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Feature: My favourite guitar – Lake Placid Partscaster

Die Eier legende Wollmilchsau existiert doch

25. Januar 2022

Die Partscaster in Lake Placid Blue wurde mit vielen effizienten Modifikationen versehen

Jeder Gitarrist besitzt eine ganz besondere Gitarre, die er am liebsten in die Finger nimmt. Ich besitze eine Kollektion von Instrumenten (E- und akustische Gitarren, Bass, Pedalsteel-Gitarre, Mandoline, 5-String-Banjo, Dobro etc.), auf der Bühne bin ich meist mit „My favourite instrument“, einer blauen Stratocaster zu sehen, da diese nach meiner Einschätzung schlicht und einfach am flexibelsten ist, da ich damit auch viele Stile und Sounds recht authentisch abliefern kann. Dies ist auch ihren zahlreichen interessanten und effizienten Modifikationen zu verdanken, die wir im Verlauf dieses Artikels noch genau unter die Lupe nehmen. Schauen wir uns die „Eier legende Wollmilchsau“ einfach mal genauer an.

Korpus

Da ich mich oft und regelmäßig auf Bühnen bewege, ist mir das Gewicht des Instruments ein sehr wichtiges Kriterium. Da ich bereits einige Strats (Olympic White, Seafoam Green, Weinrot) besitze und auch mal eine klassische Farbe wie Lake Placid Blue besitzen wollte, besorgte ich mir einen entsprechenden Korpus der Firma Rockinger (aus Erle), da mir die Qualität dieser Bodys immer zusagte und diesbezüglich auch einige Farben im Angebot sind. Außerdem kam für mich nur eine absolut klassische Stratocaster-Form infrage. Diese Lake Placid blaue Strat wiegt lediglich 3,35 kg. Der Korpus wurde bis auf zwei Modifikation (dezente, nicht sichtbare Fräsung für einen 9-Volt-Block, um evtl. einmal einen aktiven Preamp einzubauen, was bis heute nicht passierte und größere Gurtpins) fast original gelassen. Natürlich musste auch eine Aussparung für den Humbucker am Steg in den Korpus gefräst werden.

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Dezent angebrachte Fräsung für einen 9-Volt-Block (unsichtbar unter der Tremolofachabdeckung)

Hals

Auf der Jagd nach dem optimalen Hals war ich glücklicherweise in der Lage, einen Allparts-Hals mit klassischer kleiner Kopfplatte und einer Sattelbreite von 41 mm gebraucht zu erwerben. Dieses Maß liegt mir bei einer Strat persönlich am besten und wenn ich mir schon meine Traumgitarre zusammenstellen wollte, lag es nah, hier keine Kompromisse einzugehen. Außerdem war es mir wichtig, die Original-Kopfplattenform zu haben. Der Hals besitzt ein sehr schönes C-Shape.

Der Hals kam roh bzw. unlackiert mit einem 7,5″-Radius. Ich „riss daraufhin die Bünde raus“, schliff den Halsradius mit einem entsprechenden Radiusblock auf 14″ und bundierte die Gitarre anschließend selbst neu. Ein befreundeter Gitarrenbauer leistete hierbei etwas Hilfestellung, da das Bundieren eine Kunst ist, bei dem jeder seine eigene Arbeitsweise bzw. Methode verfolgt. Zum Einsatz kamen fette und hohe 6100-Bünde, da ich eine perfekte Bespielbarkeit anstrebte.

Der Kopf der Strat mit Vintage-Form. Die Halsrückseite wurde mit Ballenmattierung behandelt.

Der unbehandelten Rückseite des Halses verpasste ich ein Finish mithilfe einer flüssigen Ballenmattiterung, die einen gewissen Vintage-Touch erzeugt. Diese frische ich gelegentlich auf, was gleichfalls einfach mit einem Lappen vonstatten geht. Gelegentlich schleife ich den Hals dann mit sehr feiner Stahlwolle an, was eine angenehme Oberflächenstruktur und Spielgefühl erzeugt.

My favourite Instrument – Modifikationen

Da ich es meist nicht lassen kann, meine Instrumente zu modifizieren, so habe ich auch hier zahlreiche Upgrades vorgenommen, welche die Flexibilität dieses Instruments massiv erhöhen. Da ich „die Lizenz zum Löten besitze“, nahm ich auch hier alle Lötarbeiten selbst vor. Mir persönlich ist es aber gleichfalls wichtig, diese Modifikationen mit dem Auge nicht wahrzunehmen. Diese Strat sollte also weiterhin wie eine klassische Strat aussehen, die „Mods“ sind also meist „hidden features“.

