Britisches Kilowatt im Regieraum!
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Wer sich mit den großen Namen der Studio-Beschallungstechnik auseinandersetzt, wird früher oder später auf den Namen Roger Quested stoßen. Der sehr zurückhaltende britische Gentleman prägt mit seinen Quested Lautsprechern gleich mehrere Dekaden der Rock-/Popmusik und konnte Credits in der Zusammenarbeit mit Namen wie The Rolling Stones, Pink Floyd, The Kinks, Paul Simon, Cat Stevens, Rick Springfield und Led Zeppelin in seinem Lebenswerk vermerken. Ein Mann seines Kalibers kennt daher auch noch die großen „Aufnahmetempel“, denen ein Studio seiner Zeit glich und welche aufgrund der gigantischen Umsätze, die seiner Zeit noch mit Musik erwirtschaftet werden konnte, je nach Inhaber einem Schlaraffenland der Tontechnik glich. Regieräume boten Platz für mehr als 3 Personen, so dass es zur Selbstverständlichkeit gehörte, mindestens eine ordentliche Midfield-Abhöre im akustisch optimierten Raum zu platzieren. Eben eine solche Abhöre mit der Bezeichnung Quested VQ3110 liegt uns heute zum Test vor.
Konzept und Konstruktion der Quested VQ3110
Noch bevor ich die beiden Studiomonitore sehen konnte, war mir schon bewusst, um was für ein Kaliber es sich bei den Quested VQ3110 handeln sollte. Zwei massive Kartons, jeder über 40 kg schwer, wollten erst einmal ihren Weg in meine Meadow Studios finden. Mangels freundlicher Mitarbeit einiger Kollegen, sah ich mich gezwungen, die 40 kg scheren Boxen alleine auf die Boxenstative zu heben und glaubt mir, selten war ich so froh, in den letzten Jahren ein regelmässiges Fitnessprogramm absolviert zu haben. Mit den Abmessungen 380 x 600 x 360 mm sind die Gehäuseausmaße noch vergleichsweise moderat, was aber nichts an den massiven inneren Werten des Systems änderte.
Bereits hier kann sich der erfahrene Leser denken, wo und wie diese Monitore ihren Verwendungszweck finden, für den interessierten Einsteiger hier noch einmal kurz die Eckpunkte. Mit einer Leistung von 700 Watt an einem 10“ Tieftöner, 200 Watt an einem 3“ Mitten-Soft-Dome und ebenfalls 200 Watt an einem 1,125“ Soft-Dome-Hochtöner ergibt es keinen Sinn, die Monitore in einen Raum zu stellen, der nicht mindestens über eine Grundfläche von ca. 40 – 50 qm, besser mehr verfügt. Nicht, dass man diese Monitore, die eine Leistung von ca. 1 KW und einen Schalldruck von max. 120 dB offerieren, ständig bei 110 dB fahren muss, aber Lautsprecher dieser Größenordnung müssen „atmen“, um ihren vollen Klang ausspielen zu können. Geht man von einer Sitzposition eines Nahfeldmonitors aus, donnern einem die Lautsprecher bei mittleren bis höheren Lautstärken dermaßen ins Gehör, dass die „Eigenkompression“ des Gehörs einsetzt und man faktisch keine neutrale Wahrnehmung über Dynamik und Frequenzen mehr hat. Gut zum „auf dicke Hose machen“ vor branchenfremden Dritten, aber für ihre eigentliche Funktion völlig ungeeignet.
Bei einem Grundpreis von knapp 4.000,- Euro pro Box erledigt sich die Budget-Planung aber wohl ohnehin für einen Großteil der interessierten User, denn wer bereit ist, 8.000,- Euro für ein Paar Monitore auszugeben, hat mit Sicherheit auch einen akustisch optimierten Raum gebaut, in dem er das Potential einer Abhöre dieser Größenordnung ausspielen kann.
