Das Motherboard beherbergt die Spannungsversorgung, den Hauptprozessor, die Ausgänge und die Bedienelemente. Auf der Rückseite gibt es neben dem Stecker für das externe Netzteil je einen MIDI Ein-/Ausgang, für jede Stimme einen festen Einzelausgang als 6,3mm Klinkenstecker, eine Monosumme (auch Klinke) und einen SD-Card Slot.
Als Bedienelemente gibt es 8 Potis, die um das zentrale 2x 40 Zeichen LCD angebracht sind sowie eine Reihe von 8 Tastern, um verschieden Menüs aufzurufen und einen Endlosdrehgeber mit Tastfunktion. Wer mag, kann sich auch noch einen Master-Lautstärkeregler einbauen, der aber ein bisschen unmotiviert dazwischengeworfen wirkt – ging wohl leider nicht anders beim Schaltungslayout.
Das Motherboard bietet auf der Unterseite 3 Steckplätze, in die jeweils 2 Voice-Cards übereinander gesteckt werden können. Jede Voice-Card beinhaltet einen kompletten monophonen Synthesizer mit einem Prozessor, der den digitalen Oszillator über einen A/D-Wandler in die analoge Welt schickt und die entsprechenden Steuerspannungen für das analoge Filter erzeugt. Und weil das alles noch nicht genug ist, gibt es gleich vom Start weg 3 verschiedene Voice-Boards mit 3 verschiedenen Filterdesigns.
Filterdesign & Voicecards
- SMR-4 Voice-Card mit dem leicht abgewandelten Schaltungsdesign aus dem Shruthi-1 SMR-4mk2 Filter Board. Dieses von Olivier Gillet selbst entwickelte 4-Pol Filter kommt ohne exotische Spezialchips aus, klingt warm, glockenklar, packt kräftig zu und hat eine wunderbar zu kontrollierende Resonanz, die so ziemlich alles zwischen einem schlichten Sinus und totalem Chaos hinbekommt.
- SVF Voice-Card – 2-Pol State Variable Multimode Filter, basierend auf dem SSM2164 Chip. Das Filter kann per Software zwischen Hochpass, Bandpass und Tiefpass umgeschaltet werden.
- 4P Voice-Card – klassisches 4-Pol State Variable Filter, basierend auf dem Filter Core des 4-Pol Mission Shruhti-1 Filterboards.
Die beiden State Variable Filter klingen wie ein SVF halt klingen muss: warm, sanft, liquid und nicht ganz so brutal wie das SMR-4. Die Voice-Cards lassen sich übrigens beliebig mischen – also 1 SMR-4 für den Bass und 5 SVF-Karten sind kein Problem.
Mutable Instruments bietet darüber hinaus Gehäuse aus klarem Acrylglas an, damit die Ambika nicht naggisch im Studio stehen muss – ein Punkt, der von vielen DIY Anbietern gerne ignoriert wird.
Die AMBIKA-Software
Die Software ist noch im Betastadium, das ist der Mutable Instruments übliche Euphemismus für einen Zustand, den andere sofort und bedenkenlos ausliefern würden und bemerkenswert stabil. Bei meinem Prototypen ist es mir bisher nicht gelungen, einen wirklichen Absturz hinzulegen. Neue Features oder Verbesserungen an der Oberfläche werden meist innerhalb von Tagen implementiert – vorbildlich. Ein Firmwareupdate funktioniert entweder über MIDI oder über die SD-Karte.
Fangen wir bei der doch gleich mal an: Die Ambika schluckt eine 2 GB (oder größer) SD-Card, um alle Daten darauf abzulegen. Speicher satt also. „Alle“ Daten meint hier dann auch wirklich alles, sämtliche Änderungen werden mit einem Versionssystem aufgezeichnet, man kann also immer wieder zurück – nie wieder verlorene Patches.
Handbuch
Wie immer bei Mutable Instruments gibt es ein Reference Manual auf der Mutable Instruments Website. Nur auf Englisch bisher, dafür aber auf den Punkt und gut verständlich.
