Holz auf den Ohren
Als „Holzklasse“ galt früher in der Eisenbahn die billigste Möglichkeit des Reisens – eben in der 3. oder 4. Klasse auf ungepolsterten Holzbänken. Spätestens seit Denon vor gut zehn Jahren mit dem D7000 dann einen Kopfhörer mit hölzernen Ohrmuscheln auf den Markt brachte, der im Over-Ear-Bereich neue Akzente setzte, hat dieser einstmals despektierliche Begriff einen ganz neuen Glanz bekommen. In den folgenden Jahren wurde die „Real Wood-Serie“ immer wieder erweitert: Nachdem der Nachfolger, der D7100 doch eher enttäuschte, fand Denon mit dem AH-D7200 (im edlen Walnussholz-Design) im Sommer 2017 zu alter Stärke zurück. Inzwischen hat Denon nun seinem Premium-Modell zwei weitere Versionen an die Seite gestellt: Während der AH-D5200 die AH-D-Reihe nach unten abrundet, soll der AH-D9200 das neue Flaggschiff werden und den D7200 da ablösen. Ob er das geschafft hat – und ob das dann auch den mehr als doppelten Preis gegenüber dem 7200er rechtfertigt – das schauen (und hören) wir uns jetzt mal genauer an.
Intermezzo: Kopfhörerkapseln aus Holz
Mit der Idee, Ohrschalen aus Holz zu fertigen, steht Denon aber nicht alleine da. Ultrasones Topmodell „Edition 15“ kommt mit Kapseln aus amerikanischen Kirschholz (2.499,00 Euro, limitiert auf 999 Exemplare), während der Audeze LCD-XC (1.599,00 Euro) auf afrikanisches Rosenholz und der Fostex TH-900 mk2 (1.399,00 Euro) auf japanische Zierkirsche setzt. Aber warum ausgerechnet Holz?
Nun, Holz ist zum einen zwar leicht, aber fest – aber vor allem sehr resonanzarm, was Verzerrungen zum Teil deutlich um mehrere dB reduziert, bei Bambus mehr als bei anderen Holzarten wie eben Zebraholz oder Walnuss; jede Holzart hat eben ihre ganz eigenen physikalischen Eigenschaften, weshalb da auch gerne experimentiert wird.
Die AH-D-Kopfhörer und technische Daten
Kleinster Vertreter der AH-D-Familie (allesamt Over-Ear-Kopfhörer) ist der AH-D5200 mit Ohrmuscheln aus Zebraholz für rund 600 Euro (Impedanz 24 Ohm, Empfindlichkeit 103 dB/mW, Frequenzbereich 5 – 40.000 Hz). Klanglich rund und warm, ein wenig schönfärberisch und kein Verfechter von extremer Neutralität; der 3,5 mm Klinkenstecker des im Vergleich zu den größeren Modellen dünneren Kabels legt einen mobilen Einsatz nahe; ein 6,3 mm Adapter liegt aber bei.
Der AH-D7200 ist mit inzwischen rund 700 Euro nur geringfügig teurer. Vom Einsteigermodell unterscheiden ihn die Ohrschalen aus Walnussholz, eine etwas aufwändigere Fertigung (Bügel, Echtleder, dickeres Kabel) und bessere technische Werte (Impedanz 25 Ohm, Empfindlichkeit 105 dB/mW, Frequenzbereich 5-55.000 Hz), die durch ein anspruchsvolleres technisches Innenleben erreicht werden. Dementsprechend transparenter klingt er dann auch.
Das Flaggschiff Denon AH-D9200 schließlich ist mehr als doppelt so teuer, Ohrschalen aus Bambus, die etwas leichter sind als die der beiden kleineren Modelle – was sich aber nur unwesentlich im Gewicht niederschlägt (375 gegenüber 385 Gramm), da auf der anderen Seite die Technik mitsamt den verwendeten FreeEdge-Treibern auf ein höheres Level gehoben wurde. Die technischen Werte liegen aber in etwa auf dem Niveau des 7200er (Impedanz 24 Ohm, Empfindlichkeit 105 dB/mW, Frequenzbereich 5 – 56.000 Hz). Was das für den Klang bedeutet kläre ich später.
