Moderne Tele für Schnäppchenjäger
Die Musikhaus Thomann Hausmarke Harley Benton macht es den „großen“ Instrumentenherstellern zunehmend schwerer, ihre Dominanz im unteren bis mittleren Preissegment zu behaupten – das spiegelt sich in zahlreichen Tests wider. Was da teilweise an Qualität zu einem unschlagbar günstigen Preis geboten wird, ist erstaunlich und wirft die Frage auf: „Wie machen die das bloß?“ Mittlerweile werden die Instrumente des asiatischen Herstellers in verschiedenen Modellreihen und Serien angeboten. Diese reichen von Designs mit klassischem Vorbild bis hin zu modernen Varianten. Die vorliegende Testgitarre stammt aus der „Deluxe“-Serie und erinnert optisch an eine Telecaster – die Modellbezeichnung lautet Harley Benton TE-90FLT Black Blast. Mal sehen, ob sich die Vorschusslorbeeren bestätigen!
Lohnt sich die Harley Benton TE-90FLT Black Blast?
Also eins muss man den „Designern“ bei Harley Benton lassen: Die trauen sich was! Denn am sog. „Black Blast“-Finish der Gitarre scheiden sich mit Sicherheit die Geister. Im Grunde sieht die an Holz erinnernde, schwarz-weiße Maserung des Korpus sowie des „Matching Headstock“ nicht schlecht aus – durch das matte Finish erinnert das Ganze leider eher an günstiges Fertiglaminat aus dem Baumarkt. Eine Hochglanzlackierung hätte der Optik meiner bescheidenen Meinung nach sehr gut getan. Aber so was ist ja wie immer reine Geschmackssache!
Gebackenes Griffbrett und Roswell Humbucker
Der Korpus sowie das Griffbrett der Harley Benton TE-90FLT Black Blast sind aus dem Tropenholz „Sungkai“ gefertigt – ein Holz, das laut CITES (noch) keiner Handelsbeschränkung unterliegt und sehr günstige Verarbeitungseigenschaften aufweist. Laut Hersteller ist der Korpus „chambered“, das heißt, er ist nicht massiv, sondern hat an einigen Stellen Aussparungen („Kammern“). Das resultiert zum einen in einem geringeren Gewicht, zum anderen in guten Resonanzeigenschaften. Das Griffbrett wurde zudem „gebacken“ (baked) – durch diesen Prozess wird dem Holz seine Feuchtigkeit entzogen, es wird dadurch leichter und unempfindlicher gegenüber klimatischen Bedingungen.
Auf der Korpus-Vorderseite finden wir sämtliche Bedienelemente der Gitarre und natürlich die Pickups – dabei handelt es sich um zwei Roswell FLT-B FilterTron Style Humbucker. Angesteuert und soundmäßig variiert werden die beiden Tonabnehmer durch einen 3-fachen Toggle-Switch sowie einem Volume- und Tone-Regler. Ein einlagiges, schwarzes Schlagbrett reiht sich nahtlos in das Erscheinungsbild des Instruments ein. Nicht zu vergessen ist natürlich der WSC BG2002D Steg, dessen Saitenführung durch den Korpus erfolgt – dies fördert ein gutes Sustain der Gitarre. Infolgedessen finden wir auf der Rückseite des Korpus die entsprechenden Öffnungen für die Saiten.
Zusätzlicher Spielkomfort wird durch den ebenfalls auf der Korpusrückseite befindlichen „Comfort-Cut“ erreicht. Durch diese Aussparung im Korpus liegt das Instrument angenehmer am Körper des Spielers – das ist gängig bei Strats und anderen Gitarrentypen, jedoch nicht bei klassischen Telecaster-Modellen. Ein Elektronikfach mit schwarzer Abdeckung komplettiert schließlich die Elemente auf der Rückseite des Korpus.
