Kleiner, feiner, exakter Lautsprecher
Was zeichnet ein Produkt besser aus als eine große Verbreitung und eine über viele Jahre hinweg konstante und fast unveränderte Herstellung? Man denke nur an das legendäre Shure SM58 oder seine Schwester SM57. Auch die Yamaha NS10 haben lange die Studioszene bestimmt und bestimmen die verbleibenden Studio-Dinosaurier, die noch nicht ausgestorben sind, bis heute.
Anders als die Fostex 6301, deren Test wir uns heute widmen, hat Yamaha die NS10 allerdings längst eingestellt und durch eine andere Serie ersetzt. Wer die Fostex 6301 dem Namen nach nicht kennt, wird nur kurz ein Produktbild betrachten müssen, um ein Aha-Erlebnis zu haben. Für mich waren die kleinen Kisten gefühlt schon immer da und so war ich auch zunächst verwundert, als ein Test der 6301 angefragt wurde. Doch das hat seine Gründe, wie wir gleich sehen werden.
Fostex 6301 – Zurück in die Zukunft
Seit 1982 existieren die Fostex 6301 und so ist es nicht verwunderlich, dass ihr Design auch etwas an diese Zeit erinnert. Die kleinen Quader ziert vorne eine waagerechte Linie im typischen Fostex-Rot und auch der Fostex-Schriftzug macht da keine Ausnahme. Die Ecken sind abgerundet. Irgendwie wirken sie im heutigen Studioumfeld wie eine Reise zurück in die 1980er Jahre. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, bedenkt man mal, was die 1980er Jahre musikalisch alles hervorgebracht haben.
Statt nun das Design irgendwie an den Geschmack des heutigen Zeitgeistes anzupassen, belässt Fostex einfach alles so wie es ist, aktualisiert aber das Innenleben. Dort werkelt seit 2015 eine 20 Watt Class-D-Endstufe, die einen 4“ Breitbandlautsprecher mit magnetischer Schirmung antreibt.
Das war es im Prinzip auch schon. Ein versenkt angebrachter Lautstärkeregler sowie der ebenfalls ins Gehäuse eingelassene Ein- und Ausschalter sind die einzigen Bedienelemente, die die Fostex 6301NX zu bieten hat. Kein EQ oder Klangregler, kein Schnickschnack. Rein und raus geht es in unserem Fall per unsymmetrischem Klinkenstecker oder symmetrisch per XLR. Die Symmetrierung übernimmt ein Übertrager.
Fostex bietet nun noch weitere Varianten an: Die Fostex 6301NE ähnelt der NX-Version, kommt aber mit einer elektronischen Symmetrierung daher. Die einfachste Variante hört auf den Namen 6301NB und verzichtet auf den symmetrischen XLR-Eingang, während die komplexeste Variante die 6301ND ist, die über einen digitalen AES/EBU-Eingang (XLR) verfügt sowie über einen XLR Thru (AES/EBU).
Wer möchte, darf aber auch hier zum 6,3 Millimeter Klinkenstecker greifen. Allen Modellen gemeinsam ist das unzerstörbare Aluminiumgehäuse. Die Fostex 6301 ist richtig schwer und fällt so schnell nicht vom Regal. So also ist für jeden Geschmack etwas dabei. Bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass die 6301 mit einem integrierten Netzteil ausgestattet und das Netzkabel abnehmbar ist.
Volle Breitseite oder Schmalspurakustik?
Ich bin mir sicher, dass viele Leser beim Anblick einer Fostex 6301 verächtlich die Nase rümpfen werden. „Die kann doch keinen Bass!“, wird die häufigste Aussage sein. Stimmt, denn das kann sie wirklich nicht. Bei knapp 70 Hz fängt der Übertragungsbereich des Breitbandlautsprechers an.
Aber: Die Fostex 6301 ist richtig gut in allem, was oberhalb des Bassbereichs stattfindet. Vor allem die Frequenzbereiche, in denen die meisten Instrumente ihre wesentlichen Informationen besitzen, bildet die Fostex 6301 sehr gut ab. Da sie nur über einen einzelnen 4“-Breitbandlautsprecher verfügt, fehlt auf der elektronischen Seite alles, was irgendwie den Klang verzerren könnte, zum Beispiel eine Frequenzweiche. Breitbandlautsprecher gelten deshalb auch als linearphasig. Auf der akustischen Seite besitzt der einzelne Breitbandlautsprecher ebenfalls Vorteile, denn Interferenzen zwischen mehreren Lautsprechern innerhalb einer Box, wie sie bei Mehrwegelautsprechern üblich sind, finden nicht statt. Die Schallabstrahlung von Breitbandlautsprechern ist nahezu punktförmig. Nahezu, weil auch ein Breitbandlautsprecher über den gesamten von ihm abgestrahlten Frequenzbereich nicht zu einhundert Prozent punktförmig abstrahlt.
