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Praxistest: Elysia Xpressor 500 – Eine eierlegende Wollmilchsau?

7. August 2022

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Seit ungefähr anderthalb Jahren habe ich nun endlich fast alle Steckplätze in meinem 8-Slot Rack für 500er Module (API 500 Series kompatibles Rack) gestopft – mit besagtem Kompressor von Elysia. Als Stereo-Gerät nimmt er genau 2 Slots in Anspruch und ist dabei so exakt verarbeitet, dass er sich problemlos einstecken lässt.

Auch Optik und Haptik sind einwandfrei: Die Frontplatte ist wunderbar übersichtlich gestaltet, hat eine Gain Reduction Anzeige aus 15 LEDs, und alle Potis und Knöpfe sind auch für große Männerhände bequem zu erreichen. Dafür verantwortlich sind u.a. die etwa 2,2 cm herausstehenden, Drehpotis aus solidem Aluminium, die sauber gerastert sind.

Nun hat das Teil alle klassischen Zutaten eines VCA-Kompressors, die gemeinhin bekannt sind: Threshold, Ratio, Attack und Release … und noch einiges mehr, aber das wird noch nicht verraten.

Als ich einen befreundeten Musiker einlud, ein bisschen mit dem Teil zu spielen, bat ich ihn, erst einmal die ihm unbekannten Drehpotis und Druckknöpfe zu ignorieren und nur die gerade genannten Funktionen anzutesten. Er tat dies auch brav und war zunächst sehr zufrieden, bis er auf einmal innehielt, mich irritiert anschaute und ausrief:

„Negative Ratios? … Geht das überhaupt?“

Tatsächlich hat Elysia genau das bewerkstelligt und mich zunächst vor dem Kauf auch erst einmal ins Grübeln gebracht. Als ich dieses scheinbare Paradoxon schließlich begriff, war es für mich eins von mehreren Kaufargumenten, die da folgen sollten.

Zunächst muss erklärt werden, dass die Negativratios erreicht werden, indem man den Faktor erhöht, also den Poti immer höher dreht, über ∞:1 hinweg. Dann fängt der Negativbereich an. Mathematikern werden die Nackenhaare hochstehen, weil es im uns bekannten Zahlenuniversum natürlich irrig ist, eine Kulmination von Unendlich anzunehmen und diese ausgerechnet auch noch als negativ zu betrachten. Vergesst aber diese Betrachtungsweise, die mir auch nicht weiterhalf.

Wenn wir es akustisch angehen, macht diese Anordnung absolut Sinn. Denn bewegt man den Poti vom linken Anschlag her im Uhrzeigersinn, wird ja die Kompression immer stärker, bis man Unendlich erreicht hat. Die lauten Signalanteile werden also immer stärker gebändigt, indem sie auf die Threshold-Kennlinie herunter geregelt werden.

Dreht man nur in den Negativbereich, wird das über dem Threshold liegende Signal unter den Threshold befördert, also noch leiser. Noch einmal anders ausgedrückt: Ab dem Threshold wird das Signal umso leiser geregelt, je lauter es ankommt. Dieser ‚reziproke‘ Ansatz geht jedoch nur bis zu einem Faktor von -1,6:1, was aber an Verrücktheit schon reicht.

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Mir ‚bravem‘ Musiker war das eigentlich ein bisschen ‚too much‘ für tonale Instrumente, bis ich entdeckt habe, dass es super geeignet ist, um perkussives Material in den Griff zu bekommen. Allzu präsente Snares oder Kick Drums im Overhead-Mikro können so ganz gut gebändigt werden, ebenso wie ein Bongospieler mit einer zu starken rechten Hand.

Vor allem kann man aber damit fertige Stems und Master nachbessern, wenn man im Nachhinein nicht mehr an die Einzelspuren herankommt bzw. nur das Master vor sich hat.

Sicherlich gibt es unter euch Leute im EDM-Bereich oder unter euch sonstigen Sound-Tüftlern da schon ein paar Ideen, diesen Gimmick anderweitig zu nutzen. – Für Anregungen wäre ich jedenfalls dankbar.

Auch ungewöhnlich – der Gain Reduction Limiter (GRL)

Und der fällt mir just ein, weil man ihn gut in Kombination mit Negativratios nutzen kann, aber selbstverständlich auch im üblichen Umgang mit positiven Ratios.

Es handelt sich dabei um eine weitere Schwelle, die die Thresholdgrenze flankiert, gewissermaßen eine zweite Kennlinie oberhalb des Thresholds, die ganz lautes Material von der Kompression ausschließt, damit der Mix seine Dynamik beibehält. Dadurch wird nur der Bereich zwischen Threshold und Gain Reduction Limiter komprimiert. Klassischerweise bleibt ja alles unter dem Threshold von der Bearbeitung ausgeschlossen, und nur auch noch das Signal über dem GRL.

