Kleiner Combo aus großer Amp-Schmiede!
Es ist, wie es ist, alle Gitarristen lieben den dicken Phallus in Form des ultimativen Fullstacks, jeder will ihn haben, jeder will ihn spielen, aber niemand will ihn transportieren, geschweige denn vor der Show aufbauen oder noch schlimmer, nach der Show wieder abbauen. Ist man in der glücklichen Situation, eine entsprechend hohe Gage aufrufen zu können, um davon entsprechende Backliner zu bezahlen, relativiert sich das Problem. Da sich aber vielleicht gerade mal ein Promille der aktiven Musiker in dieser Position befindet, neigt man in Zeiten von Inear Monitoring ohnehin mehr zu der praxisorientierten Variante der möglichst kleinen und dennoch sehr gut klingenden Variante, die in jedem Kofferraum Platz findet und vom Musiker alleine ohne Rückenschaden transportiert werden kann. Eine sehr praxisorientierte Variante bietet eine der erfolgreichsten deutschen Amp-Schmieden, die Firma Engl mit dem Engl E600 Ironball Combo, der mit einigen sehr interessanten Details aufwarten kann.
Engl E600 Ironball Combo – Facts & Features
Wenn die Firma Engl für einen 20 Watt Combo einen Ladenpreis von 1.099 Euro aufruft, kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass es sich hierbei nicht um einen Übungsamp der Schrammelklasse handelt. Vielmehr hat auch Engl erkannt, dass sich mit einem praxisnahen Konzept deutlich mehr Käuferschichten erschließen lassen, als nur für die Schlachtschiffe im Stil des Invader oder Powerball zu planen. Dennoch wird Engl wohl nie den Fehler machen, aus Kostengründen auch Produkte im Low-Budget-Bereich mit entsprechendem Qualitätsverlust anzubieten.
So wird auch dieser Combo, den es ebenfalls als Topteil gibt, in Deutschland gefertigt und erhält damit auch das Fertigungsniveau, welches Engl seit Jahren auszeichnet. Der Combo bietet einen zweikanaligen Vollröhrenverstärker, der über einen Boost-Schalter quasi einen halben dritten Kanal offeriert. Channel-Switch, Boost und der intern verbaute Digital Reverb lassen sich ggf. auch über Fußschalter abrufen.
Auch wenn der Engl E600 Ironball Combo für den mobilen Betrieb konzipiert wurde, aufgrund der massiven Bauweise plus Vollröhrenbauteilen kommt man um das stattliche Gewicht von knapp 19 Kilogramm nicht herum, was gegenüber dem Head mit knapp 8 Kilogramm dem kräftigen Gehäuse geschuldet ist. Dafür gibt es aber auch massives Schichtholz plus das legendäre Lautsprecherschutz-Metallgitter, welches in Sachen Stabilität problemlos einer amerikanischen Knastserie entsprungen sein könnte. Mit den Abmessungen von 49 x 44 x 25 cm hingegen liegt er für einen 12“ gerade mal in der Liga eines 1×12“ Cabinets, will heißen, er ist sehr handlich.
Das Konstrukt ruht auf vier angenehm weichen Gummifüßen, die auf glattem Untergrund tatsächlich eine hohe Stabilität gegen seitliche Kräfte bieten und nicht nur darauf hoffen, dass das Gewicht des Combos dem Verstärker genügend Halt bietet.
Die Oberseite des Engl E600 Ironball Combo
In Sachen Kanalverwaltung gibt sich der Engl E600 Ironball Combo klassisch, will heißen die beiden Kanäle teilen sich eine Dreiband-Klangregelung zzgl. des Presence-Reglers in der Endstufe. Clean- und Lead-Kanal besitzen je einen Gain-Regler, wobei der Lead-Kanal nochmals einen eigenen Volume-Regler besitzt. Beide Kanäle werden in der Endlautstärke erwartungsgemäß über einen Master-Volume verwaltet. Netzschalter, Standby, fertig! Eben klassisch.
