VL1 Expert Controller - Hardware Editor für den Yamaha VL1
Im Test heute der Hardware-Controller „VL1-Expert“, den Robert Skerjanc in kleiner Auflage für Lieberhaber des Yamaha VL1 entwickelt und gebaut hat. Einen ausführlichen Vintage-Report zum Yamaha VL1, verfasst von Robert Skerjanc, findet Ihr HIER.
Inhaltsverzeichnis
Yamahas Physical Modeling Synthesizer VL1 gilt seit seinem Erscheinen um 1994 auch heute noch als einzigartig und innovativ. Da ihm kein Markterfolg vergönnt war, ist er heute recht selten, aber sein detailliertes Modell einer Saxofon-Simulation ist geradezu unerreicht. Das komplexe Modell führte auch dazu, dass Yamaha die internen Modellparameter nicht dem Benutzer zugänglich machte. Dafür gab es für Insider den „VL1 Expert Editor“ für den Apple Macintosh (68000-Generation). Es ist heute recht schwierig, den 30 Jahre alten Rechner mit passendem MIDI-Interface für den Modem-Port zu finden. Und unter einer PC-Emulation des Mac (Basilisk) gibt es leider keine Möglichkeit, die MIDI-Kommunikation herauszuführen.
Jetzt hat Robert Skerjanc, der vor einiger Zeit einen HW-Controller für den Yamaha FS1r entwickelt hat (wir hatten davon in amazona.de berichtet), einen Controller für den VL1 vorgestellt. Er baut dabei auch auf seiner Erfahrung auf, als er vor Jahren die VL1-Adaption für das PC-Programm Emagic SoundDiver entwickelt hat.
Mit diesem Gerät sollen alle Parameter programmierbar sein, die sowohl über den Synthesizer erreichbar sind, als auch die im physikalischen Modell.
Für diesen Controller wurde das Konzept seines Yamaha FS1r-Controllers (ein Regler pro Parameter) nicht mehr weitergeführt, das wäre bei über 1000 Parametern pro Voice auch kaum möglich. Stattdessen gibt es 16 gerasterte Push-Encoder mit jeweils einer OLED-Anzeige, die Namen und Werte einer Parameterseite zeigen. Darüber gibt es eine Anzahl von Wahltastern für einzelne Parameterseiten, die in Funktionsgruppen aufgeteilt sind und mit jeweils einer Status-LED versehen sind. Durch diese Gruppierung ist der Ablauf in der Klangerzeugung gut nachvollziehbar. Wird mit den Tastern eine Parameterseite ausgewählt, können die Encoder die auf den Displays angezeigten Parameter verändern. Zusätzlich zeigt ein Farbdisplay weitere Informationen zum aktuellen Kontext.
Das Ganze steckt passend zum VL1m-Gerät in einem 19 Zoll Gehäuse und lässt sich in ein Rack schrauben. Die Frontplatte besteht aus einem sehr harten Multi-Layer-Kunststoff, auf der sämtliche Beschriftungen eingraviert sind, wodurch eine darunterliegende schwarze Schicht zum Vorschein kommt. Hinten befinden sich drei MIDI-Buchsen, an die der VL1 und ein optionales Keyboard angeschlossen werden. Die MIDI-Daten des Keyboards werden durch einen internen Merger zusammengeführt, das ist für den Rack-Variante VL1m sehr praktisch.
Zunächst lassen sich damit alle Einstellungen sehr komfortabel und auch einfacher als am Synthesizer selber durchführen. Dazu gehören alle Einstellungen beider Voices, wie z. B. Lautstärke, Transposition, Zuweisungen der Controllermatrix, sämtliche Effekte und Modifier.
Hinter zwei Funktionsgruppen befindet sich das physikalische Modell: Physics und Pipe. Damit lassen sich die sechs magische Parameterseiten auswählen: Diese sind dafür verantwortlich, ob die modellierte Physik wie ein Saxofon reagiert, wie eine Trompete, Geige, Gitarre oder ein Phantasieinstrument. Hier muss man sich tatsächlich sehr mit der Materie beschäftigen. Es passiert schnell, dass es verstimmt oder gar nicht mehr resoniert. Diese Parameter beeinflussen sich auch gegenseitig, so dass man immer das gesamte Modell im Blick behalten muss. Hat man sein Modell komplett “verdorben”, bietet der Controller eine Undo-Funktion für die jeweils aktive Seite.