Die Struktur des Mutable Instruments Ambika
Jetzt wird es ein bisschen kompliziert: der konzeptionelle Aufbau. Erst mal ein paar Definitionen:
- Ambika besteht auf der niedrigsten Ebene aus einer Voice, das ist die physikalische Voice-Card, die letztendlich den Sound produziert.
- Ein Patch ist die Summe aller Synthese-Parameter, die eine Voice spielen kann.
- Ein Part ist eine oder mehrere Voices, die als Gruppe zusammengefasst den gleichen Patch spielen. Jede der bis zu 6 Voices muss also einem Part zugewiesen werden, sonst hört man nichts. Jede beliebige Kombination ist hier möglich, nur dynamische Stimmenzuordnung geht nicht – aber welcher analoge Synthesizer kann das schon?
- Ein Program besteht aus einem Patch und damit zugehörigen Einstellungen des Arpeggiators und Sequencers.
- Ein Multi besteht aus 6 Programs, zusammen mit allen anderen Systemeinstellung – ein kompletter Snapshot der Ambika Konfiguration.
Die Ambika ist also ein 6-stimmiger polyphoner Synthesizer mit 6-fachem Multimode. Sämtliche Funktionen, um das zu konfigurieren, sind in einer übersichtlichen und konsistenten Menüführung zu erreichen, wie man das Ganze im Detail bedient, spare ich mir hier und verwende den Platz lieber, um die eigentliche Synthese näher zu beleuchten.
Die AMBIKA-Synthese
Ambika bietet auf jeder der 3 momentan erhältlichen Voice-Cards die selbe Syntheseengine:
2 identische Oszillatoren, ein Suboszillator, der auch als Transient Generator dienen kann, ein digitaler Mischer mit allerhand Schnickschnack, 4 LFOs, 3 Envelopes, eine Modulations-Matrix und dem analogen Part bestehend aus Filter (mit regelbarem Cutoff und Resonance (und Filtermode BP/HP/LP bei der SVF Voice-Card) und einem VCA.
Fangen wir vorne an – die Oszillatorenbieten nicht nur einfache Wellenformen an, sondern man kann zwischen verschiedenen algorithmisch erzeugten Oszillatormodellen wählen, die jeweils einen zusätzlichen (modulierbaren) Parameter haben als da wären:
- Sägezahn mit WaveShaper
- Rechteck mit Pulsbreitenmodulation
- Dreieck mit Waveshaper/Clipping
- Sinus mit Waveshaper/Clipping
- zsaw – PhaseDistorion à la Casio CZ (daher das z im Namen) bietet so ziemlich alles zwischen Sinus und „wenigprozent PWM“
- lpzsaw – wie zSaw mit digital simulierten LowPass Filter, Parameter beeinflusst die Resonanz
- pkzsaw – wie zSaw mit PeakFilter, Parameter beeinflusst die Resonanz
- bpzsaw – wie zSaw mit Bandpass, Parameter beeinflusst die Resonanz
- hpzsaw – wie zSaw mit Hochpass, , Parameter beeinflusst die Resonanz
- lpzpulse – Trapezwelle mit LowPass Filter – ziemlich LoFi
- pkzpulse…. ihr wisst schon
- bpzpulse
- hpzpulse
- ztriangle – erinnert an 2 hardsynced Oszillatoren, Parameter beeinflusst das Frequenzverhältnis
- pad – 4 verstimmte Sägezahnwellen
- fm – 2OP FM
- 8bits – algorithmisch durch bitweise Manipulation („Biscuiting“ à la OTO) einer Sägezahnwelle erzeugte 8 Bit Wellenformen
- pwm – Pulswelle wie aus einem Arduino Tutorial – eine Menge Aliasing, aber perfekt für Bässe
- noise – Parameter filtert so ziemlich jede Farbe
- vowel – low-tech Formant Synthese mit 14 Vokalen und 2 Konsonanten
- Wavetables – 17 Wavetables à la PPG oder MicroWave, quasi ein „Best Of“.
Wohlgemerkt sind das alles algorithmische Modelle, bei denen sich der Parameter per Modulationsmatrix mittels einer beliebigen Quelle modulieren lässt. Und von diesen Oszillatoren gibt es 2!
