Günstig und nicht billig
Audio und Recording stehen nach wie vor hoch im Kurs und so verwundert es kaum, dass immer wieder Produkte auftauchen, die sich besonders im unteren Preissegment bewegen. So auch das Behringer TM1 Complete Vocal Recording, das keine 100,- Euro kostet, Zubehör inklusive. Das Komplettpaket besteht aus einem Großmembran-Kondensatormikrofon mit fester Nierenkapsel, Schutzbeutel, zugehöriger Spinne mit doppellagigem Gewebe-Windschirm und XLR-Kabel. Zugegeben erinnern Ausstattung und Optik ziemlich an das RODE NT1-A Komplettpaket, nur fast zum halben Preis und ich bin schon gespannt, wie es wohl klingen wird.
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Im Vorfeld war ich leicht irritiert, denn der Produkt-Link zu Thomann zeigt auf das Tannoy TM1. Richtig, da war doch was, so hatte Music Tribe um Behringer den schottischen Traditionshersteller übernommen und so gesellt sich nun Tannoy mit seiner über 90-jährigen Geschichte in die Reihen anderer Marken der Music Group. Seit den 70er-Jahren fertigt das Unternehmen High-End-Lautsprecher in Schottland und geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Mikrofone gehörten meines Wissens jedoch nicht zum Portfolio und so mag ich anzweifeln, dass das Behringer TM1 tatsächlich europäischen Ursprungs ist. Die Fertigung erfolgt jedenfalls in China und auf Kartonage, Mikrofon und Zubehör prangt der Behringer-Schriftzug.
Behringer TM1 und Zubehör
Im soliden Karton mit Schaumeinsätzen ist alles sicher verstaut, oben auf der Windschirm. Alles hat seinen Platz und selbst der Schutzbeutel für das Mikrofon erinnert an RODE. Eine Benutzeranleitung gibt es auch.
Die Verarbeitung gibt keinen Anlass zur Kritik. Bei den ersten Aufnahmen gab es zunächst ein Problem, denn während oft die Haltenase des XLR-Steckers bei seitlicher Einsprechrichtung nach hinten zeigt, ist es ausgerechnet beim Behringer TM1 umgekehrt. Optisch ist die Vorderseite am Logo zwar erkennbar, blind fühlt man das allerdings nur, wenn man es weiß und so machte ich die ersten Aufnahmen von der Rückseite.
Schauen wir uns zunächst das Zubehör an: Das sechs Meter lange XLR-Kabel ist robust und die Stecker sind vernünftig ausgeführt, auch die Halterung kann sich sehen lassen. Im Direktvergleich zur RODE SM6-Spinne sind die Unterschiede marginal. Eine Kopie ist das Pendant von Behringer nicht ganz, das erkennt man gut an den Befestigungsschrauben und der Halterung für den Windschirm. Dieser lässt sich zwar über zwei Winkel einstellen, im Gegensatz zur RODE SM6 ist er aber nicht höhenverstellbar. Dafür scheint das Gewebematerial ähnlich gut zu sein und ist auch in der Praxis genauso wirkungsvoll. Er hält unerwünschte Plosivlaute effektiv fern, auch die Entkopplung des Mikrofons durch die Spinne klappt vergleichsweise gut. Was übrigens fehlt, ist ein Reduziergewinde für 3/8-Zoll-Mikrofonhalterungen, dies müsste man sich notfalls noch besorgen. Ebenso das passende Stativ, aufgrund des Gesamtgewichts und der ausladenden Spinne muss man bei Tischstativen natürlich etwas aufpassen.
Das Behringer TM1 im Detail
Das silberfarbene Metallgehäuse des Behringer TM1 ist ebenfalls gut verarbeitet und mit 354 g gegenüber 326 g zum RODE NT1-A etwas schwerer. Die Länge beträgt 19 cm und der Durchmesser 54 mm, es ist somit 3 mm länger als sein mutmaßliches Vorbild. Es überrascht auch wenig, dass sich die technischen Angaben ebenfalls kaum unterscheiden.
Von der Konstruktion handelt es sich um eine goldbedampfte Kondensatorkapsel mit 1″ Durchmesser und transformatorloser Schaltung, was auch das sehr geringe Eigenrauschen erklärt. Während die Kapselrückseite starr ist, bildet die Membran das Gegenstück und durch deren Bewegung entsteht die Trägerspannung und somit das Tonsignal. Das ist in dieser Preisklasse alles andere als selbstverständlich, zumal das Zubehör auch noch mit einkalkuliert wurde. Viele Kondensatormikrofone in dieser Klasse, beispielsweise das Mackie EleMent EM-91C, verwenden stattdessen eine kleinere Electret-Kapsel, das spart Fertigungskosten und im Vergleich hört man den Unterschied sofort. 48 Volt Phantomspeisung benötigen übrigens beide Systeme.