Als ich das entdeckte, ging ich an meine alten Songs heran, die nur noch als Wav-Datei vorliegen und deren Bearbeitung ich im Nachgang viel zu laienhaft und schlecht halte. Aber auch einzelnen Tracks kann man so eine überraschende ‚Würze‘ verpassen. So habe ich z.B. langweilig dahinwabernde Pads spannungsreicher pulsieren lassen, als das ein sonst ein Kompressor alleine könnte. Ich empfinde den GRL eine Kombination aus Kompressor und Expander, wobei man per 2 Knöpfchen bestimmen kann, wo was von beidem passiert. – Wer jetzt noch nicht überzeugt ist – was ich anfangs auch nicht war – der wird sicherlich eher eine Vorstellung von der Power dieser ‚kleinen‘ Zusatzfunktion haben, wenn er an serielle Kompression denkt. Zuerst stelle ich den GRL komplett ab und fange nur die wenigen allerlautesten Spitzen mit einer hohen Ratio ab (zwischen 15:1 und ∞:1). Wenn jetzt alles Ausufernde unter Kontrolle ist, spiele ich mit einem neuen Kompressionsdurchlauf und aktiviere den GRL.

Das letztes Wort hier: Im Manual sprechen die Hersteller Ingenieurs-Kauderwelsch, was mir nicht groß half. Der GRL, so die Erklärung, sei ein Limiter zur Begrenzung der Steuerspannung im Regelweg des Kompressors und nicht im Audiopfad. – Wenn es euch hilft, bitte schön …!

Sidechain Filter – kein Sidechain, wie man ihn kennt

Vorgenannte Möglichkeiten sind umso mächtiger, wenn man sie frequenzselektiv vornehmen kann. Und genau das macht hier Elysia mit dem SCF (Sidechain Filter). Nur wird hier kein externes Gerät, etwa ein EQ, eingeschliffen, sonder intern die Möglichkeit serviert, den tief- bis mittelfrequenten Bereich von der Kompression auszuschließen. Hierzu steht einem der Bereich von 31 bis 1000 Hertz als Grenzfrequenz zur Verfügung. Da tieffrequentes Gewummer ja nicht nur störend sein kann, sondern auch die meiste Energie beim Komprimieren frisst, kann man auch hier alles oben Genannte weiter differenzieren. Dabei kann ich unmöglich irgendwelche Anwendungstipps geben, da ich je nach Material und angestrebtem Musikgenre alle möglichen Einstellungen ausprobiert habe. V.a. aber half es mir dabei, in der Mastersumme den Bass v.a im Jazzbereich dynamisch zu halten. Bei zeitgenössischem radiotauglichem Pop ist das sicherlich nicht mehr so wichtig.

Auf Kommando … Attacke

Tja, eigentlich habe ich ja schon genug Argumente angefüttert, um die einleitende Frage zu beantworten, ob es sich hier um eine eierlegende Wollmilchsau handelt. Aber das muss noch in aller Kürze angefügt werden:

Wer von euch Probleme mit der korrekten Einstellung von Attackzeiten hat, dem hilft hier ein genialer Knopfdruck namens ‚Auto Fast‘. Dieser vermeidet, dass Artefakte entstehen, wenn man eine zu kurze Zeit eingestelt hat. Ehrlich gesagt kümmere ich mich gar nicht mehr um den Attack. – Es fluppt einfach bei jedwedem Material. Punkt! Ähnlich toll funktioniert ‚Log Release‘ für den Ausklang des Tons. Genial!

Wer noch weiter ins Detail gehen möchte, kann gerne noch den ‚Warm-Modus‘ im Netz recherchieren. Ein netter Zusatz, jedoch habe ich nicht das Gefühl, dass ich ihn unbedingt benötige.

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Fazit
Ich kann jedenfalls den Xpressor 500 nur wärmstens empfehlen. Er ist eine eierlegende … ihr wisst schon und kommt bei mir dauernd zum Einsatz, und das nicht nur bei Stems und in der Mastersumme. Manchmal greife ich bei Moniosignalen sogar lieber zu ihm als zu meinem geliebten Distressor von Emperical Labs, dann nämlich, wenn ich den Einsatz von GRL und Negativratios bei langweiligen oder verkorksten Spuren ausprobieren möchte. Nur mal unter uns gesagt: der Distressor kostet fast das Dreifache und kann nur Stereo, wenn ich 2 davon kaufe … (bitte nicht laut aufjaulen. Ich weiß, dass er andere tolle Tricks draufhat).

Plus

  • Äußerste Flexibilität in allen Kompressionsaufgaben beim Mixen und Mastern; mehr geht aus meiner Vorstellung heraus nicht.

Minus

  • Nicht einmal über einen überhöhten Preis kann hier gemeckert werden.
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Forum
  1. Profilbild
    Marco Korda AHU

    Sehr schön, vielen Dank. Die guten Elysia-Produkte bekommen hier wieder Gelegenheit, sich zu zeigen, was absolut verdient ist. Ich bin ebenfalls voll des Lobes über deren Produkte, v. a. was die Verarbeitung angeht.

    Ein Zusatz (oder hab ich es überlesen?): schön ist zudem, dass man Parallelkompression eingehen kann. Das macht den Kompressor noch einmal ein bisschen wertvoller. Tolles Teil!

    • Profilbild
      Nick MD

      @Marco Korda Lieber Marco,
      danke dir für die Ergänzung. Das hatte ich tatsächlich vergessen.
      Liebe Grüße
      Nick

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