Verlockender Klangkosmos
Schnittig, kompakt, robust, wertig. Das waren die ersten Gedanken, als ich die Novation Circuit Mono Station aus ihrer Verpackung schälte. Ohne Bedienungsanleitung, jedoch mit einem gedruckten „Getting Started Guide“ und einer Lizenz für Ableton Live Lite präsentiert sich die Novation Circuit Mono Station samt Netzteil, USB-Kabel und drei Klinke-zu-MIDI-Adaptern. Allein der Name weckt schon wie selbstverständlich die Assoziation: Das ist eine Bass Station 2, gepaart mit einem Circuit. Beides Top-Seller von Novation, das zum Hause Focusrite gehört. Dann wäre der Ladenpreis von 513,- Euro ein richtiges Schnäppchen, bedenkt man, dass die beiden o.g. Geräte zusammen ca. 865,- Euro kosten.
Doch halt! Dem ist definitiv nicht so! Kurz gesagt ist es eher so, dass es sich um eine Bass Station 2 mit reduzierten Modulatoren und der reinen Sequencer-Funktion des Circuit handelt, erweitert um Parameter-Locks. Das bedeutet: keine sechsfach polyphone digitale Synthese, keine vier Drum-Tracks des Circuit und nur ein ENV und ein LFO der Bass Station 2. Also, ganz grob zusammengefasst.
Wildes Ding
Dann noch mal von vorn: Die Klangerzeugung der Circuit Mono Station ist rein analog und paraphon. Das bedeutet in diesem Fall, dass die beiden Oszillatoren über zwei unterschiedliche Sequencer angesprochen werden, sich aber ansonsten ein Filter und einen VCA teilen. OSC 2 ist dabei der Nachrangige. Will heißen, er ist nur zu hören, wenn der ENV des VCA durch OSC 1 getriggert wird.
Es gibt jedoch zwei paraphone Modi. Im zweiten Modus, über eine Shift-Tastenkombination aktiviert, triggert auch OSC 2 den ENV des VCA, teilt sich aber immer noch Filter und sonstige Signalstrecke mit OSC 1. In der Praxis bedeutet das ganz einfach, man kann ganz leicht duophone Sequenzen erstellen. Zudem kann man den OSC 2 auch einfach ganz vom Filter entkoppeln.
Die beiden Sequencer unterscheiden sich durch die Anzahl der möglichen Pattern. SEQ 1 bietet 16 Pattern mit einer maximalen Anzahl von 16 Steps, SEQ 2 bietet derer nur 8. Da die Pattern der zwei Sequencer untereinander nicht gebunden sind, können so leicht sich stetig verändernde Sequenzen erstellt werden.
Aber es gibt noch einen dritten Sequencer, den Modulations-Sequencer. Dieser beherbergt acht Pattern zu 16 Steps und dient ausschließlich als Quelle für Steuerungssignale, die dann in der Mod-Matrix einem der Modulationsziele zugewiesen werden können. Als da wären: Pitch und PWM von OSC 1 und OSC 2, Amplitude, Filter und Distortion und zu guter Letzt AUX CV (0 – 5V).
Damit können beliebige CV-Eingänge eines externen analogen Synthesizers angesprochen werden. Zu diesem Zweck befindet sich auch ein Gate-/1V pro Oktav-Ausgang auf der Rückseite der Novation Circuit Mono Station. Dieser spiegelt die Sequenz der internen Klangerzeugung wider und ist leider keinem separatem Sequencer zugeordnet. Spielt man im zweiten paraphonen Modus, so werden auch die Noten des OSC 2 Sequencers an die CV-Buchse ausgegeben.
Klangerzeugung
Es handelt sich also nicht direkt um die Klangerzeugung einer Bass Station 2. Alleine der Formfaktor des Gehäuses verlangte nach einer Umstrukturierung der gesamten Platine. Jedoch ist die Herkunft ganz deutlich im Charakter der Circuit Mono Station zu hören. Wie gesagt, es gibt nur einen LFO und einen ENV, dafür können aber mehrere Modulationsquellen einem Ziel zugewiesen werden, was es wieder ein wenig ausgleicht. Auch gibt es nun drei verschiedene Distortion-Typen, im Gegensatz zu einem bei der Bass Station 2. Eine andere Erweiterung ist die Integration einer Ringmodulation, die stufenlos eingeblendet werden kann.
