8-Bit Groove - von Nerds für Nerds
Mode Machines SID ist eine zweispurige Groovebox, die dem legendären 8-Bit-Sound SoundCommodore des C-64 Homecomputer SID-Soundchips aus dem Jahr 1982 huldigt. Es brutzelt und brummt, fiepst, zirpt, rauscht und trillert, von großem Dynamikumfang oder audiophilem Klang keine Spur und trotzdem wird 8-Bit-Sound, hier der SID-Sound, geliebt und ist immer noch mehr denn je lebendig. Was es aber genau mit dem doch sehr speziellen Synthie von Mode Machines auf sich hat und für wen er sich lohnt, lesen Sie in diesem Test.
Hardware der Mode Machine SID Box
Beginnen wir mit den Äußerlichkeiten. Wer eine xoxbox von Mode Machines besitzt weiß, wie groß und leicht das Gerät ist, denn beide stecken in gleichen Gehäuse. Nur die Farbe ist nun in old-schooligem Computerbeige gehalten. Für alle andern ein paar Zahlen. Der Grundstücksbedarf auf dem Studiopult beträgt 20 x 28 cm. Der hintere Gehäusehöhe beträgt 8 cm und fällt auf 3 cm vorn ab. Den Winkel dazu darf man sich ausrechnen. Die schräge Arbeitsoberfläche ermöglicht einen komfortablen Zugang von Auge und Hand an die Bedienelemente und das reminiszente zweizeilige, weiß auf blaue Display, wenn man vor der SID sitzt oder steht. Das Gewicht liegt gerade mal bei 900 g. Bei der Gehäusegröße muss man schon aufpassen, dass man das Gerät nicht wirft, anstatt es nur hochzuheben. Auf der Rückseite befindet sich ein MIDI-, und ein Audio-In/Out-Pärchen mit Kopfhörerausgang sowie der Stromanschluss für das mitgelieferte 15V AC Netzteil.
Erste Beanstandungen gibt es dann bei der taktilen Prüfung. Was dem Gehäuse an Stabilität zugestanden werden kann, gilt leider nicht für die Bedienelemente. Die Potis wackeln fürchterlich, merklich schlimmer noch als z.B. beim microKorg XL/ + und die Knöpfe haben zwar einen definierten Druckpunkt, aber die Kappen der Taster haben viel zu viel Spiel in der Frontplatte, sodass diese beim Drücken hin und her wackeln. Das Spielen auf der 303-Klaviatur ist zwar theoretisch möglich, aber in der Praxis ohne MIDI-Keyboard nicht ratsam. Vor allem auch, weil die Reaktionssicherheit der Klaviatur nicht zuverlässig ist. Obwohl die darunter liegenden Bauteile, wie Druckknöpfe oder Potis, sich nicht sonderlich von den Standardbauteilen in anderen Geräten unterscheiden, wie sie zum Beispiel in Korgs monotribe verbaut werden, könnte der gefühlte Wertigkeitsunterschied kaum größer sein.
An Reglern befinden sich bei dem Gerät zwei für den Cutoff und die Resonanz des Mulitmode-Filters auf der linken Seiten, drei frei definiebare, sogenannte Expression-Regler unter dem Display und auf der rechten Seite, einer für Tempo und für das Lautstärkefilter, das irreführenderweise mit der Bezeichnung Volume beschriftet ist.
non-SIDitur
Originale Commodore C-64 „Brotkisten“ werden allmählich rar, denn die Soundchips, die ICs 6581 und 8580, sind sehr begehrt in gewissen Musikerkreisen für Modding/DIY-Projekte. Auf Ebay gibt es Einzelbestände der Chips für ca. 30,- Euro das Stück. Warum das hier interessant ist? Nun, der Mode Machine SID basiert auf der SwinSID Hardware Emulation, die der Amtel ATmega Mikrocontroller verwendet. Dieser Controller ist sehr bekannt z.B. vom Arduino Projekt und vielen anderen Kleinserien-Krachmachern. Auch die Monnome MIDI-Controller greifen gerne auf ihn zurück. Die SwinSID Schaltung bietet für die Emulation eine moderne Interface-Schnittstelle, mit der sich gut programmieren lässt. Obwohl einige alte Hasen wahrscheinlich damit argumentieren werden, wie viel besser doch Peeks und Pokes und Assembler waren.
