Digitale Schaltzentrale fürs Tonstudio
RME Octamic XTC – ein achtfacher Mic-Preamp mit einer Fülle an digitalen Anschlussmöglichkeiten. Wie lässt er sich bedienen, wie schneidet er klanglich ab? Und was unterscheidet eigentlich den RME Octamic XTC von seinem Namensvetter RME Octamic II? Dieser Test wird dem u. a. nachgehen und die Feinheiten der Unterschiede herausstellen, die immerhin 680,- Euro Unterschied beim Ladenpreis ausmachen.
Zunächst einmal sind die analogen Preamps im RME Octamic XTC die gleichen wie im Octamic II. Es lassen sich ebenfalls 8 analoge Quellen gleichzeitig aufnehmen. Und hier hören die Gemeinsamkeiten auch schon beinahe auf, denn nicht einmal die AES/EBU-Schnittstelle ist gleich belegt.
RME Octamic XTC – Überblick
Welchen Umständen hat also das Octamic den Namen XTC zu verdanken? Was ist so aufregend, dass das Interface diesen Beinamen erhalten hat? Als ersten Eindruck kann man sagen, dass der RME Octamic XTC alle Einstellungen digital vornimmt und deswegen eben auch abspeichern kann.
Das bedeutet aber auch, dass die Hands-on-Kontrollen für jeden Kanal verschwunden sind. Stattdessen wird nun ein Kanalpaar (1/2, 3/4, 5/6 und 7/8) ausgewählt und die Einstellungen mithilfe der beiden Klick-Encoder am farbigen Display vorgenommen.
Dabei kann man immer beide Kanäle eines Paares unterschiedlich einpegeln. Apropos einpegeln, bei einer maximalen Verstärkung von 65 dB entwickelt der RME Octamic XTC ein EIN (Equivalent Input Noise oder einfacher: Eigenrauschen) von gerade mal -54 dBu, entsprechend dann bei einer Verstärkung von 0 dB (hauptsächlich für Line-Signale) ein EIN von -102 dBu.
Da alles digital gesteuert wird, gibt es noch ein paar Extras, die es beim Octamic II so nicht gibt, oder besser gesagt, geben kann. Zunächst einmal kann man bis zu vier Gain Groups definieren – verstellt man einen Gain in der Gruppe, so verstellen sich alle anderen im Verhältnis mit. Wichtig, wenn man eine bestimmte Gain-Struktur gefunden hat oder die Definition des Stereobildes nicht mehr verändern möchte.
Ein kleine Anmerkung zur Anleitung: Diese liegt nicht nur gedruckt ringgebunden bei, sondern besticht auch durch detaillierte Beschreibungen. Die Art von Anleitung, die man auch gerne mal in der Badewanne lesen kann.
Die vier zuweisbaren Ausgänge des XTC Preamps
Auf dem Display werden im Betriebszustand die Pegel der Mic-Pres und der Kopfhörer/Line-Ausgänge angezeigt. Etwas ungewöhnlich, hat RME hier die Ausgänge als Kopfhörer/Line-Combo ausgeführt. Dabei kann über die Stereobuchsen ein beliebiges Signal ausgegeben werden. Von Play 1/2 und Play 3/4 über alle möglichen Mic-Input-Kombinationen (darunter auch das Abhören aller acht Mic-Kanäle gleichzeitig in Mono oder Stereo) hin zu den ADAT-, AES/EBU- und MADI-Eingängen. Diese Ausgänge sind zwar stark genug- um Kopfhörer zu betreiben, können aber eben nicht als symmetrische Ausgänge benutzt werden. Zudem erfordern sie zwingend einen „Stereo auf 2x Mono-Adapter“, möchte man Line-Signale abgreifen. Sie sind nicht direkt gekoppelt und können auch keine konstanten DC-Pegel erzeugen, um so z. B. modulares Gerät zu steuern.
Hier sind gleich zwei große Unterschiede zum Octamic II: Dieser besitzt zwar acht symmetrische Klinkenausgänge, diese sind aber nicht zuweisbar, sondern geben immer nur das Signal des jeweiligen Eingangs aus.
Digitale Übersteuerung ade
Eine weitere Möglichkeit, die die digitale Steuerung eröffnet, ist das AutoSet Gain. Wie der Name vermuten lässt, kann der RME Octamic XTC selbständig den Gain eines Kanals regeln. Das Gerät probiert dabei, einen Headroom von mindestens 6 dBFs einzustellen. Ist die Aufnahme mit einem Gain von 30 dB zum Beispiel gerade an der Clip-Grenze, so wird AutoSet Gain den Gain auf etwa 24 dB zurücksetzen. Und obwohl es im ersten Moment tatsächlich zu einer digitalen Übersteuerung kommt (im Gegensatz zu Geräten der Micstasy Serie), ist dieser Gain-Wächter in der Praxis mehr als tauglich; besser einen kleinen Clip, als die ganze Aufnahme versaubeutelt.