Der Suboszillatorbietet neben Rechteck, Dreieck und 25% Puls 1 oder 2 Oktaven unter Oszillator 1 alternativ die Möglichkeit, als Transient Generator à la Roland D-Serie folgende Sounds als Attack beizusteuern: Click, Glitch, Blow, Metal und Pop.
Das Ganze geht dann durch den (digitalen) Modulator/Mixer, der regelbar ist in Oszillatorbalance, Noisevolume (noch mal, nicht aus dem Oszillatoren), Suboszillatorvolume. Damit es nicht langweilig wird, kann man die Methode nach der die beiden Oszillatoren vermischt werden auswählen(sync, ring, xor, fold, bits) diese Crossmodulation auch noch über die Modulationsmatrix modulieren, ein bisschen Overdrive dazugeben und die Sample-Rate des Mixers reduzieren. Bis hier verläuft alles rein digital mit einer Auflösung von 8 Bit, das Oszillatorsignal wird dann mittels eines 12 Bit Digital-Analog-Wandlers in die real-analoge Welt übersetzt.
Insgesamt also subtraktive Synthese par excellence – eine Riesenmenge Krach wird erzeugt, der jetzt analog gefiltert wird.
Das Filterscheint gegen diese Funktionsvielfalt fast schon simpel, hat es aber, wie wir sehen/hören werden, klanglich faustdick hinter den Ohren: Cutoff, Resonance, Envelope 2 Amount und LFO2 Amount (und Filter Mode für den SVF) sind hier einstellbar. Die analogen Steuerspannungen für Resonanz und Filtereckfrequenz werden als 39 kHz Pulswelle mit einer 8 Bit Auflösung generiert und mit einem 1Pol-Filter geglättet. Hört sich von den Möglichkeiten nicht nach wahnsinnig viel an, aber keine Panik, das alles lässt sich wunderbar modulieren.
Womit wir beim Thema Modulatoren wären:
Pro Voice haben wir als erstes 3 ADSR Hüllkurven, die richtig knackig aber auch langatmig sein können (1 Millisekunde bis zu 12 Sekunden), dazu 4 LFOs. Die ersten drei LFOs sind global, das heißt, sie gelten für alle Voices eines Parts und lassen sich mit MIDI synchronisieren. Der vierte LFO ist lokal und auf die Voice beschränkt, also nicht synchronisierbar. Was sich zuerst als Einschränkung anhört, sofern man bei 4 LFOs überhaupt von Einschränkungen reden kann, ist der totale Glücksfall für Flächensounds, weil hier jede Stimme einen verschieden gestarteten LFO haben kann, der sich auch noch in der Rate modulieren lässt und so für extreme Lebendigkeit sorgt. Allen LFOs gemeinsam sind die Wellenformen, als da wären:
- tri – Dreieck
- sqr – Square
- s&h – Sample & Hold (Zufall)
- ramp – ansteigende Rampe. Oder halt abfallende, wenn man in der Modulationsmatrix einen negativen Wert zuweist.
- sine und 15 weitere spannende Wellenformen, die aus einer Wavetable ausgelesen werden. Wenn Wolfgang Palm das geahnt hätte!
Insgesamt also 20 mögliche Wellenformen für jeden LFO, zusätzlich lässt sich das alles zu Gott und der Welt (MIDI) synchronisieren und triggern.
Als wenn das nicht genug wäre, gibt es pro Part (also Gruppe von Voices) 3 Stepsequencer, 2 für Modulationszwecke über die Modulationsmatrix und einen mit Note-Pattern, alle mit bis zu 32 Steps, synchronisierbar und gegeneinander verschiebbar für polyrhythmische Spielereien. Das Ganze lässt sich auch zum Arpeggiatorumfunktionieren mit allen Patterns und Möglichkeiten, die man schon vom Shruthi-1 kennt. Nur ein Wort zum Thema Timing: tight.
Jede Modulationsquelle wird durch die Modulationsmatrix geroutet, diese arbeitet bipolar und verfügt über 14 Slots. Es gibt 25 Modulationsquellen, 19 Ziele und dazu 4 Modifier, um einzelne Quellen miteinander zu verwursten. Keine Angst, die wichtigsten Einstellung sind bei Initialisierung eines Sounds sinnvoll voreingestellt, so dass man nach Herzenslust modulieren kann – aber nicht muss.