3-Positionen-Blade-Schalter

Den standardmäßig verbauten 5-Positionen-Blade-Switch tauschte ich gegen einen 3-Positionen-Schalter aus. Was zunächst wie ein „Downgrade“ erscheinen mag, bietet in Verbindung mit einem eigenen Volume-Regler für den Mittel-Pickup tolle klangliche Varianten. Für das Funky- oder Rockabilly-Territorium verwende ich gerne „Telecaster-ähnliche Sounds“, wobei der Steg- und Hals-Tonabnehmer parallel geschaltet sind. Dies ist mit einer Strat normalerweise unmöglich. Aktuelle Fender Strats besitzen teilweise mittlerweile einen Volume-Regler mit Schaltfunktion. Hier beginnt man erfreulicherweise langsam dazuzulernen, da einige Gitarristen sich nach einem solchen Feature gesehnt haben.

Suhr-Tonabnehmer

Glücklicherweise war ich in der Lage, einen Suhr Humbucker (PAF-Stil) und zwei 60-er-Singlecoils günstig zu erstehen. Die „Suhrs“ klingen für mich attraktiv und liefern beispielsweise einen schönen Hendrix-artigen Sound in der Halsposition. Der mittlere Pickup wurde, wie bei Strats allgemein üblich, „reversed“ gewickelt, um in den „Zwischenstellungen“ einen brummfreien Klang zu erhalten.

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Alle Tonabnehmer in Wachsbad „entmikrofoniert“

Wie es auch der gute Eddie Van Halen (RIP) tat, so wachste ich alle Pickups in einem Wachsbad in einer kleinen Schale aus Alufolie mit altem Kerzenwachs), was die Mikrofonieempfindlichkeit bei hohen Lautstärken und „viel Zerre“ deutlich reduzierte. Bevor man dies tut, sollte man sich in jedem Fall vorher sachkundig machen und mit äußerster Vorsicht vorgehen.

Push-Push-Poti zur Parallelschaltung beider Spulen des Steg-Humbuckers

Ein Humbucker am Steg war Pflicht für mich, da ich gelegentlich einen recht fetten Rocksound benötige und auf der Bühne aus „Sicherheitsgründen“ grundsätzlich immer mindestens eine Stellung benötige, die vollkommen brummfrei arbeitet (bei schlechtem Stromnetz etc.). Gelegentlich benötige ich aber auch einen eher „singlecoiligen“ bzw. etwas schlankeren und höhenreicheren Klang. Deswegen entschloss ich mich, die zwei Spulen des Steg-Humbucker bei Bedarf mittels eines Push-Push-Potis parallel schaltbar zu machen. Der Vorteil der Parallelschaltung besteht darin, dass die „Brummfreiheit“ erhalten bleibt. Im Singlecoil-Betrieb (auf der Stegposition) wird mir der Sound meist etwas zu dünn und mit „ordentlich Zerre“ ist das Brummen einfach extrem nervig.

Push-Push-Poti, warum?

Die Umschaltung geht schlicht schneller vonstatten. In der Zeit, die man benötigt, um mit den Fingern unter den Potiknopf zu gelangen und so den Sound am Steg etwas schlanker zu gestalten, ist der Song meist bereits vorbei (sage ich gelegentlich scherzhaft). Leider ist die Qualität der heute zu erwerbenden Push-Push- (Pull-) Potis (auch von namhaften Herstellern) derart miserabel, dass diese bei ständigem Einsatz nur maximal knapp zwei Jahre tadellos arbeiten und dann ausgetauscht werden müssen. Auch die Qualität beispielsweise „normaler “ 250 kOhm Potis hat sich zunehmend verschlechtert, sodass viel Volume-Potis bereits relativ schnell anfangen zu „kratzen“, was bei Volume-Swells mit dem kleinen Fingern extrem nervig ist. Hier muss man leider feststellen: In diesem Punkt war früher tatsächlich einiges besser.

Wilkinson V-100 Vibratosystem

Da ich das Gitarrenspiel in einer Zeit lernte, in der meine Helden oft eine Stratocaster spielten (u. a. Mark Knopfler, Jimi Hendrix, Eddie Van Halen, Jeff Beck, Mike Landau, Steve Lukather, Stevie Ray Vaughan, greife ich bei Gitarren, die nicht mit einem Whammy Bar ausgerüstet sind, beim Spiel oft ins Leere oder brauche eine kurze Zeit, mich umzustellen. Da ich gelegentlich auch in der Lage sein wollte, „eine Divebomb“ vom Stapel zu lassen, fiel meine Wahl auf das Wikinson V-100 mit Messerkantenprinzip, das sehr stimmstabil ist (vorausgesetzt, der Sattel ist perfekt gefeilt).

„Free floating“ Wilkinson V-100 Vibratosystem

Mastertone-Regler mit modifizierter TBX Schaltung

Um mit nur einem Master-Tonregler nicht nur die Höhen, sondern auch die Bässe regeln zu können (beides passiv), baute ich ein Fender TBX-Poti mit modifizierten Kondensator- und Widerstandswerten ein.

