Und ewig lockt die JEM
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Es gibt Ehen, die halten nur ganz kurz. Manche schaffen es etwas länger, doch was Steve Vai und Ibanez uns seit mehr als 30 Jahren mit ihrer Verbundenheit demonstrieren, davon könnte schon so mancher neidisch werden. Krach gab es in all den Jahren nie, dafür aber immer wieder neue Instrumente von Ibanez für den Superstar, der maßgeblich an der Entstehung der erfolgreichen RG-Baureihe Mitte der 80er-Jahre beteiligt war und nur kurz nach deren Präsentation auch prompt sein eigenes Signature-Modell erhielt. Die JEM erregte damals nicht nur aufgrund ihrer zeitgemäßen 80er-Neonlackierungen die Aufmerksamkeit der Fachwelt, auch der sogenannte „Monkey Grip“, die handbreit große Öffnung am oberen Cutaway, bestimmte die Diskussionen an den damaligen Musikerstammtischen. Die Gitarre „mit dem Griff zum Wegschmeißen“, hörte man damals oft über dieses doch eher ungewöhnliche Feature. Ob mit oder ohne Griff, die RG-Serie trat ihren Siegeszug an und wurde schnell zum Synonym für den gesamten Hardrock- und Metal-Bereich, insofern war der Weg des Ehepaars Ibanez/Vai wohl doch nicht ganz so verkehrt, sondern ein ziemlich erfolgreicher.
Die JEM gibt es schon lange in verschiedenen Versionen, während das im japanischen Stammwerk gefertigte Modell für viele unerschwinglich erscheint, gab bzw. gibt es auch immer günstigere Versionen aus dem ganz fernen Osten. Eine dieser günstigen Versionen aus indonesischer Fertigung ist bei uns in der Redaktion gelandet und wird nun nicht nur von mir auf Herz und Nieren geprüft, sondern auch unter unseren Lesern verlost, denn Link zum Gewinnspiel findet ihr HIER und auch am Ende des Artikels noch einmal. Nun wollen wir aber mal schauen, was der neue glückliche Besitzer von der Ibanez JEMJRSP-PK so erwarten kann.
Ibanez JEMJRSP-PK – Facts & Specs
Auf der Suche nach Alternativen zu den bekannten und bewährten Tonhölzern wie etwa Mahagoni oder Palisander bieten uns die Hersteller immer wieder ganz neue Gewächse an. Im Fall der Ibanez JEMJRSP-PK betrifft dies in erster Linie den Korpus, der aus „Meranti“ gefertigt wurde und von der wunderbar schrillen, pinkfarbenen Neonlackierung umschlossen wird. Eine kurze Recherche im Netz ergibt, dass Merantiholz u. a. auch in Indonesien wächst, somit ist der Weg zur Produktionsstätte ja nicht besonders weit. Ebenfalls ungewöhnlich, wenn auch mittlerweile etwas vertrauter erscheint „Jatoba“ als verwendetes Holz für das Griffbrett, das mit dem bekannten „Tree of Life“ Inlay und wie gewohnt mit 24 Jumbo-Bünden bestückt wurde.
Die wurden allesamt sauber eingesetzt und an den Kanten abgerichtet, allerdings hätte man den Bundoberflächen noch eine gründliche Politur spendieren können, denn im Neuzustand schabt es doch recht unangenehm. Nach ein paar Stunden Spieldauer aber dürfte sich dieses Problem von ganz alleine lösen und Slides und Bendings wieder geräuschlos und ohne Widerstand „flutschen“. Bis dahin tut es aber trotzdem schon recht gut flutschen, denn der berühmt-berüchtigte Wizard III Neck mit seinem extrem flachen Radius bietet die gewohnt komfortable Bespielbarkeit für Fingerakrobaten.
Leichte Mängel im Lack
Noch ein Wort zur Lackierung: Ja, sie ist auch in natura wirklich so schrill und erweckt fast den Eindruck, im Dunkeln leuchten zu können. Der Lack wurde vom Korpus bis zur Kopfplatte sauber und gleichmäßig aufgetragen, allerdings mit einer Ausnahme, nämlich in der Innenseite des „Monkey Grip“. Dort sind raue Stellen zu spüren und wenn man ganz genau hinschaut, ist zu erkennen, dass die Lackschicht an dieser Stelle nur in unzureichender Menge aufgetragen wurde. Man wollte an dieser kritischen Stelle wohl Lacknasen vermeiden. Man muss allerdings schon sehr genau hinschauen, um diesen kleinen Makel zu erkennen, in einem Review sollte das aber nicht unerwähnt bleiben. Trotzdem gibt die Ibanez JEMJRSP-PK hinsichtlich ihrer Verarbeitung ein sehr gutes Bild ab, vor allem dann, wenn man sich ihren Preis betrachtet.