Eigentlich ist das SwinSID noch nicht mal eine „echte‟ C-64 SID Emulation, sondern ein Wavetable-Synthesizer, der sehr genau auf die Schwingungsformen des C-64 abgestimmt wurde. Dementsprechend stehen auch noch weitere Schwingungsformen zur Verfügung, die jenseits der Möglichkeiten des C-64 liegen. Laut Mode Machines liegt die Exaktheit der Klangemulation bei ca. 95% im Vergleich zu Originalsound von 6581 bzw. 8580. Die Angabe bezieht sich aber auch auf die Gesamtstabilität des Systems. Die SwinSID Hardware gibt dem SID daher auch drei Stimmen und das Betriebssystem zwei Sequencer-Spuren. Die zwei Synthesizer-Stimmen der Synthie-Spur können zwar unabhängig editiert, aber nicht unabhängig, d.h. nur monophon, gespielt werden. Die Wavetable-Drums stehen auf der zweiten Sequencer-Spur bereit. Die SID hat noch einen Play-Modus, in dem der Sequencer zwar inaktiv ist, dafür aber der Synthie dreistimmig gespielt werden kann. Dazu später noch mehr.
Modding Umbau der SID Box
Warum die Marktpreise der Soundchips des C-64 wichtig sind, kommt nun daher, dass der SwinSID für diese Chips einen eigenen IC-Sockel bereitstellt, mit dem die Emulation durch einen echten 6581 oder 8580 ersetzt und dann auch über die Programmierschnittstelle angesprochen werden kann. Entgegen einigen früheren Ankündigungen bei Präsentationen von Mode Machines, werden die C-64 Chips nicht standardmäßig schon mit SID ausgeliefert. Um den Soundchip allerdings selbst einzubauen, darauf weist das Handbuch ausdrücklich hin, muss nicht nur das Gehäuse geöffnet, sondern auch auf der Platine gelötet werden, weil die Chips noch einen zusätzlichen Kondensator brauchen, der jeweils auf den Chip abgestimmt ist.
Da das Gehäuse für den Einbau zu öffnen ist, ist das alles andere als anwenderfreundlich. Wenn man nur die Plexiglasfrontplatte abschraubt, fällt die Hauptplatine ins Gehäuse und man bekommt sie nicht raus. Öffnet man das Gehäuse von der Unterseite her, stellt man fest, dass das Verbindungskabel zwischen der Hauptplatine und dem I/O-Bord nicht nur viel zu kurz ist, um die Gehäusehälften bequemen nebeneinander legen, um anständig arbeiten zu können, sondern auch noch fest mit den Platinen verlötet ist. Also muss das I/O-Board, das nur in der Gehäuserückseite festgeklemmt ist, mit erheblicher Krafteinwirkung ebenfalls herausgezogen werden, um dann mit der Hauptplatine entnommen werden zu können. Ein Abrutschen kann hier also leicht zum Kabel-, wenn nicht gar zum Platinenriss führen. Anders ist aber das Einsetzen des ICs und das Verlöten der Kondensatoren nicht zu bewerkstelligen, denn der Sockel befindet sich nicht etwa auf der Rückseite der Hauptplatine, sondern auf der Vorderseite bei den Bedienelementen. So ist die völlige und umständliche Demontage unumgänglich und man kann nur hoffen, dass man das nur einmal machen muss. Der Rotstift hatte hier eindeutig zuviel Auslauf.