Es gibt aber auch Nachteile: Breitbandlautsprecher stellen immer einen Kompromiss dar, wenn es darum geht, den kompletten Hörbereich abzustrahlen. Je nach Größe des Lautsprechers fehlt entweder das „Top End“ oder das „Low End“. Bei der Fostex 6301 ist es der Bassbereich, der ausgespart wurde. Das macht nichts, denn für viele Mix-Entscheidungen ist der Bereich darüber wesentlich interessanter. Außerdem ist der Bassbereich in vielen Regieräumen problematisch, da bei nicht optimierter Akustik hier viele Raummoden lauern, die dann das Hörerlebnis verfälschen. Gerade für die Beurteilung von Signalen sind Breitbandlautsprecher wie die Fostex 6301 oder die berühmten Auratone Lautsprecher wie geschaffen.
Abhören im Nahfeld
Letzterer Punkt führt uns zum Aspekt des Hörens im Nahfeld. Je größer die Abhörlautsprecher im Studio ausfallen, desto weiter muss sich der Hörplatz von diesen entfernt befinden. Bei einer Midfield-Abhöre sind das durchaus mehrere Meter.
Je weiter der Hörplatz vom Lautsprecher entfernt ist, desto mehr fällt der Raum mit seinem Eigenklang ins Gewicht bei der Beurteilung einer Mischung. Kleine Nahfeldlautsprecher mit sehr gerichteter Abstrahlung eignen sich also insbesondere dort, wo sich akustische Verbesserungen durch bauliche Maßnahmen entweder nicht umsetzen lassen oder einfach aufgrund des Raumvolumens gar nicht zufriedenstellend möglich sind.
Da die Fostex 6301 für das Abhören in sehr kurzer Distanz gemacht sind, bieten sie sich genau für solche schwierigen Regieräume an. Kein Wunder, dass sie gerne in Übertragungswagen oder Theaterregieräumen eingesetzt werden. Gerade in Übertragungswagen, wo die Abstände von der Schallquelle (Monitor) zu den den Abhörplatz umgebenden Wänden sehr gering sind, fühlen sich die Fostex 6301 zu Hause.
Im Studio finden sie Platz auf der Meterbridge und auch als Lautsprecher in Mehrkanalsystemen eignen sie sich. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Anwendungsgebiete: Als Multimedia-Lautsprecher neben dem Computermonitor, als Lautsprecher für den Bereich Videoschnitt oder im Fernsehstudio sind sie genauso einsetzbar wie im Beschallungssektor. Hier könnten sie zum Beispiel vom Solo-Bus gespeist werden, um einzelne Signale direkter zu hören und besser beurteilen zu können.

Ob liegend oder stehend, die Fostex 6301 funktionieren in allen Situationen, in denen wenig Platz zur Verfügung steht und Raumeinflüsse möglichst gering gehalten werden sollen
Fostex 6301: Technische Daten
Kein Testbericht kommt ohne einige technische Daten aus. Wie erwähnt arbeitet im Innern eine 20 Watt starke Class-D-Endstufe, die einen 4“ Breitbandlautsprecher antreibt. Der Frequenzgang wird vom Hersteller mit 75 Hz bis 15 kHz angegeben, was realistisch erscheint und mit einer Messung überprüft werden soll. Die Abmessungen betragen 120 x 189 x 120 mm (B x H x T) und das Gewicht pendelt sich bei stolzen 2,2 kg ein, was nicht zuletzt dem stabilen Metallgehäuse geschuldet ist.
Den durchschnittlichen Schalldruckpegel (1 W/1 m) geben Fostex mit 85 dB an, den maximalen Schalldruckpegel mit 98 dB. Die Gesamtverzerrungen (THD) werden mit 0,05 Prozent bei 1 W/1 kHz angegeben. Die Eingangsempfindlichkeit beträgt +4 dBu (XLR, symmetrisch) und -14 dBV (Klinke, unsymmetrisch). Noch zu erwähnen ist, dass die Elektronik über eine Auto-Standby-Funktion verfügt. Diese greift, wenn ca. 25 Minuten lang kein Signal anliegt. Der Stromverbrauch sinkt dann von 10 Watt auf 0,5 Watt und weniger. Wer möchte, darf den Lautsprecher mit einem Schwenkbügel zur Wandmontage versehen. Dieser ist optional unter dem Kürzel EB-6301 erhältlich.