Alle Modulationsquellen werden mit einer Refreshrate von 980 Hz berechnet, das reicht für 100 Hz bei den LFOs ohne all zu viel Aliasing bei „eckigen“ Wellenformen. Zum Vergleich, die meisten analogen Vintage-Synthesizer schaffen hier mit Mühe und Not 500 Hz, und das meist auch nur für wesentlich weniger Modulationsquellen. Wer mehr braucht, muss selber Hand an den gut dokumentierten Quelltext legen.
VCAund der ganze Rest
Nach dem Filter geht es noch durch den VCA – dessen analoge Steuerspannung ebenfalls durch den D/A-Wandler mit eine 8 Bit Auflösung generiert wird – an den Einzelausgängen für jede Voice-Card vorbei zum gemeinsamen Mono-Summenausgang. Das Ganze ist klassisch im 808-Style gelöst, nimmt man eine Stimme direkt per Einzelausgang ab, wird durch das Einstecken des Klinkensteckers diese Stimme aus der Summe genommen. Die Verteilung ins Stereopanorama mittels Mischpult und Effekten ist hier einem selbst überlassen – persönlich finde ich das besser, als ein fest verordnetes Stereobild.
Übrigens ist die Ambika – solange sie nicht zu anderem aufgefordert wird – ein bemerkenswert stilles Ding: die S/N Ratio liegt bei über 80dB, schöne Grüße an meinen JX-8P.
Der Sound
Man kann also erahnen, dass sich in diesem unscheinbaren Plexikästchen ein richtiges Synthesemonster verbirgt, das sich von seinem Möglichkeiten her vor eigentlich gar nichts Nichtmodularem verstecken muss. Falls es denn ordentlich klingt.
Und das tut es.
Von sahneweichen Pads und Standard-Analogsounds über Wavetabeliges bis zu völlig abgespaceten Digitalgebritzel ist alles drin, wen wundert’s bei den Oszillatoren. Dazu dann ein ordentlich zupackendes analoges Filter je nach Geschmack und fertig ist das Arbeitspferd im Studio. Die Ambika ist dermaßen flexibel, dass man sie eigentlich für alles einsetzen kann. Und wie klingt sie jetzt genau? Naja, meine mit dem SMR-4 Filterboard klingt wie ein Shruthi-1 mit SMR-4mk2 Filterboard, ein wenig sauberer und vielleicht im Bass einen Hauch dünner, was aber nichts macht – der Shruthi ist schon extrem fett und wäre polyphon dann doch zuviel des Guten.
Ich drücke mich extra vor einem „klingt wie …“, weil neben der Ähnlichkeit zu verschiedenen anderen Synthesizern, hat die Ambika etwas, was man heutzutage sehr selten findet: einen eigenen Charakter, den sie gerne zeigt, wenn man sie dazu auffordert.
https://soundcloud.com/mutable-instruments/an-arp-1?in=mutable-instruments/sets/mutable-instruments-ambika
DIY – alles nur zum Selberbauen?
Der Markt für einen polyphonen Analog- oder Hybridsynthesizer ist zu klein, als dass es sich für einen der BigPlayer lohnen würde, einen zu fabrizieren – sonst würden sie es tun. Man denke alleine an Entwicklung, Finanzierung der Produktion, Vertrieb, Wartung und die 10000 Vorgaben und Vorschriften, die man einhalten muss. Für einen Einzelunternehmer wäre das, ohne wie Dave Smith auf einem zunehmend kleiner werdenden Haufen der magischen CEM-Filterchips zu sitzen und über gewisse Bekanntheit zu verfügen, wirtschaftlicher Selbstmord. Also muss man die Hardware von der Ausführung her im einem Status halten, der normalerweise für Kleinstserien und Muster gewählt wird: Alle Komponenten sind Thru-Hole (werden also durch ein Loch in der Platine gesteckt) und von Hand zu löten. Außerdem kommt man so um die mannigfaltigen rechtlichen Vorschriften für elektronische Produkte herum.
Ambika wird es also fürs Erste nur als Bausatz geben können. Die Gretchenfrage ist nun: Traut man sich das zu?