Während dynamische Gesangs- und Sprechermikrofone tendenziell unempfindlicher sind und gute Vorverstärker benötigen, damit das Eigenrauschen möglichst niedrig bleibt, sind Großmembran-Kondensatormikrofone diesbezüglich unkritischer. Dafür sind sie auch deutlich empfindlicher und verlangen nach einer beruhigten Aufnahmeumgebung, durch die Trägheit der größeren Kapseln ist ihr Frequenzgang tendenziell weniger höhenbetont als bei Kleinmembran-Kondensatorstäbchen.
Das geringe Eigenrauschen des Behringer TM1 von nur 4,5 dBA (SPL) ist vorbildlich, damit liegt es auf der Höhe des RODE NT1 und sogar knapp vor dem NT1000, leider kann ich das nicht nachmessen und gegenprüfen. Solche Werte in Verbindung mit Fertigungstoleranzen und Kompromissen bei der Produktion sehe ich daher immer mit etwas Argwohn, ein Präzisionsinstrument ist das Behringer TM1 sicher nicht.
Der Grenzschalldruck von 138 dB liegt auf dem Level der anderen Kandidaten, der Frequenzgang mit 20 Hz bis 20 kHz ist allen gemeinsam. Die Empfindlichkeit des Behringer TM1 wird mit -34 dB (+/-2 dB) bei 1 kHz (0 dB) angegeben, der Signalrauschabstand mit 88,5 dB SPL bei 1 kHz. Verlassen wir uns daher auf die Praxis, entweder es klingt oder es klingt eben nicht. Vor allem auch deshalb, weil Mikrofone im Einstiegsbereich nicht den Anspruch einer neutralen Abbildung haben, sondern auch ohne Nachbearbeitung einen guten Grundsound liefern sollen. Im Gegenteil kann die nachträgliche Frequenzverbiegung sogar eher schaden als nützen.
Klangtest des Behringer TM1
Bei der optischen Ähnlichkeit zum RODE NT1-A müsste man das Behringer TM1 eigentlich mit diesem vergleichen, allerdings liegt es mir zum Testzeitpunkt nicht vor. Daher ziehe ich das aktuellere NT1 mit laut RODE neu entwickelter HF6-Kapsel heran sowie das RODE NT1000 mit HF2-Kapsel. Ich beginne mit einem Sprachbeispiel, als Aufnahmegerät kommt DAS Tascam Modell 12 zum Einsatz.
Nach meinem Eindruck liegt das Behringer TM1 klanglich näher am RODE NT1 als am NT1000, den bauartbedingten Unterschied zum Mackie EleMent EM-91C hört man dagegen sofort. Für Sprache ist es gut geeignet, durch die Anhebung vor allem im mittleren und oberen Frequenzbereich kann es sich gut durchsetzen. Im Vergleich zum NT1000 fehlt es dem Behringer TM1 etwas an Luftigkeit und klingt weniger organisch und beim Nahbesprechen dünner, gemessen am Preisunterschied aber trotzdem ziemlich gut. Im Vergleich zum RODE NT1 wirkt es in den Mitten etwas betonter, in den unteren Fußlagen dafür etwas verhalten. Prinzipbedingt sind sehr hohe Frequenzen für Großmembran-Kondensatormikrofone schwierig abzubilden, dies gelingt dem RODE NT1000 am besten. Beim Nahbesprechen fällt der Unterschied deutlicher auf, hier überzeugt mich das RODE NT1000 ebenfalls mehr. Der Vollständigkeit halber hier noch ein Sprachbeispiel des RODE NT1-A aus meinem RODE-Vergleichstest.
Wie erwähnt misslang die erste Instrumentenaufnahme mit dem Behringer TM1 aufgrund der verdrehten Anschlussbuchse, so dass leider beim zweiten Versuch die bessere Gitarre nicht im Haus war. Vielleicht sollte ich künftig mal Ukulele spielen lernen, denn Sprache ist ja nur ein Indikator für die Beurteilung des Grundsounds. Daher bitte ich um Nachsicht, dass diese Aufnahme nicht perfekt ist, aber die Unterschiede durchaus plastisch darstellen kann.
Hier macht das Behringer TM1 auf mich einen etwas verhangenen Eindruck, während das RODE NT1000 den Klang organischer präsentiert. Das NT1 bewegt sich irgendwie dazwischen, wobei mir sogar die tonale Abstimmung des Behringer TM1 fast noch etwas besser gefällt. Das Mackie EM-91C fällt etwas ab, was sich auch durch die andere Kapsel begründet und klingt mittenbetonter. Interessant wird es am Schluss, hier lässt sich das Rauschverhalten gut vergleichen, das EM-91C rauscht deutlich mehr, während sich Behringer TM1 und RODE NT1 nicht viel geben. Beide wirken etwas unruhig und liefern Artefakte mit, während das NT1000 gestandener und präziser klingt. Von der Feinzeichnung ist das Behringer TM1 nicht wirklich schlecht, aber detailärmer als das NT1000. Am Ende sind es allerdings Nuancen und sowohl die Aufnahmesituation, als auch das Equipment spielen in den Gesamtklang mit ein. Wie schlägt sich im Vergleich wohl das Shure SM7B?
