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Interview zu Orange Ancient Trance Live mit Jürgen Schlachter

6. Juli 2020

Am 26.06.2020 kam von Orange das 2019 in Leipzig aufgenommene Live-Album Ancient Trance heraus. Grund genug, ein wenig mehr darüber zu berichten.

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ANCIENT TRANCE ist der Name des damaligen Festivals: Er verbindet das Ursprüngliche mit der Ekstase – dem Überschreiten des Normalen in einen schlafähnlichen oder auch in einen höchstkonzentrierten Bewusstseinszustand. Es entsteht ein Raum voll spürbarer Magie, wenn Menschen dort zusammenkommen. Auf den Spuren der Schamanen verbinden sich traditionelle Sounds und führen über die alten ethnischen Wurzeln hin zu ekstatischer Weltenmusik.

Im selben Jahr feiert die Band ORANGE ihr 20-jähriges Jubiläum und ist mit ihrem aktuellen Studio-Album „Zen Zero“, das seit dem Release in der Szene für Furore sorgt, auf Tour.

Müsste man die Musik dieser Band mit zwei Worten beschreiben, so könnte man es kaum treffender formulieren als mit dem Namen des Leipziger Festivals. Um es mit Joachim Ernst Behrendt zu sagen, der in der „magischen Trommel“ über die Konzerte der Grateful Dead schrieb: „So müssen die dionysischen Riten gewesen sein“!

c by Justina Wilhelm

Die Wahrheit wird wohl jenen vorbehalten bleiben, die dabei waren, als es zu dieser grandiosen Begegnung kam. Die ganze Wahrheit? Nein, nicht die ganze. Denn neun Monate später ist der Audiomitschnitt dieser Nacht fertig gemixt und gemastert, die Bilder gezeichnet. Und so erscheint es, quasi als Resultat naturgegebener Umstände, folgerichtig, dass Orange sein 8. Album präsentiert: ANCIENT TRANCE – LIVE.

Bereits in der Eröffnung „Halebujeko“, schon einer der stärksten Tracks aus „Zen Zero“, ist zu erahnen, dass sich Festival und Band gegenseitig anziehen wie zwei Magnete. Schnell wird beim Hören auch Jürgen Schlachters Intention beim Mixen der Aufnahmen klar: In seinem 36music-Studio soll für das Album nicht nur die Live- Dynamik der Band herausgearbeitet, sondern das Gefühl transportiert werden, dabei zu sein, als massenweise nackte Füße unter den Sternen tanzten.

Und so geht die Reise weiter: Spätestens bei der neuen Version eines älteren Hits – „Soma Naela“ – duftet es nach Festivalwiese, indischem Essen und Räucherstäbchen, und es darf sich glücklich schätzen, wer gerade genügend Platz zum Tanzen um sich hat – denn eines gibt es nicht im All umfassenden und Welt umspannenden Sound-Kosmos von Orange: Stillstand!

Es folgen drei weitere Tracks aus vergangenen Zeiten in neuen Gewändern, wobei deutlich wahrzunehmen ist, wie sich Orange in den letzten Jahren entwickelt hat: Bei „Chuwenga“ kommen Schlagzeug und Elektronik deutlich verspielter daher als in früheren Versionen, und „Pankobabaunka“ überrascht mit dem plötzlichen Einsatz einer Rockgitarre.

c by Justina Wilhelm

Der zeremonielle Charakter von „Void Zen“ verdeutlicht, dass sich Musiker und Publikum mit ekstatischer Hingabe in einen Rausch gespielt und getanzt haben und erleben, wie sich der Moment von einem gewöhnlichen Orange- Konzert (falls es so etwas überhaupt gibt) hin entwickelt zu einem Ritual und der enthusiastischen Huldigung von Lebensfreude.

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Diesen Geist atmet auch der finale Song mit dem dubiosen Namen „Ziegenhonig“, einer der wenigen Downtempo- Songs, der sich dauerhaft im Live-Set von Orange etabliert hat und in diesem Sommer zu einer wahren Hymne für feierlustige Musikethnologen wurde.