Wie alle Mutable Instruments Synthesizer ist die Ambika eigentlich ein einfaches Projekt: Die Leiterplatten sind qualitativ top, die Teilelisten jetzt schon super gepflegt, sämtliche Teile entweder im Bausatz enthalten oder einfach bei den üblichen Verdächtigen zu beschaffen. Alle Designs und die Firmware sind OpenSource, man kann also – wenn man dann kann – alles bis in den letzten Winkel erforschen und nach Gusto verändern. Der Support bei Problemen durch das Mutable Instruments Forum ist einzigartig, Probleme sind meist innerhalb von Stunden gelöst und die Bauanleitungen sind superdetailliert und vorbildlich, allerdings bislang nur auf Englisch.
Es ist trotzdem ein Riesenprojekt mit sehr vielen Teilen. Vollbestückt mit 6 Voice-Cards muss man sich gefühlt durch eine Fußballfeld-große Fläche arbeiten. Für Anfänger ist das deshalb nicht unbedingt geeignet, obwohl es ein prinzipiell einfach zu bauendes Projekt ist. Vielleicht fängt man ja mit einem Shruthi-1 an? Der kann nachgewiesenermaßen von absoluten Anfängern montiert werden, die gerade einmal die heiße von der kalten Seite des Lötkolbens unterscheiden konnten. Aber Vorsicht: DIY macht süchtig!
OPEN SOURCE
Hard- und Software sind bei Mutable Instruments immer Open Source und stehen – sofern nichts anderes erwähnt ist – unter der CC-by-SA 3.0 Lizenz. Der komplette – wunderbar kommentierte – SourceCode, alle Schaltpläne und sogar die dazugehörigen EAGLE Dateien finden sich im Github Repository. Was bedeutet das? Für Otto Normalkeyboarder wahrscheinlich gar nichts, für den weitergehend Interessierten sind alle Informationen bis in den kleinsten Winkel hinein dokumentiert, abrufbar, veränderbar und für die private Nutzung kostenlos! Wer will, lädt sich also die Dateien herunter, lässt sich eigene Leiterplatten fertigen und kompiliert die Firmware selbst. Mehr Selbstbau geht dann wirklich nur noch, wenn man auch noch alles selber konstruiert. Man frage mal bei Access nach, ob man mal einen Blick auf den SourceCode vom Virus werfen darf.
Anstelle sich also zu grämen, dass man die Ambika selbst bauen muss, sollte man sich freuen, dass es endlich frischen Wind in der Synthesizerwelt gibt.
Ein kleiner Ausblick
Gegenwärtig gibt es „nur“ 3 verschiedene Voice-Cards, aber das Ambika Konzept gibt noch viel mehr her. Prinzipiell sind natürlich andere Filtertypen denkbar, aber eine Voice-Card enthält halt eine komplette Synthesizerstimme – also sind auch andere Syntheseformen machbar. Gerüchteweise wird von Seiten Mutable Instruments über eine Drum Voice-Card nachgedacht, eine FM-Voice-Card ist ebenso denkbar. Der Phantasie sind hier wohl kaum Grenzen gesetzt und Ambika bleibt sicherlich auch die nächsten Jahre spannend. Und genauso, wie es niemals einen polyphonen Mutable Instruments Synthesizer geben wird (diese Aussage vom Meister selbst ist grad mal 20 Monate alt), wird es wahrscheinlich auch nie einen Factory-made Ambika geben – einfach mal abwarten.
Preis
Was kostet der Spaß? Schwer zu sagen, da noch nicht ganz klar ist, in welcher Form die Bausätze kommen. Für die Variante PCB + Chips + Rare Parts (also ohne Widerstände und Kondensatoren, die einfach zu beschaffen, aber teuer zu sortieren sind) scheint ein Preis von etwa 300,- Euro für ein Bundle, bestehend aus Motherboard und einer Voice-Card und etwa 70,- Euro für eine Voice-Card möglich, das Acrylgehäuse wird wohl bei knapp 90,- Euro landen. Wohlgemerkt kann sich der Preis noch erheblich je nach Umfang des Bausatzes ändern, dies ist also eher eine grobe Richtung als der Endpreis.
Der Mutable Instruments Ambika on YouTube
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Sehr guter Text, Frank!
