Zwei USB-Interfaces fürs Homerecording
Die NAMM 2019 liegt schon länger zurück, als dass Tascam die Audiointerfaces Series 102i und Series 208i vorgestellt hat. Nun liegen sie beide vor mir und sollen zeigen, was sie drauf haben. Generell ist der Markt an Audiointerfaces ziemlich unübersichtlich, so dass Produkte mit besonderen Eigenschaften eine schöne Abwechslung sind. Ohne Zweifel gilt das für die Series 102i und 208i, die nicht nur kompatibel mit iOS-Devices sind, sondern gleich schon mal interne DSP-Effekte mitbringen, um die DAW zum Zwecke der Latenzminderung zu entlasten.
Natürlich hat dieser Vorteil auch einen kleinen Nachteil, denn in Hardware gegossene Effekte sind fix in ihrer Qualität. Zu diesem Preis kann man natürlich keine UAD-typischen Plugins erwarten und von daher dürften Heim- und Projektstudios die primäre Zielgruppe sein. Allerdings bedeutet dies natürlich nicht, dass man nicht auch seine Lieblings-Plugins verwenden könnte.
Zur Ausstattung gehören neben frontseitig symmetrischen Eingangsbuchsen mit XLR-/TRS-Anschlüssen auch rückseitige ADAT-Eingänge, MIDI-Ein- und Ausgang, zwei Kopfhörerausgänge sowie stufenloses Fading zwischen DAW- und Direktsignal. Einzelausgänge und BNC-Anschlüsse zur Synchronisation der Digital-Clock bleiben dem Series 208i vorbehalten.
Optisch passt dazu das mit 599,- Euro teure Tascam Series 8p Dyna, ein Mikrofon-Preamp mit acht Eingängen und analogen Kompressoren, der sich digital an die zwei ADAT-Eingänge anschließen lässt und auch die Synchronisation der Wordclock ermöglicht.
Tascam Series 102i und 208i im Überblick
Solide verpackt erreichen mich die Interfaces inklusive Netzteil mit verschiedenen Adapteraufsätzen für viele Regionen, USB-Kabel und Download-Links für die beiliegende Software: Cubase LE 9.5 für Mac und Windows, Cubasis LE für iPad, IK Multimedia AmpliTube, T-RackS Tascam Edition und Izotope Neutron – damit lässt sich schon einiges anfangen.
Für Tascam zwar selbstverständlich, generell jedoch nicht unbedingt, möchte ich das ausführliche, deutsche Referenzhandbuch erwähnen, das sich auf der Website ergänzend zur Kurzanleitung herunterladen lässt. Dies vermittelt auch weniger erfahrenen Anwendern die notwendigen Grundlagen, so dass man die Produkte besser verstehen lernt. Die Übersetzung ins Deutsche ist dabei ebenso vorbildlich.
Die silbernen und leicht angeschrägten Gehäuse sind aus zwei Aluminiumteilen gefertigt und werden durch seitliche Backen zusammengehalten, die hinteren Anschlüsse sind verschraubt. Das haptische Tascam-Logo auf der Front vermittelt einen hochwertigen Eindruck.
Das gilt allerdings nicht ganz für die vorderen Buchsen, die sich ganz leicht eindrücken lassen. Auch die Kunststoffdrehregler haben etwas Spiel, dafür einen guten Drehwiderstand und ausreichend Abstand zueinander. Der größere Lautstärkeregler besteht hingegen aus Aluminium und ein umlaufender Gummiring sorgt für den notwendigen Grip.
Die Eingangswahlschalter sind zwar griffig, aber durchaus hörbar. Bei diesem Preis könnte man durchaus etwas mehr erwarten, das gilt auch für die aufgeklebten Gummifüße. Zwar stehen die beiden Audiointerfaces rutschsicher, wenn ich aber das Swissonic UA-2×2 zum Vergleich heranziehe, steht dies in der Verarbeitung in nichts nach. Mit 6,5 cm Höhe und 16 cm Tiefe sind die Abmessungen gleich, das Series 102i wiegt 900 Gramm und ist 18,6 cm breit. Das Series 208i ist mit 1,5 kg und 29,6 cm etwas breiter, ein iPad passt wunderbar darauf.