SID-Software
Die frei downloadbare SID Librarian Software für Windows, OS X und Linux in 32 und 64 Bit ist ein sehr geradliniges JAVA-App und erlaubt die angenehme Bedienung des SID in Echtzeit. Die Software besteht aus bisher drei Unterseiten. Die erste Seite ist für die Modulation und Synthie-Stimmen zuständig. Im „CRT-Bildschirm‟ lassen sich mit der Maus direkt die vier Modulations-Schwingungsformen einzeichnen. Durch Betätigung des Draw-Buttons wird zwischen den vier Modulations-Schwingungsformen umgeschaltet.
Unter dem Bildschirm sind die Modulation-Slots, die auf 13 Ziele wirken können, als da wären die Modulationsgeschwindigkeiten der Slots selbst, Pulsbreiten und Cut Off. Wird Course (Tuning) als Ziel ausgewählt, wird der Raster auf dem CRT zum Noten-Sequencer mit dem sich bequem Notenverläufe für Arpeggios erzeugen lassen.
Mit Waveform wird geht es eine Ebene tiefer zu den Wavetables und es können mit den Grundschwingungsformen Sequenzen erstellt werden.
Unter den Modulations-Slots befinden sich die beiden Multischwingungsform-Ozillatoren für die beiden Synth-Stimmen. Beim SID können nicht nur alle Schwingungsformen auf einmal benutzt werden, sondern lassen sich auch per Ringmodulation gegenseitig modulieren. Zu den beiden Synthie-Stimmen ist zu sagen, dass diese zwar ihr eigenes, unabhängiges Set von Klangparametern haben, aber trotzdem nur monophon gespielt werden können. Die dritte Stimme ist den Percussions zugeordnet, zu denen wir gleich kommen. In der Mitte befindet sich das Multimodefilter mit Hoch-, Band- und Tiefpassfilter. Das Filter kann für die einzelnen Stimmen separat zugeschaltet werden.
Unter der Klangerzeugungs-Sektion befinden sich die drei frei belegbaren „Expression-Regler‟ der Hardware. Diese können für jeden Sound individuell mit den Parametern der Klangerzeugung, der Modulation oder des Filters belegt werden.
Am unteren Fensterrand befinden sich dann die Auswahl für den MIDI-Port und die vier Hazard-Regler, mit denen sich dei Größe der Zufallseinwirkung auf die Modulatorenwerte einstellen lassen.
Die Drums werden im WT-Panel editiert. 24 Wavetables, zusammengesetzt aus 12 Segmenten, stehen zur numerischen Konfiguration mit der Maus zur Verfügung. Jedes Wavetable ist 110 ms lang und jedes Segment 10 ms. Die Parameter Tonhöhe, in Halbtönen, Pulsbreite, Schwingungsform und ADSR stehen zur Verfügung. Die Editiervorgänge können direkt durch Betätigen der Space-Taste auf der Computertastatur angehört werden. Es sollte noch erwähnt werden, dass weiße Schwingungsformnamen ein offenes Gate bedeuten und rote ein geschlossenes.
Zuletzt gibt es der Nerd-Modus, mit dem man die Adress- und Datenregister des SID-Chips nach Belieben an- und ausschalten kann. Hier sollte man ein gewisses Verständnis für die Funktionsweise des SID IC-Schaltung haben, um gezielt operieren zu können. Ansonsten kommt schnell Datenmüll dabei heraus.
Ein Sequencer ist wohl in Planung, war bei Testlegung noch nicht fertiggestellt.
SID Klangmodi
Der SID hat zwei individuelle Spuren für den Sequencer, eine für das Instrument und die andere für die Drums. Im Instrument-Modus findet die Bedienung auf drei Ebenen statt: Sounds, Pattern und Tracks, wobei mit Tracks die Patternabfolgen gemeint sind und nicht etwa die Stimmenspuren. Alle Modi haben dann noch zwei Sub-Modi, die mit „Edit‟ und „Play‟ umschrieben werden können. Im Sound/Play-Modus lässt sich der SID dreistimmig spielen, theoretisch über das eingebaut 303-Keyboard, effektiv nur über ein MIDI-Keyboard. Im „Edit‟ Modus lassen sich die Sounds auswählen und mit „RUN“ laden. Soweit die Expression-Regler belegt sind, lässt sich dann natürlich auch am Klang schrauben. Das Instrument kann auch transponiert werden.