Ibanez Infinity-Pickups
Mit den zwei Humbuckern und dem Singlecoil dazwischen platziert, galt die JEM schon von Anfang an als ein sehr flexibel einsetzbares Instrument. Natürlich stehen die Kollegen als Trio auch hier wieder parat und bilden zusammen mit dem obligatorischen Fünfwegeschalter sowie Reglern für Lautstärke und Klang die elektrische Schaltung der JEMJRSP-PK. Im Gegensatz zu den teuren japanischen Modellen mit ihren Marken-Pickups von namhaften Firmen muss man hier jedoch mit drei Modellen aus der Ibanez eigenen Infintiy-Serie auskommen – irgendwo muss ja gespart werden. Der Fachmann weiß natürlich auf Anhieb, in welcher Konfiguration die Tonabnehmer betrieben werden können, für alle anderen gibt es hier das passende Schaltungsdiagramm:
Überraschend solide Hardware
E-Gitarren mit FR-Licensed Vibrato für unter 500,- Euro? Höchste Vorsicht ist da in aller Regel geboten, das zeigt die Erfahrung. Um so erstaunlicher bzw. erfreulicher ist die Tatsache, dass sich das an der JEMJRSP-PK verbaute System in diesem Punkt absolut keine Blöße gibt und selbst nach dem völligen Erschlaffen der Saiten die Stimmung centgenau wieder herstellt. Leben muss man jedoch mit einem geschraubten Vibratohebel, der mittels einer Hutmutter befestigt wird und dem Benutzer mal wieder nur die Wahl zwischen zu locker und wackeln oder zu fest und nach der Benutzung im Wege stehen lässt. Die Mechaniken an der Kopfplatte unterliegen ja aufgrund des Klemmsattels keiner dauerhaft hohen Beanspruchung, dennoch sind auch sie von guter Qualität und wie die gesamte Hardware von einer Cosmo-Black Chromschicht überzogen.
Wie klingt die Ibanez JEMJRSP-PK?
Und natürlich auch: Wie lässt sie sich bespielen? Nun, die Werkseinstellung dürfte ruhiger etwas bequemer ausfallen, das Testinstrument wurde leider mit einer recht hohen Saitenlage ausgeliefert, die Mr. Vai ganz bestimmt nicht gefallen dürfte. Nach der Korrektur stören prinzipiell nur noch die nicht genügend polierten Bundoberflächen, aber dieses Problem, ich erwähnte es ja bereits weiter oben, dürfte sich nach ein paar Stunden intensiven Spielens erledigt haben. Am Profil des Wizard-Necks scheiden sich traditionell die Geister, man muss ihn auf jeden Fall mögen und zweifellos bietet dieses extrem schlanke Halsprofil zusammen mit dem nicht weniger flachen Griffbrettradius beste Voraussetzungen für Spieler, die gerne und oft moderne Techniken wie Sweeping oder ausgiebiges Legatospiel einsetzen. Und das mühelos hinauf bis zur zweiten Oktave, dafür sorgen ein weites Cutaway und der wie immer ergonomisch geformte Hals-Korpus-Übergang.
Der Klang ist ebenfalls typisch JEM – auch wenn man hier gegenüber den japanischen Modellen doch deutliche Abstriche machen muss. Nicht dass die verbauten Infinity-Pickups etwa schlecht klingen würden, es fehlt ihnen jedoch spürbar Druck, Lautstärke und Klarheit gegenüber den Typen, die in die deutlich teureren JEMs eingesetzt werden. In aller Regel stammen die dann von DiMarzio. Aber egal, ob nun Pickups von Markenherstellern oder nicht, ein Problem bleibt nach wie vor bestehen beim Durchschalten der einzelnen Positionen des Pickup-Schalters: die unterschiedlichen Lautstärken der einzelnen Kombinationen. Insbesondere wird das beim Wechseln vom Hals-Pickup in die zweite Position des Schalters, also die Kombination aus gesplittetem Humbucker und dem Singlecoil, deutlich hörbar. Hier sollte man also das Volume-Pedal nah am Fuß haben oder den Kanal/seinen Sound im Amp/Multieffekt entsprechend darauf vorbereiten.
