Es muss im Leben mehr als alles geben
„Schicke Kiste“ – denkt der Autor beim Auspacken des Positive Grid BIAS Modulation Twin und schafft Platz auf der Festplatte des betagten Macbook. Verspricht doch der Hersteller eine Fülle hervorragender Modulationseffekte und eine nahezu einschränkungslose Editierbarkeit der Parameter. Wenn, ja wenn man die passende Software auf den Rechner schaufelt, einen freien USB-Steckplatz vorweisen kann und etwas Geduld mitbringt. Oder ein Tablet mit der BIAS Pedal App füttert. Das BIAS Modulation Twin tritt an als kleiner Bruder des BIAS Modulation Pro, das noch einige Features mehr bietet. Doch eins nach dem anderen …
BIAS Modulation Twin – Facts & Features
Das BIAS Modulation Twin kommt in einer äußerst wertig wirkenden, schicken Verpackung, die neben dem Pedal selbst noch das passende Netzteil, selbstklebende Gummifüße, ein USB-Kabel zum Anschluss an den Rechner sowie die „Redeem Card“ enthält, mit deren Hilfe man „seine“ Version der BIAS Pedal App legitimieren kann. Das Pedal selbst wiegt knapp 820 Gramm und liegt mit den Maßen 146 x 132 x 62mm gut unter den Füßen.
Die Bedienoberfläche zeigt sich übersichtlich, ein stabiler Bypass-Schalter und ein Tap-Taster dominieren das vordere Drittel des Pedals, helle LEDs geben Auskunft über Bypass-Status und Modulationsgeschwindigkeit. Auf der eleganten, blauen Oberfläche im hinteren Bereich tummeln sich sechs Drehregler und ein Mini-Switch, Letzterer zwischen seinen drehbaren Kollegen gut geschützt verbaut vor unvorsichtigen Gitarristenfüßen.
Die Anschlüsse des BIAS Modulation Twin befinden sich allesamt Pedalboard-freundlich an der Stirnseite, von links nach rechts finden wir je zwei Input- und Output-Klinkenbuchsen, gefolgt von einer Buchse für ein optional erhältliches Expression-Pedal. Das Pedal kann übrigens mono oder stereo betrieben werden, ganz nach Belieben. Rechts daneben befindet sich die USB-Buchse und der Wireless-Switch zum Verbinden mit Rechner oder Tablet sowie der Netzteilanschluss.
Connecting …
Grundsätzlich kann das BIAS Modulation Twin Effektpedal ohne jede Computer- oder Tablet-Unterstützung genutzt werden, also wie ein herkömmliches Effektpedal. Dann stehen zur Einstellung die Onboard-Regler zur Verfügung, deren Wirkungsweise aus der Bezeichnung mit Einschränkungen hervorgehen. Links oben befindet sich der Auswahlknopf für den jeweiligen Effekt, also Chorus, Phaser, Flanger, Vibrato, Tremolo, Ringmodulation und Rotary. Mit den Schalterstellungen 1 und 2 stehen zwei zusätzliche Plätze zur Verfügung, auf denen die eigenen Effektkreationen abgespeichert werden können. Die anderen Plätze können übrigens auch nach Belieben überschrieben werden, es stehen also insgesamt neun Speicherplätze zur Verfügung.