So demonstriert Orange auf diesem gelungenen Live-Album, dass sich die Band auf Festivals dieser Art am meisten zu Hause fühlt. Mit Trommeln, Didgeridoo, Kehlkopf- und Sprechgesang (performt von Rainer Von Vielen) sowie elektronischen Elementen generieren sie ihre einzigartige musikalische Kreation, eben „world-beat-elektro-tribal- music“, die bewegt.

All das gibt es auf ANCIENT TRANCE – LIVE in eindrucksvoller Weise zu hören: Die wunderbare Kraft, die sich entfalten kann, wenn zwei Organe alternativer Popkultur aufeinandertreffen, die wie füreinander gemacht sind.

Aus diesem Anlass habe ich mit einem der Akteure von ORANGE – Jürgen Schlachter – ein Interview geführt.

Lutz:

Hallo Jürgen, da Du nicht allen Lesern dieser Plattform bekannt bist, könntest Du ein wenig von Dir erzählen, fangen wir doch mal mit der Zeit vor ORANGE.

Jürgen:

Nichts anderes als jetzt: trommeln, mischen, produzieren. Ich mach’ dies seit Jahrzehnten, wo soll ich anfangen? … vom ersten Auftritt bei einer Beschneidung, … über diverse Nachwuchspreise gemeinsam mit Bands und einzeln als Drummer, hin zur Zusammenarbeit mit Künstlern wie: Kinderzimmer Productions, Hellmut Hattler, Anne Clark, Kraan, Tab Two, Paul Vincent, Megaherz, Die Happy, Joo Kraus, Ali Neander, Barbara Dennerlein, Flo Mega, Deep Dive Corp, Rainer von Vielen, u.v.a. … bis über den gleichzeitigen Aufbau eines Tonstudios und eines Labels – ab 2014 dann auch Orange. Entstanden sind dabei weit über hundert Alben und sicher mehr als tausend Auftritte.

Lutz:

Erzähl mal von Deiner Zeit bei Kinderzimmer Productions, wie hast Du die Konzerte erlebt? Wie war die Zusammenarbeit mit Textor und Quasimodo?

Jürgen:

Das Cafe D’Art in Neu-Ulm war damals das „Wohnzimmer“ vieler Bands. Daher kannte ich die beiden schon, bevor das mit den „Kizis“ losging. Henrik (Textor) und Sascha (Quasimodo) hatten ein Trio namens „Die Drei Rüben“. Als die beiden sich dann in „Kinderzimmer Productions“ umformierten und ein bereits fertig produziertes Album hatten, fragten sie mich ob ich bei Auftritten trommeln möchte.

Ich hatte keine Ahnung von Hip-Hop, denn musikalisch sozialisiert bin ich ja mindestens eine Generation davor. Als Nichtschwimmer in den Ozean geschubst – ungefähr so hat sich das angefühlt. Großartig!

Mit „echten“ Instrumenten – Bass und Schlagzeug neben den Decks, waren wir ja eher eine ungewöhnliche Hip-Hop-Erscheinung. Auch wie wir das technisch gelöst haben war eigensinnig komplex und eigentlich mehr ne heimliche Zirkusnummer. Von unglaublichen Gigs in der Anfangszeit des deutschen Hip-Hop-Hypes über viele Club- Gigs war alles dabei. Ich glaube, wir haben das beinahe 10 Jahre zusammen gemacht.

Lutz:

Was ist denn der Unterschied als Drummer bei Orange im Vergleich zu Deinen anderen Engagements? Was muss man als Drummer bei Orange können außer den Takt zu halten?

Jürgen:

Jedenfalls nicht zu denken wie ein Drummer – eher wie ein DJ.