Die Anzahl dieser Modellparameter ist tatsächlich überschaubar, allerdings kommt noch Yamaha-spezifisch das Key-Scaling pro Parameter hinzu. Es dient dazu, die Werte in Abhängigkeit von der gespielten Taste relativ zu verschieben. Dazu haben manche Parameter drei Breakpoints, manche aber auch bis zu 16. Hier hat sich der Entwickler etwas einfallen lassen, damit das überschaubar bleibt: Parameter, die Key-Scaling unterstützen, sind mit einem „#“ markiert. Wird dieser Encoder gedrückt, wechseln alle Encoder in den Breakpoint-Modus. Ein Encoder definiert den Notenwert eines Breakpoints, der darunter den entsprechenden Parameter-Offset. Alle Notenwerte lassen sich auch schnell über die MIDI-Tastatur definieren. Eine Grafik im Farbdisplay zeigt die aktuellen Einstellungen.
Da einige Einstellungen des Modells das Instrument verstimmen, muss manchmal nachgestimmt werden. Das wird auf der Tuning-Seite gemacht. Es gibt einen Autotune-Modus, bei dem der VL1 durch einen internen PLL-Mechanismus versucht, sich selbst zu stimmen. Das funktioniert jedoch oft nicht sonderlich gut, weshalb es auch einen manuellen Modus gibt. Im Gegensatz zu Yamahas Expert Editor muss jedoch nicht jeder Ton einzeln gestimmt werden. Stattdessen wird nur an zwei Stellen manuell gestimmt und auf Knopfdruck werden alle dazwischenliegenden Töne interpoliert.
Eine weitere Spezialität des VL1 sind die Modifier, bestehend aus dynamischem Filter, EQ, Harmonic-Expander und Impulse-Expander. Auch deren Einstellungen werden graphisch unterstützt.
In der Gruppe „Global“ lassen sich die Voices übertragen, untereinander austauschen und auf der internen SD-Karte speichern.
Andere Seiten sind für zukünftige Firmware-Erweiterungen vorgesehen, angedacht sind z. B. ein Parameter-Looper, Arpeggiator und Templates, um bestimmte Voreinstellungen auf einzelne Gruppen, wie Effekte, Impulse Expander oder Modelle mit einem Set an Parametern zu setzen.
Preis, Verfügbarkeit und Kontakt
Von Roberts neuestem Controller für den Yamaha VL1 werden voraussichtlich 20 Stück gebaut werden. Der Preis wird bei ca. 1.300,- Euro liegen.
Bei Interesse kann man sich unter vl1.skerjanc.de anmelden, kommentieren und den weiteren Blog verfolgen.
Respekt
Wann kommt der FS-1R Controller? Leide habe ich keinen VL-1. Trotzdem maximale Hochachtung!
geil.
das mit dem fs1r-controller hab ich als youtube kommentar schon angemerkt…:)
inzwischen habe ich die editorsoftware von coffeeshopped und komme ganz gut klar damit, aber für 1,3k käme ich nochmal schwer ins grübeln…
schade das die dokuseiten zum fs1r-controller wieder verschwunden sind..
@Schneum Ich hätte nie gedacht, dass der FS1R Controller so eine Resonanz auslöst. Letztlich war es ein Riesenaufwand, den zu bauen und der Preis hätte wesentlich höher sein müssen, um das in größeren Stückzahlen zu fertigen.
Kam die Idee von dir, den Form Factor des VL1 Controllers für eine FS1R Variante wieder zu verwenden? Eine reizvolle Idee, über die ich noch nachdenke…
@Dr. Robert Skerjanc jepp, das ist mir sofort in den sinn gekommen als ich das youtubevideo gesehen habe, zumal der controller schon 2×8 encoder hat…
auf der letzten superbooth habe ich den fs1r controller ausprobieren können und fand besonders die makroseiten praktisch, wo man einen parameter aller operatoren gleichzeitig im zugriff hatte.
mit den hüllkurven kam ich weniger klar, weil ich mir nie merken kann welcher level und welcher rate-wert wo liegt und was bewirkt. da ist eine grafische darstellung unerlässlich für mich, damit ich weis, was ich gerade tue.
war übrigens sehr nett, mit den yamahamitarbeitern am stand zu plaudern. habe denen erklärt, sie sollen den coolen shit nicht nur ausstellen sondern sich hinsetzen und selber mal wieder was hinkriegen…
Ich habe nie verstanden, dass Yamaha keine VL „Groovebox“ mit amtlichen Wandlern herausgebracht hat, also die auch so gut klingt wie der VL1.
Eine x stimmige Version heute wäre doch der Wahnsinn.
Aber die hätten es vielleicht wieder geschafft, ein Interface zu kreieren, das niemand bedienen will oder aber viel zu simpel ist.