Denon AH-D9200: Ausgepackt
Von der Verpackung bin ich ein wenig enttäuscht. Ok, das sieht auf den ersten Blick ganz edel aus, wie der D9200 da auf schwarzen, gerafften Stoff gebettet in seiner Kiste liegt, versehen mit einer Banderole, auf der ein handschriftlich-ähnliches „Thank you“ und die von Hand eingetragene Seriennummer prangen. Allerdings gibt’s das alles dann nur in einem schnöden schwarzen (wenn auch sehr stabilen) Pappkarton mit einer (vom Stoff verdeckten) Kunststoffstütze. Was ja eigentlich auch ok wäre, würde Denon selber auf der Produktseite dann nicht vollmundig von einer „mitgelieferten luxuriösen Aufbewahrungsbox“ berichten. Nun ja, da hat wohl jeder eine andere Vorstellung von Luxus. Wie gesagt: Sieht schön aus, ist aber mehr Schein als Sein; ach ja, über eine Transporttasche hätte ich mich gefreut.
Als eine Art Podest in dieser Box dient ein VHS-Kassetten großer Karton (die jüngeren Leser lassen sich bitte von ihren Eltern erklären, was eine VHS-Kassette ist), in dem sich zwei unterschiedlich lange Anschlusskabel: Ein 1,3 m langes Kabel mit 2x 3,5 mm Klinke auf der einen und 1x 3,5 mm Klinke auf der anderen Seite für den mobilen Einsatz (deshalb: Transporttasche) und ein 3,0 m langes Kabel (versilbert, aus sauerstofffreiem Kupfer) mit einem recht massiven 6,3 mm Klinkenstecker zum Anschluss an die heimische Stereo-Anlage. Beide Kabel machen mit ihrer soliden Stoffummantelung einen sehr stabilen, langlebigen Eindruck, auch der durch eine Metallhülse gesicherte Übergang von Stereo- auf zwei Monokabel zum Kopfhörer hin wirkt vertrauenerweckend; die Klinkenstecker schließlich sitzen absolut fest am Kopfhörer und scheinen mit ihm eine unverbrüchliche Allianz einzugehen.
Außerdem noch mit dabei: ein kleines Putztuch, eine Kurzanleitung plus den üblichen Sicherheitshinweisen und ein Faltblatt, das über die Herstellung des Denon AH-D9200 informiert.
Denon AH-D9200: Angeschaut
Zugegeben: In meinen mehr als 25 Jahren als Tester ist es das erste Mal, dass ich (ganz kurz) ernsthaft überlege, Handschuhe überzustreifen, bevor ich den AH-D9200 aus seiner Verpackung hebe. Dann muss ich aber doch über mich selber lachen und lasse es. Aber der Kopfhörer sieht wirklich verdammt edel aus mit seinen handgefertigten, in aufwendiger Schichtbauweise hergestellten Schalen aus schön gemasertem Bambusholz, den mit feinem weichem Kunstleder (Kunstleder, um bei längerem Tragen übermäßiges Schwitzen zu verhindern – was aber nicht ganz gelingt) beschichteten Ohrpolstern aus Memory-Schaum, dem stabilen Kopfbügel aus gegossenem Alu, dem kunstvoll genähte Kopfband – ebenfalls mit Memory-Schaum gefüllt, und mit einer Mischung aus Echtleder und Textilien bezogen; all das macht einen enorm edlen und wertigen Eindruck. Da ist die Gewichtsangabe von 375 Gramm fast schon erstaunlich gering – der 9200er sieht noch kräftiger, schwerer aus.
Dazu kommen nette kleine Details: So ist im Bügel oberhalb des Gelenks ganz klein die Seriennummer eingraviert, auch die Schriftzüge auf den Ohrmuscheln werden von Hand graviert; in die Vertiefungen werden dann die silbernen Buchstaben einzeln mit einer Pinzette eingesetzt. Wie auch der AH-D9200 an sich komplett in aufwändiger Handarbeit gefertigt wird. Bambus aus dem Süden Japans wird für die Ohrmuscheln von Hand poliert und lackiert; durch die individuelle Maserung ist jedes Exemplar ein Unikat. Auch die Technik – hier wie schon erwähnt eine verfeinerte Form der FreeEdge-Technik mit überarbeiteter Einspannung und einer in einem weichen Harzlager montierten Nanomembran – wird händisch eingesetzt, verschraubt, verklebt und getestet.