Die Parameter, die entscheiden wie gut ein Orange-Song funktioniert, sind völlig andere. Je weniger Drumset-Stereotypen, desto passender! Trotzdem, ohne den Spaß am originären Schlagzeuger-Handwerk geht’s nicht.

Lutz:

Wächst die Wirkung des Live-Sounds von Orange je größer die Bühne wird? Oder kann sich der Orange-Sound im intimeren Rahmen sogar besser entfalten?

Jürgen:

Die Homöopathen unter den Orange-Fans fühlen sich vielleicht in intimer Atmosphäre eher berührt. Das ist individuell bestimmt unterschiedlich. Ich finde eine große Bühne super. Weniger ist mehr gilt hier nicht! Auch nicht bei der Größe der PA-Anlage. Große Bühnen sind schon eher in der Lage, hinter unseren Sound noch ein verstärkendes Ausrufezeichen zu setzen! Gerade ein leistungsfähiger Bass ist eigentlich durch nichts zu ersetzen, außer vielleicht durch noch mehr Bass.

Lutz:

Wo würdest Du mit Orange gern noch spielen, wenn Du Dir eine Bühne aussuchen dürftest? Vergessen wir dabei mal Corona im Moment und träumen.

Jürgen:

Gerne mal im restlichen Europa! Ein Festival auf Pandora, einfach weil die Gegend und der ganze Lifestyle da so gut zu Orange passt! Auf der Ozora in Ungarn, das wäre noch was – oder auf Tortuga, bei einer der berüchtigten Strandpartys.

Lutz:

Wie geht die Band Orange bei der Erstellung der Setlist vor? Wonach richtet sich die Auswahl der Songs?

Jürgen:

Wir machen die finale Setlist oft erst fertig, kurz bevor wir auf die Bühne gehen. Dann entscheiden wir aus dem Bauch heraus, welche Tracks am besten passen. Generell versuchen wir, die Intensität des Konzertes von Beginn an zu steigern. Das hängt nicht nur von der Geschwindigkeit und der Tonart der Tracks ab. So sind einige Songs zwar langsamer als andere, fühlen sich aber schneller an. Auf Festivals wiederum hat man manchmal etwas weniger Zeit zur Verfügung, da muss es konstant knallen und wir verzichten dann eher auf langsamere Tracks.

Lutz:

Wo ist der Unterschied zwischen der Arbeit im Studio/Proberaum im Vergleich zu Euren Live-Auftritten?

Jürgen:

Da muss man vor allem zwischen Proberaum und Auftritt auf der einen und Studio auf der anderen Seite unterscheiden. Während sich im Proberaum alle Orangen gemeinsam auf bevorstehende Auftritte vorbereiten, ist die Arbeit im Studio eher fragmentarisch. Hier landen die mehr oder weniger ausgearbeiteten Skizzen der Songs, die dann oft einzeln eingespielt werden. Live ist die Zeit den Augenblick zu feiern! Da ist dann auch Daniel Heinrich, unser Techniker dabei und mit ihm auch jede Menge Hardware. Er ist ein Juwel und kümmert sich darum, dass technisch alles reibungslos abläuft und das ganze perfekt klingt. Er hat einen wesentlichen Anteil an einer gelungenen Live-Show.

Lutz:

Was ist Dein Lieblings-Song von Orange und warum?

Jürgen:

Spannend finde ich eher, wie sich die Songs durch die Live-Umstände immer wieder weiterentwickeln und verändern – aber im Moment, „Chuwenga“, weil ich bei den Mischarbeiten am kommenden Live-Album mächtig Spaß dran hatte; und auf der Bühne freu’ ich mich immer, wenn ich „Panko Babounka“ auf der Setlist sehe.

Lutz:

Du warst auch wesentlich an der Veröffentlichung von Kraan „The Trio Years“ beteiligt? Wie kam es dazu?