Die Regler mit den Bezeichnungen „Depth“, „Intensity“ und „Rate“ machen erst mal das, was sie bei allen anderen Modulationspedalen auch machen. Mit den Reglern „Tweak 1 & 2“ kann dann zusätzlich auf andere Parameter zugegriffen werden, die je nach Effekttyp variieren. Hier kommt dann tatsächlich die Software ins Spiel, die die Bedienung des Gerätes deutlich vereinfacht. Doch bevor wir uns mit der Software beschäftigen, fehlt noch der kleine Switch mit der Bezeichnung LFO. Hier kann die Schwingungsform des jeweiligen Effektes voreingestellt werden, also „Sine“, „Saw“ oder „Square“. Netter Spinal-Tap-Gag am Rande: Die Drehregler gehen alle bis 11 …
Hat man sich auf der Homepage des Herstellers die Software „BIAS Pedal“ auf den PC oder Mac geladen oder die entsprechende App aufs Tablet gesaugt, kann mithilfe des beiliegenden Codes auf der Redeem Card der entsprechende Teil der Software freigeschaltet werden. Nach der Erstinstallation gibt’s erst mal direkt ein Firmware-Update, das geht schnell und weitgehend zuverlässig. Zwar ist das Programm während der Installation einmal abgestürzt, ich schiebe das aber auf mein mittlerweile 10 Jahre altes Macbook. Nach einem Neustart ist alles in bester Ordnung und betriebsbereit. Leider ist das mitgelieferte USB-Kabel mit seinem Meter Länge viel zu kurz, um den bei mir üblichen Abstand zwischen MacBook und Gerät zu überbrücken. Alternativ kann das Gerät aber auch drahtlos mit meinem iPad kommunizieren, die Verbindung lässt sich problemlos einrichten und funktioniert stabil und zuverlässig.
Alle Bedienelemente des Hardware-Pedals finden sich auch irgendwo in der grafischen Ansicht der Software wieder, dazu gibt es noch weitere Editiermöglichkeiten. Die Oberfläche lädt zum Spielen ein, wobei man sich auch ganz schön verzetteln kann. Man sollte sich Anfangs wirklich Zeit nehmen, um die Vielzahl der Möglichkeiten in Ruhe und ausreichend kennenzulernen. Hat man dann aber einmal einen Sound für sich gefunden, kann dieser durch einen Klick auf den Button „Store to Pedal“ auf dem BIAS Modulation Twin auf einem beliebigen der neun Speicherplätze abgelegt werden. Wie schon erwähnt, kann der Speichervorgang und die Bearbeitung der Sounds aber auch ohne die Software erfolgen, nur eben nicht so komfortabel. Wie das geht, erklärt ein Blick in die Bedienungsanleitung, die, wie mittlerweile leider üblich, nicht beiliegt, aber im Internet als PDF einsehbar ist. Hier ist es mir leider nicht möglich gewesen, eine deutsche Übersetzung zu finden. Nicht jeder Nutzer wird hier mit den englischen Fachbegriffen klarkommen. Und die gibt’s reichlich.
Ein wirklich sinnvolles Feature ist die Möglichkeit, ein Expression-Pedal an das BIAS Modulation Twin anschließen zu können, dieses muss über die Anschlussmöglichkeit mittels eines TRS-Klinkensteckers verfügen, das sind die, die man landläufig als „Stereoklinkenstecker“ bezeichnet. Mithilfe solch eines Pedals kann man einen beliebigen Parameter in Echtzeit per Fuß steuern. Denkbar ist hier zum Beispiel die Geschwindigkeit des Rotary-Effekts oder die Intensität des Chorus.
Das Ohr isst mit – das BIAS Modulation in der Praxis!
Wie klingt unser schwarzblaues Wunderkistchen denn nun? Zum Testen habe ich das Gerät in mein gewohntes Setup eingebunden, das zu gefühlten 98 % aus meinem Kemper Amp besteht. Den Einschleifweg habe ich zum Test hinter die Amp-Sektion des Kempers positioniert, da meiner Meinung nach Modulationseffekte dort deutlich besser klingen. Ist natürlich immer Geschmackssache, das Kistchen funktioniert auch vor dem Amp tadellos. Ein leichtes Rauschen macht sich bei Aktivierung des Effektes bemerkbar, das ist allerdings absolut im vertretbaren Rahmen. Für die Klangbeispiele habe ich mich bewusst weitestgehend auf „nutzbare“ Klänge beschränkt. Das BIAS Modulation Twin ist, soviel kann ich hier schon verraten, extrem vielseitig und vielseitig extrem. Was sich da an Spielereien eröffnet, ist schon großes Kino, das Ganze immer bei wirklich übersichtlicher Bedienbarkeit.