Ibanez JEMJRSP-PK Klangbeispiele
Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die JEMJRSP-PK zusammen mit einem Orange Micro Dark Verstärker, einer 1×12″ Celestion Vintage 30 Box und einem AKG C3000 zur Aufnahme in Logic Audio verwendet.
Trotz ein paar Kleinigkeiten für den schmalen Geldbeutel ein tolles Instrument. Das hier die Tonabnehmer vielleicht nicht ganz auf Top Level liegen, dürfte klar sein. Die Lautstärke Probleme zwischen Humbucker und Single Coil haben alle mit dieser Kombination. Auch die teuersten. Ein Problem das eigentlich nicht sein müßte. Es lässt sich mit etwas Bastelarbeit in den Griff bekommen. Ebenso die Saitenlage. Warum die meisten immer die Wurstfingerlage einstellen ist mir nicht so klar. Vielleicht die größere Käuferschicht? Egal. Die negativ Punkte sind relativ leicht zu beheben. Dann hat der gewillte Käufer durchaus sehr viel Freude für einen akzeptablen Preis ohne an den Heizkosten zu sparen. Von Ibanez ist die gesamte Serie ein Erfolg. Zurecht.
@suwannee Vielleicht geht das Einstellen einer groben Saitenlage ab Fabrik einfach schneller. Statt bei niedriger Lage aufpassen zu müssen, ob nicht doch schon was schnarrt, gehen sie auf Nummer sicher und spannen die Drähte höher – fertig und raus.
Reine Vermutung von mir als (dazu) handwerklicher Laie.
@suwannee „Warum die meisten immer die Wurstfingerlage einstellen ist mir nicht so klar.“
Weil man davon ausgeht, daß das Holz bei der Verschiffung im Übersee-Container noch arbeitet- Temperatur, Luftfeuchtigkeit…
Da ist es besser, wenn am Zielort die Saitenlage erstmal zu hoch ist, als daß es im Geschäft oder beim Endkunden schnarrt.
Wenn man die Gitarre im Werk schon perfekt einstellt, ist da nach unten kein Spielraum mehr.
Wenn es schnarrt, denkt man sich sofort: „Miese Qualität!“, aber wenn die Saitenlage zu hoch ist, denkt man sich eher: „Das stell ich mir noch ein!“
@mort76 Ich denke so wird es sein.
Die Jem ist von Werk aus, wie beschrieben, etwas hoch eingestellt, aber nach wenigen Handgriffen ein absolutes Allroundbrett für kleines Geld. Auch die Infinityhumbucker überzeugen für den Preis.
Absolute Empfehlung für Anfänger und leicht Fortgeschrittene.
Die Bewertung der Pickups kann ich bestätigen. Die gleichen waren (der Inf.-Bezeichnung nach) auf meiner Ibanez S drauf (ebenfalls als HSH). Sie klangen gut, aber im Vergleich mit meinen anderen Lieblingen (Fender, Gibson und eine mit DiMarzios gepimpte Harley Benton Fusion) etwas druckarm und weniger brillant. Weshalb ich sie später mit Seymour Duncans nachrüsten ließ. Um den Preis noch stärkerer Schwankung beim Umschalten (Switch auf Hals-Mitte-PU ist deutlich leiser, Mitte solo fast lauter als die Hums im Alleingang) bekam ich damit ein Rockbrett – mit hochinteressanten Clean-Varianten (die Zwischenstellungen klingen gut).
Zur JEM ließ ich mir sagen, dass die Buchse so tief versenkt ist, dass keine Stecker für Funkstrecke (wie HB Air Borne) oder Kopfhörer-Modeler (wie Fender Mustang Micro) reinpassen. Bei der AZ-Serie ist das besser gelöst, da ist der Holztunnel vor der Buchse kürzer: Passt gerade noch so, dass es klickt.
Den Griff bei den gitarren fand ich ja schon immer ein tolles feature
Ich bin der Gewinner dieser Gitarre und kann es kaum abwarten diese auch in den Händen zu halten.
Vielen Dank für den gut geschriebenen Bericht und die Soundsamples!