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Test: Reverend Descent W Bariton, E-Gitarre

Reverend Descent - wie tief darf's denn sein?

14. Juli 2019
Reverend Descent W Bariton E-Gitarre

Reverend Descent W Bariton E-Gitarre

Baritongitarren versprechen uns Gitarristen das unfallfreie Wildern in Frequenzbereichen, die normalerweise den handelsüblichen E-Gitarren nicht oder nur schwer zu entlocken sind. Stimmt man eine „normale“ E-Gitarre deutlich tiefer, kommt man auch mit dickeren Saitensätzen nur bedingt ans Ziel. Unerwünschte Folge sind meist schlabbernde Saiten und undefinierte Bässe, 7 der 8-saitige Gitarren sind dem Traditionalisten oftmals zu unbequem. Dem entgegenzuwirken, ist Ziel und Aufgabe von Baritongitarren. Die Firma Reverend Guitars aus Toledo, Ohio wirft hierzu die Reverend Descent W Bariton E-Gitarre ins Rennen: entwickelt in den USA, gefertigt unter strenger Qualitätskontrolle in Südkorea. Diese Kombination verspricht erstklassige Qualität zu einem fairen Kurs. Na dann wollen wir mal sehen, hören und fühlen!

Reverend Descent W Bariton Front

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Die Reverend Descent W Bariton – Facts und Features

Das Korpusdesign der Reverend Descent W Baritongitarre erinnert ein wenig an das klassische Jaguar Design der Firma Fender, weist aber deutlich kantigere Züge auf und verleiht der Gitarre eine eigenständige Optik. In transparentem Weiß lackiert scheint auf der Decke die dezente Maserung des Korina Korpus durch die sauberst ausgeführte Lackierung. Die Rückseite des Bodys ist deckend weiß lackiert, eine optische Trennung von Decke und restlichem Body erfolgt durch ein ebenfalls weißes Binding, das perfekt eingearbeitet wurde. Die Rückseite weist ein dem kantigen Design entsprechendes Shaping auf, die Armauflage ist ebenfalls leicht ge“shaped“ und sehr komfortabel. Der Hals aus geröstetem Ahorn ist passgenau in die Halstasche geschraubt und mit insgesamt sechs Schrauben erdbebensicher und spielfrei befestigt. Die Lackierung des Korpus allerdings hat oben und unten an der Halstasche kleine Lackrisse und Abplatzer, die entweder bei der Hochzeit von Hals und Korpus von rabiaten Baumeisterhänden verursacht wurden, oder alternativ auf ein nachträgliches „Arbeiten“ des Holzes hindeuten. Beim Transport kann das eigentlich wegen der absolut spielfreien Konstruktion und der guten Verpackung nicht passiert sein.

Das Griffbrett aus Pau Ferro ist ausgestattet mit 22 Jumbo Bünden und gelblichen Dots. Das Halsprofil ist mit „Medium Oval“ angegeben. Die Sattelbreite beträgt 43 mm, das hat alles in allem ein angenehmes, gewohntes Gefühl zur Folge. Die interessanteste Messgröße dürfte bei der Descent W Bariton E-Gitarre die Mensur sein. Die ist mit 679 mm angegeben, was für Baritongitarren, die sich in der Regel zwischen 673 mm und 762 mm bewegen, eher den kürzeren Bereich darstellt.

Die Descent W Bariton wird mit .012 bis .068mm Saitenstärke ausgeliefert, die Drähte laufen nahezu schnurgerade über den Kunststoffsattel zu den werkseigenen Pin-Lock-Klemmmechaniken, lediglich die tiefe B-Saite verläuft aufgrund ihrer Stärke leicht abgewinkelt zur Mechanik. Der Sattel allerdings sieht so aus, als hätten ihn die Saiten beim Aufziehen selbst gekerbt. Die Saitenlage ist aber perfekt eingestellt, da gibt es nichts zu meckern.

Reverend Descent W Sattel

Der Sattel der Reverend Descent besteht aus „Boneite“, einem Material, das Knochen ähneln soll, wirkt unsauber verarbeitet. Der Stringtree, der drei Saiten gleichzeitig überbrückt, ist ein Reverend-Patent

Am anderen Ende der Saiten verrichtet ein Wilkinson WVS50 IIK Vibratosystem seinen Dienst. Werksseitig so eingestellt, dass man im Mittel einen Ganzton nach oben bzw. bis zum Erschlaffen der tiefen B-Saite nach unten vibrieren kann. Dank der Locking Tuner bleibt die Reverend Descent W Bariton auch bei fieserer Benutzung des Vibrators in Stimmung, so macht das Spaß. Das Vibratosystem hängt auf der Korpusrückseite relativ straff an drei Federn an einer von Reverend entwickelten „Vari-Claw“, die es ermöglichen soll, schnell und ohne größere Einstellarbeiten auf zwei Federn umzusteigen, wenn man es etwas weicher bevorzugt.

