Go Go Go, Little Guy!
Das Line6 POD Go dürfte als eins der am heißesten erwarteten Multieffektgeräte des Jahres durchgehen. Helix-Vielfalt für den kleineren Geldbeutel – da klingeln schon mal die Ohren. Auf der diesjährigen NAMM haben Line6 den POD Go bereits angekündigt. Die Firma schien verstanden zu haben, dass die große Lücke im Sortiment ein zeitgemäßes, allumfassendes Multieffekt-Board für die preisliche Mittelklasse war und der Erfolg des HX Stomps nicht von ungefähr kam. Sämtliche Board-Variationen des Helix-Prozessors kratzten weit über der 1000,- Euro Grenze – für viele an der Grenze des Verschmerzbaren, also reagierte man und setzte sich hin, um für die Hälfte des Preises ein angemessenes Helix- und Legacy-Sammelsurium anzubieten. Finde ich gut. War sogar, will man meinen, überfällig. Zuletzt hatten wir das Line6 HX Effects im Test sowie den Helix Rack Prozessor – beides mit großer Freude. Und so ziemlich jeder Gitarrist dürfte für Line6 einen Softspot im Herzen haben. Die meisten ersten Gehversuche mit Effekten machten viele mit den Spider-Amps oder anderem aus dem Hause Line6. Das Pod GO soll also das neue Flaggschiff der wichtigen Midrange-Boards werden – und wir holen in diesem Test alles aus dem guten Stück raus.
Line6 POD GO, Multieffektboard – Facts & Features
Also – eine abgespeckte Variante des Helix Prozessor Boards für nicht mal 500,- Euro erwartet uns hier. Da dieser Preisunterschied irgendwie zu rechtfertigen sein muss, dürfte auch wichtig sein herauszuarbeiten, was den Line6 POD Go von seinen großen Brüdern unterscheidet. Doch bevor wir darauf eingehen, was der Pod Go nicht hat, zeigen wir euch erst mal, mit was dieses Multieffektgerät aufwartet.
Was als erstes auffällt, wenn man das gute Stück aus der Packung hebt: das Gewicht. Das Line6 POD Go ist für ein Board federleicht, wiegt ca. 2,5 kg und ist tadellos verarbeitet. Es schreibt sich nicht gerade „Mini-Board“ auf die Fahne – dafür ist es schon zu groß. Acht Fußschalter, ein Expression-Pedal, ein Master-Volume-Regler, zwei Navigationsregler und fünf Editier- und Parameterregler. Auch da vor allem zeigt sich der Unterschied zum normalen Helix Prozessor: die Dimensionen. Die Fußschalter sind weniger an der Zahl und nicht berührungsempfindlich. Was auch viele überraschen dürfte: Das Line6 POD Go besitzt kein MIDI Thru, In oder Out. Es gibt zwar eine MIDI-fähige USB-Anbindung, aber das Fehlen der klassischen MIDI-Klinken überraschte dann doch ein klein wenig. Es scheint, als ob Line6 beim Pod Go wirklich nur auf das Essenzielle gesetzt haben: Expression-Anschluss, ein FX-Loop, Stereoausgänge, Amp-Ausgang, Kopfhöreranschluss, USB -that’s it. Und vielleicht ist das – für dieses Konzept – allemal ausreichend.
Die Bedienung läuft über einen farbigen, gut lesbaren LC-Screen, die farbliche Gruppierungen der Effektklassen vereinfachen die Echtzeit-Orientierung zusätzlich. Die Editierung und die Navigation war bei Line6 nie ein Problem. Übersicht ist gewährleistet und wird im Praxisteil noch mal ausführlich besprochen. Was man auf dem Schirm haben sollte: Das Line6 Pod GO besitzt insgesamt über 60 Amp- und Preamp-Modelle, die mit über 30 Cab-Simulationen und über 10 Mic-Modellen kombiniert werden können. Distortion-Modelle jedweder Art von Bitcrusher bis Octave Fuzz sind ebenfalls dabei. Kompressoren, EQ-Modelle, Delay- und Reverb-Modelle, jede denkbare Modulation von Tremolo bis Rotary-Sounds, Pitch- und Synth-Sounds. Der integrierte Looper besitzt in Mono eine maximale Länge von 40 Sekunden, in Stereo 20 Sekunden, Reverse- und Overdub-Funktionen sowie High- und Low-Cuts. Hinzu kommt – das Expression-Pedal kann so ziemlich jeden Parameter ansteuern. Wie umfassend wiederum der Katalog ist, könnt ihr hier nachlesen:
Line6 POD GO, Multieffektboard – Panel & Modi
Die Fußschalter des Line6 Pod GO erfüllen distinkte Funktionen, je nachdem, ob man sich im Play- oder Edit-View befindet. Das Pod GO arbeitet mit Presets, die in Banks organisiert sind, pro Sound können sechs Amps, Boxen und Pedale gleichzeitig verwendet werden. Reicht das? In meinen Augen schon – wenn man es nicht übertreiben und beispielsweise Distortions und Overdrives stacken will.
