Moderner Klassiker, richtig günstig?
Mit dem Beyerdynamic M 90 Pro X präsentiert der deutsche Traditionshersteller Beyerdynamic völlig überraschend ein Großmembran-Kondensatormikrofon als Teil einer neuen Produktreihe. Auch ein zweites Mikrofon, das dynamische M70 Pro X, wurde gleichzeitigvorgestellt. Beide Mikrofone überraschen durch einen sehr günstigen Preis, den man auf den ersten Blick kaum glauben kann. Mit nur 299,- Euro für das M 90 Pro X dringt Beyerdynamic in völlig neue Preiskategorien vor, denn noch nie war ein Großmembran-Mikrofone des Herstellers aus Heilbronn günstiger zu haben.
Auch zwei neue Kopfhörer der fast schon legendären DT-Reihe hat Beyerdynamic kürzlich vorgestellt. Alle Informationen dazu findet ihr hier.
Beyerdynamic M 90 Pro X – Tradition verpflichtet
Aus meiner täglichen Arbeit sind Mikrofone von Beyerdynamic nicht wegzudenken. Dynamische Tauchspulenmikrofone wie das M201TG oder das M88 benutze ich ebenso gern wie die herausragenden Bändchenmikros M160 oder M130. Auch mein gutes altes Beyer M260 kommt fast unentwegt zum Einsatz. Unbestritten, Beyerdynamic weiß, wie man Mikrofone herstellt, in der Vergangenheit hatte man auch toll klingende Großmembranmikrofone im Programm, aber aufgrund der großen Konkurrenz von Neumann und Co. war etwa dem MC 740 oder MC 840 nur ein Schattendasein beschert.
Umso mehr freut es mich, dass nun ein neues Großmembranmikrofon im Produktportfolio zu finden ist. Aber halt 299 Euro? Wie kann das sein?
Lieferumfang des Beyerdynamic M90 Pro X
Schick und stylisch sehen die Werbebilder aus, ganz in Schwarz und ohne Schnörkel ist das Mikrofon gehalten. Auch die Verpackung ist ansprechend, geliefert wird das Mikrofon gut geschützt in einer Kartonschachtel. Beim Auspacken dann die Überraschung: Ups, ist das ein großer Brocken! Während das MC 840 auf den Bildern immer recht groß aussieht und im echten Leben dann doch ein recht kleines Mikrofon ist, so verhält sich das beim M 90 Pro X umgekehrt. Aufgrund der Werbebilder habe ich ein eher kleines, filigranes Mikrofon erwartet, stattdessen hat das Beyerdynamic M90 Pro X Abmessungen, die ähnlich zu einem Neumann U87 sind. Knapp 20 cm ist das Mikrofon lang, bei einem Durchmesser von rund 5 cm.
Dafür dass es so groß ist, ist es das M 90 Pro X mit nur 280 g wiederum federleicht. Schon fast zu leicht, um ein wertiges Gefühl aufkommen zu lassen. Aber wir wollen uns dadurch nicht beirren lassen, immerhin müssen gut klingende Mikros nicht unbedingt schwer sein und ein leichtes Mikrofon stellt auch praktischerweise keine zu hohen Ansprüche an den Mikrofonständer.
An der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen. Der Mikrofonkorpus ist aus leichtem Metall gefertigt und mattschwarz lackiert. Das graue Metallgitter ist perfekt eingesetzt und die Mikrofonkapsel wird durch ein darunterliegendes feinmaschiges Netz zusätzlich vor Pop-Lauten geschützt.
Auf der Unterseite findet man neben dem XLR-Stecker mit vergoldeten Anschlüssen auch die Antwort auf den günstigen Preis: “Engineered in Germany, Made in China” heißt es da. Das rückt den Preis also in neue Perspektive.
Am XLR-Schaft gibt es ein Gewinde und eine silberne Schraube, mit der das Mikrofon an der Spinne befestigt werden kann. Schalter oder andere Bedienelemente sucht man am Mikrofon vergeblich.