Natürlich gibt es pro Kanal noch einen PAD-Schalter (-20 dB) und einen für die 48 Volt Phantomspannung. Alle Einstellungen können dann in eines der sechs geräteinternen Presets gespeichert werden.
Rock around the clock
Ein Feature, das beide Geräte wieder gemeinsam haben, ist SteadyClock. Und dabei handelt es sich nicht um den üblichen Marketing-Pitch. SteadyClock ermöglicht es extrem Jitter-freie digitale Clock-Signale zu erzeugen bzw. eben auch eingehende Clock-Signale aufzubereiten. Eine Verringerung des Jitters steht in direktem Zusammenhang mit der Verzerrung und damit der Klangqualität des Interfaces.
Als Beispiel sei hier mal das MADI-Clock-Signal genommen, das technisch bedingt (maximale zeitliche Auflösung des Signals im Stream ist 125 MHz) meistens einen nicht ganz unerheblichen Jitter von 80 ns mit sich bringt. Durch die SteadyClock-Technologie in den Octamic-Interfaces wird daraus eine saubere Clock, die so gut wie Jitter-frei ist. Davon profitieren alle Clock-Ausgänge des RME Octamic XTC, so dass ein Betrieb als Clock-Master ratsam ist.
Diese Clock-Technologie ermöglicht auch ungewöhnliche Kombinationen, da es ohne Probleme möglich ist, aus einer 48 kHz Clock eine saubere 96 kHz Clock zu erzeugen. Also auch als Clock-Converter ist der RME Octamic XTC nutzbar.
Volles digitales Rohr beim Octamic XTC
Beim Aufzählen aller I/Os des RME Octamic XTC wird die Liste schon ein wenig länger. Allein MIDI kann über drei verschiedene Wege erreicht werden: DIN-MIDI, über die class-compliant USB-Schnittstelle und im MADI-Stream, eine Spezialität der RME Geräte.
- Es gibt einen ADAT-Eingang sowie zwei ADAT-Ausgänge. Damit können im SMUX-Verfahren über zwei ADAT-Leitungen acht Kanäle bei 96 kHz oder vier bei 192 kHz geschickt werden.
- MADI-In und Out sind als optische Ausgänge realisiert.
- AES/EBU wird im DSUB-25 Format nach außen geführt und empfängt auch Signale auf dieser digitalen Schnittstelle. Der Octamic II versteht am AES/EBU-Eingang nur ein Clock-Signal.
- Bleibt noch der Wordclock-Ein- und Ausgang, der ebenfalls von der SteadyClock profitiert.
Mit so vielen digitalen Optionen müsste doch sicherlich ein ordentliches Routing möglich sein? Ja ist es auch – es ist zwar nicht völlig frei per Kanal konfigurierbar, jedoch immer in Gruppen zu acht Kanälen. Also z. B. MADI 9-16 oder ADAT 1-8. Eine besondere Stellung nimmt dabei die Zuweisung der Kanäle REC 9-16 und REC 17-24 ein. Diese beziehen sich nämlich auf das USB-Interface, das dem Rechner tatsächlich 24 Ein- und Ausgänge präsentiert. Die Signale der analogen Eingänge 1-8 gehen immer auf die USB-Audiokanäle 1-8. Bei den anderen Zuweisungen hat man dann freie Hand. Es könnte z. B. der ADAT-Eingang oder die MADI-Eingänge 57-64 sein.
Da es bei MADI von Gerät zu Gerät immer eine Zeitverzögerung gibt, lässt sich diese am Gerät mit der Delay Compensation kompensieren. Eine einfache Auto-Funktion zählt das Gerät in der Kette ab und stellt eine entsprechende Latenz ein. Man kann die Delay-Compensation aber auch manuell festlegen.
Da der RME Octamic XTC auch 24 Playback-Kanäle vom Computer empfängt, können diese ebenfalls den verschiedenen digitalen Ausgängen zugewiesen werden. Um Rückkopplungen zu vermeiden, ist es nicht möglich, die REC-Kanäle zurück auf die Playback-Kanäle zu schicken.
XTC Preamp: Digital aus der Ferne
Aber Moment mal – digital steuerbare Preamp-Einstellungen und ein MIDI-Interface in drei Ausführungen? Das schreit ja förmlich nach einer Remote-Software. Und tatsächlich lässt sich der RME Octamic XTC nicht nur in eine Total Mix Remote Umgebung einbinden, sondern ist auch über eine MIDI Remote vom Mac- oder Windows-PC aus steuerbar. Dazu müssen in den MIDI-Optionen lediglich Sende- und Empfangskanal eingestellt werden.
