Der Klang der Boss WL-Serie
In Sachen Klang hinterlässt die WL-Serie einen wirklich guten Eindruck. Im Vergleich zu einem hochwertigen 3 Meter Kabel verbucht der Boss WL-20 nur einen winzigen Hauch mehr Höhen und hängt etwas weniger am Volume-Regler der Gitarre, in diesem Fall eine ’57 Gibson LP Gold Top, als das Kabel. Der Klang ist marginal stärker komprimiert, was man aber nur wahrnimmt, wenn man wie ein Besessener vor dem Speaker sitzt und sich dem ganz harten A/B-Vergleich widmet.
Beim WL-20L verhält es sich ähnlich, wobei man klanglich bei einer mit EMG Pickups ausgerüsteten Gitarre faktisch keinen Unterschied mehr heraushört. Auch hier einen winzigen Anteil mehr Kompression, was aber in der Praxis auf einer lärmenden Bühne ohnehin nicht mehr wahrzunehmen ist.
Die im WL-50 schaltbare Kabelsimulation verhält sich hingegen ein wenig anders, als man es von einem Kabel gewohnt ist. Die Simulation wirkt wie eine Höhenblende im obersten Hochtonbereich, was bei einem längeren Kabel ebenfalls der Fall ist, allerdings ohne die Interaktion des Kabels. Die Höhenblende arbeitet absolut gleichmäßig, was bei einem Kabel nicht der Fall ist. Hier kann man nicht von besser oder schlechter sprechen, es klingt einfach nur anders.
Abstriche bei der Boss WL-Serie
Kommen wir nun zur anderen Seite der Medaille, wobei man nicht wirklich von einem Problem sprechen kann. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass es ein paar Abstriche bei der Boss WL-Serie, im Übrigen nicht nur bei ihr, zu berücksichtigen gibt.
Da wäre zum einen das Frequenzband von 2,4 GHz, das wegen seiner uneingeschränkten Nutzbarkeit von nahezu allen Anbietern in dieser Preisklasse verwendet wird. Wer schon mal auf größeren Bühnen unterwegs war oder in schwierigen Räumlichkeiten spielen musste, kennt die Problematik. Ich für meinen Teil musste letzte Woche auf der „Full Metal Cruise“ mit einem 2,4 GHz Sender auf der Theaterbühne im Bauch eines Ozeandampfers spielen bzw. ich wollte es, was sich aber leider nicht umsetzen lies. Unzählige Signalabbrüche aufgrund der starken Interferenzen ließen mich gezwungenermaßen wieder mal auf ein Kabel zurückgreifen.
Die zweite Show fand unter freiem Himmel statt, was einen guten Signalfluss ermöglichte, allerdings auch nur bis zu maximal 10 – 15 Metern. Danach ist auch hier Feierabend. Wer also glaubt, mit knalligen Showeinlagen die Bühne in Richtung Publikum o. ä. verlassen zu wollen, muss sich über den Radius seines Einsatzbereiches im Klaren sein. Man kann den Radius etwas erweitern, indem man z. B. seinen Tuner am Bühnenrand in die Mitte der Bühne stellt und mit einem Kabel zum Verstärker verbindet. Wer aber den Empfänger direkt in den Amp steckt, erreicht je nach Bühnengröße nicht mal die andere Seite der Bühne, wohlgemerkt alles bei direkter optischer Verbindung. Steht auch nur ein Drumset im Weg, wird der Bewegungsradius direkt etwas kleiner.
Das bedeutet, dass man sich in einem Club ohne größere Sendeanlagen mit der Funkstrecke noch gut bewegen kann, allerdings gilt es auch hier die Horde von Handy-Benutzern zu berücksichtigen, die während der Show auf den 2,4-GHz-Bereich einprügeln. Bedenke, 300 Besucher gleich 300 weitere Sender in deinem Frequenzband!
Für mich persönlich jedoch das Hauptproblem der Boss WL-Serie ist der abstehende Kunststoffkörper bei Gitarren der Paula-Klasse mit der Buchse in der Zarge. Was bei einer Strat noch recht gut zu lösen ist, bringt bei Paula-artigen Gitarren sowohl optisch als auch vom Handling her einige Probleme mit sich. Man kann ja unterschiedlicher Meinung bzgl. der Optik einer Gitarre sein, aber wenn an einem in Holz gehaltenen Instrument ein knapp 6 cm tiefer Kunststoffkörper herausragt, sieht dies alles andere als charmant aus, zumal sich der Körper nicht wie z. B. beim XVive U2 zumindest etwas wegklappen lässt.
Das Problem wird dann erst richtig fühlbar, wenn man das kabellose Spielgefühl für entsprechende Showeinlagen nutzen möchte. Es ist faktisch nur eine Frage der Zeit, bis man bei einer artistischen Einlage entweder den Sender oder noch schlimmer die ganze Eingangsbuchse aus der Verankerung bricht. Meines Erachtens sollte man die Boss WL-Serie nicht benutzen, wenn man eine Rampensau in seinen Reihen wähnt.
Sollte ein Test nicht die Marketing-Wölkchen objektivieren, statt sie abzuschreiben?
Ein Kabel hat keine irgendwie relevante „natürliche Induktivität“. Es hat eine Kapazität, sprich, Leitung und Schirm bilden einen kleinen Kondensator. Der ist Teil des Schwingkreises aus Pickup und Potis in der Gitarre. Fehlt das Kabel (oder wird es durch einen Buffer abgekoppelt), rutscht die Resonanzfrequenz des Schwingkreises nach oben, der Sound wird greller. Die „Virtual Cable Emulation Technology „, die ein 3m-Kabel nachbildet, ist wahrscheinlich ein einzelner Kondensator von Signal nach Masse am Eingang der Schaltung. Z.b. etwa 330pF Keramik, Wert im Einzelhandel max. 3 Cent. Es sollten mehr Werte am Sender schaltbar sein, denn eine Lösung auf Seiten des Empfängers muss zwangsläufig anders realisiert sein.
Ich habe als Referenz für Aufnahmen zB ein bestimmtes 6m-Kabel. Wenn ich in Gitarren einen Buffer oder Booster integriere, kommt an den Eingang immer ein Kondensator, der genau diesem Kabel entspricht. Oder ein Drehschalter…
Ich habe das WL-20 mit meinem hochwertigen 3,5m Sommer Cable Black Spirit vergleichen. Dabei schluckt das WL-20 leider deutlich mehr Höhen als das Kabel (ich spiele über ein Boss GT-10 Effektboard). Insofern kann ich den Test nicht ganz nachvollziehen. Ich überlege mir deshalb das WL-20 zurückzugeben und mir das verlustfreie WL-20L anzuschaffen.
Ich habe das WL-20 mit meinem hochwertigen 3,5m Sommer Cable Black Spirit verglichen. Dabei schluckt das WL-20 leider deutlich mehr Höhen als das Kabel (ich spiele über ein Boss GT-10 Effektboard). Insofern kann ich den Test nicht ganz nachvollziehen. Ich überlege mir deshalb das WL-20 zurückzugeben und mir das verlustfreie WL-20L anzuschaffen.