Beide Interfaces werden unmittelbar an einem iDevice erkannt und benötigen in jedem Fall das Netzteil. Am Lenovo Moto One Vision mit aktuell Android 9 Pie wurden die Interfaces mit einem USB-C-Adapter sofort erkannt. Tascam hält auf der Website eine Kompatibilitätsliste bereit, so arbeitet man laut Mixer-App derzeit an MacOS 10.15 Catalina.
Die Nummerierungen 102 und 208 beziehen sich auf die Ein-/Ausgangskanäle, das Series 102i bietet somit acht Digital- und zwei Analogeingänge, das Series 208i maximal 16 digitale (über zwei ADAT-Buchsen), vier analoge und entsprechend acht Ausgangsbuchsen. Die Wandler lösen mit 192 kHz bei maximal 24 Bit Quantisierung auf, wobei sich die Anzahl der Digitalkanäle an der Abtastrate orientieren. Maximal sind je optischem Eingang acht Kanäle bei 48 kHz, vier bei 96 kHz und zwei bei 192 kHz Abtastfrequenz möglich, die Anzahl verdoppelt sich entsprechend beim Series 208i.
Alternativ können die Abtastfrequenzen 44,1, 88,2 und 176,4 kHz gewählt werden. Digital wird entsprechend ein Mehrkanalsignal entgegengenommen, S/MUX bei 88,2, 96, 176,4 und 192 kHz. Beide Audiointerfaces sind bis auf die Ausstattung in Klang und Verarbeitung identisch, weshalb ich mich im Folgenden auf das Series 208i beziehe. Wem ein ADAT-Eingang reicht und keine Wordclock-Sync und Einzelausgänge benötigt, kann rund 100,- Euro sparen. Allerdings können Ansprüche wachsen und der Aufpreis für mehr Leistung ist vergleichsweise gering.
Die Vorderseite beider Audiointerfaces ist sehr gut strukturiert, nichts wirkt gedrungen oder beengt. Jeder Eingangsbuchse stehen eigene Schalter zur Quellenwahl und Phantomspeisung, Gain-Regler und drei LEDs für Level, Peak und Phantompower zur Seite.
Rechts daneben befindet sich der griffige Volume-Regler mit zwei LEDs für USB und Power, daneben über den beiden Kopfhörerbuchsen der Fader und die Kopfhörerlautstärke.
Die Rückseite bietet beim Series 208i erwartungsgemäß mehr, das Series 102i beschränkt sich auf zwei Main-Out-Buchsen in TRS-Format, zwei MIDI-Anschlüsse, ADAT und USB. Weiterhin ist hier der Netzteilanschluss mit Kabelsicherung untergebracht und ein mechanisch geschützter Netzschalter. Da sich dieser an der Oberkante befindet, lässt er sich von vorne gut erreichen. Statt der TRS-Buchsen hätte ich bei diesem Preis eher XLR-Anschlüsse erwartet.
Beim Series 208i sind sechs zusätzliche Klinkenbuchsen als Einzelausgänge vorhanden, die bereits erwähnten BNC-Sync-Anschlüsse und der zugehörige Schalter für den Abschlusswiderstand (75 Ohm Koaxialverbindungen, erinnert mich irgendwie an frühere Netzwerktechnik). Ein Kensington-Anschluss sichert die Geräte vor Langfingern.
Wie klingen die Tascam Interfaces 102i und 208i?
Die Wandler selbst sind sehr rauscharm, allerdings ist zumindest über den Kopfhörerausgang bei Maximalpegel ohne anliegendes Signal ein leichtes Störgeräusch hörbar, hier hätte man vielleicht die digitalen und analogen Schaltkreise besser gegeneinander isolieren sollen. Das wirkt sich in Teilen auf die Eingänge aus, auch wenn die bekannten Ultra-HDDA-Mikrofonvorverstärker mit einem Geräuschspannungsabstand von rund 129 dBu auf dem Papier gute Werte zeigen, was nicht unbedingt für die Verstärkung von bis zu 58 dB spricht.