Über dieses Remote-Fenster kann man alle Einstellungen am RME Octamic XTC vornehmen, auch die Einstellungen der Optionen. Und das Verwalten der sechs Presets. Die Optik sieht etwas altbacken aus und das Interface lässt sich leider auch nicht in der Größe ändern. Zusätzlich hat ein Verstellen des Gains am Gerät keine sofortige Anzeige zur Folge – dennoch sind hier alle Parameter im Zugriff, sodass man das Gerät auch in einem anderen Raum stehen haben kann.
Was leider fehlt, sind Gain-Anzeigen von Eingangskanälen, die über eine der digitalen Schnittstellen kommen.
Mitteilsam
Das Wichtigste beim digitalen Aufnehmen ist wohl die Info, ob die Clock synchronisiert ist und woher sie kommt. So kann es in größeren Setups schon mal zu Verwirrungen kommen. Der RME Octamic XTC zeigt zu jeder Zeit aktive Verbindungen der Clock oder zur Remote über MIDI an. Erstens über die prominenten LEDs auf der Frontseite und zweitens im Display beim Setup in der untersten Reihe. Dort kann man auch sehen, ob ein Signal in beiden Richtungen anliegt oder ob eine fehlt.
Unter der Fuchtel
Die Menüführung kam mir am Anfang nicht entgegen und gerade in den Options-Menüs habe ich mich gerne mal verklickt, um daraufhin die Übersicht zu verlieren. Denn um vertikal in den Menüs zu browsen, benutzt man nicht den zweiten Encoder, sondern die Druckfunktionen der beiden Encoder. Der Obere führt einen Menüpunkt höher, der andere einen herunter.
Der zweite Encoder verändert dann den ausgewählten Parameter. Der Obere springt dann in die übergeordnete Ebene – im Channel-Menü also zwischen den MIC-Eingängen und den Phones-Ausgängen. Klar ist der Vorteil hierbei, dass man so z. B. die PAD-Einstellungen für jeden Kanal schnell vornehmen kann – es ist am Anfang halt etwas ungewohnt.
Das AutoSet-Gain des RME Octamic XTC ist wirklich hervorragend für Recording-Sessions. Beim Soundcheck und eventuellen ersten Probeläufen lässt man es einfach eingeschaltet und hat dann zum Schluss eine übersteuerungssichere Einstellung. Da es auch mit den Gain-Groups zusammen arbeitet, kann man auch eine ganze Gain-Group vom lautesten Klang bestimmen lassen – ohne dass die Verhältnisse verändert werden.
Und auch die Fernsteuerung über MIDI sorgt für einen hohen Komfort, da sie eben auch die Pegel auf einem Bar-Graph anzeigt. So sollte die Session vor unangenehmen Gain-Überraschungen geschützt sein.
Als der RME Octamic XTC erschienen ist, gab es noch keine entsprechenden Treiber, um ihn als komplettes Audio/MIDI-Interface nutzen zu können. RME hat inzwischen mit einem ASIO-Treiber nachgelegt, sodass nun auch Windows-Nutzer die volle Funktionalität des Gerätes ausschöpfen können.
Ich habe 3 Keyboards, 2 Microphone und einen Gitarrenverstärker, die ich über ein Interface mit dem Computer verbinden will.
Ein Mischpult mit eingebautem Interface wäre wohl das Richtige. Es gibt da aber noch die Produkte von REM. Welche Lösung ich bevorzugen soll, weiß ich immer noch nicht, obwohl ich alle möglichen Testberichte lese.
@Spartakus Wenn man mal den TotalMix Mischer von RME verstanden hat, braucht man kein Mischpult mehr.
Grandioses, extrem flexibles Teil.
@Spartakus Wenn es RME sein soll, dann ist das kleine Fireface UC nicht ausreichend; dann muss es (mindestens) ein Fireface 802 sein. Pult mit Interface ist in der Tat keine schlechte Idee ;) Schau dir mal das Soundcraft Signature 12MTK an.
Ich finde den Preis auch durch das Gebotene nicht zu rechtfertigen und würde deshalb einen Kauf nicht entfernt in Betracht ziehen.
@defrigge Was gibt es sonst an 24kanaligen Interfaces mit 8 Preamps und Madi-Anbindung zusätzlich zu ADAT und als voll recallbarer Preamp nutzbar inkl. Headphonemix.
Dazu der grandiose Treibersupport wo auch die ersten RME Soundkarten aus den Anfang 2000er Jahren noch aktuelle, stabile Treiber bekommen?