Einzig an den stellen, wo es um die A/D Wandlung geht, glaube ich, dass nicht-DIY-ler da nicht so gut mitkommen.
„Bis hier verläuft alles rein digital mit einer Auflösung von 8 Bit, das Oszillatorsignal wird dann mittels eines 12 Bit Digital-Analog-Wandlers in die real-analoge Welt übersetzt.“
Das ist noch gut verständlich.
„Die analogen Steuerspannungen für Resonanz und Filtereckfrequenz werden als 39 kHz Pulswelle mit einer 8 Bit Auflösung generiert und mit einem 1Pol-Filter geglättet.“ Um das zu versteht muss man wissen, was PWM-Wandlung ist, glaube ich.
Beim VCA: „…ebenfalls durch den D/A-Wandler mit eine 8 Bit Auflösung generiert wird…“
Hier gehst du garnichtmehr darauf ein, wie genau gewandelt wird.
…sind aber Feinheiten. Ansonsten wie gesagt: super Text. Kann deiner Meinung nur zustimmen.
@loderbast Dann machen wirs mal ganz genau:
Das Oszillatorsignal – also das was man letztendlich hört – und die Steuerspannung für den VCA werden durch einen MCP4822 Dual 12 Bit A/D Wandler erzeugt (Datenblatt hier http://ww1.microchip.com/downloads/en/devicedoc/21953a.pdf). Da der verwendete ATMega 328p ein 8 Bit Prozessor ist mit einer Auflösung von 8 Bit, die niedrigwertigsten 4 Bit werden einfach ignoriert – ein oder 2 Bit Auflösung würden sowieso im Rauschen untergehen.
Da kein zweiter A/D Wandler angesteuert werden kann werden die beiden anderen nötigen Steuerspannungen digital erzeugt, indem mit einer Frequenz bis zu 39kHz ein Ausgangspin einfach ein oder ausgeschaltet – also gepulst – wird. Zeitlich gemittelt betrachtet kann man auf diese Art auch eine Veränderliche Spannung erzeugen, um genau das zu erreichen verwendet man den 1Pol Filter, der zum einen diese zeitliche Mitteilung bringt (durch den Kondensator C12 und C14 beim SMR-4) zum anderen dafür sorgt dass hochfrequente Anteile der 39Khz Trägerwelle eliminiert werden. Nebenbei bemerkt, beim Shruthi-1 werden alle Steuerspannungen und auch das Oszillatorsignal per Pulswelle erzeugt, so kommt immer ein bisschen mehr „Dreck“ mit rüber. Der D/A Wandler ist also mit ein Grund dafür dass die Ambika ein bisschen sauberer und edler klingt.
Der klingt ja mal richtig gut !!!!!
Super Klangbeispiele, danke für den Verzicht auf Effekte!
Interessantes Projekt; die Audiobeispiele klingen schon sehr vielversprechend.
Haben die „Big player“ kein Interesse an gutklingenden Instrumenten?
@ukm Offensichtlich nicht ;-)
Manchmal habe ich die Vermutung dass da das wissen um analoge Schaltungen einfach mit Einführung der Digitaltechnik komplett ausradiert wurde, ähnlich wie bei den komplett aus Holz gefertigten Windmühlen mit Einführung der Dampfkraft…..
Jetzt muss ich nur noch jemanden finden, der mir die Kiste zusammenbaut…
@boboter Ich hab schon jemanden im Auge: Dich!
Fang einfach mit irgendwas einfachem an (irgendwas was blinkt und Krach macht), dann einen Shruthi-1 bauen und wenn man das geschafft hat ist man nur noch durch etwas Arbeitsdisziplin von einer Ambika getrennt.
@f.daniels Schon klar. Wenn ich da halbwegs bewandert wäre, würde ich das auch versuchen. Aber in der Realität möchte ich meine Freizeit doch lieber zum Musik Machen als zum Basteln verwenden. Das ist in dem Fall natürlich super schade, aber der Aufwand ist einfach zu groß.
Falls zufällig jemand Lust hat, das Ding im Auftrag zusammenzubauen, bitte melden.
