Waldorf Rocket Synthesizer sechs Jahre danach
Über die Musikalität rückstoßgetriebener Flugkörper
Zugegeben, es geht in diesem Artikel nicht vornehmlich um die Musikalität und auch nicht um die sprachlich etwas holprig umschriebenen Raketen im Allgemeinen. Um eine ganz bestimmte Rakete und im weitesten Sinne um ihren klanglichen Reiz geht es dann aber doch:
Dem Waldorf Rocket Synthesizer.
Das ursprüngliche Aushängeschild des Rockets (Markteinführung 2013) und vermutlich auch noch sechs Jahre später immer noch eine der markantesten Eigenschaften ist zum einen die Ausgestaltung des Signalpfads: Alles digital, bis auf das analoge Filter. Und das greift dann durchaus musikalisch, brachial oder zwitschernd in den Klang ein.
Zum anderen ist es die Bedienschnittstelle vor allem des Oszillators. Statt einer einfachen Wellenform-Auswahl zwischen Puls und Sägezahne gibt is hier zur noch den Wave und Tune Parameter. Damit lässt sich von Poly-Saw artigen Klängen bis hin zu Akkorden so einiges zaubern. Hier verweise ich gerne auf den ursprünglichen Amazona Test und das angemessen kurze Handbuch.
Der letzte Punkt, die Bedienung, ist meiner Meinung nach sowohl die große Stärke des Rocket als auch seine Schwäche wenn er unter der falschen Prämisse angeschafft wird. Dadurch, dass der Rocket hinter den beiden Wave und Tune Parametern eine solche Komplexität und Fülle an Klängen verbirgt ist er auf keinen Falle die beste Empfehlung für einen „Lern-Syntesizer“. Wenn es darum geht die Subtraktive Synthese zu verstehen und einfache Parameter-Änderungen direkt auch in einer eindimensionalen Änderung des Klanges auszumachen ist man beim Rocket an der falschen Adresse. Dafür gibt es bessere Alternativen, welche klanglich vielleicht weniger vielschichtig, dafür in ihrer Architecktur einfacher zu durchdringen sind.
Nutzt man den Rocket aber als genau diesen, von außen so unscheinbar wirkenden, dafür klanglich vielschichtigen Tonerzeuger kann man mit ihm nicht nur eine Menge Spaß haben, sondern auch musikalisch verwertbare Klänge entdecken. Und genau dafür ist er wie gemacht: Einstecken, anschalten, Midi Sequenz auf den Rocket feuern, an den Reglern dreh‘n und los geht die Rakete.
Dabei kommt ganz und gar nicht immer das heraus was man gesucht oder sich ausgemalt hat. Nochmal: für Brot und Butter Klänge von denen man genau weiß wie sie zu erzeugen sind gibt es bessere Alternaltiven. Für Experimente aber taugt der Rocket, gerade wegen seiner durch eine augenscheinlich übersichtliche Bedienoberfläche versteckten klanglichen Komplexität, im ganz besonderen.
Empfehlung und Alternativen
Aktuell wechselt laut Syntacheles ein Rocket für nicht ganz € 150,- den Besitzer. Dafür gibt es neu wie auch gebraucht einige Alternativen. Von Teenage Engineering‘s Pocket Operators, Monotribes, Volcas bis hin zu IK Unos ist so einiges zu haben. Für den Rocket spricht aber definitiv die angenehme Größe (vgl. Volca), die ordentliche Haptik der Bedienelement (vgl. Pocket Operator) und der erwachsene, vielseitig Sound (vgl. Monotribe).
Wer einen Rocket ausprobieren kann sollte die Gelegenheit nutzen und sich sein eigenes Klangbild machen.
Inspiration
Wer etwas inspiration braucht sollte ohne großen Aufwand die einschlägigen Youtube Kanäle besuchen. Hier einige bemerkenswerte Beiträge:
- ZergPad eine wunderbar gemachte Klangwelt
- Ohen Worte: musictrackjp’s take on waldorf’s rocket
- Etwas ganz anderes aber durchaus interessant: Rocket als Pre-Amp
- Rocket als Bass, Lead, Plug und Lead inkl. fast astrengend ressonanter Filter-Fahrt auf Soundcloud.
Soundbeispiele
Die Soundbeispiele wurden nach einem „pseudo random parameter exploration“ Ansatz erzeugt. Dafür werden alle (!) Parameter mit Wellenformen unterschiedlicher Ferquenz automatisiert um eine breite Fülle and Kombinationen zu erzeugen. Das ist im Falle des Rocket mit seinen „nur“ zwanzig per MIDI steuerbaren Parametern noch möglich. Für komplexer Synthesizer kann sich dieser Ansatz aber durchaus für einzelne Komponenten eignen. Warum nicht einmal den VCF des Lieblings-Synthesizers in dieser Art automatisieren und erleben welche unentdeckten Kombinationen sich finden lassen?
Konkret wurde aus FL Studio heraus der Rocket dauerhaft mit einer 16 taktigen MIDI Sequenz (Tempo 110bpm) befeuert und parallel dazu nach dem oben vorgestellten Ansatz die zwanzig Parameter automatisiert. Bildlich kann man sich das ganz gut mit dem folgenden Screenshot vorstellen.
