Harley Benton P90-Paula in limitierter Auflage
Ich höre die ersten Leser hinter den Monitoren der Macs, PCs. Handys und Tablets schon wieder stöhnen: „Was denn, schon wieder eine Harley Benton im Test?“ Die Antwort lautet ja – und das aus guten Grund. Kaum eine Marke im Bereich der elektrischen Gitarren erregt solch ein großes Interesse wie die Instrumente der Thomann-Hausmarke, das sehen wir immer und immer wieder an den Zugriffszahlen auf diese Artikel. Und uns liegt es natürlich am Herzen, über die Produkte zu informieren bzw. diese ausgiebig zu testen, die unsere Community mehr als alles andere über die Maßen interessiert.
Die Instrumente von Harley Benton haben einen bemerkenswerten Weg hingelegt, vom billigen Feuerholz mit müdem Sound und ohne Charisma, hin zu ernstzunehmenden Instrumenten der unteren Preiskategorie, die vielen etablierten Herstellern nach wie vor so manche Schweißperle auf die Stirn treibt und deren Qualität genau so stetig wächst wie das Angebot. Mittlerweile scheinen alle Kategorien besetzt zu sein, von der einfachen Stratkopie, über Les-Paul-Typen, halbakustische Gitarren bis hin zu modernen Äxten wie etwa die Fusion-Serie mit hochwertiger Hardware und massiven Hölzern reicht das Programm. Dabei sind die Preise nach wie vor beängstigend günstig und man fragt sich schon dann und wann, wie so etwas möglich sein kann. Einen weiteren Preisbrecher haben wir heute zum Test, dazu auch noch einen limitierten. Die Stückzahl der Harley Benton SC-Junior LTD SSP ist auf lediglich 250 Modelle begrenzt, da heißt es zugreifen, zumindest dann, wenn man auf der Suche nach einer extrem günstigen Single-Cut ist, die mit einem P90-Pickup einen ganz eigenen, puristischen Sound fährt.
Harley Benton SC-Junior LTD SSP – Facts & Features
Les Paul Junior? Hat hier jemand etwa Les Paul Junior gesagt? Klar, Kennern der Szene wird es sicher sofort aufgefallen sein, dass hier ganz offensichtlich die „kleine Paula“ von Gibson als Vorbild diente. Entsprechend schlicht ist auch das Korpus-Design der Harley Benton SC-Junior LTD ausgefallen – keine Shapings und keine Rundungen vorne wie hinten. Kurz und knapp: alles flach, wie Holland. Ein echtes Brett aus Mahagoni also, das mit einer grobkörnigen Silberlackierung überzogen wurde. Das Finish ist sehr gut gelungen, der Farbverlauf sehr gleichmäßig und ohne einen einzigen Mangel. Im vorderen Teil bedeckt ein dreischichtiges, schwarzes Pickguard den Korpus und schützt ihn so vor unschönen Kratzern, ein Stück weiter hinten wurde der P90 aus dem Hause Roswell direkt in die Decke eingeschraubt. Ebenfalls mit einer schwarzen Ummantelung, was zusammen mit dem kräftigen Silberton der Gitarre einen schönen Kontrast ergibt.
P90 mit schlichter Elektronik
Geregelt wird der P90-Pickup über einen Volume- sowie einen Tone-Regler, die man beide vielleicht etwas näher an das Geschehen hätte rücken können. Griffgünstig kann man das nicht nennen, auf der anderen Seite aber können so ungewollte Verstellungen im Eifer des Gefechts der Schlaghand definitiv vermieden werden. Die beiden aufgesteckten Knöpfe bestehen aus einem matten, schwarzen Kunststoff, sodass auch bei schweißnasser Hand zuverlässig zugegriffen werden kann. Beide Potis laufen zudem sehr leichtgängig und völlig frei von Spiel auf ihren Achsen, was in dieser extrem niedrigen Preisklasse wahrlich keine Selbstverständlichkeit darstellt.
