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Making of: Slayer Reign in Blood

Meilenstein des Thrash Metal: Slayer Reign in Blood

21. Juli 2019
Slayer Reign in Blood

Slayer Reign in Blood

Metal ist seltsam.

Keine andere Musikströmung ist sich selbst so treu geblieben. Keine andere Musikströmung zehrt so sehr von ihrer Vergangenheit und keine andere Musikströmung hat sich zugleich in so viele Subgenres aufgesplittet. Metal wird belächelt. Und gleichzeitig vergöttert. Der harte Kern dieser Musikströmung ist über die Jahrzehnte hinweg stetig gewachsen. Unabhängig vom Zeitgeist – in jeder Generation gibt es viele Individuen, die im Metal so was wie ein Zuhause finden. Eine Studie der Humboldt State University in California zeigte sogar, dass Metaller, wenn es um allgemeine Lebenszufriedenheit geht, glücklicher sind als die meisten anderen Gruppen. Warum? Schwer zu beantworten. Dickinsons Falsett und Lemmys Plärren können vielleicht Depressionen heilen. Meine persönliche Theorie: Metal ist sich selbst treu geblieben und stellt dadurch eine Konstante in wechselhaften Zeiten dar. Und die vielen Gesten und das Pathos, das der Musik grundlegend innewohnt, zieht nicht unbedingt die Zyniker dieser Welt an.

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Insofern ist dieses Genre auch reich an Klassikern. Doch es gibt nur wenige Alben, die fast jedem Fan der Musikströmung etwas bedeuten. Egal ob im Grindcore, Black Metal, Death Metal oder Progressive Industrial Metal beheimatet – ein Sprichwort aus der Metal-Szene besagt: Don’t trust anyone who doesn’t like Slayer.

Es sei jetzt mal gewagt in den Raum geworfen, dass acht aus zehn Metallern die Reign in Blood bei sich daheim im Regal stehen haben. Und es sei ebenso in den Raum geworfen, dass von den acht Metallern sieben das Album lieben. Der oder die Achte mag Arayas sogenanntes Geschrei nicht. Oder stört sich am rohen Sound. Sei’s drum. In diesem Sinne: The sky is turning red. Wir schauen mal genauer hin, was diesen zeitlosen Klassiker ausmacht und wie er zustande kam.

Slayer Reign in Blood – ein kompliziertes Duo

2. Mai 2013: Die Metal-Szene schreckt auf – Jeff Hanneman, Gitarrist und Songwriter von Slayer, starb an den Folgen eines Spinnenbisses und wurde ein paar Monate später bereits von Gary Holt ersetzt. Der wildere der beiden Gitarristen, derjenige, der in seinem Songwriting-Prozess ungestümer und chaotischer vorging, war zu diesem Zeitpunkt schon bereits kein Teil mehr der Band. Über die inneren Querelen der Band ist viel erzählt worden, in erster Linie über das Verhältnis zwischen Kerry King und Jeff Hanneman. Gemeinsam schrieben sie ein paar der größten Thrash Metal Songs aller Zeiten und doch blieb das Verhältnis zwischen den beiden stets kompliziert.

Slayer Reign in Blood

Slayer Reign in Blood

Kerry King meinte dazu in einem Interview mit Guitar World aus dem Jahre 2018: „Sobald eine Tour zu Ende ging, verschwand Jeff einfach daheim und kapselte sich ab. (…) Es war schwierig, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Es dauerte ein paar Jahre, ehe ich verstand, dass das eben Jeff war. (…) Jeff und ich waren nie beste Freunde. Wir waren die vielleicht am nächsten stehenden in der Band, aber niemals beste Freunde. Er war mein Freund, auch wenn wir uns niemals so verhielten. Das letzte Mal, dass ich bei ihm daheim war, war 2003. (…) Klingt schlimm, aber das war es nicht.“

Selten ist das nicht: Viele Bands haben ein Duo unter sich, dass die Richtung vorgibt und das Klangbild maßgeblich formt, nicht ohne entweder distanziert oder bisweilen auch feindselig zueinander zu sein. Jeff wollte einfach seine Ruhe. So einfach war das.