Einer der wichtigsten Unterschiede zum HX Stomp ist weniger die Soundqualität (die Sounds sind, wie gesagt, über weite Teile identisch und auf die gleiche Technologie zurückzuführen), sondern die Flexibilität der Signalkette. Parallel-Routing beispielsweise kann das Pod GO nicht und es lassen sich Amp, Cab, EQ und Volume/Wah aus der Signalkette nicht entfernen. Für einige dürfte das eine Einschränkung sein – da ist der HX Stomp definitiv flexibler.
Ein weiterer wichtiger Unterschied zum HX Stomp betrifft die IR-Loader. Da arbeitet der POD Go mit 1024 Samples, während der HX Stomp und der Helix LT mit 2048 Samples arbeitet – ein Resultat der höheren Rechenkraft des HX Stomp.
Die Bedienungs-Modi lauten wie folgt: Play View und Edit View. Play View kennt drei Modi: Stomp-Snapshot- und Preset-Modus. Im Stomp-Modus sind die einzelnen Fußschalter repräsentativ für Pedale, die ihr im Rahmen der Signalkette aktivieren könnte. Im Preset-Modus ruft jeder Fußschalter ein Preset auf, im Snapshot-Modus können Presets mit veränderten Parameter aufgerufen werden – sog. Snapshots eben. Während im Stomp-Modus alle sechs Fußschalter als „Pedale“ fungieren, sind im Preset- und Snapshot-Modus die zwei Fußschalter links außen für das Schalten zwischen den Banks zuständig. Doch wie funktioniert das eigentlich mit der Signalkette beim Line6 POD Go? Hier kommt der Edit View ins Spiel: Ihr könnt die einzelnen Elemente der Signalkette wie gesagt nicht beliebig austauschen (Amp, Cab, Volume/Wah, EQ bleiben immer drin, können aber anders angeordnet werden), aber mithilfe der fünf Regler unterhalb des LC-Screens ihre Parameter verändern. Im Prinzip sieht das so aus:
Darüber hinaus erlauben die Anschlüsse des Line 6 Pod GO verschiedene Verkabelungs- und Nutzungsmöglichkeiten. Ein Stereo-Rig kann über den Amp- und Main-Out problemlos angesteuert werden – es müssen nur in den Global Settings die entsprechenden Einstellungen im Vorfeld geleistet werden. Auch die Vier-Kabel-Methode erlaubt der Pod Go problemlos – also das getrennte Ansteuern von FX Loop und Preamp eures Amps mit unterschiedlichen Effektblöcken.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Nutzung der Snapshots ein viel zu selten genutztes Feature ist. Die Tatsache, dass man innerhalb des Presets weitere Presets abspeichern kann, ist für die Flexibilität im Sound eine Menge wert. Beispielsweise ist das Hereindrehen von Gain und Verzerrung bei Overdrive- oder Amp-Modellen möglich – einen kleinen Katalog anlegen für die Feinheiten quasi, was erfahrungsgemäß sehr praktisch sein kann.
Die Funktionalität als Audiointerface ist darüber hinaus auch vielfältig. Neben DAW- ist auch Hardware-Monitoring möglich – je nachdem, wie ihr eure Overdubs und Backtracks hören wollt. Auch die Aufnahme des Direct-Input-Signals und die damit verbundenen Reamp-Möglichkeiten erlaubt der Pod Go. Über USB-Gruppen können das verarbeitete und trockene Signal voneinander abgegrenzt werden, das DI-Signal dann durch die entsprechende Ausgabe wieder durch die Signalkette geschickt werden.
MIDI-Kompatibilität, über 300 Amp- und Effekt-Modelle, Audiointerface-Optionen, Helix-Qualität, integrierter Looper, Expression-Pedal-Anschlüsse – für nicht mal 500,- Euro. Der HX-Stomp besitzt zwar einen stärkeren Prozessor, aber die Sounds sind mehr oder minder identisch. Zu schön, um wahr zu sein? Das wird der Praxisteil jetzt zeigen.
