Channelstrip Plugin für elektronische Musik
Im Nachhinein darf man sich fragen, warum vorher noch kein anderer Hersteller ein Plugin des Avalon VT-737 entwickelt hat – war es doch der meistverkaufte Channelstrip aller Zeiten, wenn man der Aussage des Herstellers glauben mag. Dabei sind das gesamte Design und der letztendliche präferierte Einsatzzweck ziemlich konträr. Ein Röhrenvorverstärker, der eigentlich so gar nicht nach Röhre klingt und ein Opto-Kompressor, der nicht so charakteristisch färbt, wie beispielsweise der Universal Audio LA-2A. Und zum Einsatz kommt der Avalon auch nicht bei gemäßigten Live- Aufnahmen oder Singer/Songwritern, sondern knallhart im HipHop und R&B mit ihren heftigen Beats. Sehr seltsam.
Sie dürfen deshalb davon ausgehen, dass ein großer Teil der Chart-Hits der letzten Jahre durch einen Avalon VT-737 gelaufen sind. Beyonce, Ed Sheeran, Pharrell Wiliams sind auf der Hit-Liste, so wie auch Produktionen von Jay-Z und Dr. Dre. Der VT-737 findet überall dort seinen Einsatz, wo Glanz, Präzision und „Air“ verlangt wird – eigentlich keine Domäne von röhrenbasierten Channelstrips.
Universal Audio hat den Avalon VT-737 für 299,- Euro als Plug-in im Programm. Nach eigenen Aussagen war der Channelstrip das mit großem Abstand am meisten angeforderte Plugin. Zudem ist der 737 nicht nur ein einfaches VST, sondern nutzt die Unison Technologie von Universal Audio. Dabei werden tatsächlich auch die Hardware Eigenschaften der Apollo Interfaces beeinflusst und es verändert sich beispielsweise die Eingangsimpedanz parallel zum originalen Vorbild. Darüber hinaus wird das Plugin auch ausdrücklich von Avalon Industries Inc. empfohlen und es soll kein klanglicher Unterscheid feststellbar sein.
Die Ausstattung des Channelstrip Plugins
Der VT-737 ist sehr intuitiv zu bedienen und wenn man schon etwas Erfahrung mit diversen Channelstrips sammeln konnte, dann stellt das Avalon definitiv kein Problem dar:
Links die klassische Preamp-Sektion mit HI-Z-Input, Preamp-Gain, einem Regler, um Line- und Mikrofonsignale zu mischen und darunter ein regelbares Highpass-Filter. Daneben die Input-Sektion mit zuschaltbarem High-Gain, einer Phasenumkehr, einem Pad zur Verringerung des Input-Pegels um 20 dB und die Aktivierung des HP-Filters.
Dann kommt links neben dem zentralen VU-Meter der Kompressor, ganz klassisch mit Threshold, Compression, Attack und Release und der Möglichkeit, den EQ vor den Kompressor in der Signalkette zu positionieren. Dazu können Sie hier das Anzeigeinstrument auf die Gain-Reduction stellen und die Sidechain-Funktion aktivieren.
Rechts vom VU-Meter dann der parametrische Equalizer mit vier Frequenzbändern. Hier ist besonders der Hi-Shelf zu erwähnen, der seine Wirkung auf bis zu 32.000 Hz ausweitet, was dem Audiosignal einen bestimmt Glanz verleihen soll. Dazu kann man mit den entsprechenden Schaltern noch den Q-Faktor der Frequenzkurve erhöhen (was einer schmalbandigeren Wirkung entspricht) und die Frequenz eines Reglers um den Faktor 10 erhöhen.
Letztlich noch ganz rechts der Output-Regler und der ON/OFF-Schalter. Sie sehen: Der Avalon VT-737 Channelstrip gibt soweit keine Rätsel auf!
Als Unison Plugin sollte man den Avalon für ein perfektes Klangerlebnis nicht als Effekt in der Universal Audio Console einstellen, sondern im oberen Bereich bei den Unison Preamps und Gitarrenverstärkern. In Sachen DSP-Ressourcen „frisst“ das Plugin 42,5 bzw. 46,1 % (mono/stereo) von den aktuellen Sharc DSP-Ressourcen der Apollo Serie. Das ist etwas genügsamer als z. B. ein hungriger SSL E Series Channelstrip, der im Stereobetrieb 70,1 % eines Kerns verspeist. Zur Einordnung: Das derzeit hungrigste UAD-Plugin ist das Capitol Chambers mit 74,1 %. Ein Neve 88RS Channelstrip liegt leicht unter dem Avalon mit 38,3/44,2 % (mono/stereo).