Messung der Fostex 6301 im Heimstudio
Um den Lautsprecher nicht nur hörend zu überprüfen, sollen auch einfache Messungen am Hörplatz vorgenommen werden. Der Raum ist akustisch nicht groß optimiert und somit ideal für den Einsatz der Fostex 6301. Die Messungen berücksichtigen verschiedene Abstrahlwinkel: 0° auf Achse, 30° und 60°.
Das Ergebnis ist für Breitbandlautsprecher nicht überraschend. Zunächst die Ergebnisse der On-Axis Messung (0°): Der Frequenzgang verläuft von 200 Hz bis 6 kHz sehr linear. Oberhalb von 6 kHz kommt es zu einer Höhenanhebung, die ihren Scheitelpunkt bei 10 kHz erreicht und dort +10 dB beträgt. Ab 15 kHz fällt der Frequenzgang steil ab. Die Messung zeigt eine leichte Anhebung bei ca. 120 Hz. Diese ist nicht dem Lautsprecher zuzuschreiben, sondern einer mir bekannten Raummode. Unterhalb von 70 bis 80 Hz fällt der Frequenzgang ebenfalls stark ab.

Die obere Kurve (grün) zeigt die On Axis-Messung bei 0°. Hier ist die starke Anhebung der Höhen auffällig. Bei 120 Hz sind die Auswirkungen einer Raummode zu verzeichnen. Der Rest verläuft sehr linear. Noch linearer ist die Messung bei 30° Off Axis (orange). Die Lautsprecher sollten also gerade zur Tischkante und mit geringem Abstand zueinander aufgestellt werden.
Interessant ist die Off-Axis-Messung bei 30°: Diese ist eigentlich durchweg (bis auf die Raummode bei 120 Hz) als linear zu bezeichnen. Auch die Messung bei 60° verläuft über weite Strecken linear, zeigt dann aber wie die 0°-Messung Auffälligkeiten oberhalb 6 kHz. Wertet man diese Messungen aus, kommt man zu dem Schluss, dass die beste Aufstellung bei der Nutzung zweier Fostex 6301 die gerade Ausrichtung zur Tischkante ist und nicht die oft normalerweise zum Hörplatz eingedrehte Aufstellung. So sitzt man tatsächlich selbst in beengten Räumen bei gerader Aufstellung und kurzem Hörabstand im Sweet Spot – stereo- wie frequenztechnisch. Sehr gut.
Praxiseinsatz der Studiomonitore
Musik aus der Konserve ist immer ein guter Test für die Beurteilung von Lautsprechern, vorausgesetzt man kennt diese sehr gut und weiß, wie sie zu klingen hat. Ich beginne mit einigen sehr gut produzierten Songs von ABBA. Der erste Eindruck: Natürlich kein Tiefbass, aber sehr gute Definition, da die höheren Signalanteile des E-Basses sehr präsent übertragen werden. Das ist ein wesentlicher Vorteil des Mischens auf kleinen Breitbandlautsprechern. Da nach wie vor Musik mehrheitlich auf kleinen Lautsprechern konsumiert wird, sollen natürlich bassstarke Signale nicht einfach verschwinden, sondern auch dann noch gut wahrnehmbar sein, wenn Signale unter 100 Hz quasi nicht mehr existent sind.
Mischungen, die ausschließlich auf großen und bassstarken Lautsprechern ausgeführt werden, kranken oft genau an diesem Punkt: Hört man die Mischungen auf kleineren Lautsprechern, sind Bass und Bassdrum einfach weg. Der Fostex 6301 deckt solche Mix-Fehler gnadenlos auf. Der nächste Schritt ist die Beurteilung des mittleren Frequenzbereichs: Hier klingt alles sehr transparent. Stimmen stehen schön weit im Vordergrund. Räume lösen sehr gut auf. Durch die geringen Maße der Fostex 6301 lassen diese auch auf engstem Raum ein Stereobild zu. Größere Lautsprecher müssen sich dazu viel weiter auseinander befinden. Es gibt eine sehr stabile Stereomitte und Signale lassen sich stufenlos von einer Seite auf die andere pannen.
Der Höhenbereich ist ebenfalls sehr feinzeichnend, was gerade Becken sehr zugute kommt.
Die mir bekannte Raummode bei 120 Hz tritt aufgrund des geringen Hörabstands kaum hervor. Das ist gut so, denn sonst würde ein Mix später in diesem Bereich unterrepräsentiert klingen.