Das Gehäuse der Studiomonitore
Wer bis jetzt noch nicht mitbekommen hat, aus welchem Land die Quested VQ3110 kommen: Bei einem Blick auf das äußere Erscheinungsbild wird es einem schlagartig bewusst, diese Boxen können nur aus UK stammen. Ich möchte mich ungern zu einer optischen Bewertung der Quested Monitore hinreißen lassen, aber die Menagerie aus dunkelblauer Rückseite und schwarzem Restgehäuse, eingepackt in eine Lackierung nebst „hemdsärmeligem“ Erscheinungsbildes, das deutlich häufiger in der Live-Beschallung zu finden wären, haben zwar einen optischen Wiedererkennungswert, machen aber optisch meines Erachtens nicht allzu viel her. Erst recht, wenn man sich den Ladenpreis der Boliden vor Augen führt. Dies ist jedoch reine Geschmacksache.
Verarbeitungstechnisch sind keine Fehler zu entdecken, alle Komponenten sind sauber verarbeitet und bieten keinen Grund zur Kritik. Im Gegensatz zu vielen anderen Monitoren, besitzt die Quested VQ3110 zwei Bassreflexöffnungen jeweils rechts und links vom Hochtöner platziert, was ein leicht verändertes Abstrahlungsverhalten offeriert. Quested weist in seinem Handbuch explizit darauf hin, die Sitzposition des Engineers so zu optimieren, dass das Gehör sich in einer Linie mit dem Hochtöner befindet. Allein schon dieser Anspruch lässt sich in einer Nahfeldposition nicht wirklich adäquat umsetzen. Was man latent im Hinterkopf haben sollte, ist gerade im Bezug auf das Gewicht der Monitore, dass man sich Aufstellungs- respektive eines eventuell anfallenden Umstellungsprozesses Hilfe holt. Insbesondere die Soft-Dome-Kalotten des Hoch- und Mitteltöners laufen ständig Gefahr, in einem unachtsamen Augenblick eingedrückt zu werden, da es keinerlei Schutz gegen äußere Einwirkungen für besagte Lautsprecher gibt.
Bei Aktivierung des Systems leuchtet der auf der Vorderseite angebrachte Standby-Schalter kurz rot auf, um dann während der Aufwärmphase in ein „pumpendes“ Blau überzugehen. Nach Abschluss dieser Phase leuchtet die LED durchgehend blau. Sollte es einmal aufgrund der Lautstärke zu einem Leistungslimit kommen (was ich mir bei dem System beim besten Willen nicht vorstellen kann), leuchtet die LED durchgehend rot.
Welche Anschlüsse bietet die Quested VQ3110
Die Rückseite der Quested VQ3110 ist neben der Tatsache, dass sie traditionell im typischen Quested Blau gehalten ist, sehr aufgeräumt und selbsterklärend angelegt. Eine einzige XLR/TRS-Kombibuchse offeriert den Eingangsbereich, auf RCA wurde aus verständlichen Gründen verzichtet.
Der Tieftöner kann mittels einer vertieft angebrachten Stellschraube um -3 dB, -9 dB und +1 dB nachjustiert werden, die Hoch- und Mitteltöner hingegen können mittels je 2 DIP-Schaltern je +/- 1 dB angehoben bzw. abgesenkt werden. Zusätzlich gibt es noch einen ebenfalls versenkt eingebauten Input-Level-Regler, den On/Off-Schalter und die Kaltgerätebuchse nebst Feinsicherung. Für die technisch Interessierten ist zusätzlich ein Schaltdiagramm für den Signalfluss aufgedruckt. Wie gesagt, sachlich, klar und selbsterklärend.
Die Quested VQ3110 in der Praxis
Der eine oder andere wird sich im Absatz davor gefragt haben, warum die Tieftönerabsenkung der Quested VQ3110 mit bis zu -9 dB zu Buche schlagen kann. Bereits bei den ersten Tönen, die aus dem Monitor ertönen, wird diese Frage umgehend beantwortet. Der mächtige 10 Zöller haut einem die Bässe in der Tat dermaßen fett um die Ohren, dass man nicht im Traum auf die Idee käme, hier nach einem Subwoofer zwecks eines zusätzlichen Anschlusses Ausschau zu halten. Im Gegenteil, wenngleich der sehr druckvolle Basssound umgehend viel Körperlichkeit und damit einhergehend mindestens auch ebenso viel Spaß verbreitet, kann es je nach Raumabmessungen oder persönlichen Vorlieben schnell etwas zu viel des Guten werden, insbesondere wenn man auf klassische Nahfeldmonitore eingehört ist. Von daher sind -9 dB schon eine ordentliche Hausnummer, können aber je nach den persönlichen Präferenzen tatsächlich sinnvoll sein.