Mein RODE PodMic ist jetzt nicht die beste Referenz und zeigte bei maximalem Pegel ein ganz minimales Grieseln, das RODE NT1 funktionierte dagegen tadellos und sehr ruhig. Daher sind Mikrofone mit höherer Ausgangsspannung oder generell Kondensatormikrofone unproblematischer, ein USB-Isolator wäre allerdings ratsam. Bei Line- und Instrumentenpegel ist das absolut unkritisch und es zählt schließlich das, was am Ende rauskommt. Die Qualität der internen Effekte wie Hall, Kompressor und 4-bandiger Equalizer machen einen guten Job und können durchaus mit besseren Analog-Konsolen mithalten.
Der Klang der Ausgänge ist durchaus musikalisch und weniger flach, wie ich es von anderen Audio-Devices kenne. Mit dem K812 zeigt sich eine sehr differenzierte und hoch auflösende Abbildung bei entsprechenden Aufnahmen. Dabei liefern die Ausgänge genügend Dampf, dass auch leistungshungrige Modelle angetrieben werden können.
Während es an den Main-Ausgängen nicht rauscht, ist das erwähnte Eigenrauschen am Kopfhörerausgang nur bei praxisuntauglicher Maximallautstärke hörbar und stört bei normalem Betrieb nicht. Die Verstärkerleistung verteilt sich auf beide Kopfhöreranschlüsse, im Idealfall sind zwei identische Kopfhörer mit geringer bis mittlerer Impedanz zu empfehlen. Während am Mac und iPad Core Audio und Core MIDI verwendet werden, stehen für Windows ASIO-Treiber zur Verfügung, die für den vollen Funktionsumfang zwingend erforderlich sind. Ansonsten werden die Geräte als USB-Audio-Class 2.0 angesprochen, bieten dann aber auch hohe Auflösungen. Unter MacOS ist die Mixer-Konsole nötig, damit es spannend wird. Ohne diese lassen sich die Ein- und Ausgänge in der DAW routen, einen Zugriff auf das virtuelle Mischpult erhält man auf diese Weise nicht. Immerhin lässt sich eine Szene, wie Tascam eine komplette Sitzung nennt, auf das Gerät als Standard übertragen.
Die Features der USB-Audiointerfaces
Mit der leider für VoiceOver nicht gut zugänglichen Mixer-App kommt richtiges Analog-Feeling auf und die Optik erinnert mich an analoge Mischpulte. Einen kleinen Schock kann man beim ersten Start bekommen, denn das Series 102i bzw. Series 208i übernimmt zunächst die aktuellen Werte. Dabei hat mich zunächst irritiert, dass den Gain-Reglern natürlich noch Kanalzüge nachgeschaltet sind, ohne App hört man entsprechend das Eingangssignal beim Direct-Monitoring, nach dem Erststart verstummt das Signal zunächst, denn die Kanalzüge befinden sich auf Nullstellung.
Prinzipiell gibt es also zwei Betriebsarten, entweder die Nutzung als eigenständiges Audiointerface mit bei Bedarf statischen Einstellungen oder mit der App erweitert als virtuelles Mischpult. Demnach stehen die typischen Effekte und Regler zur Verfügung und Anwender aus der Analog-Welt fühlen sich sofort zuhause. Hat man Einstellungen in der App getätigt und beendet diese, werden sie vom Interface bis zum Ausschalten beibehalten. Dass es nach dem Einschalten die Grundeinstellungen oder selbst definierte Szene lädt, erleichtert die wechselseitige Nutzung beispielsweise zwischen iMac und iPad.