@boboter Also für einen Shruthi brauchst du als absoluten Anfänger 2 Abende, einen einfachen Lötkolben, einen kleinen Seitenschneider, einen normalen Schraubendreher und 175€. Versuchs doch einfach – wenn was schiefgeht schick mir ne eMail.
@boboter Hab´ ich durch Zufall entdeckt, gilt jedoch (vorerst) nur für den Shruti:
http://www.tubeohm.com/TubeOhm/Shruthi.html
Es ist schon reichlich absurd, dass dieses Teil den Bastlern und Idealisten vorenthalten wird!
Muss man denn jetzt zum Elektronik-Freak mutieren?
Nein, man muss natürlich nicht, denn selbstgemachte Marmelade schmeckt zwar auch besser, aber deswegen stelle ich mich auch nicht an den Kochtopf.
Man bedenke, dass nicht jeder so viel Zeit – und somit – Kapital hat, um sich das leisten zu können.
Vielen Dank auch an alle Verfechter der „500€ Obergrenze für Musikinstrumente“, die mit dazu beigetragen haben, dass sich kaum ein Hersteller mehr wagt, vollwertige und innovative Instrumente wie der Ambika auf den Markt zu bringen.
Sehr guter Testbericht! Das Teil scheint endlich mal wieder was für lange Winterabende zu sein, die man allein schon mit der Klangforschung verbringen könnte. Auch ich finde es ein bisschen Schade, dass man das alles selbst zusammenbasteln muss, denn wenn man das vorher noch nie gemacht hast, überlegt man sich zwei mal, ob man vielleicht 600 € in Rauch aufgehen lässt.
Vielleicht fängst du mit einem Shruthi-1 an? Der hat fast die gleiche Synthese Engine und ist an einem (zwei) Abenden zu machen. Falls du Fragen hast, schick misch Mail!
@f.daniels Obwohl es ja jetzt diese Liste gibt, werd ich mich trotzdem mal in knapp 4 bis 5 Wochen trauen, einen Shruti zusammen zu dängeln. Entweder schreib ich dann eine verzweifelte Mail, wenn es nicht geklappt hat, oder ich schicke ein Foto von dem fertigen Biest!
Ich schließe mich den NICHT-Bastlern an, ich finde das Gerät sehr originell und gut klingend… Wenigstens ne VST- Not Lösung könnte doch auf den Markt gebracht werden….
@Moselbeatz Das geht mal 100% am Ansatz der Ambika vorbei; Ambika klingt wie sie klingt gerade weil sie analoge Filter hat.
Das wird nicht im Computer zu simulieren sein.
Falls Du anderer Meinung bist: den Sourceode gibt’s hier: https://github.com/pichenettes/ambika , einfach den Code für die Synthese übernehmen und die Filter-Emulation deiner Wahl dranfrickeln ;-)
@ filterfunk
„Vielen Dank auch an alle Verfechter der „500€ Obergrenze für Musikinstrumente“, die mit dazu beigetragen haben, dass sich kaum ein Hersteller mehr wagt, vollwertige und innovative Instrumente wie der Ambika auf den Markt zu bringen. “
Bedanke dich bei unseren (EU-)Politikern. Wie im Bericht schon angedeutet, beschränkt sich die Arbeit und das Risiko für einen Kleinunternehmer bei der Produktion so eines Gerätes nicht auf Herstellung und Lagerhaltung. Als fertiges Gerät müsste der Synth z.B. ein CE-Prüfsiegel tragen – die Prüfung kostet mal eben ein paar Tausender. Es müssten seitens des Herstellers Nachweise geführt werden von Rücknahme/Recycling bis hin zur Verwendung von bleifreiem Lötzinn. Netzteil dabei? VDE-Vorschriften/Prüfung! Bei Export in bestimmte Länder muss noch beachtet werden, ob bestimmte Bauteile evtl. einem Exportverbot (Kriegswaffen!) unterliegen und alles mögliche andere Bizarre. Für Kleinunternehmer ist das alles kaum zu schaffen (soll es wahrscheinlich auch nicht). In D kommen dann noch Gewährleistung, Rücknahme, Fernabsatzgesetz und alle möglichen Abmahnrisiko-Internetregularien dazu.
Viel Spaß……
„Es ist schon reichlich absurd, dass dieses Teil den Bastlern und Idealisten vorenthalten wird!“
Sollte wohl „vorbehalten“ heißen….