Also, obwohl die Novation Circuit Mono Station Fleisch vom Fleische der Bass Station 2 ist, bewirken die kleinen Veränderungen einen Unterschied in den klanglichen Möglichkeiten. Aber der wirklich große Unterschied liegt nicht in der Klangerzeugung, sondern in der Art und Weise, wie diese manipuliert werden kann.
Parameter Locks
Obwohl sich der Begriff durch die Elektron Geräte eingebürgert hat, finde ich ihn maximal unglücklich. Denn für mich bedeutet er genau das Gegenteil von dem, was er bewirkt. Die Parameter werden eben nicht verschlossen und festgetackert, sondern sie werden geradezu befreit und in die freie Wildbahn entlassen (technisch kann man dem Begriff zustimmen, nur intuitiv klickt es bei mir einfach nicht).
Eine Automation von Synthesizer-Einstellungen ist ja bereits über den Modulations-Sequencer möglich, allerdings beschränkt auf die o.g. Modulationsziele. Die OSC-Sequencer sind aber in der Lage, beinahe jeden verstellbaren Parameter der Klangerzeugung im Pattern aufzuzeichnen. Und da jedem Parameter ein MIDI-CC zugeordnet ist, werden diese auch per MIDI ausgegeben. Es gibt jedoch eine Einschränkung, die man nicht unterschätzen sollte. Keine der Funktionen, die über einen Taster erreichbar sind, können in dieser Art aufgenommen werden. Am meisten schmerzt das bei der Wahl des Filtetyps (LP/BP/HP); hier wurde Synthesepotential verschwendet.
Seit der Firmware-Version 1.1 ist es nun möglich, auch im pausiertem Betrieb Parameter-Locks aufzuzeichnen. Einfach Record drücken, Step wählen und z.B. Cutoff auf die gewünschte Position bringen. Die LED unterhalb des Reglers zeigt durch rotes Leuchten an, dass das Filter erfolgreich verstellt wurde. Genauso verfährt man auch bei laufender Sequenz. Nach ein paar Durchgängen entstehen so ungemein lebendige und komplexe Klangverläufe, die man mit manuellem Spiel niemals hätte erreichen können. Um Sprünge zu vermeiden, gibt es eine Smooth-Funktion, die Übergänge schafft. Da die Übergangszeit jedoch fest ist, wirkt sich diese bei verschiedenen Tempi auch anders aus. Der Klang wird durch dieses Verfahren regelrecht aufgebohrt und erst so begreift und beherrscht man das volle Potential einer potentiell simplen subtraktiven Synthese erst richtig.
Der Circuit in der Mono Station
Zeit, sich ein wenig mit dem Sequencer zu beschäftigen. Wer den Circuit von Novation schon kennt, wird sich hier sofort zurechtfinden. Zur Eingabe stehen 32 anschlagsdynamische Pads, umrundet von den verschiedenen Funktionstastern. Es gibt kein Display, das erledigen die farblichen Kodierungen. Das Konzept geht auf: Ohne das ausführliche deutschsprachige PDF auch nur zu streifen, konnte ich sofort mit der Erstellung der ersten Pattern beginnen. Vorsicht beim Pattern-Wechsel ist nicht notwendig, denn eine Veränderung wird sofort im Speicher abgelegt.
Alle essentiellen Funktionen sind unmittelbar erreichbar (Noten, Velocity und Gate setzen), mittels der Shift-Funktionen, die sich auf ein Minimum beschränken, gelangt man auch schnell in weiterführende Funktionen wie z.B. Glide. Auch ein Verketten von Pattern ist möglich, mit der Einschränkung, dass nur hintereinander liegende Pattern dazu verwendet werden können. Einfach mit einem Finger Start-Pattern und mit dem anderen das Ziel-Pattern festlegen, schon läuft die Kette wie geölt. Ein Pattern wird normalerweise zu Ende gespielt, bevor das Nächste startet. Mittels Shift kann man aber auch sofort umschalten, wobei beim nächsten Step fortgefahren wird. Da die Step-Anzahl pro Pattern auf 16 festgelegt ist, ist das die einzige Möglichkeit Pattern mit mehr als 16 Steps zu erzeugen.