Für das erste Beispiel habe ich mich für den Chorus entschieden, den ich mit etwas Echo und Hall aus dem Kemper Amp verfeinert habe. Das Ergebnis ist ein warmer, satter, sehr universell einsetzbarer Chorussound:
Mit Zerre macht der Chorus ebenfalls eine gute Figur. Geheimnis hierbei ist immer der dezente Einsatz, um den Sound nicht allzu sehr zu verwässern:
Hören wir uns den Flanger an. Auch hier kommt man schnell zu äußerst brauchbaren Ergebnissen, wenn man den Flanger dezent einsetzen möchte:
Der Flanger kann aber auch ganz anders. Dreht man am „Tweak“-Regler, bekommt man Zugriff auf zusätzliche Parameter. Der Sound kann dadurch schnell an Praxiswert verlieren, macht aber Spaß. Die Settings bei diesem Soundfile lassen die unbearbeitete Gitarre noch durch. Übrigens mische ich Modulationseffekte in der Regel sowieso immer nur zu, damit die Gitarre hörbar bleibt:
Phaser auf Betäubung, Mr. Spock … Der Phaser ist für mich ein Highlight des BIAS Modulation Twin. Unaufdringlich, aber präsent schmeichelt er des Testers Ohren:
… um direkt im nächsten Soundfile zu beweisen, dass er auch mit verzerrten Sounds prima umgehen kann:
Hören wir uns das Tremolo genauer an. Auch hier punktet das Gerät mit sauberem, praxistauglichem Effektsound:
Etwas extremer eingestellt macht das Tremolo immer noch einen sehr guten Eindruck, hier wurde wieder an einem der „Tweak“-Regler gespielt, Resultat ist ein treppenartiger Tremolosound mit eigenem Charme:
Was muss ein Modulationseffekt noch können? Na klar: Vibrato. Hören wir uns mal eine dezente Einstellung des Vibrators an. Auch hier beeindruckt wieder ein hoher Praxiswert des Sounds:
Der Vibratoeffekt kann natürlich auch extremer eingestellt noch Praxiswert besitzen, ich höre dezenten Floyd-Einfluss und fühle mich direkt zu Hause:
Der Rotary-Effekt schreit natürlich nach einem angezerrten Sound. Irgendwie klingt das vertraut und macht beim Spielen richtig Laune:
Zum Abschluss noch ein Sound aus der Kategorie „Kann man liken, kann man lassen“. Der Ringmodulator, dessen Praxiswert sich mir aus Sicht eines Gitarristen nicht so richtig erschließen will. Trotzdem gibt’s bestimmt Fans noch abgedrehterer Sounds, und da kann das BIAS Modulation Twin sicherlich jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllen:
Sehr feine Soundbeispiele!
@BetaDance Vielen Dank :-)
Hm, ich hatte mal den großen Bruder für ein paar Tage, hab das Pedal aber wieder zurückgeschickt. Ich fand die Drehknöpfe nicht gerade gut verarbeitet (so wackelig), und irgendwie war das alles etwas zu viel. Mich hat vor allem auch gestört, dass die Ausgangslautstärke irgendwie nie zum Ausgangssignal gepasst hat: anderer Kanal beim Amp schon war die Gitarre mit Effekt wieder zu laut, bei jedem Preset muss man immer genau darauf achten, dass der Ausgangspegel stimmt – irgendwie fummelig … Hab mich dann für das Strymon Mobius entschieden, da ist das irgendwie besser gelöst.
Viele Grüße, Ulf
@uelef Danke für Deine Rückmeldung!
Also das mit den wackeligen Potis kann ich so jetzt nicht bestätigen. Das Problem mit der Ausgangslautstärke bei unterschiedlichen Sounds ist natürlich tatsächlich problematisch, im Testbetrieb ist mir das nicht aufgefallen, weil ich es Sound für Sound gecheckt habe und nicht im Livebetrieb hatte. Hat noch jemand diese Erfahrung gemacht?