Plug-In Suite für harte Jungs
Mit der Archetype Abasi Plug-In Suite bringt der Hersteller Neural DSP den Sound des Shooting-Stars der Progressive-Metal-Szene Tosin Abasi auf den heimischen PC oder Mac. Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe, die sich der Hersteller da aufgeladen hat, andererseits ist Neural DSP für qualitativ und klanglich hochwertigste Plug-Ins bekannt. Also packen wir das Baby mal aus. Virtuell natürlich, denn der Computerprofi lässt auspacken …
Ein Blick auf die Plug-In Suite Archetype Abasi
Die Installation der Software für Gitarristen birgt keine Überraschungen oder Probleme, die Software installiert sich als Standalone-Version und/oder als Plugin. Da die DAW, in meinem Fall Cubase 11, die VST-Plugins bei jedem Start scannt, wird Archetype Abasi dementsprechend auch sofort in den Inserts angezeigt und kann verwendet werden. Die Standalone-Version übernimmt die Standard-Einstellungen des Rechners bezüglich der Soundkarte und so kann auch hier der Spaß direkt beginnen. Die Aktivierung der Software-Lizenz erfolgt über den iLok-License-Manager. Zum Testen kann man sich eine 14-tägig gültige Testversion laden und bei Interesse einfach später kaufen und aktivieren. Bei Start der Plug-In Suite erscheint ein nahezu bildschirmfüllender Amp, mit Hilfe des Skalierungs-Buttons unten rechts können, je nach Bildschirmauflösung, 2 oder 3 unterschiedliche Größen gewählt werden, so dass man auch bei laufender DAW noch den Überblick behält.
Im oberen Bereich des Fensters finden wir 5 Symbole, die von links nach rechts die Signalkette darstellen. Ganz links befindet sich die Schaltfläche für die beiden Stomp-Boxes, gefolgt von einem der drei Amps. Der Verstärkersektion nachgeschaltet ist ein grafischer Equalizer, die Cab-Section mit der Speaker-Simulation sowie die nachgeschalteten zeitbasierten Effekte. In der Plugin-Version werden im oberen Teil des Fensters zusätzlich die Spureinstellungen angezeigt, so kann hier zum Beispiel das Plugin aus der Signalkette genommen oder die Automationsdaten aufgezeichnet werden. So weit, so übersichtlich.
Die nächste Zeile der Plug-In Suite ist von den Systemparametern bestimmt. Hier finden wir den Input-Level-Regler, das Noisegate, beim Plugin die Möglichkeit, die Software eingangsseitig schon stereo zu betreiben, die Qualität (niedriges Oversampling kann Prozessorlast reduzieren), den Sound-Browser sowie den Output-Regler. Unterhalb des liebevoll gestalteten Amps erscheinen links die Einstellungsoptionen der Software, Zugriff auf die MIDI-Funktionen, der Schalter für den Tuner und ein Metronom. Ersteres und letzteres fehlen beim Plugin. Beim Tuner ist anzumerken, dass ich weder gut in Tetris war, noch einen ausreichenden Spieltrieb habe, einen zappeligen Ball mittels Mechanik in ein Loch zu befördern. In der Mitte unten kann man aus einem der drei Amps auswählen, von links nach rechts von clean nach Highgain. Wobei da nichts wirklich unmöglich ist, wie wir nachher noch sehen werden.
Was bringt denn die Plug-In Suite nun so alles mit?
Stomp Boxes, Amp-Simulationen, Dreiband EQ
Beginnen wir links oben bei den Stomp-Boxes. Zwei Stück stehen zur Auswahl, hier ist also offenbar Klasse statt Masse angesagt. Beim blauen Logos-Treter handelt es sich um einen Compressor, der graue Pathos dagegen bedient die Freunde des Boosters bzw. Distortion-Pedals. Vor allem Pathos erweist sich als wunderbar flexibler Allround-Zerrer, der von angezerrt bis Highgain alles zu liefern im Stande ist. Die erste der drei Amp-Simulationen ist stylisch in schwarz und mit offenen Röhren designt und ist der Kollege für die cleanen Sounds. Die Regler sind grundsätzlich bei allen drei Amps gleich, deshalb hier stellvertretend und in Kürze: In der Input-Sektion gibt’s je einen Low-Boost. und einen Bright-Boost-Switch fürs Preshaping des Sounds. Es folgt der Gain-Regler, ein Dreiband-EQ, der Master-Volume des Amps und der Level-Regler der Amp-Sektion, um gegebenenfalls Lautstärkeunterschiede zwischen verschiedenen Presets auszugleichen. Einzig der cleane Amp hat einen zusätzlichen Blend-Regler, der das Direktsignal der Gitarre zumischt und so einen piezo-artigen Sound erzeugen soll. Der folgende Slot enthält immer den zum Amp passenden grafischen 9-Band-Equalizer. Die Cab-Simulation enthält ein 4×12″ Cabinet, das von maximal 2 frei wählbaren Mikrofonen abgenommen wird. Die Position der Mikros kann dabei verändert und das Mischungsverhältnis angepasst werden. Außerdem können die Mikrosignale gepannt und in der Phase gedreht werden. Wer eigene IRs auf seinem Rechner gespeichert hat, kann diese hier auch anwenden, die Load-Funktion befindet sich im Dropdown-Menü der Mikrofonauswahl. Abschließend folgen in der Signalkette die beiden Pedale für Delay und Reverb. Einen Modulationseffekt gibt es nicht, das Delay-Pedal selbst ist aber in der Lage, einen modulierten Delay-Effekt zu produzieren.