Zu oberst die MIDI Sequenz, dann die Automatisierungsspuren und zu unterst der aufgezeichnete Audio-Ausgang des Rockets. Die insgesamt aufgezeichneten 14 Minuten Audiomaterial wurden, den entstandenen „Pausen“ sei dank, in vierzehn sinnvolle Häppchen aufgeteilt.
Bedenkt man, dass selbst der Rocket noch Parameter besitzt welche nicht per MIDI automatisiert werden können und für die Soundbeispiele daher auch nicht verändert wurden (beispielsweise Filter-Typ immer Low-Pass, Boost an) zeigt sich deutlich der Aufwand dieser Methode. Nichtsdestotrotz kann dieser Aufwand lohnend sein.
Ich finde die Kiste nach wie vor super und setze den Rocket immer wieder gerne ein. Passt irgendwie immer und der Sägezahn mit den weiteren 7 Unsions macht echt was her. In meinen Augen ein sehr unterschätzer Synth.
Ja, er hat seine Einschränkungen und ja, er ist keine Eierlegende Wollmilsau und gerade das macht ihn in meinen Augen interessant. Einschränkungen regen die Kreativität an und ich merke halt doch, wie ich beim Rocket immer wieder gerne schraube und mich mehr um den Sound bemühe. Daher, für das Geld mehr als Top!
Die kleine grüne Kiste mach richtig Laune.
Schade nur, dass Waldorf die Entwicklung der Rocket Control App bei IOS 10 eingestellt hat. Somit nicht mehr lauffähig.
Der Rocket wird ja noch offiziell verkauft. Aber typisch Waldorf. Produktpflege nein Danke.
Kennt jemand ne gut Alternative zur App?
Konzeptionell kann man den Rocket eigentlich nicht mit Konkurrenzprodukten in seiner Preisklasse vergleichen, er ist ein eigenständiges Gerät mit klanglichen Möglichkeiten, die man in dieser Kombination nur hier vorfindet. Ich mag ihn sehr und finde auch, daß er ziemlich unterbewertet ist.
Über die augenscheinlich zu simple Hüllkurve sieht man schnell hinweg, wenn man alle vorhanden Funktionen in einen Zusammenhang bringt und erkennt, daß die gegebenen Möglichkeiten genau richtig dosiert sind. Das Ding ist eben ein etwas anderes Gesamtkonzept, nicht nur ein weiterer Monosynth, deshalb kann man den Rocket meines Erachtens nur schwer mit Konkurrenzprodukten in seiner Preisklasse vergleichen.
So schön die Möglichkeiten sind, hat mir trotzdem der Grundklang des Geräts überhaupt nicht zugesagt.
Irgendwas fehlt mir in den Mitten und der Sound setzt sich nicht richtig durch. Kann man auch ganz gut in diesen Audiobeispielen hören. Geht mir mit allen Waldorfgeräten so, ausgenommen der Microwave 1.
Als der Rocket erschien, war der Markt an Synthies der unteren Preisklasse noch sehr überschaubar. Ich hatte ihn auch mal als Partner zu meinem MFB-Step64 erwogen, behielt dann aber doch meinen MFB-Synth Lite2…
Nerdalert und lightman haben es eigentlich ganz schön formuliert. Für mich ist das KSR* einfach unschlagbar: Eine übersichtliche Anzahl an Bedienelementen die zum Schrauben einladen und der Sound der, bei den wenigen Köpfen, dabei rauskommt ist (meinem Geschmack nach) sehr lecker.
*) knob to sound ratio
Gerade daß der nicht haufen Regler hat macht das Soundschrauben ja spannend, da man sich nicht so schnell „verliert“.
@Emmbot Exakt so ist es gemeint.
Ein gutes KSR haben –> großer Sound bei wenig Knöpfen wäre dann ja: ein kleines KSR (geht gegen null).
„Sound to knob ratio“ wäre auch denkbar, dann hätte der Rocket unserer beider Meinung nach ein eher großes SKR ;)
Der Rocket war mein erster Hardware-Synthesizer.
Beim freien Noodlen komme ich regelmäßig nicht mehr aus dem Grinsen heraus.
Aber auch im Mix findet er seinen Platz.
Gerade die Kombination Rocket und Streichfett mit 2-Pole-Filter bringt interessante Ergebnisse.
Die aktuellen Gebrauchtpreise sind in meinen Augen unterbewertet.
Da es leider keine aktuelle App gibt, kann man die vorhanden Parameter ohne eigenen Bedienungsknopf auf dem Rocket nicht mehr so einfach erreichen.
So z.B. den LFO der nur für Vibrato zuständig ist und parallel zu dem auf der Frontplatte existiert. Mit MIDI CC #80 (bzw. #18 in der alternativen CC Verteilung) wird dessen Geschwindigkeit eingestellt. Die Stärke wird wie erwartet durch das externe Modwheel der angeschlossenen Tastatur gesteuert.
Auch die per SysEx möglich unterschiedlich MIDI Kanalnummer für den Empfang und das Senden von Daten erreicht man nun nur noch per SysEx. Und wenn man den Controller-Dump-Request“ per SysEx sendet, so bekommt man alle MIDI CCs der aktuellen Regler und Schalter (außer Boost und der Filtercharakteristik) als MIDI CCs gesendet zurück. So kann man Klänge in einer DAW speichern und wieder aufrufen. Also auch ohne die besagt RocketApp.
Diese SysEx Files habe ich hier bereitgestellt: http://til.....html#sysex