DIY: Digitales Multicore-Kabel selbst anfertigen
Digital-Multicore nach eigenen Wünschen
Ein neues Digitalpult sollte es mal wieder sein. Da ich mit eigener PA vorwiegend Veranstaltungen im kleinen bis mittleren Bereich abdecke, muss es kein großes Schlachtschiff mehr sein. Meine Wahl fiel auf das Allen&Heath Qu-24, die 30 Kanäle reichen mir in der Regel aus. Zudem ist das Pult recht günstig, was sich für meine Kunden in einem ebenso günstigen Mietpreis niederschlägt. Mit der Marke hatte ich schon in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen in puncto Bedienung, Klang und Zuverlässigkeit gemacht. Weiter ausschlaggebend war, dass ich die kleinere Version, das Qu-16, ja schon für AMAZONA.de im Test hatte und es mich durchaus begeistert hat.
Nun soll das neue Prachtstück nicht mehr mit einem großen, schweren analogen Multicore betrieben, sondern digital angesteuert werden. Dazu habe ich mir noch die beiden Stageboxen AR2412 und AR84 geordert. Soweit also alles da, was fehlt, ist noch die digitale Verbindung.
Alternativen an konfektionierten digitalen Multicores
Direkt raus fiel die Allen&Heath eigene Angebotspalette, schlicht weil sie zu teuer ist. Die Kabel werden von Klotz gefertigt, sind hochprofessionell, aber eine 80 Meter Leitung auf Trommel liegt bei fast 1000,- Euro.
Als zweite Alternative hatte ich mir ein Cordial Kabel ausgeguckt. 75 Meter auf Trommel, Preis ca. die Hälfte des A&H. Aber auch hier hatte ich wieder was zu meckern, das Ende wird, wie bei fast allen Lösungen, außen an der Kabeltrommel auf einer Hilfswicklung geführt. Selbst gut befestigt baumelt das beim Auf- und Abwickeln immer etwas rum – das nervt.
Wieso also nicht Selbstbau? Ein Multicore genau nach meinen Spezifikationen und dabei vielleicht auch noch etwas Geld gespart. Das ist es, gehen wir es an.
Welche Materialien für den Selbstbau?
Zunächst stelle ich meine Vorgaben zusammen. Das Digital Multicore soll ca. 80 Meter lang werden und auf einer Trommel aufgezogen sein. Die Trommel soll eine Buchse beinhalten, von der dann ein kurzes Kabel zum Pult geht. Die Kabelenden sollen bühnentauglich durch einen stabilen Stecker geschützt sein. Zusätzlich soll noch ein ca. 15 Meter langes Kabel für die Verbindung von AR2412 zu AR84 auf der Bühne gefertigt werden.
Hier nun meine Stückeliste:
100 Meter CAT5 STP
Für das Kabel habe ich mich für eine 100er Rolle von Schulz Kabel entschieden. Der deutsche Hersteller fertigt qualitativ hochwertige Erzeugnisse im Lande, wie ich mich schon des Öfteren überzeugen konnte. Zudem kommt mich das durch Direkteinkauf recht günstig.
Das Kürzel STP steht für „shielded twisted pair“, d.h. die acht Adern sind paarweise verdrillt und das gesamte Kabel ist mit einer Gesamtabschirmung versehen. Diese kann aus Folie oder Kupfergeflecht bestehen. Ungeschirmtes Kabel, erkennbar an dem Namenszusatz UTP, sollte für längere Strecken nicht eingesetzt werden. Der Unterschied zwischen CAT5 und CAT5e ist seit 2002/2003 nach einer Neudefinition der Normen nicht mehr gegeben, da seit da auch die verbesserte „e“-Version wieder nur als CAT5 bezeichnet wird. Meine Quelle ist hierfür Wikipedia, wenn es ein Fachmann unter euch besser weiß, ich lasse mich gerne berichtigen.
Kabeltrommel Schill GT 235 SO
Bei Kabeltrommeln kommt eigentlich nur Schill in Frage. Die Produkte sind leicht, gut konstruiert und beinahe unzerstörbar. Genau das Richtige für den harten Tour-Alltag. Die „SO“ hat eine abnehmbare Frontplatte, hier kann ich meine Buchse anbringen. Die GT 235 kann 80 Meter Kabel mit dem Durchmesser 6 mm aufnehmen. Wer mehr braucht, greift zur größeren GT 310 SO.