Wer dies nicht kennen sollte. Das TBX-Poti besteht aus zwei übereinander angeordneten unterschiedlichen Potis (250 kOhm und 1 MegOhm) auf einer Achse. In der Mittelstellung, die leicht einrastet, ist das Poti quasi aus der Schaltung genommen (no load). An den Klang musste ich mich zuerst gewöhnen, da meine Strat nach dem Einbau plötzlich etwas „heller“ als gewohnt klang, was ich zunächst überhaupt nicht anstrebte.

Master-Volume, modifizierter Master-Tone mit modifizierter TBX-Schaltung und Push-Push-Poti, das als Volume-Regler für den mittleren Tonabnehmer fungiert und die Umschaltung auf Parallelbetrieb der Spulen des Humbuckers vornimmt

Treble-Bleed

Beim Zurückdrehen des Volume-Potis tritt ohne eine sogenannte Treble-Bleed-Schaltung ein Höhenverlust auf, den ich persönlich (zumindest in Solidbody-Modellen wie beispielsweise Strats und Teles) gerne vermeide. Um dieses Phänomen zu umgehen, sind zwischen dem Ein- und Ausgang des Mastervolume-Potis zwei Bauteile (100 k-Ohm Widerstand und 2 nF Kondensator) parallel angelötet.

Auch ein sogenanntes Q-Filter hatte ich zeitweise eingebaut, das mich klanglich aber nicht befriedigte bzw. sich für den Live-Einsatz nicht ausreichend bewährte.

Handling

Die Gitarre ist angenehm leicht, perfekt zu bespielen und klingt hervorragend. Das Wilkinson-Vibratosystem ist mit nur zwei Federn relativ „weich aufgehängt“ und spricht schnell an. Auch der Hals fühlt sich traumhaft an. Die Stimmstabilität ist außerordentlich gut, da der Sattel perfekt gefeilt und mit einer speziellen geligen (käuflich zu erwerbender) Flüssigkeit geschmiert wurde und auch die Vintage-Schlitzlochmechaniken einen zuverlässigen Beitrag leisten, obwohl diese nicht mit einem „Lock“ ausgestattet sind.

Sound

Durch die Kombination des Dreiwege-Schalters in Verbindung mit dem separaten Volume-Regler für den mittleren Pickup und der Möglichkeit, den Steg-Humbucker auch mit parallel geschalteten Spulen zu betreiben, sind mit dieser Gitarre freche neun Sounds machbar, als da wären:

01. Hals

02. Hals-Steg (als Humbucker) parallel (für Telecaster-ähnliche bzw. funky oder Rockabilly-Sounds)

03. Hals-Steg parallel (Steg mit parallel betriebenen Spulen) für einen etwas schlankeren aber            brummfreien Ton)

04. Steg (Humbucker) meist für verzerrte rockige Sounds

05. Steg mit parallel geschalteten Spulen für Singlecoil-ähnlichen Sound, brummfrei

06. Hals-Mitte parallel für typische Strat-Sounds

07. Steg (Humbucker) – Mitte parallel

08. Steg (parallele Spulen) und Mitteltonabnehmer parallel

09. Alle drei Pickups parallel, klingt gleichfalls interessant

Mehr klangliche Variationen lassen sich (sofern überhaupt) aus einer Stratocaster kaum herausholen, obwohl manche Freaks hier auch noch weiter gehen. Für mich ist jedoch auch immer die Praxistauglichkeit ein wichtiges Kriterium. Was sich nicht bewährt oder nicht häufig zum Einsatz kommt, fliegt wieder raus aus der Schaltung.

Diese Gitarre begleitet mich nun schon einige Jahre und hat sich in den letzten Jahren auf Hunderten Bühnen bewährt. Sie ist eine absolut zuverlässige Partnerin für viele Stile.

Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dem Artikel und seht, welche sinnvollen Upgrades bei einer Stratocaster möglich sind.

Stay tuned!

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Plus

  • Sound
  • Bespielbarkeit
  • Gewicht
  • viele Klangvariationen
  • Design
  • TBX-Control
  • SSH, Humbucker parallel schaltbar
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Forum
  1. Profilbild
    Steffog

    Vielen Dank für diesen extrem interessanten und detaillierten Bericht. Hat Spaß gemacht, zu lesen.
    Herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Strat.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Wenn die Ballenmattierung für den Hals auf Nitro-Basis war, wirst du die allerdings ziemlich häufig nachbessern müssen. Ist haptisch zwar eine wirklich schöne Oberfläche, verträgt allerdings keine Feuchtigkeit und schon gar keinen Schweiß.

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