In der App lassen sich zehn verschiedene Szenen ablegen und unmittelbar wieder aufrufen. Mir persönlich gefällt das Prinzip an sich, jedoch ist das für mich kein Ersatz für die Hardware. Eigentlich hätte man die Controller auch als Miniaturversion auf der Gehäuseoberfläche einbauen können. Offenbar lässt sich der Mixer nicht als Plugin nutzen, so dass man die Einstellungen in der App und DAW getrennt vornehmen muss. Würde man hingegen ein Mischpult mit integriertem Audiointerface nutzen, hätte man schließlich auch getrennte Einstellungen.
Die MIDI-Buchsen werden ebenso unkompliziert im System eingebunden und lassen sich ohne Umschweife nutzen. Dabei muss ich gestehen, dass ich bei Audiointerfaces mit MIDI-Anschlüssen diesbezüglich keine Unterschiede wahrnehme, alles funktioniert und die Daten werden wechselseitig übertragen. Entsprechend gilt dies für die Series 102i und Series 208i, sofern man MIDI natürlich in der DAW richtig konfiguriert.
Latenz und Effekte bei Tascams 102i und 208i
Tascam verspricht eine besonders niedrige Latenz, weil der integrierte DSP die DAW entlastet. Dies trifft sicher für ältere Rechner oder viele Notebooks zu, leistungsstarke Computer oder das iPad Pro lassen sich hingegen erst bei aufwendigen Projekten in die Knie zwingen. Dabei ist man wie erwähnt auf die Qualität von Hall und Kompressor des Series 102i bzw. Series 208i festgelegt und gefallen die Effekte klanglich nicht, ist der Vorteil wie bei jeder anderen Hardware dahin. Im Vergleich zu einer Konsole ist die Lösung von Tascam deutlich platzsparender, in Verbindung mit dem Mikrofonvorverstärker Series 8p Dyna kommt man mit dem Series 208i bei einer Abtastfrequenz von 48 kHz auf 12 Eingänge, legt dann allerdings auch fast 1000 Euro auf den Tisch. Ab diesem Moment muss sich das Gespann mit anderen Pulten messen lassen, wobei die jeweilige Arbeitsergonomie bei der Entscheidung sicherlich hilft.
Auf meinem iMac 27 mit Core i7 wird mir in Logic Pro X mit geladenem Beispiel-Song eine Latenz von 15,9 ms und Roundtrip von 18,8 ms bei 64 Frames angezeigt, mein Mackie ONYX Producer 2×2 kommt auf über 19 ms. Bei 128 Samples sind es knapp über 28 ms, das Mackie zeigt dann nur über 22 ms an. Vergleichbar ist das aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Ein- und Ausgängen wohl nicht so ganz.
Während EQ und Compressor als Channelstrip oder Gruppe individuell geschaltet werden können, steht der Halleffekt global zur Verfügung. Threshold, Verhältnis Ein- zu Ausgangssignal und Schnelligkeit des Kompressors lassen sich kanalweise einstellen. Der EQ bietet vier Bänder, wobei Bässe und Höhen je als Shelving- und die oberen und unteren Mitten als Glockenfilter ausgelegt sind. Alle Bänder lassen sich im Frequenzbereich großzügig verschieben und die Einstellungen werden grafisch abgebildet. Für die beiden Mittenbänder lässt sich der Q-Faktor regeln und damit die Breite der Glockenfilter verändern. Der Halleffekt bietet fünf Typen, Pre-Delay, Nachhallzeit und Dichte können ebenfalls eingestellt werden. Grundsätzlich übertrifft Tascam damit die typischen Funktionen eines Mixers in dieser Preisklasse und alleine diese Vielfalt erklärt, warum das Gerät keine Hardware-Steuerung besitzt, jedoch hätte ein Touchscreen gut auf die Oberseite gepasst. Hat man nämlich eine Szene ins Gerät kopiert und keinen Computer zur Hand, hilft nur die Abschrift oder Ausprobieren, um die jeweiligen Einstellungen zu ermitteln. Unabhängig davon sind Series 102i und Series 208i uneingeschränkt zu empfehlen und verfehlen hauptsächlich wegen der nicht ganz exzellenten Verarbeitung und den leichten Einstreuungen knapp das Best-Buy-Prädikat.