Wie das Mikrofon selbst fällt auch die Spinne sehr groß aus. Diese besteht größtenteils aus Plastik, macht abereinen stabilen Eindruck, auch wenn sie nur 130 g wiegt. Das Mikrofon kann in die Passform eingesetzt werden und hält sehr solide. Auch das Schraubgewinde macht einen sehr verlässlichen Eindruck und ist leichtgängig.
Für die Aufbewahrung des Mikrofons liefert Beyerdynamic einen Neopren-Beutel mit, den man auch als Staubschutz einfach über das aufgebaute Mikrofon stülpen kann. Um das Paket zu komplettieren, liefert der Hersteller auch noch einen doppelwandigen Popschutz inklusive Schwanenhals mit. Man braucht also nur noch ein XLR-Kabel und Interface bzw. Preamp, um loslegen zu können.
Ach ja, auch eine gedruckte Anleitung in sieben Sprachen, die sowohl Informationen zum M 90 Pro X als auch zum dynamischen M 70 Pro X enthält, liegt dem Lieferumfang bei.
Technische Daten des Beyerdynamic M Pro X
Laut Beyerdynamic ist das M 90 Pro X ein Universalmikrofon, das sich mit den verschiedensten Quellen bestens eignen soll.
Von Gesang und Sprache über Akustikgitarre bis hin zu Streichern, Schlagzeug und Klavier. Da es sich um ein Kondensatormikrofon handelt, benötigt es für den Betrieb 48 Volt Phantomspeisung. Die randkontaktierte und mit 34 mm sehr große Echtkondensatorkapsel ist eine Art Gegenentwurf zur nur 20 mm großen Kapsel des Beyerdynamic MC840. Bei der Kapsel dürfte es sich also um eine Neuentwicklung handeln. Die Charakteristik des Mikrofons ist Niere, die laut Polardiagramm recht konstant ist und nach oben hin ab 8 kHz zur Superniere tendiert.
Als Übertragungsbereich gibt der Hersteller 20 Hz – 20 kHz an. Laut Abbildung des Frequenzverlaufs gibt es einen recht direkten Anstieg im Bereich zwischen 4 und 12 kHz um rund 4 dB. Im tieferen Bereich verhält es sich laut Sollkurve weitestgehend linear. Die Empfindlichkeit, gemessen bei 1 kHz, beträgt 36,3 mV/Pa, ist also recht hoch und dürfte unter anderem der großen Membranfläche geschuldet sein. In der Praxis sollte man also auch mit schwächeren Preamps, wie sie bei manchen Audiointerfaces zu finden sind, keinerlei Probleme bekommen. Die Nennimpedanz des M 90 Pro X liegt bei <180 Ohm, für den Preamp empfiehlt Beyer eine Impedanz von über 1 kOhm, was ohnehin fast jeder aktuelle Preamp bietet.
Der maximale Grenzschalldruck liegt bei 133 dB, allerdings ist nicht ersichtlich, ob der Hersteller mit 0,5 % oder 1 % THD gemessen hat. Bei der anliegenden Phantomspeisung ist das Mikrofon nicht zimperlich und arbeitet bereits ab 20 Volt. Mit 6,2 mA, zieht es für ein modernes recht viel Strom, was nur dann relevant ist, wenn man mit mobilen Geräten aufnehmen will, da die Akkulaufzeit davon abhängig ist.
Das Beyerdynamic M 90 Pro X im Einsatz
Im Studio teste ich das Beyerdynamic M90 Pro neben einem Austrian Audio OC818, ebenfalls ein Großmembranmikrofon mit randkontaktierter Kapsel und „frischem“ Frequenzverlauf. In der Praxis macht sich gleich der hohe Output des M 90 Pro X bemerkbar, denn es ist rund 10 dB weniger Preamp-Gain nötig als beim Gold schimmernden Österreicher.
Dass das Rauschen noch geringer als beim OC818 ist, ist die erste große Überraschung. Schließlich ist das OC 818 eines der rauschärmsten Multi-Pattern-Mikrofone. Ein Single-Pattern, wie das Beyerdynamic, tut sich da natürlich leichter, aber besonders das hörbare hochfrequente Rauschen ist extrem niedrig. In tieferen Lagen unter 65 Hz nimmt das Rauschen beim Beyerdynamic zwar zu, aber es zählt unumstritten zu den rauschärmsten Mikrofonen seiner Klasse. Chapeau!