Ein gewisses brüderliches Verhältnis gab es ebenfalls zwischen Tom Araya und Jeff. Die Männer waren Brüder im (Drogen-) Geiste und ließen gemeinsam die Dämonen ihrer Vergangenheit hinter sich. Alle Mitglieder der Band führten schwierige Leben, hatten eine schwierige Kindheit und wuchsen in Arbeiter- oder Militärfamilien auf. Das darf nie vergessen werden: Musikhistorisch gesehen ist und bleibt Thrash Metal eine Musik der Arbeiterklasse.

Slayer Reign in Blood – eine Naturgewalt

Slayer waren von Anfang ein bisschen extremer, härter und konsequenter als die Konkurrenz. So jedenfalls will es die Legende, wenn es um die ersten Konzerte in der Bay Area im Jahre ’81 geht. Slayer beeindruckten Agenten und Plattenfirmen und landeten recht schnell nach ihrer Gründung einen Deal mit Metal Blade Records. ’83 schon ging es ins Studio – Show No Mercy wurde aufgenommen und die Band trug die Kosten da noch selbst. Man tourte durch Amerika im Vorprogramm von Venom und Exodus. Nachdem Kerry King nach einem kurzen Intermezzo bei Megadeth zu Slayer zurückkehrte, stand eine unmittelbare kreative Explosion in der Band bevor. Hell Awaits passierte – die Band nahm ihr zweites Album auf und wurde allmählich immer bekannter. Und Tatsache ist: Hell Awaits war gut, bisweilen sogar progressiv. Dann kam es im September 1985 zum New Music Seminar, ein Musikfestival unter dem Banner des Hip Hop Labels Def Jam. Man wollte ein bisschen was Ausgefallenes wagen und lud für einen der Abende Metal- und Punk-Bands ein. Slayer gingen an jenem Abend auf die Bühne. Im Publikum: ein Kerl mit einem langen Bart und guten Ohren – Rick Rubin, der damals das Def Jam Label mit Russell Simmons führte.

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Slayer Reign in Blood

Slayer Reign in Blood

Rick war hin und weg – die Band zerlegte die Bühne und alles um sich herum und stellte alle anderen Gruppierungen an jenem Abend in den Schatten. Kurzerhand nahm Rick die Band unter Vertrag – unter seinem Hip Hop-Label Def Jam.

Ganz recht: Das vielleicht größte Thrash Metal Album aller Zeiten wurde von einem Hip Hop Label herausgebracht – ein kurioser Fakt, der gerne unter den Tisch gekehrt wird.

Mit Andy Wallaces Hilfe griff Rick Rubin Slayer unter die Arme. Aufgenommen wurde im Hit City West – kein legendäres Studio, ein kleines, beschauliches Ding, in dem für die ersten Wochen erst mal das Schlagzeug aufgenommen wurde. Schlagzeuger bei Slayer war zu diesem Zeitpunkt Dave Lombardo, über dessen Performance auf dem Album immer noch gesagt wird, sie sei eine der besten der Metal-Geschichte. Gibt schwerlich was dagegen einzuwenden: Dave verprügelte sein Kit mit einer ungemeinen Härte und Präzision und Rick verstand es, alles aus ihm rauszuholen. Reibungslos lief das ab, bisweilen auf fast schon langweilige Weise skandalfrei. Das lag daran, dass Dave Lombardo und Rick Rubin einen guten menschlichen Draht miteinander hatten und Dave weder ein großer Fan von Alkohol noch von Drogen war. Mit Jeff und Kerry lief das anders ab: Rick und die beiden hatten einige Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Sounds. Man musste sich das damalige Klima im Thrash Metal bewusst machen: Das war zweifelsohne bis zu einem gewissen Grad auch ein bisschen wetteifern um den Thron: Wer war am brutalsten, schnellsten, wer war die extremste Band Amerikas? Rick verstand, dass die Band das Zeug dazu hatte, in diesem Wetteifern die Krone davonzutragen. Und versuchte sie demzufolge von sämtlichen unnötigen Experimenten abzubringen – stay focused on the price.