Von der Stange kaufen kann man ja die Novations, Korgs etc. Hier gilt halt „ohne Fleiß kein Preis“ ;-)
Servus Wok,
die Problematik mit den gesetzlichen Bestimmungen, und sonstigen Hürden, um einen Synth auf den Markt zu bringen sind bereits im Bericht erläutert worden.
Darüber zu jammern bringt nichts, es ist nun halt mal so.
Wenn es zahlungswillige Kunden gäbe (ich sage bewusst nicht „zahlungskräftige“), wäre dass alles kein Problem.
Aber die Mehrzahl schraubt halt lieber für kleines Geld am Rechner.
Hauptsächlich deshalb sind Synths aus der öffentlichen Wahrnehmung als Instrument weitestgehend verschwunden, und der masseninkompatible DIY- Ansatz wird sicherlich nicht dazu beitragen, dass dies sich ändern wird.
Ich finde DIY zwar irgendwie cool.
Aber der Ansatz, aus jedem Interessenten oder Musiker zwangsläufig einen Elektronik-Bastler zu machen ist absolut lächerlich und unrealistisch.
Das Interesse der überwiegenden Mehrheit an Musikinteressierten gilt den Musikern, die zwar mit einer sehr eingeschrängten Tonerzeugung hantieren, aber ihre Hardware, und der Umgang damit, maßgeblichen Anteil ihrer Rockstar-Aura hat: Den Gitarristen.
Klingelt’s, oder sind wir so der Rolle der Außenseiter und Sonderlinge verfallen, dass uns dass zufrieden stellt?
Für alle die gerne ein Mutable Instruments Synth hätten aber sich nicht trauen selber einen zu bauen:
Im MI-Forum gibt es seit gestern eine Liste von „Trusted Builders“ also Leuten denen Mutable Instruments vertraut euren Synth ordnungsgemäss zusammenzubauen und einzustellen:
http://mutable-instruments.net/forum/discussion/2142/mutable-instruments-trusted-builders-list#Item_9
@f.daniels Die beste Info des Monats (was Synthies anbelangt)! Danke!
Habe bereits 2 Shruthi-1 und ein MIDIpal erfolgreich gebrutzelt. Für mich ist die Bastelarbeit weniger eine Strafe als eher noch ein zusätzlicher Spaß ;-). Durch den open hardware und open software Ansatz sind persönliche Anpassungen möglich wie ich sie mir bei meinen „Industrie“-Synths sehr wünschen würde.
Der erste Run Ambika ist *jetzt* erhältlich. Aber husch husch, es gibt nur 100 Stück (fürs erste…)
Super Test – wie wahrscheinlich die meisten Leser des Artikels war ich sehr interessiert an dem Teil aber zugleich auch abgeschreckt wegen des Aufwands. Mir fehlten jegliche Erfahrungen beim Selbstbau. Also habe ich mich erst einmal an den kleinen Shruthi gewagt. Der Schrecken nach dem Auspacken der vielen Einzelteile ist relativ schnell verflogen und das fertige Baby überraschte mich mit einem Supersound! Also sofort die Ambika bestellt und ehrlich gesagt war der „Aufbau des Großen“ mit 6 SMR4 Voicecards dann auch kein Problem mehr. Das Forum war bei Fragen immer sehr schnell und kompetent zur Hilfe. Im Gegensatz zur Marmelade ist das Gerät irgendwann fertig und kann danach immer wieder benutzt werden. Leider ist es aber so, dass DIY tatsächlich süchtig macht, so dass es dann doch immer weiter geht mit dem Selbstbau. Bin schon dabei:-)
So sub phatty, king korg, mini ms20 oder wie sie alle heissen die Langweiler: Shruti ist bestellt!
Sehr cooler sound, auch der Ansatz ist hochinteressant. Das Löten wird auch klappen, ist ja keine „rocket science“ ;-)
Da man ja keine PM’s mehr verschicken kann, muss ich den Hinweis wohl hier posten:
Der Ambika ist kein Vintage Synthesizer, aber trotzdem habt ihr nach der Neugestaltung von Amazona hierhin geschoben…