Low Budget Tele – Ahornhals mit Reversed Headstock
Der angeschraubte Hals besteht aus kanadischem Ahorn und weist ein „Modern C“- Profil auf. In das interessant gemaserte Griffbrett sind 22 sauber abgerichtete Medium-Jumbo-Bünde eingelassen, außerdem schwarze Dots zur Orientierung. Die Mensur wird vom Hersteller mit 648 mm angegeben, die Breite des Graph Tech „Tusq“- Sattels mit 42 mm – klassische Telecaster-Maße. Die leicht abgewandelte, an die einer Telecaster erinnernde Kopfplatte, ist hier in sog. „reverse“ (umgekehrt)-Ausführung vorhanden – ein optisch durchaus nettes Gimmick. Wie bereits erwähnt, handelt es sich um einen „Matching Headstock“ – d. h., das Finish der Kopfplatte gleicht dem des Korpus. Für die gute Stimmung wurden bei der Harley Benton TE-90FLT Black Blast WSC DieCast Kluson Style Mechaniken verbaut, diese leisteten während der gesamten Testphase gute Arbeit. Wie die restliche Hardware, sind auch die Mechaniken in Chrom gehalten.
Der Sound der Harley Benton TE-90FLT Black Blast
Das mit 3,3 kg Gewicht nicht allzu schwere Instrument liegt sowohl im Sitzen als auch stehend gut am Körper. Beim trockenen, unverstärkten Anspielen beweist die Harley Benton TE-90FLT Black Blast gute Resonanzeigenschaften. Der Hals liegt bequem in der Hand und lässt sich, trotz der nicht gerade als optimal zu bezeichnenden Werkseinstellung über das gesamte Griffbrett komfortabel bespielen. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist dabei die sehr dünne, seidenmatte Lackierung der Halsrückseite. Das verhindert zum einen den berüchtigten „Klebeeffekt“, der oft bei lackierten Hälsen auftritt, zum anderen fördert es ein gewisses Gefühl von „Eingespieltheit“. Noch ein paar Worte zur oben erwähnten Werkseinstellung: Diese ist bei der Testgitarre als „grenzwertig“ zu betrachten, denn vor allem Saitenlage und Bundreinheit scheinen fast willkürlich eingestellt zu sein. Natürlich lässt sich das nicht als essentieller Mangel der Gitarre feststellen, denn das lässt sich beheben. Dennoch hinterlässt es keinen guten „ersten Eindruck“ – und darum geht es nun mal oft beim Anspielen eines Instrumentes. Der Fairness halber muss aber auch gesagt werden, dass sich dieser Aspekt bei günstigen Instrumenten im Vergleich zu früher immens verbessert hat.
Am clean eingestellten Verstärker glänzen die beiden Roswell FLT-B FilterTron Style Humbucker mit charakterstarken Sounds in allen drei Positionen. Der Hals-Pickup alleine klingt sehr warm und rund und mit ausgeprägten Bassanteilen, wie geschaffen für jazzige Lines und Akkorde. In der mittleren Position (beide Pickups zusammen) nimmt der Bassanteil wie erwartet etwas ab und die mittleren Frequenzen werden stärker betont – ein schöner Sound, der zu bluesig-souligem Spiel einlädt. Der Steg-Humbucker liefert klare und perlende Cleansounds mit Dominanz in den höheren Frequenzbereichen, die aber nie aufdringlich oder unangenehm wirken. Trotz aller Vielfalt der verschiedenen Sounds haben doch alle eins gemeinsam: eine gute Portion Tele-Twang!
Im verzerrten Betrieb setzt sich das positive Bild, das die beiden Pickups abliefern, fort. Der Hals-Pickup tönt voluminös mit kehligem Charakter und bleibt stets transparent – wummerndes Gematsche bleibt außen vor. Schaltet man beide Tonabnehmer zusammen, steigt, wie schon im cleanen Betrieb, der Anteil der mittleren Frequenzen. Die Bässe nehmen ab und zum Klangbild gesellt sich eine gewisse Drahtigkeit – der „Tele-Twang“ lässt grüssen. Der Roswell Bridge-Pickup alleine entpuppt sich bei verzerrten Sounds als waschechter Rocker! Bluesig-, hardrockende Riffs machen richtig Spaß und beim Solospiel besitzt der Tonabnehmer die nötige Durchsetzungsfähigkeit.
Der Grad der Verzerrung lässt sich indes sehr gut mit dem Volume-Poti variieren – wenn man sich denn an die Schwergängigkeit der beiden Regler gewöhnt hat. Im Grunde ist es gar nicht falsch, Volume-Potis nicht zu leichtgängig zu gestalten – vor allem, wenn sie sich sehr nahe an der Schlaghand befinden. Das Problem kennen wir von der Stratocaster, wo man mit einem leichtgängigen Poti zu oft ungewollt die Lautstärke herunterregelt. Doch in diesem Fall könnte man werksseitig etwas weniger Widerstand beim Drehen des Reglers walten lassen.
