D'Angelico - E-Gitarren Kitsch aus Empire City?
Was als kleiner Gitarrenshop eines italienischen Einwanderers um die Jahrhundertwende in Manhattan begann, ist heute ein Stück New Yorker Geschichte: D’Angelico hat sich als Gitarrenhersteller mit seinen klassischen Designs und den engen Beziehungen zur New Yorker Musikszene über mehr als ein Jahrhundert einen besonderen Ruf aufgebaut. Seit über hundert Jahren ist die Marke die urbane und etwas feinere Antwort auf die Country-Boys und Surfer-Dudes von Gibson und Fender und die Gitarren aus dem Big Apple konnten in den letzten Jahren seit der Neuauflage der Marke viele neue Fans gewinnen. Nun haben wir mit der D’Angelico Deluxe Bedford E-Gitarre eine der Amerikanerinnen zum Test auf AMAZONA.de und wollen erfahren, was die Stadtschönheit klanglich zu bieten hat.
D’Angelico Deluxe Bedford – Facts & Features
Im Lieferumfang der Deluxe Bedford befindet sich dankenswerterweise ein ziemlich hochwertig wirkender Koffer, der neben der Gitarre auch ein Set Straplocks beinhaltet. Das Instrument selbst fällt aber durch sein ungewöhnliches Styling am meisten auf und zieht alle Blicke gleich auf sich.
Der Korpus der Deluxe Bedford wurde im Offsetstyle gefertigt, erinnert also so etwas an eine verzerrte Fender Jaguar mit etwas geraderen Kanten. Auch wenn diese Bauform sicherlich die Gemüter teilt, so ist sie doch ein Blickfang und verleiht dem Instrument eine gewisse Dynamik. Das Finish, nennt sich „Natural Swamp“, lässt also einen ungehinderten Blick auf das Sumpfeschenholz zu, aus dem diese E-Gitarre gebaut wurde. Der Hals besteht klassischerweise aus Ahornholz, ist aber zusätzlich mit einem Streifen aus Ahornholz ausgestattet, der zwischen den Ahornstreifen Platz findet. Das Ganze wurde fest mit dem Eschenkorpus verleimt und ebenfalls glänzend und transparent lackiert.
Das Griffbrett wurde aus brasilianischem „Pau Ferro“ gefertigt und verfügt über 22 Bünde. Für die Orientierung sorgen Inlays aus Perlmutt und Abalone, die sehr schillernd und auffällig sind. Ein weißes Binding umrahmt das gesamte Griffbrett.
Deluxe Bedford – Goldene 20er Jahre Ausstattung
Die Kopfplatte erinnert in erster Linie etwas mehr an Gibson als an Fender, ist aber gleichzeitig das wohl auffälligste Alleinstellungsmerkmal der Deluxe Bedford. An der Stirnseite derselben wurde nämlich eine beinahe blütenhafte Form ausgefräst, in der ein goldenes Ornament aus Metall sitzt. Auch die übrige Hardware ist in Gold gehalten, was auch für die Locking-Mechaniken aus dem Hause Grover gilt. Die Griffe derselben sind ebenfalls sehr auffällig, denn sie orientieren sich mit ihrer rechteckigen Formsprache sehr am Art déco Stil, wie er in den „goldenen 20ern“ besonders in New York zum vorherrschenden Stil wurde.
Der gleiche Einfluss findet sich auch in der Abdeckplatte des Trussrod, die stark an das Chrysler Building in D’Angelicos Heimatstadt erinnert. Auch die Stoptail-Bridge ist natürlich in Gold gehalten, genau so wie die Schrauben, die das Pickguard im Tortoiselook auf den Korpus fixieren. Darauf findet sich dann auch der Pickup-Schalter mit seinen drei Positionen, der die beiden DA-90s-Pickups von Seymour Duncan ansteuert. Für die Klangregelung sorgen zwei Volume- und zwei Tone-Potis, die sich an gewohnter Stelle befinden.
Solider Eindruck und gute Ausstattung – Deluxe Bedford
Das Gesamtpaket der D’Angelico Deluxe Bredford E-Gitarre macht schon einen wirklich soliden Eindruck. Insbesondere angesichts des doch recht moderaten Preises von aktuell knapp unter 1000 Euro schinden solche Features wie Grover-Mechaniken, Seymour Duncan Singlecoils und ein dreiteiliger Hals ziemlich viel Eindruck. Hinzu kommt noch die Ausstattung mit einem sehr hochwertigen Koffer und Extras wie Straplocks und viel aufwendige Dekorierung. Das ist für eine Mittelklassegitarre schon sehr großzügig und verspricht zumeist eine gewisse Verlässlichkeit, zumindest aufseiten der Drittanbieter Ausstattung.
Aber auch die Substanz der Gitarre kann sich sehen lassen. Die verwendeten Hölzer sehen sehr schön und gleichmäßig aus. Zudem wurde beispielsweise der Body aus nur zwei Teilen gefertigt und ziemlich ordentlich gebookmatched, was an der Unterkante desselben sehr gut erkennbar ist. Alle Teile sind sauber lackiert und die Gitarre kam perfekt gestimmt aus der Box, was nicht nur für die Mechaniken, sondern auch die Konstruktion an sich spricht.