Die Rückseite des Engl E600 Ironball Combo
Wie viele andere Combos mit oben liegenden Reglern teilt auch der Engl E600 Ironball Combo das Problem der rückseitigen Zugänglichkeit der Anschlüsse. Um an die jeweiligen Buchsen zu gelangen, muss man durch den hinten offene Combo greifen und ein wenig Fummelarbeit nach oben hin verrichten, was allerdings durch die rückseitig aufgedruckte Belegung erleichtert wird. Dass es sich Verstärker-technisch um eine identische Version des Topteils handelt, erkennt man bereits an den Lautsprecherausgängen, welche neben dem intern verbauten Celestion G12 Vintage 30 mit 8 Ohm auch den Betrieb von 2x 16 Ohm Boxen anbieten. Für einen Combo eine luxuriöse, aber eher ungewohnte Schaltung.
Für den lautsprecherlosen Betrieb bietet der E600 Ironball Combo auch die Möglichkeit eines frequenzkorrigierten D.I.-Ausgangs und eines Kopfhörerbetriebs. Man beachte bitte die Ohmzahl von 8-32 Ohm, High-End Studiokopfhörer mit 600 Ohm oder mehr sind nicht die Zielgruppe des Verstärkers. Dann hätten wir noch den Reverb-Regler, einen seriellen Effektweg und die Fußschalteranschlüsse. Kaltgerätestecker, Hauptsicherung, fertig!
Oben links auf der Rückseite des Gehäuses befindet sich ein schaltbarer Powersoak, der die Flexibilität des Produktes ungemein erweitert. Allerdings liegt dieser nur am 8-Ohm-Ausgang der Endstufe an. Die von Haus aus gelieferten 20 Watt, welche aus 4x ECC83 plus 2x EL84 erzeugt werden, können auf 5 bzw. 1 Watt reduziert oder aber der Lautsprecher kann komplett deaktiviert werden. Mit diesem Kniff kann der Amp von einer Bühnenlautstärke (20 Watt Vollröhrenpower sind in einem Club SEHR laut) bis hinunter zum arg strapazierten Begriff „Bedroom-Amp“ (wer einmal seiner Liebsten im Schlafzimmer 1 Watt um die Ohren gehauen hat, fliegt definitiv aus Selbigem!) einen großen Einsatzbereich abdecken. Inwieweit er dabei eventuell wie viele seiner Kollegen Klangeinbußen hinnehmen muss, wird der Praxistest zeigen.
Der Engl E600 Ironball Combo in der Praxis
Nach hinten offene Combos haben einen Vor- und einen Nachteil. Der Vorteil besteht darin, dass ca. jeweils die Hälfte der Schwingungsenergie des Lautsprechers tonal nach vorne und nach hinten abgegeben wird und ein hinten in der Bühne platzierter Musiker, wie z. B. der Schlagzeuger, sehr viel vom Gitarrensound mitbekommt, ohne dass er einen eigenen Monitorweg bemühen muss. Der Nachteil besteht darin, dass ein offener Combo generell weniger Bass und Schub nach vorne generiert, als eine geschlossene Box, evtl. sogar eine mit Bassreflexöffnung.
Nun ist der Celestion G12 Vintage 30 ein etablierter Lautsprecher, der weltweit seine Befürworter hat, allerdings zeichnet er sich generell durch einen stets nasalen, hochmittenlastigen Ton aus, der sich zwar im Bandgefüge sehr gut durchsetzt, allerdings auch durch ein latentes „Beißen“ in den Höhen auffällt. Dieser Klangcharakter macht sich bei dem Engl E600 Ironball Combo schon beim ersten Ton bemerkbar. Man ist geneigt, den Bassregler immer auf Anschlag zu setzen, was den Charakter aber lediglich färbt, nicht ändert. Der vergleichsweise geringe Hub und der durch die Wattzahl reduzierte Headroom des Speakers sind stets präsent und geben dem Combo einen sehr eigenen Charakter.