6x CAT5 Stecker
Hier gibt es verschiedene Modelle. Da es eine ziemliche Fummelei ist, die acht Adern in den kleinen Stecker zu bekommen, sollte entweder eine Einfädelhilfe dabei sein oder der Stecker ist zwei geteilt in ein kurzen Plastikteil zur Kabelaufnahme, die dann in einen Metallteil geschoben wird. Oft werden hier Stecker der Marke Hirose empfohlen.
5x Neutrikstecker NE8 MC-1
Der Stecker sieht genau so aus wie die bekannten Neutrik XLRs. Nur besteht hier das Innenleben aus einem CAT5 Stecker. Dieser wird übrigens nicht mitgeliefert. Eine Liste der kompatiblen Modelle ist auf der Neutrik Seite zu finden. Für schon vorkonfektionierte CAT-Kabel ist auch das Modell NE8 MC verfügbar.
1x Neutrik Einbaubuchse NE8 FDP
Die Einbaubuchse kommt in die Trommel. Sie hat die normale D-Maße, passt also auch in entsprechende Patchbays. Hinten wird einfach der CAT5 Stecker eingesteckt. Es gibt auch Versionen, bei denen die offenen Kabelenden angeschlossen werden, da ich mir aber nicht darüber klar werden konnte, ob dafür Spezialwerkzeug benötigt wird, habe ich diese Lösung gewählt.
Welches Werkzeug wird zusätzlich gebraucht?
So ganz ohne Spezialwerkzeug geht es leider nicht. Zuerst brauchen wir eine
Crimpzange RJ45
Sie verbindet die Kontakte des Steckers mit den Kabeln. Einfache Modelle sind ab ca. 15 Euro erhältlich
Kabeltester RJ45
Um die getane Arbeit zu überprüfen, wird der Kabeltester gebraucht. Er ist ab ca. 10 Euro erhältlich und kann meist noch mehrere andere Formate durchchecken.
Wenn man nicht dauernd CAT5 Kabel fertigt, macht es Sinn, sich die beiden Gerätschaften evtl. auszuleihen. Bei mir war mein netter Nachbar so freundlich und konnte mir aushelfen. Perfekt!
Das restliche Werkzeug dürfte in jedem Haushalt verfügbar sein.
Abisolierzange oder Cuttermesser zum Bearbeiten der Kabel
Pinzette zum Einfädeln der Kabel
Zange zum Kürzen der Adern
Evtl. Arbeitslupe, am besten mit Beleuchtung, als Sehhilfe. Ist für Adleraugen vernachlässigbar.
Mein Arbeitseinsatz für den Selbstbau
Zunächst wickle ich das Kabel sorgsamst auf die Trommel. Im Innenkern sitzt eine Zugentlastung, sodass mein Kabel hier wirklich fest sitzt.
Das Nachmessen ergibt: ca. 70 Meter habe ich auf der Spule, 80 hatte ich eigentlich vorgesehen. Nun heißt es entweder die nächst größere Trommel, die GT 310 SO, zu bestellen oder aber mit der verringerten Reichweite zu leben. Ich entscheide mich für zweiteres und plane um. Zusätzlich zu vorgesehenen Kabeln wird aus dem Rest eine 30 Meter Ersatzleitung gemacht. Also nochmals etwas Kabel und zwei Neutriks nachbestellen.
Aber verarbeiten wir erst mal das vorhandene Material. Dazu werden die Kabelenden ca. 2 cm abisoliert. Zuerst nun nicht vergessen, den Neutrik Deckel über das Kabel zu ziehen.
Dann wird die Erdung nach hinten geschoben und die acht Adern werden ausgerichtet.
Im Grunde ist es egal, wie die Adern geführt werden, es muss nur auf beiden Seiten gleich sein. Sinnvoll ist es aber, auf den Positionen 1, 2, 3 und 6 zwei verdrillte Paare zu benutzen, da diese zur Signalleitung dienen. Der Ordnung halber entscheide ich mich aber für die T568A-Norm, die die Adern folgendermaßen anordnet:
- 1 – Grün/Weiß
- 2 – Grün
- 3 – Orange/Weiß
- 4 – Blau
- 5 – Blau/Weiß
- 6 – Orange
- 7 – Braun/Weiß
- 8 – Braun
Nun werden die Adern in der richtigen Reihenfolge in die Einführungshilfe eingefädelt. Das kann zu einer ziemlichen Geduldsprobe werden. Dann sind alle Adern auf gleiche Länge zu schneiden.