Eingeleimter Mahagonihals ohne Mängel
Zugegeben, bei einer Gitarre mit solch einem niedrigen Preis ertappt man sich immer wieder dabei, nach dem Haar in der Suppe zu suchen. Das lässt aber auf sich warten, denn auch beim Hals und dessen Verarbeitung gibt es nichts zu meckern. Das eingeleimte Stück besteht wie der Korpus aus Mahagoni und besitzt ein Griffbrett aus Amaranth mit einem angenehmen Radius von 305 mm. Die Bundierung mit den 22 Jumbo-Bünden ist vorbildlich gelungen – nichts steht über oder ist gar scharfkantig, darüber hinaus wurde auch den Oberflächen der Stäbe eine ausreichende Politur gegönnt. Somit gehen Bendings und Slides von der ersten Minute an butterweich von der Hand. Keine Bedenken muss man wegen der lackierten Halsrückseite haben, denn auch sie erstrahlt in dem kräftigen Silberton, zeigt aber keinerlei Schwächen, wenn es um das gefürchtete Ankleben der Greifhand geht. Wie man sieht und vor allem fühlt, kann man bereits bei solch günstigen Gitarren eine gewisse Praxistauglichkeit erwarten – und auch bekommen.
Wraparound-Bridge mit kleinen Problemchen
Damit die Saiten mit etwas mehr Druck auf die Brücke pressen und der Konstruktion so in Sachen Resonanzen ein Stück weit auf die Sprünge helfen, wurde bei der Harley Benton SC-Junior LTD eine Wraparound-Bridge auf die Decke montiert. Das ist sehr positiv anzumerken, unser Testinstrument kränkelt jedoch bezüglich der Oktavreinheit etwas, wie man in den Klangbeispielen durchaus hören kann. Speziell beim Akkordspiel in höheren Lagen ist das deutlich wahrzunehmen, beim Spielen von Riffs und/oder Soli hingegen fällt das nicht weiter auf. Dennoch ein Mangel, der dem einen oder anderen Spieler gehörig auf die Nerven fallen könnte.
Eine positive Überraschung gibt es jedoch am anderen Ende der sechs Drähte zu vermelden, denn die an der Kopfplatte angebrachten Wilkinson Vintage-Tuner mit ihren weißen Mini-Buttons arbeiten erstaunlich zuverlässig. Sie laufen weich und präzise auf ihren Achsen und geben sich auch beim Halten der Stimmung über einen längeren Zeitraum keinesfalls die Blöße. Das gefällt – und ist speziell in dieser Preisklasse ebenfalls keine Selbstverständlichkeit!
Harley Benton SC-Junior LTD – Praxis-Check
Wie klingt sie denn nun? Wie lässt sie sich bespielen? Ich möchte Stein und Bein schwören, dass niemand auf die Idee kommen würde, hier eine Gitarre der 200-Euro-Klasse vor sich zu haben. Der Grundsound ist bereits sehr kräftig, ja geradezu wuchtig und von einem fetten Sustain geprägt, hinzu kommt die sehr gute Bespielbarkeit des Halses und das trotz seiner lackierten Rückseite. Ebenfalls positiv hervorzuheben sei das Gewicht sowie die gut austarierte Balance des Instruments insgesamt, das mit dem einer klassischen Paula nur wenig gemein hat und von daher eine gute Performance auch bei ausgedehnten Gigs und der zehnten Zugabe verspricht.
Von einer guten Performance kann man getrost auch beim Tonabnehmer sprechen. Klar, viele unterschiedliche Sounds gibt es hier nicht auf der Karte, dafür aber überzeugt der verbaute P90-Roswell mit nur wenig Nebengeräuschen und kann den druckvollen Grundsound der Konstruktion würdig an den angeschlossenen Amp weiterleiten. Hinzu kommt, dass das Signal kaum spürbar Verluste in Dynamik und Frequenzbild einfährt, sollt man den Volume-Regler etwas zurückfahren. Ideale Voraussetzungen also, um zusammen mit einem guten Röhrenamp am anderen Ende des Kabels zu interagieren und so dennoch eine Menge interessanter P90-Sounds zu erzeugen. Hohe Verzerrungen mag der Roswell jedoch nicht, aber ich glaube, in diesem Punkt haben so ziemlich alle Pickups dieses Typs das gleiche Problem. Dennoch: Die Low-Gain-Sounds klingen alle ziemlich überzeugend und auch im unverzerrten Bereich kann der Roswell-P90 mich als einen Freund gewinnen!