Denon AH-D9200: Tragekomfort
Die Bügel sind – sauber gerastert und zudem deutlich beschriftet – in neun Stufen ausziehbar, die Ohrmuscheln lassen sich über stabile Gelenke leicht kippen, die Halterung der Ohrmuscheln über je ein weiteres Gelenk drehen, so dass sich der Kopfhörer an (fast) jede Kopfform anpasst. Selbst ich, der bei Motorradhelmen schon immer ganz am Ende der Regale suchen musste, wo die Übergrößen stehen (Westfalenschädel halt), kommt mit dem AH-D9200 größentechnisch noch ganz gut klar. Wenn auch die Rasterung mit „9“ dann bereits bei mir schon am Anschlag ist.
Vorweg: Ich selber hänge schon mehr als zehn Jahren an meinem uralten AKG-Klassiker, dem K501 (nicht viel Bass, aber ehrlich in den Mitten, mit klaren Höhen) – mit 230 Gramm extrem leicht, den spürt man kaum beim Tragen, auch wenn der ganz ohne Gelenke oder Größenverstellung auskommt. Das nur, um meinen „Tragekomfort-Background“ zu erläutern.
So fühlte sich der Denon AH-K9200 im ersten Augenblick auch ungewohnt schwer auf dem Kopf an, aber nicht ganz unbequem. Die asymmetrischen (vorne schmaler als hinten), sehr weichen Ohrmuscheln umschließen die Ohren perfekt, nehmen einiges an Druck und „dichten“ die Ohren gekonnt von den Umgebungsgeräuschen ab; selten habe ich einen geschlossenen Kopfhörer erlebt, der die Außenwelt dermaßen ausblendet.
Auch das Kopfband liegt auch nach längerer Zeit ohne groß zu stören auf dem Kopf. Für notorische Leichtgeräteträger – wie ich es einer bin – ist das allerdings schon eine kleine Umstellung, so ganz konnte ich mich in den ersten Tagen an den Denon AH D9200 nicht gewöhnen; im Vergleich zu anderen Schwergewichten aber ist der 9200 dann doch recht angenehm zu tragen.
Denon AH-D9200: Der Klang
Um den Klang des Denon AH-D9200 zu ergründen, habe ich einige CDs aus ganz unterschiedlichen Genres aus dem Regal geholt und die dann mit verschiedenen Kopfhörern gehört. Begonnen habe ich mit dem Soundtrack zu Blade Runner – genau, Vangelis. Erste Erkenntnis: Der Denon bringt deutlich mehr Power als der Rest meiner Headphone-Sammlung: Beim Wechsel auf den D9200 musste ich den Volume-Regler am Mixer jedes Mal ein ganzes Stück zurückdrehen. Aber auch sonst ist der Unterschied frappierend: Der Denon klingt wesentlich detaillierter, nuancierter, er baut Räume, wo andere auf dem Boden bleiben. Zum Beispiel das „Love Theme“: Plötzlich fließen die Flächen nicht als Brei, sondern als erkennbare Summe ihrer Einzeltöne in alle Richtungen, umspülen das jetzt viel bauchigere, nicht mehr so quäkige Sax, der markante Bass-Solo-Synth tobt sich zwischen Ohren aus, dass es eine Freude ist. Was zuvor noch irgendwie undifferenziert und zweidimensional klang, gibt mit dem Denon tatsächlich das Gefühl von Weltall und Weite. Das ist wie „Blade Runner 2049“ das erste Mal in 3D im Kino zu sehen: Auch in 2D ein toller Film, aber mit der dritten Dimension ist er noch mal so gut.
Nächste Scheibe: „Nevermind“ von Nirvana. Auch mit „Stromgitarren“ und Co. (O-Ton meine Omma) hat der Denon AH-D9200 keine Probleme. Die Snare hat plötzlich einen sehr prägnanten, leicht bassigen „Wumms“, die Solo-Gitarre wandert von einem Ohr zum anderen, die Akkord-Gitarren recken ihre Hälse aus dem Sumpf der Verzerrer und darüber erhebt sich schön klar der unverwechselbare Gesang von Kurt Cobain. Vielleicht kennen Sie ja den Effekt, wenn Sie vom HNO-Doc kommen und der Ihnen die Ohren mal gründlich ausgespült hat: Sie hören plötzlich wieder Sachen und Frequenzen, die vorher von einer Überdosis Ohrenschmalz verschluckt worden waren. So auch hier: Die Aufnahmen klingen in alle Richtungen größer, klarer, jedoch nie aufdringlich – Bässe, druckvolle Mitten und kristallklare Höhen sind gleichberechtigt und spielen ihre jeweiligen Stärken aus, ohne die anderen übertönen zu wollen. Billige Effekthascherei und Schönfärberei hat der Denon nicht nötig.