Durch die vollständige Ausstattung im Vergleich zum über 3.000,- Euro teuren Original bekommt man also eine ganze Menge an Funktionen für sein Geld bei relativ moderatem Umgang mit den DSP-Ressourcen.
Übrigens kann man das VT-737 Plugin auch in den „Black-Mode“ umschalten, wenn man auf das Logo klickt. Die Darstellung ist schon in der silbernen Darstellung scharf, aber die Lesbarkeit der (virtuellen) Buttons verbessert sich mit schwarzer Frontplatte nochmals.
Universal Audio Avalon VT-737 Plug-in: Der Klang
Ich durfte mal eine Zeit lang mit dem Original „spielen“ und die oben geschilderten Klangcharakteristika sind auf jeden Fall nachvollziehbar: Der Original VT-737 klingt nicht sehr „tube-ey“, sondern eher frisch und dynamisch. Durch den LED-Opto-Kompressor kann man die Spitzen sehr gut einfangen, wobei dieser für mich eher etwas zu neutral oder sogar zu „brav“ klang. Kein Vergleich zu einem LA-2A, der den Grundcharakter eines Tracks maßgeblich verändern kann. Der EQ hingegen war für mich immer das Highlight des Geräts: sehr sauber einstellbar mit wenig Einfluss auf die Nachbar-Bänder oder die Gesamtcharakteristik des Klangs.
Das Plugin simuliert diese positiven Eigenschaften des originalen Geräts außerordentlich gut. Es mag sein, dass das Original noch einen Hauch „musikalischer“ spielt*, aber der Universal Audio Unison Channelstrip bietet eine Klangqualität auf höchstem Niveau und der Einfluss des jeweiligen Reglers ist sehr deutlich nachvollziehbar.
*) Ohne den unmittelbaren Vergleich wäre es nicht seriös, solch subtilen Unterschiede „aus dem Gedächtnis“ hier niederzuschreiben und als Fakt zu titulieren. Ohne direkten Vergleich (wie beispielsweise in meinem Test des Elysia Alpha Kompressors) ist es schlichtweg nicht möglich, den Klang der Hardware oder der Software als besser oder schlechter zu beschreiben.
Beim Grundcharakter des Avalon muss man immer im Auge bzw. im Ohr behalten, dass dieses Gerät am besten bei modernen Produktionen funktioniert. Meine Tests mit akustischer Gitarre zeigten, dass der Avalon hier eher Dienst nach Vorschrift macht. Wenn es aber elektronisch wird, dann kommt plötzlich Leben in die Bude: Das Zusammenspiel aus Preamp, Kompressor und Equalizer bringen die Kicks, die HiHats und den Synth richtig zum Strahlen und es wird sofort klar, warum der VT-737 in diesem Genre so beliebt ist. Es ist eine wahre Freude, mit der Air-Funktion (32K) des EQ dem Song einen zusätzlichen Glanz zu verleihen.
Allerdings sollte einem schon bewusst sein, dass man hier nicht wirklich 32.000 Hz hört, sondern nur die Auswirkungen eines breitbandigen Hi-Shelf-Filters, das bis in den Hörbereich rein wirkt. Und mit 44,1 kHz und nachfolgender MP3-Komprimierung ist dieser Effekt natürlich in den Klangbeispielen kaum wahrzunehmen.
Audiobeispiele zum Avalon VT-737
Meine drei Klangbeispiele habe ich mit dem Korg Kronos erstellt. Dabei starten die Samples immer zuerst mit unbearbeiteten Takten, gefolgt von dem Signal, das durch den Avalon gejagt wurde.
Zuerst eine Drumspur mit etwas Synthesizer, danach ein Clubsound: vier Takte unbearbeitet, dann vier Takte mit dem VT-737 und letztlich mit aktiviertem Sidechaining. Danach ein Vocal-Sample, zuerst roh und dann – seht tight – über den Avalon.
Zu guter letzt hier noch ein deutschsprachiges Promo Video von Universal Audio zum Produzententeam Jugglerz und wie sie beispielsweise Auto-Tune für ihre Produktionen einsetzen. Und der Avalon VT-373 passt da thematisch mit seinem Rap/Hip Hop Fokus genau rein:
Danke für den Test. Das scheint echt ein heißes Teil zu sein, auch wenn es mit 299,- Euro UAD-typisch teuer ist.
@tammy Danke für das Feedback. Am Besten, Du registrierst Dich für den UA Newsletter – dort gibt es immer wieder Promotions und vielleicht wird der Avalon dann auch mal günstiger angeboten.