Der generelle Klang der Quested VQ3110 könnte britischer kaum sein, will heißen, die Box färbt das Klangmaterial ein wenig ein, allerdings im besten Sinne. Ähnlich wie man auch anderen britischen Produkten wie zum Beispiel Neve einen im besten Sinne sehr „eigenen“ Klang attestiert, verfügt auch die Quested VQ3110 über eine überaus charakteristische Klangfärbung, die allerdings abhängig vom eingespeisten Signal den Wohlfühlcharakter deutlich steigert. Achtet man auf die im Handbuch nahegelegte Sitzposition, überzeugt das System durch eine sehr feine Mittenwiedergabe, die insbesondere gitarrenlastigen Produktionen zugute kommt. Das 3-Wege System kann hier mit einer deutlich gleichmäßigeren Wiedergabe als ein 2-Wege System punkten. Auch der Hochtöner weiß zu gefallen, allerdings ist die Wiedergabe sehr „schmeichelnd“ und weniger analytisch, als man es von vergleichbaren Systemen her kennt, eben sehr „britisch“ im besten Sinne.
Was die Quested VQ3110 natürlich deutlich von vielen Konkurrenten abhebt, ist der extrem starke Headroom, den das System bei Bedarf bietet. Mich erinnert das Verhalten ein wenig an einen Tesla, mit dem man im Normalfall gemütlich mit ca. 120 km/h über die Autobahn säuselt, wissend, dass man in einer brenzligen Situation jedes andere Fahrzeug bzgl. Beschleunigung locker in den Schatten stellen kann. Auch die Quested VQ3110 hinterlässt bei normalen Abhörlautstärken zwischen moderat und leicht ambitioniert einen sehr entspannten Eindruck, wissend, dass man mit diesem System auch einmal kurz den Klang seiner Produktion im OpenAir-Bereich oder aber im angesagten Szene-Club morgens um 2 Uhr, wenn schon alle abgefüllt sind, auf Praxistauglichkeit prüfen kann.
Alles in allem überzeugt die Quested VQ3110 klanglich auf ganzer Linie und bietet auch für größere Regieräume eine adäquate Beschallung, die mittels eines überragenden Basses und einer feinen Mittenauflösung zu überzeugen weiß!
Interessant wäre, wie sich die Quested V3110 im Vergleich zu den Neumann KH 420 verhalten.
@tandem Kann ich dir leider nicht sagen, ich habe die Neumann bisher nicht getestet.
@tandem Vermutlich würden die Quested die Neumänner in der Pfeife rauchen. ;)
@Roy Mustang Warum?
Wurde hier nun die alte v3110 oder die neue vq3110 besprochen? Verstehe den Mix der Bilder und Bezeichnungen nicht…
@Kabel Der Author hat offensichtlich die neuen VQ3110 getestet, war aber ob des Umstandes, dass Roger seine Homepage nicht aktuell hält, selbst verwirrt…
Die VQ wurden zuerst vor Monaten in den chinesischen (Schina!) Markt eingeführt, die deutsche Generalvertretung hat sie offenbar jetzt auch schon. Thomann nicht.
Mittel-/Hochtonbereich wurde verstärkt, auch neuer Hochtöner, da einige Minderbudgetbemittelte unbedingt ein Mittelfeldsystem als Hauptabhöre einsetzen wollen.
Quested ist was für Erwachsene. Profipreis, Profiqualität.
@Kabel Hallo @Kabel,
sorry, da sind in der Tat ein paar Bezeichnungen durcheinander geraten, es handelt sich um den Test der VQ3110.
VG
Ich bin von Adam S3a auf die Neumann KH310, von den KH310 auf Focal Trios und von den Trios auf Quested v2108 gewechselt. Allein das 2 Wege System von Quested hat für mich alles bisher gehörte in die Tasche gesteckt.
Seit fast zwei Jahren arbeite ich nun mit den v3110.
Ich kann Quested nicht hoch genug loben, sie sind wirklich jeden Euro wert.