Die Tiefenstaffelung überprüfe ich mit dem Song „Meeting across the river“ von Bruce Springsteen (Album „Born to run“). Hier gibt es mehrere Ebenen: Der Flügel steht recht weit vorne. Die Trompete von Randy Brecker sehr weit hinten im Raum. Beim Einsetzen von Springsteens Stimme liegt diese noch vor dem Flügel, der von Roy Bittan gespielt wurde. Der Kontrabass von Richard Davis unterstützt die Begleitung des Flügels. Die Fostex 6301 geben dies exakt so wieder. Auch bei „Jungleland“ vom selben Album verhält sich das ähnlich. Springsteens Stimme wirkt geradezu beschwörend, wenn Springsteen das New Jersey der 1970er Jahre lebendig werden lässt. Alle Instrumente, Klavier, E-Gitarre, E-Bass, B3 Orgel, Solo Violine, Streicher, Drums und vor allem das tolle Saxofon, gespielt von Clarence Clemons, sind glasklar auszumachten. Es macht Spaß, über diese Lautsprecher Musik zu hören. Gerade bei geringer Abhörlautstärke offenbaren die Fostex 6301 ihre Stärken. Das kommt dem Mixing zugute, denn die Ohren ermüden später.
Aufgrund des sehr guten Klangs bei geringer Lautstärke stört auch Hintergrundmusik beim Arbeiten in keiner Weise. Und so konnte ich problemlos beim Schreiben dieses Testberichts über die Fostex 6301 Musik hören, ohne dass diese bei der Arbeit störte. Mit meinen sonst am Arbeitsplatz genutzten Event 20/20 ist das nicht ohne Weiteres möglich und leise klingen diese auch nicht so gut und transparent wie die Fostex 6301.

Trotz geringem Abstand voneinander stimmt das Stereobild und die Abhörposition befindet sich im Sweet Spot
Einige Mischungen von Live-Recordings, die ich auf den Event 20/20 gemischt habe, offenbaren auf den Fostex 6301 auch sofort ihre Schwächen. Der Bass, der auf den Event 20/20 recht kräftig wiedergegeben wird, ist bei einigen Songs auf den Fostex-Monitoren unterbelichtet, weil eben die Frequenzanteile fehlen, die auf kleineren Lautsprechern gebraucht werden, um ihn ausreichend laut hörbar zu achen. So mancher s-Laut zischelt ganz schön, während die Event 20/20 sich hier neutraler verhalten. Der Mittenbereich müsste beim einen oder anderen Song mehr aufgeräumt werden. Anders herum ist eine Mischung, die auf den Fostex 6301 bei geringer Lautstärke angefertigt wird, auf den Event 20/20 viel gefälliger. Passt man nun noch den Bassbereich etwas an, damit es auch unterhalb von 100 Hz nicht grummelt, hat man einen schön transparenten Mix auf beiden Systemen, der auch auf dem kleinen Küchenradio noch gut funktioniert.
Diese formschönen Kohlebrickets in Kombination mit den EVE audio TS107 haben sich bei mir durchgesetzt. Ja es ist unkonventionell aber ich möchte diese Kombi nicht mehr missen.
@TomNio Ich hab seit neustem die Version nur mit Klinke, da mehr finanziell nicht drin war. Die müsste man mit entsprechenden Kabeln trotzdem an einen Sub anschliessen können, oder?
@ISE500 Sollte schon gehen. Die Klinke bei den 6301 ist aber leider nur unsymmetrisch. Das musst du bedenken.
@TomNio Ja, aber da sehe ich bisher noch keinen Nachteil für mich
Sehr charmant, ähnliche boxen hatten meine eltern im kadett e kombi ab 1988.
Danke Markus für diesen aufschlußreichen Test. Ich habe mit den alten 6301 etliche (Live-) Produktionen auf dem (TV-)Ü-Wagen gefahren. Gut zu wissen, dass die Nachfolger noch immer gute Qualität haben.
Hinzuzufügen wäre noch, dass die 6301B wahre ‚Arbeitspferde‘ sind und bei den Broadcastern haufenweise als PFL- und KDO-Lautsprecher eingesetzt werden – in Hörfunkregien, TV-Regien und auf Ü-Wägen.
https://img.audiofanzine.com/images/u/product/normal/fostex-6301b-6606.jpg
PS – das alte Design gefällt mir persönlich besser… ;)
@solartron Genau. Gerade als PFL-Lautsprecher finde ich die ziemlich toll. Ich kann sie mir auch gut als Solo-Lautsprecher am FoH-Pult vorstellen.
Ich habe die Urversion als Küchenlautsprecher, morgens ab 6:50 Uhr WDR 5 zum Frühstück.