Den ersten Test am Instrument bestreitet das M 90 Pro X an der Akustikgitarre. Hier eine Taylor im Abstand von 30 cm zum 15. Bund:
Und hier dieselbe Gitarre mit etwas mehr Abstand und etwas mehr Power:
Die beiden unterschiedlichen Artigkeiten werden recht schnell offensichtlich, es ist aber auch klar, dass das Beyerdynamic keinesfalls schlecht klingt, sondern einfach anders. Das Signal ist ausgewogen und frei von jeglicher Überspitzung oder Überbetonung. In meinem Testbericht zum OC 818 habe ich dem Mikrofon eine gewisse „edle Note“ unterstellt und das höre ich auch bei diesen Beispielen. Das Beyerdynamic geht für mich etwas nüchterner, aber ebenfalls sehr hochauflösend zu Werke.
Auch an der Ukulele, aufgenommen in 40 cm Entfernung, bestätigt sich der gute Eindruck. Mit dem M 90 Pro X sind absolut professionelle Aufnahmen möglich:
Dann gleich mal ran an die Snare-Drum, schließlich wird es von Beyerdynamic ja als Allround-Mikrofon bezeichnet. Hier haben wir es mit einem Metallkessel zu tun, wobei die Mikros 30 cm über dem Fell installiert sind:
Durch den hohen Output des Beyerdynamic M 90 Pro X muss man aufpassen, dass der Preamp bzw. die Wandler nicht übersteuern. Ein Pad ist bei lauten Signalen also Pflicht. Klanglich bietet sich das gleiche Bild wie bei den Saiteninstrumenten: Ein sehr ausgewogener, gefälliger Klang, der ein wenig mehr Raumanteil aufweist als das Vergleichsmikrofon von Austrian Audio.
Um die Transientenwiedergabe und die Empfindlichkeit gegenüber hohen Schallpegeln zu testen, hier einige Aufnahmen mit Tamburin. Wo wir schon bei Perkussion sind, darf natürlich auch ein Shaker nicht fehlen:
Auch Sprachaufnahmen will ich euch nicht vorenthalten. Durch das extrem geringe Rauschen eignet sich das Beyerdynamik M90 Pro X hervorragend für Podcasts und Voice-over-Anwendungen. Zudem werden S-Laute nicht zu scharf abgebildet, wie es viele andere Mikrofone in diesem Preissegment tun. Hier das bewährte Bienchen mit vielen Bs und Ss. Aufgenommen ohne Pop-Filter (!) im Abstand von 20 cm, um euch ein Bild des Nahbesprechungseffekts zu geben:
Hier noch einmal etwas weiter weg im Abstand von 30 cm und etwas mehr Engagement:
Ich muss zugeben, ich bin sehr überrascht, wie gut sich das Beyerdynamic M90 Pro X im Studio schlägt. Gerade durch das geringe Rauschen und die hohe Flexibilität wird es für viele Anwender genau das richtige „erste gute“ Großmembran-Mikrofon sein. Aber auch Profis machen keinerlei Abstriche in Bezug auf Klangqualität. Klar, rein am Funktionsumfang gemessen bietet es nicht ansatzweise die Möglichkeiten des OC818, das mit zwei XLR-Ausgängen und vielen zusätzlichen Einstellungen enorm viel Flexibilität bietet. Für all jene, die ein erschwingliches One-Trick-Pony suchen, ist das Beyerdynamic M 90 Pro X aber auf jeden Fall eine Empfehlung wert.
Sehr akzeptable, jedenfalls in diesen Test-beispielen, mit Ausnahme von S-Lauten. Gegenüber des Austrian Audio kommen die doch sehr viel spitzer rüber. Wäre schön ein paar mehr Vokal Beispiele zu hören – !
Das hört sich ja nach einem Volltreffer an, und das zu einem, sogar für Streamer/YTer, angenehmen Preis.