Ok, nächster Versuch: „Electri_City 2 – Elektronische Musik aus Düsseldorf“. Die Bassdrum aus Wolfgang Riechmanns „Abendlicht“ bohrt sich in den Kopf, Die Krupps klingen extrabreit, die Claps aus Pyrolators „Max“ scheinen von innen gegen die Augen zu klopfen – alles prägnant, sauber, räumlich, ohne mit Überakzentuierungen zu nerven. Gefällt mir.
Letzte CD: „The Desert Music“ vom Minimalisten Steve Reich. Dieses pulsierende Werk lebt von den Feinheiten, von gegeneinander verschobenen Rhythmen, dezent ein- und ausgeblendeten Instrumenten und einem breiten Klangspektrum. Das hier mit dem Denon sehr schön dargestellt wird. Hier vermatscht nichts oder wird von Mitten erschlagen, hier klingt alles so, wie der Komponist sich das vorgestellt hat. Nehme ich zumindest mal an.
Intermezzo: Zweitmeinung
Nun hat der Denon AH-D9200 wohl weniger den Musiker im Studio als den gutsituierten Hi-Fi-Fan als Zielgruppe im Visier, der bereit ist, für den absoluten Hörgenuss auch etwas mehr Geld auf den Tisch zu legen. Weshalb ich den Kopfhörer dann auch an einen Freund weitergab – ein wahrer Liebhaber des guten Klangs, der sich den Luxus eines extra dafür eingerichteten „Musikzimmers“ erlaubt, inklusive Dämmplatten an den Wänden, ausgesuchten Geräten und Kabeln, die vermutlich mehr gekostet haben als meine komplette Anlage. Seine Test-Hörkette in diesem Fall: Leben CS 600 Vollverstärker, Technics 1200 mit Jelco Tonarm und SPU Classic, Übertrager: Silvercore und Graham Slee Gold Phono Vorverstärker – das für die Hi-Fi-Fachleute unter Ihnen. Sein Fazit: „Da geht gewaltig die Post ab, der Unterschied (zu anderen Kopfhörern aus seiner Sammlung) ist deutlich. Die vielzitierten und sprichwörtlichen Welten sind hier endlich mal zu besichtigen, also zu hören.“ Meine kleinen Anfangsproblemchen beim Tragekomfort hatte er übrigens nicht – er fand den durchweg gut. Dann wird’s wohl doch mein großer Schädel sein, der sich erst daran gewöhnen musste.
Schade, hätte gerne einen Vergleich mit den Spitzenprodukten von AKG und beyerdynamic kommentiert gelesen. Trotzdem informativer Artikel, macht Interrese auf ein Hören!
@hejasa Ist sicher eine gute Idee – nur ob das dann wirklich so viele Leser findet? Highend-Kopfhörer sind ja nun schon ein ziemliches Nischenprodukt, gerade im Studiobereich. Aber mal schauen, ob wir das zukünftig irgendwann mal einplanen können – danke für den Input!
@m.steinwachs Mich würde vor allem der Vergleich zum Focal Clear interessieren, denn der Focal lockt mit einem sehr un-schwitzig aussehenden Textilpolster.
Ich gebe gerne zu, dass mich das Lederpolster meines AKG K812 ein klein wenig abstößt, wogegen das Textilpolster meines K702 angenehm ist.
Ob teure Kopfhörer ein Nischenprodukt sind? Ja, aber so absolut kann man das nicht sagen. Bei über 2000 EUR ist bei den meisten Leuten eine Grenze überschritten, aber um die 1500 EUR wirkt der Preis nicht mehr ganz so schlimm, zumal wenn man sich seine Audio-Wünsche wegen der Wohnsituation mit Lautsprechern nicht erfüllen kann. Schließlich braucht es einen entsprechenden Raum und akustische Behandlung dessen (durch die – wie es so schön heißt – weitere Kosten entstehen können).
Der Bericht über den Denon ist klasse nur hat er leider ein großes Manko
Ich weiß jetzt zwar alles über den klang von den Denon 9200 aber nichts über die Komponenten die fast so wichtig sind wie die Kopfhörer selbst
Wie heißen Geräte die den sagenhafte klang erzeugen?
Welcher Kopfhörerverstärker wurde benutzt?
Welcher Verstärker wurde benutzt?
Welche Audio Quelle ( CD Player / PC / MP3 Player usw. )
Diese Information hätte den Bericht die Krone aufgesetzt