Bei der Velocity und dem Modulations-Sequencer gibt es indes nur eine Auflösung von 16 Schritten – der volle Bereich von 0 bis 127 wird nicht ausgereizt. Das gilt nicht für die eigentlichen Parameter-Locks, diese haben je nach Parameter eine andere Auflösung.
Über die Scales-Funktion gelangt man in das tonale Setup der Pattern, die für alle Pattern einer Session gleichermaßen gelten. Es können 16 Tonleitern eingestellt und zudem der Grundton festgelegt werden, was sich in einer Transposition auswirkt.
Im Pattern-Setting stellt man die Laufrichtung des Pattern ein sowie die Zählzeit und den ersten und den letzten Step. Die Zählzeiten reichen von Viertelnoten bis 32tel Triolen. Mir ist aufgefallen, dass bei einem Wechsel von Triolen zu vollen Zählzeiten der Sequencer im Live-Betrieb aus dem Takt kommt, d.h. die Eins ist dann irgendwo anders und es holpert ganz gewaltig.
Die Components Software
Ein großer Kritikpunkt am Circuit war die seltsame Update-Politik über ein Facebook- oder Google+-Account. Jetzt gibt es die Software „Components“, die auch auf Desktop-Rechnern läuft und für die drei Produkte Circuit, Peak und Circuit Mono Station zuständig ist. Ganz ähnlich dem MIDI-Control-Center der Arturia Geräte.
Zwar gibt es auch hier Cloud-Funktionen, aber die muss man nicht nutzen und kann offline bleiben. Wichtiger ist der Aspekt der Verwaltung. Die Gesamtheit aller Pattern und Patches nennt sich Session. Von diesen können 32 auf der Novation Circuit Mono Station gespeichert werden. Die Software kann diese vom Gerät importieren und als Sysex-Dateien abspeichern und wieder laden. Seltsam nur, dass man erstens die Sound-Patches und Sessions in der Software nicht umbenennen kann und zweitens, dass es keine Verwaltung für die Pattern gibt. Da sollte nachgebessert werden. Ebenso fehlt ein Editor für die Patches, allerdings ist das wegen des händischen Zugriffs auf die Klangsynthese wohl eher kein Problem.
Arbeitstier
Was mir sehr gefallen hat, ist die intuitive Arbeitsweise, nicht zuletzt da es keine Unteruntermenüs o.ä. gibt. Der Workflow ist grandios und auch Pattern, bei denen auf jedem Step ein neuer Sound eingedreht ist, sind schnell entstanden. Als Klangbeispiel sei hier „Novation Circuit Mono Station – Drum“ genannt. Wegen der umfassenden Automation ist es auch im Ergebnis eigentlich nicht schlimm, dass man keine abgespeicherten Patches sequenzieren kann. Eine Erleichterung im organisatorischem Sinne wäre es dennoch. Eine Zuordnung von Sound-Patches zu einem bestimmten Pattern bleibt dennoch wünschenswert.
Für ein Live-Setup ist die Circuit Mono Station auch geeignet, obwohl man bei manchen Sachen schon sehr schnell und sehr gut eingearbeitet sein muss, damit keine Holperer entstehen. Denn das Wechseln zwischen den Ebenen, um z.B. in der Scales-Ebene zu transponieren und in der Patterns-Ebene eine Pattern-Chain zu treffen, ist nicht ganz leicht, aber machbar.
Verschiedene Teile eines Tracks werden dann auch vermutlich besser über die Sessions organisiert. Denn das Wechseln der Sessions geschieht (bei laufendem Sequencer) im gerade eingestellten Tempo und auf der nächsten Eins, dort können dann auch die Sound-Patches andere sein.