Im Pattern Modus lassen sich die Steps per Step-Programmierung am Gerät programmieren und mit dem REST-Taster werden Schritte stummgeschaltet. Zusätzlich lassen sich noch Pattern-Länge und -Geschwindigkeit festlegen. Diese beiden Parameter lassen sich für jedes der 16 Pattern für Instrument und Drum separat einstellen, wobei die Geschwindigkeit über die gängigen Taktteiler x2, x4 und x8 variiert werden kann. Eine Funktion zum kompletten Löschen eines Patterns gibt es nicht. Im Track-Modus werden schließlich bis zu 16 Pattern zu einem von 32 Tracks zusammengebaut. 303-Kenner werden sich erinnern.
Was sich auf dem Papier recht einfach anhört, ist in der Realität eine recht umständliche und aufreibende Angelegenheit. Nicht nur weil die Reaktionssicherheit den wobbeligen Tasten unzureichend ist, sondern auch weil die Belegung der oberen und unteren PREV- und NEXT-Tasten nicht wirklich konsistent ist. Gut, die oberen kontrollieren immer die nächst höhere Strukturebene, d.h. im Sound-Modus wird oben der Sound ausgewählt und unten die Transponierung, im Pattern Modus werden oben die Pattern-Nummer eingestellt und unten die Step-Nummern, Im Track-Modus wird oben der Track-Step eingestellt und unten die Pattern-Nummer. Die Struktur ist klar.
Aber z.B. lassen sich die Pattern nur durchsteppen, während man die 100 Instrumente durch Halten der Taste durchfahren kann. Das Durchfahren der Pattern war im Test besonders wünschenswert, da ein Bug in der V2.20 Firmware beim Pattern editieren selbiges immer auf Nr. 32 setzte, so dass man immer zurück steppen musste. Insgesamt hätte man anstelle der Prev/Next-Taster wirklich einen Encoder nehmen können, das wäre elegant gewesen. Auch hatte das 303-Keyboard schon während des normalen Betriebs Aussetzer und war nicht unbedingt das, was man flink nennt.
Hi Markus.
cooler Test! Und schwieriges Thema.
Aus Käufersicht ist das ein teuer Spaß. Wenn ich von – nehmen wir das einfach mal an – 200 mal 700.- Euro minus Märchensteuer, Handelsspanne, Versand-, Verpackungs-, Dokumentations- und Werbungskosten eine Soft- und Hardware entwickeln und letzere in kleiner Stückzahl irgendwo produzieren lassen oder gar selber zusammenlöten müsste, um nebenher noch Wohnklo, Volksküche, Strampelhöschen und ab und zu die neue Krokotasche meiner Freundin bezahlen zu können … dann würde ich vielleicht vor lauter Nervosität auch zu große Vierecke in die Plexiplatte zeichnen, überall viel zu kurze Kabel nehmen, an Pfostensteckern sparen und meine – upps – Software, die würde irgendwo bei 0.31beta versanden. Ab dem Zeitpunkt müsste ich mich nämlich schon dem nächsten Projekt widmen.
In Wahrheit lasse ich es gleich ganz, freue mich aber, dass es immer noch so viele Enthusiasten gibt, die es doch tun. Ja, und meckern tu ich dann natürlich, yeah!;)
Ich fürchte, man muss heute wirklich bei Mama wohnen oder Korg heißen, um solche Projekte so richtig zur „Serienreife“ zu bringen…
Ein guter Bericht. Aber dieses Produkt ist grad wegen des Preises
jetzt schon gescheitert.
Da fährt man mit einer guten Softwarelösung wesentlich besser.
@E.T. Dem kann ich nur zustimmen. Und gerade im 8bit Soundbereich gibt es extrem gute freie Software.