Der Praxistest im Standalone-Betrieb
Kommen wir zum Wesentlichen, dem Sound. Wer Tosin Abasi kennt, erwartet hier glasklare, cleane Sounds und brachiale Metal-Gewitter. Und alles dazwischen. Also starten wir mal ganz vorsichtig und laden einen Cleansound. Der Sound-Browser unterscheidet zwischen Artists, Factory und User, Letzteres beinhaltet dann selbsterklärend die eigenen Kreationen. Unter „Artists“ finden wir 4 Sounds von Nolly Getgood, der unter dem Namen Archetype Nolly auch sein eigenes Setup veröffentlicht hat. Die Factory-Presets sind dann noch mal unterteilt in Sounds vom Werk und Sounds des Namensgebers Oluwatosin Ayoyinka Olumide „Tosin“ Abasi. Da der Browser keinen Hinweis darauf gibt, um welchen Amp-Typ es sich handelt, ist hier trial and error angesagt. Manche Namen der Sounds geben Auskunft über den Klangcharakter, manche sind eher verwirrend.
Als erstes spiele ich mal die drei Amps der Reihe nach an, um den Klangcharakter zu demonstrieren. Während des Audiofiles des cleanen Amps schalte ich zuerst den Compressor zu und regle danach den Blend-Regler dazu. Das Ergebnis ist ein unglaublich crisper, durchsetzungsfähiger Ton, der nach Effekten schreit. Doch dazu später. Das zweite File demonstriert den Rhythm-Amp. Der im Verlauf zugeschaltete Low-Boost erweist sich als etwas zuviel des Guten, es beginnt im Bass zu wummern. Der dann dazu gemischte Tight-Regler räumt dann wieder auf und es drückt schön sauber aus den Monitoren. Beim Leadsound hört man das unglaubliche Gain-Potential des Lead-Amps, aber auch deutlich vernehmbare Nebengeräusche. Das Gate arbeitet aber recht zuverlässig und so bleibt alles im grünen Bereich. Das Klangverhalten der einzelnen Amps ist mit sehr gut zu bewerten, die Charakteristik der Gitarre bleibt immer erhalten, alle drei Amps fühlen sich ausgesprochen gut und „echt“ an. Schon die Grundcharakteristik der Amps ist die absolute Oberklasse der Plugins und macht Lust auf mehr.
Im Folgenden hört ihr ein paar Presets der Archetype Abasi Software. Teilweise sind die Sounds, wie so oft, recht überladen, aber genau das zeigt hier eindrucksvoll die Qualität der Effekte.
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In GR-6, so gut es auch ist, hat man nie richtig einen Überblick, ob es sich um einen real-klingenden Distortioneffekt handelt oder um ein Fantasiesound im Reich von Native In. Hier scheint man aber bewusst den Realismus in den Vordergrund gestellt zu haben, dass ein Effekt (bzw. Amp) auch authentisch und real vorhanden ist. Für Gitarristen die Bühnen,-Proberaum-feeling möchten, sicherlich ein vertrauenserweckender Ohrenschmaus.
@Filterpad Das ist in unseren Augen eine der großen Stärken der Neural DSP Plugins: wie reduziert und zugleich vielfältig sie sind. Ich zum Beispiel habe immer wieder mit Guitar Rig gearbeitet, und auch wenn ich gute Ergebnisse erzielen konnte, war die Arbeit damit auf Dauer ermüdend. Da sind die Neural DSP Geschichten einfach um ein Vielfaches besser und einfacher handzuhaben und klingen zugleich – mMn – einfach besser.
Klingt doch alles sehr brauchbar! Begrüßenswert auch die überschaubare Anzahl an Parametern, da findet man bestimmt recht flott nen geeigneten Sound für den neuen Song … und ist mit dem Aufnehmen der Gitarrenspuren dann schon durch, während andere noch lange am „tweaken“ sind … ;)
Abgefahrene Special-Effects sind – finde ich jedenfalls – eh deutlich besser im Misch-Stadium angebracht, wenn der fertige Song (oder auch der Mix) sich dafür anbietet.
Das ist ja vielleicht nur ne olle Binsenweisheit … aber stimmt (fast) immer …
@Blue Ich kann dir da nur zustimmen. Manchmal baut man einen Song um einen bestimmten Sound herum. Dann haben die Special fx von GR6 durchaus ihre Berechtigung. Aber so schnell wie bei dem Neural DSP kommt man mit keinem anderen PlugIn zu einem großartigen Grundsound!