Obwohl das Shure SM7B in einer anderen Preisklasse spielt, ist ein Für und Wider schwierig zu bewerten. Das Behringer TM1 spielt die Vorteile eines Großmembran-Kondensatormikrofons voll aus, sehr rauscharm und empfindlich, unkritisch gegenüber Preamps, dafür kritischer gegenüber der Aufnahmesituation. Wer noch nie ein solches Mikrofon im Einsatz hatte oder von einer dynamischen Kapsel kommt, findet im Behringer TM1 einen verdammt günstigen und guten Einstieg, Zubehör inklusive.
Eigentlich hätte ich ja eine Frage zu den Thoman Akustikelementen gehabt. Warum ist da das Forum gesperrt?
@tenderboy Das Forum zu den Akkustikelementen ist nicht gesperrt – nur sehr gedämpft…
@Leverkusen Ba Dum TSSS
Das dieser Hersteller das alles mit gutem Gewissen verantworten kann, ist mir immer noch ein Rätsel.
Überall klauen wo es nur geht und dann den Preis dumpen.. Und die Käufer lieben es.
@Roy Mustang Wie sagt Homer so schön… laannggweilliggg…
Nun, das sind eben die Effekte des Neoliberalismus und schaut man sich im Haushalt um, wird sicher jeder ähnliche Produkte aus anderen Bereichen finden, mit Geschirr, Besteck und der Kleidung angefangen, die viel zu günstig sind. Gut finde ich das auch nicht und die FDP ist ja hier weit vorne bezogen auf die Selbstregulierung des Marktes. Aber wenn wir alle einen freien Markt und Entscheidungen wollen, muss der das aushalten können. Ich bin ganz ehrlich, außer einen Kopfhörer habe ich nichts von Behringer derzeit im Haus und kann manche Entscheidungen auch nur an meinem Budget ausrichten.
Zum Produkt selbst, im Test interessieren mich nicht die Motive, warum ein Hersteller was und wie zu welchem Preis produziert. Hier kann nur die Qualität gemessen am Preis zählen und man könnte sich ansonsten im Umkehrschluss auch fragen, ob nicht ein NT1-A selbst jetzt noch gnadenlos überteuert wäre und ein Neumann TLM-102 sowieso. Aus technischer Sicht spielt das sicher eine Rolle, wenn man Produkte vergleicht, aber der Rest hat in einem Test nichts zu suchen. Daher kann ich dieses „Behringer-Bashing“ nicht wirklich verstehen, ich lese keine Artikel von mir unsympathischen Unternehmen und stärke doch nicht noch ihre Marktmacht durch Kommentare. Aber Wenn sich Musiker mit geringem Budget freuen, ein günstiges und gutes Produkt zu kaufen, ist das doch okay, machen Dacia-Fahrer doch auch…
wer einen günstigen Einstieg ins Recording mit Mikrofonen sucht, der wird hier
fündig. Das Bundle bringt alles mit, was man braucht und man wirft da sein Geld
nicht zum Fenster raus.
Alles andere hat Stephan schon gesagt, das ist auf dem Punkt gebracht und kann nur
rot unterstrichen werden.
PS: professioneller und umfangreicher Test, merci:-)
netter Gruß
Exactly, Stephan hat hier alles rausgestellt was wichtig ist!
Es muss auch gesagt sein das Er ein praktikabler, guter Tester/Anwender, u. kein Iggy ist :)‘
PS: Whereever a Mathew is needed…
@tommyk lese ich hier iggy-bashing? – das grenzt ja schon an Blasphemie ;-)
Ich verstehe die Aufregung nicht. Jeder neue »Klon« von Neve oder Neumann wird hofiert, selbst Behringer bekommt für seine Syns Zuspruch. Behringer Produkte sind extrem haltbar (ich habe ein F-Control Audiointerface seit 2011 im Einsatz) und auch oft der einzige Weg eine besondere Funktion zu erhalten wie z. Bsp. mein Ultrafex Pro Prozessor, die anderswo nicht zu bekommen war. Auch im Ausland, besonders in USA hat Behringer einen guten Ruf. Warum also das bashing? Bei »Rolexlike« Uhren, wie auch bei den vielen »Likeprodukten« der PlugIn Hersteller gibt es diese Abwertungen nicht.
Bin mit dem RODE NT1-A sehr zufrieden.