Reverend Descent W Baritongitarre Vari-Claw

Die patentierte „Vari-Claw“ der Reverend Descent W Baritongitarre ermöglicht das Umsteigen von 3 auf 2 Federn ohne größeren Aufwand und Einstellarbeiten

Die Elektrik der Reverend Descent W Bariton

Herzstück der elektrischen Wandlung der Saitenschwingung sind zwei von Reverend entwickelte Humbucker namens „Nuevo 90“ am Steg und „Cleancut“ am Hals. Ausgewählt werden die beiden durch das bewährte Toggleswitch-Verfahren, also die vordere Schalterposition wählt den Hals-Pickup, die hintere den Steg-Pickup. Die mittlere Stellung erweckt dann folgerichtig beide Pickups zum Leben. Ein generelles Volume-Poti regelt die Lautstärke, ein Tone-Poti wie gewohnt den Höhenanteil. Beide verrichten ihren Dienst auffällig unauffällig, einen Höhenverlust beim Zurückdrehen des Volume-Reglers verhindert der sogenannte „Treble Bleed Circuit“ zuverlässig. Der Tone-Regler macht, was er soll, er nimmt dem Ton anständig die hohen Frequenzanteile, wenn wir das von ihm verlangen. Der Clou ist jetzt das dritte Poti, vom Hersteller „Bass Contour“ genannt. Hier simuliert das Potentiometer beim Zurückdrehen fließend eine Zurücknahme des Bassanteils, was in voller Ausprägung eine Singlecoil-Schaltung simulieren soll. Da dürfen wir aber mal gespannt sein, in der Theorie ist das eine super Idee!

Der zwingend notwendige Anschluss an einen adäquaten Verstärker erfolgt durch die in der unteren Zarge verbaute Klinkenbuchse, die leider genau so angebracht ist, dass die Reverend Descent W Bariton bei eingestecktem Kabel in einem handelsüblichen Ständer schief stehen muss. Schade.

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Reverend Descent W Bariton E-Gitarre Body

Die Reverend Descent W Bariton in der Praxis!

Wie eingangs schon beschrieben, fühlt sich die Reverend Descent W Bariton E-Gitarre aufgrund der relativ kurzen Mensur und der schmalen Sattelbreite sofort vertraut an. Die Saiten sind straff, da schlabbert nichts. Trocken gespielt zeigt sich ein ausgeprägter, definierter Bass, der sich wunderbar in den Korina-Korpus und von da in Schoß und Bauch des Spielers überträgt. Deadspots finden sich im Verlauf des Tests keine. Am Gurt hängt die Gitarre wunderbar austariert vorm Astralkörper des Testers, von Kopflastigkeit keine Spur, auch hier zeigt sich wieder der Vorteil der kürzeren Mensur. Der Hebel des Wilkinson Vibratos ist einschraubbar und durch einfache Drehung in der Gängigkeit justierbar. Alle Regler sind gut zu erreichen. Im Handling sammelt die Reverend Descent W Baritongitarre also schon mal Pluspunkte. Mit Tester bringt die Gitarre 103,5 kg auf die Waage, somit bleiben ohne Tester erträgliche 3,5 kg netto übrig, was für einen massiven Korpus völlig in Ordnung erscheint, dem Tester aber zeigt, dass die Pizza des vorigen Abends deutlich überdimensioniert gewesen sein muss. Aber genug von mir, wir wollen das Baby hören …

Beginnen wir mit dem Humbucker am Hals und einem cleanen Amp aus dem Kemper, in diesem Fall einem Profile eines Fender Amps aus dem Hause Bungenstock. Die Stimmung der Reverend Descent W Bariton E-Gitarre ist bei allen Beispielen auf Werkseinstellung belassen, also quasi „Standardstimmung“, nur eine Quarte tiefer, B E A D F# B.

Die Basswiedergabe präsentiert sich im ersten Audiobeispiel kräftig und straff, ohne aufdringlich zu sein, die Höhen sind präsent und angenehm. Schaltet man den Steg-Humbucker hinzu und aktiviert die Bass-Contour-Schaltung, indem der Regler komplett zurückgedreht wird, bekommen wir einen seidigen Ton, der zum Akkordschrammeln einlädt und sich wunderbar druckvoll präsentiert, ohne im Bassbereich zu matschen. Den Bass-Contour-Regler aufgedreht, ist der Bass wieder voll da, diese Einstellung lädt ein, den klassischen Jazzchorus-Sound auszuprobieren. Und siehe da, da geht wirklich die Sonne auf. Straffe Bässe, klare Mitten und seidige Höhen, so würde ich diesen Sound beschreiben. Die cleanen Sounds der Reverend Descent W Bariton E-Gitarre sind wahrlich in meinen Ohren ein absolutes Highlight!