Der Erzählung nach lief das ungefähr so ab: Rick Rubin hatte diese Couch. Auf der saß er, mit geschlossenen Augen, einer fast schon Zen-artigen Ruhe überlassen und ließ das Brett auf sich wirken, das die Band produzierte. Je länger er das tat, desto mehr wurde ihm bewusst, dass die Band nicht auf Studio-Tricks angewiesen war. „Slayer sind einfach eine verflucht gute Live-Band“, sagte er in einem Loudwire-Interview zum zwanzigjährigen Jubiläum der Platte. „Reign in Blood ist ein Zeugnis ihrer Live-Qualitäten.“ Raus kam ein knochentrockener, authentischer Klang, rau, ohne Modulation, ohne das berühmte EQ-V für den Mitten-Kick – das tonale Äquivalent zu einem Kettensägenmassaker.

Der Einstieg des Albums gilt bis heute als Gold-Standard für den Opener eines Metal-Albums: Toms legendärer Schrei nahm nur zwei Takes in Anspruch, dann stand das Ding. In Sachen Equipment wagte die Band ebenfalls keine Experimente: Während Jeff Hannemann vornehmlich seine B.C. Rich Bich zur Hand nahm, blieb Kerry bei seiner B.C. Rich Mockingbird, beides die Klampfen, mit denen die Männer auch auf der Bühne standen. Tom war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls vom B.C.- Fieber angesteckt und spielte einen Wave Bass von der Firma. Jeff Hannemann und Kerry King arbeiteten beide mit einem Marshall JCM800 2203 Head auf Marshall 4 x 12″ Boxen. Kein Reverb, dafür ein bisschen Tubescreamer – und zwar, so wollen es zumindest bis heute die Gerüchte, der Ibanez TS808 Tubescreamer, der über Marshall seinen charakteristischen Biss entfaltete. Seltsamerweise bestätigte keiner der Band jemals offiziell, dass ein Ibanez Tubescreamer zum Einsatz gekommen ist.

Als die Band nach den Sessions fertig war, belief sich die Laufzeit des Albums auf knapp 29 Minuten. Eigentlich ein Unding – ein vollwertiger Longplayer unter einer halben Stunde? Noch dazu ein Thrash Metal Album, aus einem Genre, wo selten die 40-Minuten Marke unterschritten wurde? Trotzdem: Als die Band sich mit Rick ausführlich beriet, stand das Argument – 29 Minuten pure Intensität sind besser als 40 Minuten Langweile. Die Band sollte sich keine Sorgen machen. Was da erschaffen worden war, funktionierte gut genug, eben weil es so knapp und brutal „auf die Fresse ging“. Ein 29-minütiger Gamechanger – dem man im letzten Moment noch ein paar Steine in den Weg warf.

Denn wer das Album kennt, dem dürften die infamen ersten Zeilen des Openers bekannt sein: „Auschwitz, the meaning of pain, the way I want you to die„. Die Band hatte sich stets von den Nazi-Vorwürfen distanziert. Für die Jungs war klar: Der Song handelte vom puren Bösen und niemand verkörperte das in Hannemans Augen so deutlich wie das Nazischwein Josef Mengele. Für CBS, die Mutter des Def Jam Labels, war aber klar: Der Song musste runter vom Album. Für Rick Rubin wiederum ein absolutes Unding – also trug er das Album an David Geffen heran, der so etwas wie einen Guru der damaligen Zeit darstellte und das Album unter seinem Banner herausbrachte. Die Band war ihrer Vision treu geblieben und hatte sich nicht ins Handwerk reden lassen – die bessere Entscheidung, wie die Geschichte zeigen würde.