Jürgen:

Alle Kraan-Alben der letzen 20 Jahre sind bei mir produziert worden. Noch länger arbeite ich mit Hellmut Hattler (dem Bassisten und Macher von Kraan) zusammen. Viele Mitschnitte, die zwischen 2008 und 2017 entstanden sind, lagen bei mir in der Schublade. Kraan, seit damals wieder ein Trio, konnte sich nicht vorstellen das Material zu einer runden Sache zusammen zu editieren und lehnte das Live-Projekt zunächst frustriert ab. Als Hellmut dann ab Mitte 2017 mit einer schlimmen Diagnose im Krankenhaus lag und um sein Leben kämpfte, beschloss ich die Sache selbst anzugehen. Beinahe täglich habe ich Hellmut neue Versionen unterschiedlicher Live-Songs ins Krankenhaus geschickt. Irgendwann war dann Hellmut überm Berg und das Album fertig.

Lutz:

Du betreibst außerdem das Label 36music, was hat es damit auf sich? Was gibt es da Neues?

Jürgen:

Als ich vor ca. 15 Jahren damit anfing, Produktionen aus meinem Studio selbst zu veröffentlichen, landete ein in 5.1-surround-gemischtes Exemplar des Kraan Albums „Through“ in den Händen von HarmanBecker, eine Firma, die zu dem Zeitpunkt an der Entwicklung von 5.1-Surround-Anlagen für Autos arbeitete. Das führte dazu, dass ich die Referenz-DVD für Mercedes produzierte und in einer tollen Stückzahl direkt ans Fließband nach Sindelfingen geliefert habe. Das war zwar ein toller Start fürs Label, allerdings kamen das ganze KnowHow und die amtlichen Label-Strukturen mit Vertrieb, Promoter, Pressetextern usw. erst im Laufe der Zeit. Mittlerweile bestimmt die Labelarbeit einen guten Teil meiner Zeit, wobei immer noch nahezu alles, was bei 36music landet, auch in meinem Studio produziert wurde. Neues gibt es auf 36music regelmäßig. Seit diesem Jahr auch Hörbücher. Sebastian Schwab, der Drummer von „Rainer von Vielen“, hat zusammen mit seiner Frau Bona ein großartiges Kinderhörbuch gemacht. Das Theater in Kempten veröffentlicht nach „La Vie de Coco Chanel“ jetzt mit „Nussknacker und Mäusekönig“ das zweite Hörbuch in diesem Jahr. Nach dem Orange- Live-Album kommt sicher noch einiges, viele Projekte sind in Arbeit, unter anderem auch Dein neues Album.

Lutz:

Was war Dein letztes, einprägsames Konzerterlebnis? Als Zuschauer, als Musiker.

Jürgen:

Auf Tour sehe ich viele fantastische Musiker und Bands – eine tolle Nebenwirkung meines Jobs! Was mich zuletzt umgehauen hat war Wallis Bird. Als Musiker fand ich den Gig mit Orange auf dem „Bardentreffen“ 2018 in Nürnberg unerwartet großartig.

Lutz:

Erzähl mir bitte was zum neuen Live Album von ORANGE ?

Jürgen:

2019 haben wir eines unserer grandiosesten Konzerte auf dem Ancient Trance in Leipzig gespielt! Das war ein magischer Abend, da hat einfach alles gestimmt! Als wir auf der Heimfahrt die Aufnahmen gehört hatten, lag die Idee einer Live-Platte schon in der Luft! Der Gig wurde mit 4 Kameras gefilmt, daher gibt es das Ganze dann auch online zum Gucken. Wir hatten uns sehr auf die Live Saison 2020 gefreut, aber durch die Pandemie kam dann alles doch ein wenig anders.

Lutz:

Ich danke Dir für das Gespräch.

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Fazit
Hinweis in eigener Sache zum Thema Transparenz: Der Author dieses Berichts ist bei 36music mit seinen eigenen Veröffentlichungen unter Vertrag, was den direkten Draht zu Jürgen Schlachter ermöglicht hat und lässt als Fan von Orange jegliche Objektivität beiseite - mea culpa.
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