Jetzt wird der Plastikschlitten in den Stecker eingeschoben, sodass die Kabel ganz vorne anstoßen. Nun kann der Stecker mit der Zange vercrimpt werden.
Vor dem Zusammenbau sollte nun das Kabel mit dem Prüfer auf Funktion gecheckt werden.
Jetzt kann die Neutrik Hülse montiert werden. Dafür wird zuerst die kleine Plastiknase zum Entriegeln abgebrochen. Nun stoße ich auf ein Problem. Meine günstig bei Amazon bestellten Stecker werden beim Crimpen so verbogen, dass sie nicht mehr vernünftig in die Neutrik Hülse passen.
Also doch ein Markenfabrikat, mein Händler hat schon am nächsten Tag eine Ladung Hirose Stecker für mich parat liegen. Zum besseren Gelingen leiht er mir auch gleich noch eine Spezialzange für die Stecker.
Die neuen Stecker fädeln sich auch besser ein, so geht die Arbeit flott zur Hand. Die eine oder andere Fehlpressung sind bei mir aber doch noch drin, also lieber ein paar Stecker mehr bestellen.
Ein Problem stellt sich mir noch beim Bestücken der Frontplatte der Trommel. Dass ich für die Bohrung keine passenden Bohrer habe, war einkalkuliert. Das ließ sich mit einer Feile erledigen und das Loch auf die benötigte Größe bringen. Nicht bedacht hatte ich allerdings, dass in der Mitte der Trommel schlicht nicht genug Einbautiefe vorhanden ist, ich hätte das Loch mehr zum Rand platzieren müssen. Nun, auch dafür hat Neutrik eine Lösung, es gibt von der Einbaubuchse auch eine Version mit seitlichem Abgang für den CAT-Stecker, damit passt es.
Fazit zum Sebstbau meines neuen Digital-Multicores
Was hat die ganze Aktion nun gebracht? Nun, ich habe mein Digital Multicore nun (fast) so, wie ich es wollte. Durch die Stückelung in 70, 30, 15 und 3 Meter bin ich nun äußerst flexibel aufgestellt.
Auch konnte ich meine bisher nicht vorhandenen Kenntnisse zur Netzwerk-Technik und Kabelfertigung erweitern.
Nicht unerheblich ist auch der finanzielle Aspekt. Ich habe ca. 200,- Euro an Materialkosten aufgebracht (Anfang 2018). Bei einer Fertiglösung in anständiger Qualität wäre mindestens das Dreifache angefallen. Also los, traut euch.
👍
Das Werkzeug kostet fast nichts nix, das einzige Problem, was ich hatte ist die teilweise lausige Qualität des Kabels, auf keinen Fall sogenanntes Verlegekabel nehmen, das ist absolut nicht flexibel und hält auch auf Dauer nix. Daher danke für die Kabelquelle! 👍
Danke Armin für deinen interessanten Bericht.
Dein Fazit deckt sich mit meinen Erfahrungen: Beim ersten Versuch ist das ganze nicht unbedingt billiger (wenn man die Zeit einrechnet), aber die Erfahrung die man dabei macht zahlt sich immer aus. Und spätestens beim zweiten und dritten Versuch spart man dann mit DIY richtig Geld. Daumen hoch!
Viele Grüsse
‘Cuda
Also wenn dSNAKE tatsächlich auf Ethernet basiert, sollte es EXTREM relevant sein, dass die richtigen verdrillten Leitungspaare an den richtigen Pins liegen. Bei Ethernet macht es dank der differentiellen Leitungsführung jedenfalls den Unterschied zwischen „geht manchmal so leidlich“ und „geht zuverlässig wie es soll“.
@MatthiasH Es werden eben 4 Adern benutzt, die anderen liegen brach. Sinnig ist es also schon zwei verdrillte Paare zu nutzen. Welche, dürfte egal sein.
Allerdings hatte ich mir schon mal überlegt ein Adapterpaar zu löten, um auf die nicht Benutzten ausweichen zu können, falls an dem eigentlichen Paar-Doppel ein Defekt auftritt.