Handling und Sound der D’Angelico Deluxe Bedford
Entsprechend kann die D’Angelico auch im Handling durchaus überzeugen. Das Instrument ist dank seines schlanken Bodys aus Eschenholz vergleichsweise leicht, die etwas ungewöhnliche Offset-Form ruht erstaunlich gut auf dem Bein und auch am Gurt lässt sich die Deluxe Bedford gut manövrieren. Dafür sorgt auch die kleine Aussparung im Bauchbereich an dem sonst eher nüchtern gestylten Body. Das recht flache C-Shaping des Halses liegt sehr gut in der Hand und fühlt sich deutlich moderner an, als es der traditionelle Stil vermuten lassen würde. Hinzu kommt das recht breite Griffbrett, das eher an eine Rock- oder Metal-Gitarre erinnert als eine Vintage SS bestückte „Americana-Klampfe“.
Trocken angespielt setzt sich dieser Eindruck weiter fort. Die E-Gitarre hat einen sehr mittigen und kräftigen Sound mit artikulierten Tiefen, die sich aber im Gesamtbild eher zurückhalten. Bei einzelnen Tönen werden diese etwas drahtiger, ohne jedoch an ihrem guten Fundament zu verlieren. Dabei vereint die Gitarre eine sehr direkte Ansprache mit einem sehr beeindruckenden Sustain, das sich sehr schön in den Hals überträgt und angenehm an der Griffhand vibriert. Solch ein Feedback gefällt ungemein beim Spielen und holt mich persönlich immer wieder von Vibrato-bestückten Gitarren weg. Aber auch ich werde wohl älter …
Gute Pickups für einen modernen Klassiker
An den Verstärker angeschlossen zeigen sich auch die DA-90s-Pickups von Seymour Duncan von ihrer besten Seite. Die beiden Singlecoils klingen sehr ausgeglichen und modern, was ebenfalls ein wenig überrascht, da P-90-artige Pickups doch eher für ihren etwas Vintage-orientierten Sound bekannt sind. Die DA-90s zeigen sich bei Cleansounds aber etwas runder und druckvoller und vermögen es sehr gut, den breiten und kräftigen Grundsound der Gitarre an den Verstärker zu bringen.
Mit etwas mehr Gain zeigt sich zudem, dass die beiden Tonabnehmer auch bei leicht angerauter Gangart sehr transparent und obertonreich bleiben und sich auch einzelne Noten aus offenen Akkorden noch sehr gut ausmachen lassen. Auch die Dynamik der Pickups zeigt sich hier recht eindrucksvoll. Durch Herunterregeln der entsprechenden Volume-Potis lässt sich das Gain des Verstärkers regulieren, ohne dass der Sound allzu sehr an Brillanz und Auflösungsvermögen verliert. So lässt sich mit einer Verstärkereinstellung ein recht breites Spektrum an Verzerrung abrufen.
Besonders gut gefiel mir hier die Kombination der beiden Singlecoils in der Mittelstellung des Pickup-Schalters. Der kehlige Klang der beiden kombinierten Pickups ist sehr klar, kaschiert dabei, aber einige Fehler und bietet einen verlässlich kraftvollen Grundsound, der sich gerade für crunchige Riffs sehr gut eignet.
Auch High-Gain handelt die D’Angelico Deluxe Bedford E-Gitarre recht gut. Hier ist vor allem die Steg-Position mit ihrem Fokus auf die Höhen und oberen Mitten gefragt, um das Ganze nicht verwaschen zu lassen, aber selbst das bekommt die Kombination aus Holz und Hardware mit Bravour geregelt.
Vielleicht fühlt sich die Gitarre hier nicht gerade so wohl wie die sprichwörtliche Made im Speck, aber der Sound ist immer noch präsent und aussagekräftig genug, um Details ausmachen zu können und kräftig genug, um nicht im Bandgefüge hinter den zahlreichen Mitbewerbern zu verschwinden.
Offenkundig wurden beim Korpus zwei Teile verleimt, die jeweils aus stehenden und liegenden Jahresringen bestehen. Mal abgesehen vom scheußlichen Aussehen, quellen und schwinden die Bretter sehr unterschiedlich und für den Transport der Tonschwingungen ist das auch ungünstig.
Das ist eine Firlefanzgitarre.
Moin Hein Bloed,
das Testmodell, dass ich zuhause hatte und auf dem ich gespielt habe, sah etwas anders aus. Hier lagen die Fasern alle in die gleiche Richtung und sahen zudem sehr symmetrisch aus. Habe mich auch gewundert, warum die ofiziellen Bilder von D’Angelico diese Bauart zeigen. Ich hätte aber natürlich auch ein Bild von der Decke hochladen können. Das habe ich wohl verpasst.
Ansonsten ist die Gitarre, auch mit der zweifelsohne polarisierenden Optik, ein wirklich gutes Instrument. Ich weiß nicht ob ich sie mir von meinem eigenen Geld kaufen würde, gut spielen lässt sie sich aber allemal. Was die Firlefanzitizität angeht, wäre ich mir da nicht so sicher ; )
Grüße
Auffällig viel D’Angelico unter den Top 20.