Bei den ganzen Modulationsmöglichkeiten könnte man schon manchmal ein wenig den Überblick verlieren, wären da nicht die LEDs unter den entsprechenden Reglern, die über die Helligkeit den Parameterwert anzeigen. Nur bei Parametern mit Mittenrasterung (z.B. Coarse-Tune) gibt es keine optischen Unterschiede zwischen negativer und positiver Modulation.
Sehr gut ist die Möglichkeit, den Depth-Regler der Modulationsmatrix automatisieren zu können, alleine hiermit lässt sich viel anstellen, zumal die Ausgangswerte aus separaten Sequenzen des Modulations-Sequencers kommen.
Das Gute ist, dass die Regler auch Wirkung haben, wenn eine Automation vorliegt. In manchen Fällen führt das aber zu Konflikten, so dass die Automationswerte mit der manuellen Bedienung abwechseln und ein Flattern entsteht, besonders gut (oder schlecht) beim Filter-Cutoff zu hören.
Interessant sind auch die verschiedenen Swing-Modi, mit denen herrlich eiernde Sequenzen entstehen können, die z.B. ein BeatStep Pro nicht beherrscht. Die Pattern-Mutate-Funktion sorgt für interessante Variationen, die man größtenteils gut gebrauchen kann.
Klang
Bei Patches, in denen das 24 dB LP-Filter zum Einsatz kommt, zeigt sich die Stärke des Geräts. Es ist – wer hätte das gedacht – der Synth-Bass mit viel Wucht, aber präzisen Konturen. Aber darauf ist die Novation Circuit Mono Station natürlich nicht beschränkt. Ich finde jedoch, dass Sounds und Sequenzen mit mehr Obertönen, also offenem LP-Filter oder HP- oder BP-Filter, immer so ein wenig nach Chip-Tune klingen. Ich kann mir da nicht helfen, es gibt eine bestimmte Charakteristik in der Obertonsignatur, die mich oft leicht an C64-Sounds erinnert. Edler zwar – aber dennoch an C64. Ich denke, das kann man auch im ein oder anderen Beispiel hören. Ich finde das ja sehr charmant und mag das, ist vielleicht aber nicht der strahlende Analogsound, den mancher sich vorstellt.
War grad gestern auf einer 8Bit Party, die Mono Station hätte da voll reingepasst. So ein geiles, dreckiges Teil!
Und vor kurzem nen DJ gesehen, der _nur_ mit zwei Circuits unterwegs war.
Novation macht IMHO (bis auf die Online-Sachen) grade alles richtig.
:D
@Markus Schroeder Wenn er nur mit zwei von den dinger unterwegs war ist er doch kein DJ sondern ein live act?!
der Sound ist auf jedenfall amtlich.
Novation hat es gut hinbekommen, eine Symbiose aus beiden Geräten zu machen.
Der aufgerufene Preis ist sicherlich gerechtfertigt. Ein Schnäppchen ist die Station aber trotzdem nicht, ohne jetzt Vergleiche mit anderen Geräten anzustellen.
Das Gerät für sich betrachtet ist aber zweifelsohne empfehlenswert, wer seine ideen umsetzt, kreativ arbeiten will und seinen Spaß findet, der kriegt hier schon was.
freundlicher Gruß
Mir würde ein (wenigstens kleines) Display fehlen..
Geile Maschine, super Testbericht, amtliche Klangbeispiele, danke!
Die BS2 bleibt mein Favorit unter den preiswerten Einsteiger-Monophonen, weil sie einfach fett, frisch und geil rotzig klingt.
Eben bei Nurmusik angetestet, fettes Teil! Klingt gut und macht Spaß.
Irgendwie kommt mir das Teil so vor wie ein MC-202 für’s 21. Jahrhundert. Pads statt Tasten, Sequencer mit Param-Locks etc., das Ganze auch noch zu einem akzeptablen Preis – das gefällt mir. Dazu noch nette Kleinigkeiten wie MIDI-Thru (wenn auch mit Adapter-Kabel), zwei CV- und ein Gate-Out sowie Clock-In & Out, die die Integration sehr erleichtern.