Harley Benton SC-Junior LTD – Klangbeispiele
Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die Harley Benton SC-Junior LTD in den Eingang eines Mesa/Boogie Studio 22+ eingeklinkt. Vor dem Amp wurde ein AKG C3000 Mikrofon platziert, ehe das Signal in Logic Audio aufgezeichnet wurde.
Kann den Test soweit bestätigen. Meine ist in Pelham Blue und war bzw. ist bei 3 Saiten auch nicht oktavrein hinzubekommen. Schade drum, aber vielleicht tausch ich die Brücke irgendwann mal aus, dann klappts vielleicht auch mit der Oktavreinheit.
Der Link führt zu einem B-Ware Modell… Ist das euer Testgerät?
@GuitarHearts Nee, sie ist vermutlich schon ausverkauft. War ja limitiert.
@Sven Blau Nee, beim Link vertan. Die ist sehr wohl noch verfügbar. Kostet allerdings 194 Peitschen, keine 179.
Täuscht der optische Eindruck eigentlich, oder sitzt die Brücke nicht höher (also näher zum Hals) als bei anderen Gitarren?
Den Overdrive Sound finde ich eigentlich völlig OK, auch die anderen Soundbeispiele klingen gut. Der zum Aufnehmen gewählte Studio 22 kann dazu natürlich auch etwas beigetragen haben.
Wraparoundbrücken müssen keine Intonationsprobleme haben – zumindest sind sie durch die Gesamtverstellung zu nivelieren. Aber die Brücke ist doch für jede Saite einstellbar oder sehe ich das falsch?
@harrymudd Stimmt.
Eine Junior macht den Alten jung.
Die Saitenreiter lassen sich nicht einzeln einstellen? Die Produktfotos bei Thomann und auch die Fotos hier zeigen da aber etwas ganz anderes!
Falscher Link und falscher Preis können sicher mal passieren, aber ein erfahrener Tester/Autor sollte eigentlich auch im Halbschlaf technische Details mit einem Blick erkennen!
Schon merkwürdig.
Umso fragwürdiger wird es dann, wenn diese falschen Details auch noch zu einer Abwertung des Instruments führen.
Was also soll ich jetzt von diesem „Testbericht“ halten???
@mottilie Hi mottilie, danke für den Hinweis, da ist wohl etwas durcheinander geraten, bei all den HB´s, die ich hier rumstehen habe … natürlich besitzt die Brücke Saitenreiter, ich habe es im Text korrigiert und auch die negative Bewertung diesbezüglich entfernt. Danke!
@Stephan Güte dann sollte das Fazit und der verbleibende Minuspunkt aber auch entsprechend überarbeitet werden…
@harrymudd – Testinstrument nicht ganz oktavrein
lässt sich aber mit den vom Tester miitlerweile entdeckten Schrauben korrekt einstellen…SCNR
@harrymudd Vermutlich schon, aber das ist ja nicht primär die Aufgabe eines Testers ;)
@Stephan Güte Das kann man sicherlich so sehen.
Allerdings hat es wahrscheinlich jeder Gitarrist schon einmal erlebt, dass ein simpler Saitenwechsel Intonation/Oktavreinheit einer Gitarre aus der Balance bringen kann und eine Justage der Saitenreiter erforderlich macht. Und dafür sind die Dinger schliesslich da!
Deshalb gehört es für mich schon zu den primären Aufgaben eines Testers festzustellen, ob vorhandene Unstimmigkeiten tatsächlich auf mangelnde Qualität, oder vielleicht doch „nur“ auf ein mangelhaftes Setup zurückzuführen sind. Und letzteres dem Instrument als Minus anzukreiden ist nun wirklich nicht die feine englische Art ;-)
@Stephan Güte Gern geschehen ;-)