Fangen wir zunächst mit dem cleanen Sound an. Wer einen ultrasauberen Fender-Ton sucht, ist bei dem E600 Ironball Combo definitiv an der falschen Adresse. Bereits der cleane Kanal besitzt ungemein hohe Gain-Reserven (siehe Soundfiles 01 – 03) und lässt sich nur mit einer Gain-Reglerstellung bis maximal 8 Uhr zu einem wirklich cleanen Sound überreden. Der Ton ist klar, crisp und sehr schlank.
Ab 9 Uhr geht es bereits mit den ersten Crunchsounds los, die einen sehr schönen Sixties-Vintage-Ton generieren. Knackig und bissig, schöner Classic-Rock!
Bei geschaltetem Boost nimmt vor allem die Kompression des Tons zu. Der Ton wird weicher und gewinnt an Sustain. Bei diesem Soundfile hört man sehr gut den Grundcharakter des Vintage-30-Lautsprechers, der bekanntermaßen stets latent hochmittenlastig zu Werke geht.
Im Lead-Kanal erkennt man dann umgehend, welches Firmenenblem sich auf dem Schutzgitter befindet. Dass Engl gerade für seine High-Gain-Sounds berühmt ist, erkennt man auch bei diesem Combo.
Den Abschluss bildet eine getragene Sologitarre bei geschaltetem Boost im Lead-Kanal. Hier kann der Engl E600 Ironball Combo seine ganze Stärke im High-Gain-Bereich ausspielen.
Die folgende Einschätzung ist nicht wertend zu verstehen, da sie auf den ganz persönlichen Präferenzen des Autors beruhen, aber ich persönlich glaube, dass ein etwas leistungsstärkerer Speaker im Stil z. B. des Vintage 60 dem Combo gut tun würde. Gerade die Kombination mit einem EL84 Endröhren-Paar, das baulich bedingt ebenfalls zu einer starken Höhenpräsenz neigt, könnte mehr Bass- und Tiefmittenhub generieren, der die Stärken des E600 Ironball Combo noch mehr in den Vordergrund schiebt.
Ganz ausgezeichnet gibt sich der Amp im High-Gain-Bereich bei Zimmerlautstärke mit 1 Watt Ausgangsleistung. Während viele Konkurrenten mit abnehmender Endlautstärke ab einem gewissen Pegel nur noch ein dünnes Vorstufengezirpe von sich geben, schafft es der Engl E600 Ironball Combo tatsächlich, auch noch bei Minimallautstärke einen strukturierten und vor allem dynamischen Ton zu erzeugen. Man könnte den Amp tatsächlich auch als luxuriösen Übungsamp „missbrauchen“, ich habe jedenfalls selten einen Verstärker gespielt, der so hervorragend bei geringen Lautstärken performte. Hier kann die schlanke Konstruktion des Vintage 30 seine Stärken voll ausspielen.
Natürlich klingt ein 12“ Lautsprecher bei Minimalauslenkung anders, als wenn die Pappe ordentlich in Wallung gerät, aber der Verstärkerteil schlägt sich, trotz nahezu nicht mehr vorhandener Rückströme des Lautsprechers, hervorragend. Übrigens, 1 Watt Endstufe kräftig aufgerissen und dann eine moderate Vorstufenverzerrung am besten über den Clean-Channel und fertig ist ein hervorragender AC/DC Rhythmussound in Clublautstärke. Wenn jetzt noch der Drummer mitmacht …
ich habe den Engl Ironball Combo als meinen ersten vernünftigen Amp auserkoren.
das Teil ist echt Hammer! Satter Sound -auch im leisen Zustand.
meine Gitarrenskills sind aber noch viel zu gering, um wirklich was richtig geiles aus dem Kasten raus zu holen.
bin daher am überlegen, ihn doch eher gegen was digitales einzutauschen.