Line6 Pod GO – in der Praxis
Bearbeitet wird hier nachträglich nichts – wir laden den Line6 Pod GO Treiber herunter und speisen die Sounds des Line6 Pod GO in die DAW. Für die meisten Nutzer der Helix- und Line6-Modeller dürfte klar sein, wie das klingt: Die Helix Technologie ist in ihren Klangkapazitäten schon vielfach dokumentiert worden, doch geht die Frage nach der Praxistauglichkeit über pure Klangfragen hinaus.
Fest steht: Der Bildschirm ist klein, ungewohnt klein, aber nach einer kurzen Eingewöhnung kein nennenswerter Faktor. Die Plastikknöpfe stören mich nicht im Geringsten. Auch wenn es sicher Leute gibt, die auf hochwertige Haptik viel Wert liegen, ist das hier Gebotene für den Preis absolut angemessen. Auch fein: Die farbliche Organisation des Ganzen. Die Effektblöcke lassen sich farblich belegen und das macht tatsächlich so einiges leichter, wie ich finde. Generell ist der Name Go bezeichnend: Es ist ungemein einfach, intuitiv und schnell zu bedienen und nach kurzem Spielen in meinen Augen auch definitiv geeigneter für den Live-Einsatz als der HX Stomp.
Um zu zeigen, was für einen weiten Weg die Helix-Technologie gekommen ist, demonstrieren wir anhand eines Loops und eines Greenback Combos die unterschiedlichen Resonanzen, die die emulierten Mikrofonierungen des Line6 Pod Go leisten. Distinkt, extrem nah am Vorbild, hervorragend geeignet, um konkrete Vorstellungen umzusetzen.
Die unzähligen Amps und Cabinets bieten eine enorme, weitreichende Vielfalt, wie man sie für diesen Preis wohl bei keinem anderen Namen bekommt. Sogar das High-Gain gelingt ganz hervorragend und wirkt glaubwürdig, alles andere als flach oder steril. Bemerkenswert und nur eine Soundfacette, die sich mitten von hundert anderen einreiht.
Ob kalifornischer Twang, Boogie-Charakter, JCM-Marshall, Tremolo, Phaser – es spielt keine Rolle, die im Pod GO enthaltenen Sounds können einen stundenlang beschäftigen und die Grundlage für unzählige Ideen bieten. Die Bedienbarkeit könnte nicht einfacher sein. Es lässt einen ein bisschen staunend zurück, wenn man sich grundsätzlich klarmachen möchte, was hier eigentlich passiert – für 500,- Euro. Die Dynamik, Klangtiefe und Resonanz der Cabinets und IRs spannt einen irren Bogen und die Verarbeitungstiefe und Authentizität ist gut genug für die großen Bühnen. Auch in Sachen Modulation bleibt der Line6 Pod GO seinen Vorgängern treu und liefert ausdrucksstarke Sounds. Im unmittelbaren Vergleich zum HX Stomp, unter Vorbehalt identischer Sounds gilt: Wer auf distinkte Routing-Möglichkeiten, höhere Verarbeitungstiefe bei den IRs (wobei ich persönlich keinen Unterschied zwischen 1024 und 2048 Sample IRs höre) Wert legt, kann beim Stomp bleiben. Doch das POD Go ist zweifelsohne das bessere Live-Tool, da einfacher zu bedienen, unmittelbarer im Zugang und einfach benutzerfreundlicher.
Sinnvoll abgespeckt ohne am Ergebnis zu sparen, so sehen Sieger aus.
Oder ein „Best Buy“. ;-)
Warum gibt Line6 denn keine Maße an? Soweit überprüfbar, sollten die Angaben vom Store stimmen, wären das: 359x230x88mm. Bei einem Gewicht von 2,35kg.
Das G11 von Zoom kostet 300 Euro mehr und klingt deutlich schlechter. Preissenkung und Lagerabverkauf incoming.
Hmm, klein ist gut. Ich hätte aber für einen Aux Eingang und mehr Speicher für den looper gerne was extra hingelegt.
Die kleine Pod-Go-Kiste hat sich bei mir bewährt – nur leider kann ich es jetzt nicht mehr auf den Sound schieben, wenn sich mein Spiel verbesserungsfähig anhört 😉