Harley Benton ist für mich der Ausdruck dessen, dass „handgemachte“ Musik in der „modernen“ Welt zunehmend nix mehr wert ist.
Für Musiker sowie die Produzenten von diversen Produkten dieser Marke gilt doch:
Wer am Anfang der Wertschöpfungskette steht, der ist finanziell am Arsch.
Und wenn das Zeug dann auch noch klingt, dann macht es das nicht besser.
Wenn wir ehrlich sind, basiert der ethische Konflikt im gesamten globalen System darauf, daß wir uns in den Industrienationen tolle Produkte aus Billigstlohnländern kaufen, für eigentlich alle Lebensbereiche.
Aber: Warum nicht ein Fair-Trade-Label einführen für Gitarren aus Far-Shore – als Kaufanreiz für eine Global-Citizen Musiker Community – anstatt nur die verwendeten Hölzer zu zertifizieren?
Bei Musik-Instrumenten ist das eine besonders schräge Sache – man kauft sich doch ein Instrument, weil man damit möglichst viele Jahre spielen will und weil man sich was Gutes gönnen will.
Ein Gitarrenständer mit 10 Harley-Bentons statt 2 oder 3 Gitarren Made in USA/Japan/Europe gehört nicht dazu. Die Billig-Gitarren machen auch den Herstellern das Leben schwer, die ihrer Belegschaft auskömmliche Löhne zahlen und die Umwelt bei der Produktion nicht versauen. Die Qualität bei den größten Herstellern ist deshalb seit Jahren rückläufig.
Und von wegen Umwelt – für die besagten 10 Harley-Billigheimer geht auch ganz einfach mehr Holz und Energie drauf, als für die gennante Alternative.
Die Ausrede ist ja immer, dass die niedrigen Preise quasi für eine Demokratisierung des Musizierens gesorgt hätten und auch Neulinge sich ein gutes Instrument leisten könnten. Früher hat man sich eine gebrauchte Gitarre gekauft oder eine preiswerte Squier (aus den USA) oder Ibanez (aus Japan).
Wenn ich mir heute aber einen gebrauchten Marken Bass kaufen möchte bezahle ich fast den Neuwert. Ich bevorzuge auch meinen Fender oder Ibanez, aber bevor sich nen Kid ein billig Mist von Wish und Konsorten bestellt würde ich ihm auf jeden Fall ein HB Instrument ans Herz legen. Und wenn ich nicht genug Patte habe dann würde ich sogar ein HB Instrument einem Squire oder Epiphone vorziehen da man da mehr fürs Geld bekommt bei gleicher Ausbeutung von Natur und Mensch.
Natürlich hast Du recht. Aber, bevor ich für meinen Sohn ne 2’000 Euro Klampfe kaufe, muss der mir erst einmal beweisen, dass er auch dabei bleibt. In meinem Fall zählt da die Verarbeitungsqualität, die Bespielbarkeit und halt auch der Preis. Ob jetzt HB oder eine Fender Squier Affinity Tele spielt da keine Rolle. Kommt eh alles aus dem grossen Reich. Was ich nicht verstehe, sind Musiker die mit sowas ernsthaft Musik machen wollen.
Fazinierende Qualität für wenig Geld. Ich bin mit meiner stimmstabilen HB Pro Series HSH Strat bestens zufrieden.
Klar, das kann man auch teurer verkaufen. Glaubt hier tatsächlich noch jemand, das die Arbeiter bei Fender/Squier Asia mehr verdienen als bei den Herstellerfirmen von/für Harley Benton?
By the way – Harley Benton ist kein „Kopist“ oder „Hersteller“, sondern nur ein Marketing-Unternehmen, welches bereits existierende Produkte real existierender Hersteller für thomann aufkauft und exklusiv dort vermarktet.
Der MS aus Köln hat ebensolches auch mal mit der Eigenmarke „Fame“ versucht. Hat dort wohl nicht so wirklich funktioniert. Alles wurde wieder aus dem Sortiment enfernt, bis auf die teuren Fame-Gitarren.
Ihr wollt Kapitalismus? Ihr bekommt ihn. So einfach ist das.
@[aˈtoːm] [aːl] [ˈa(ː)tonaːl] Genau. Im Sozialismus gab es nämlich Paulas und Stratas satt für jedermann. Genauso wie Moogs und Co. Alles griffbereit ohne Wartezeit.