Slayer Reign in Blood

Slayer Reign in Blood

„Have we ever created a record nearly as good as Reign in Blood? Probably not“ – Kerry Kings eigenen Worte. Die Band weiß bis heute, dass in den darauffolgenden Jahrzehnten von ihrer Geschichte zehrte und den langen Schatten dieser achtundzwanzig Minuten niemals wirklich abschüttelte. Warum auch? Kaum einer Band gelingt es, in ihrer Karriere so etwas wie einen Klassiker zu erschaffen und noch weniger Bands gelingt das in so jungen Jahren. Reign in Blood hat inzwischen über die Jahrzehnte hinweg einen regelrecht mythischen Charakter entwickelt. Der rohe Sound, die Kompromisslosigkeit, die Brutalität und die authentische Dunkelheit, die dem Album innewohnte, brachte sämtliche Liebhaber des Metals, egal aus welcher Ecke, Mitte und Ende der Achtziger zusammen, als der Metal gerade anfing, ein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit zu entwickeln. Ein rohes, echtes Stück Musik, ein Angriff auf den guten Geschmack und ein zutiefst wütendes Statement: Reign in Blood dürfte mit den Jahren nur noch bedeutender werden und als eine Art leitender Stern die jungen Bands von heute daran erinnern, wie authentische, aufs Band gebrannte Wut wirklich funktioniert.

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Epochales Album, kann heute noch die meisten Songs auswendig mitsingen bzw. -schreien. Das Teil war damals selbst für uns elektronikaffine Leute ein Muß, rohe Energie, Bombensound, einfach nur genial. Die Albumtour führte die Jungs in unsere Gegend, da bin ich hingegangen, was ein Pfund! Die standen auf der Bühne, bewegten sich nicht allzu viel, und trotzdem kam da ein Sound rüber, der dich fast umwarf.

    Die Scheibe läuft heute noch immer mal wieder bei mir, wenns mir danach ist, manchmal zum Unmut meiner Nachbarn, aber da müssen die durch.

    Pommesgabel, usw. \m/ >< \m/

    • Profilbild
      Stephan Güte RED

      Ich musste sie vor meiner Mama verstecken … viel zu heftig, ich war damals minderjähriger Teenie und der ältere Kumpel hat sie uns besorgt. Was für ein Brett …

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @Stephan Güte Die Platte selbst war kein großes Problem, das Patch vom Slaytanic Wehrmacht-Fanclub, das ich mir kurze Zeit später auf meine Schultasche klebte, fand mein alter Herr allerdings nicht so gut. Das war halt das Provo-Alter, was willste machen, wa. :)

  2. Profilbild
    Synthie-Fire AHU

    Knallt immer wieder und wird auch noch in Zukunft laufen.
    Einfach en geiles Album, wenn auch nicht jedermanns Geschmack ;-).
    Höre ich gerne mal zum Autofahren oder im Studio beim verkabeln.
    Fand aber auch den Auftritt am WOA (Hauptsächlich Repentless Zeug)
    auch nochmal spaßig , da die Jungs auch Ihren Spaß hatten.
    Aber Reign in Blood lief schonmal vor dem Konzert aufm Zeltplatz.
    Danke für den Bericht … das mit dem DEF Jam Label war mir nimme so im Bilde.

  3. Profilbild
    Gammalicht

    Danke für den Bericht und die interessanten Details. „Don’t trust anyone who doesn’t like Slayer.“ – hat was! Diese Scheibe ist die reine Urgewalt und hat einen Standard gesetzt, der nie wieder erreicht wurde. Welche Platten aus anderen Genres sind das für Euch? Für die (wenigen), die die Live-Show mit dem regnenden Kunstblut noch nicht kennen – unbedingt anschauen. Die DVD ist mit „Slayer – Still Reigning : Reign In Blood“ aus dem Jahre 2004 betitelt. Gibts auch bei YT https://www.youtube.com/watch?v=NOfwWvd2rR8

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