Schauen wir mal, was das Baby im angezerrten Betrieb so drauf hat. Ich entscheide mich für mein erklärtes Lieblings-Profile des Kempers, das des Morgan AC20, das in nahezu allen meinen Sounds die Basis bildet. Auch hier zeigt sich die ausgewogene Wiedergabe, die mich schon im cleanen Bereich beeindruckt hat.

Die erste Frage meines Sohnes, als er die Nachricht meines Test der Reverend Descent W Bariton E-Gitarre bekommen hat, war: „But does it djent?“ Sicherlich ist das eine der drängendsten Fragen, die bei einer solchen Gitarrenkonstruktion aufkommen. Für den Highgain-Bereich habe ich mich für ein Diezel VH4 Profile entschieden, das bekanntlich ganz ordentlich zum Sägen im Stande ist. Hier zeigt die Wiedergabe einzelner Saiten während eines Riffs druckvoll und schiebend, sobald man jedoch tiefe Chords intoniert, wird der Bassbereich undefinierter und matschiger. Besonders ausgeprägt habe ich das beim Hals-Pickup erlebt. Für Leadsounds fehlen der Reverend Descent W Baritongitarre dann tatsächlich die bissigen Höhen, aber Baritongitarren werden wohl eher seltener zum Solospiel herangezogen, im Heavy-Rhythmusbereich macht die Gitarre, sofern man die Voicings nicht übertreibt, einen guten Job.

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Fazit

Wer eine ultimative Highgain-Waffe für hochaufgelöste, komplexe Voicings im tieferen Bassbereich sucht, wird möglicherweise enttäuscht sein, hier ist mir persönlich die Wiedergabe zu undifferenziert. Die Reverend Descent W Bariton hat meines Erachtens ihre wahren Stärken im Clean- und Crunch-Breich, hier trumpft sie auf mit einer straffen, muffelfreien Basswiedergabe und seidigen, ganz und gar „unpenetranten“ Mitten und Höhen. Was die Verarbeitung angeht, sind kleinere Mängel aufgefallen, die den Alltag mit der Gitarre nicht trüben sollten, aber in dieser Preisklasse ein unnötig schlechtes Licht auf die  Produktion werfen. Ansonsten: Good Job, das Teil macht Spaß und erweitert die tonale Range von uns Gitarristen deutlich und praxisgerecht.

Plus

  • cleane und angezerrte Sounds
  • Tragekomfort
  • Werkseinstellung
  • Bass Contour Schaltung
  • innovative Details (Vari-Claw, Stringtree)

Minus

  • Verarbeitungsmängel Halstasche und Sattel
  • undifferenzierter Sound des Hals-Pickups im Highgain-Bereich
  • Position der Klinkenbuchse

Preis

  • Ladenpreis: 1.099,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Vielen Dank für den Test Jan. Ich habe selber einige Reverends und kann deine Eindrücke nur bestätigen: großartige Gitarren. Aber mit immer wieder unverständlichen Verarbeitungsmängeln. Es bleiben sehr gute Gitarren, aber man fragt sich … – ich habe den Jungs in Toledo das auch schon mitgeteilt. In deinem Test gibt es aber einen grundsätzlichen Fehler, der dich mitunter auf die falsche Fährte schickt: die Pickups in dieser getesteten Gitarre sind KEINE Humbucker! Es sind die relativ neuen brummfreien P-90er (Railhammer) Nuevos/Humcutter! Ich habe selber zwei Reverend „Airsonics“ , eine mit genau diesen P-90ern und eine mit den Humbuckern (Railhammer Hyper Vintage), welche ich grandios finde und die ich auch eher in dieser Bariton vermutet hätte. – Also, hier sind keine Humbucker am Werk!

    • Profilbild
      Jan Steiger RED

      Hey, vielen Dank für die nette Rückmeldung und den Hinweis. Auf der Website von Reverend gibt es leider keinerlei Infos über die Bauform der Pickups, auf der Thomann Artikelseite erscheint „Tonabnehmer: 1 Nuevo 90 (Steg) und 1 Cleancut (Hals) Humbucker“. Darauf hab ich mich natürlich erstmal verlassen.
      Liebe Grüße,
      Jan

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @Jan Steiger Hallo Jan, tja, Thomann sind auch „nur“ Verkäufer von 1 Mio. Artikeln … habe ich neulich vor Ort einmal feststellen dürfen, als ich zum spontanen Produkttester wurde, weil sie nicht so firm waren mit ihrer Ware. Is‘ ja aber auch nicht schlimm. – Falls ich verlinken darf, hier (Tochterfirma von Reverend im übrigen) mehr zu den Pickups: https://railhammer.com/products/humcutter/

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