Mit Ziricote und Wenge auf Powerstrat Pfaden!
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Auch wenn man sich wie ich seit über 4 Dekaden mit dem Thema E-Gitarre auseinandersetzt, es gibt sie noch, die kleinen Überraschungen, wenn man ein Instrument das erste Mal in die Hand nimmt. So unlängst geschehen bei der Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote, welche mir aktuell zum Test vorliegt. „Aha, eine klassische Powerstrat“ dachte ich mir, bis ich das Instrument aus der Verpackung hob.
Die Holzauswahl der Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote
Gefühlt ist fast jeder Hersteller ist auf der Suche nach leichten Hölzern. Man könnte glauben, jeder Gitarrist hätte einen schweren Bandscheibenvorfall und dürfte auf Anraten seines Arztes nicht mal mehr ein Paket Mehl hochheben. Maximal 3 kg scheint die magische Grenze zu sein, mit der man ein Instrument heutzutage überhaupt noch an den Mann bringen kann, was zu solch kruden Experimenten wie „Chambered Bodys“ führt und nur selten den klanglichen Charme des Originals hinüberretten kann. Und dann kommt Schecter daher und bringt eine Powerstrat auf den Markt, welche laut meiner Küchenwaage mit fast 4,5 kg zu Buche schlägt!
Wohlgemerkt, eine Powerstrat, welche sich zum Beispiel im Hause Ibanez nahezu immer mit einer 2 vor dem Komma rühmt. Was bitte lässt die in Südkorea gebaute Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote gewichtstechnisch dermaßen um fast 100 % gegenüber einer Ibanez Gitarre zulegen? Die Ursache ist in der Holzauswahl des Korpusses und der Decke zu suchen, welcher aus dem afrikanischen Black Limba für den Korpus und dem mir bisher unbekannten mittelamerikanischen Holz Ziricote für die Decke zu suchen ist. Das Holz Ziricote ist nach dem deutschen Botaniker Euricius Cordus benannt, der von 1486 bis 1535 lebte. Der in Südamerika vorkommende Baum ist nicht sehr groß, er wird bis zu 27 m hoch und erreicht einen Stammdurchmesser von 0,8 m. Der Stamm ist gerade und astfrei. Oft wird er aber von seinen Nachbarn im Wachstum gehemmt und bleibt wesentlich kleiner.
Ziricote ist ein sehr markantes Holz, welches in seiner Beschaffenheit in etwa mit Palisander zu vergleichen ist. Das Holz ist satt dunkelbraun und weist dünne, schwarze Wellenlinien auf. Ziricote ist sehr hart, kräftig, recht schwer und damit im Instrumentenbau eher in der zweiten Reihe zu finden. Zudem ist es vergleichsweise teuer im Einkauf und damit für die Massenproduktion eher ungeeignet. Es ist auch schwierig zu trocknen, da es eine starke Neigung zu Oberflächenrissen hat. Nach dem Trocknen hat es jedoch ein sehr hohes Stehvermögen und wird daher zum Beispiel auch sehr gerne zur Herstellung von Gewehrschäften verwendet.
Auch die restliche Holzauswahl der Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote ist alles andere als handelsüblich. So wird für den Hals zum Beispiel Wenge mit Carbon Fiber Reinforcement Rods verwendet, alles in allem eine sehr massive Erscheinung, was bereits im Trockenmodus trotz des geschraubten Halses mit einem sehr langes Sustain aus sich aufmerksam macht. Um das farbliche Zusammenspiel der Decke mit dem Griffbrett anzugleichen, wurde das Griffbrett aus Ebenholz gefertigt, wobei es sich jedoch um eine vergleichsweise helle Variante handelt.
Das Instrument, welches in Südkorea gefertigt wird, ist satiniert lackiert, was Schecter zur Finish Bezeichnung „Faded Vintage Sunburst Satin“ animierte. Was jetzt genau an diese Lackierung als „Sunburst“ ausgewiesen werden soll, erschließt sich mir leider nicht, es sei denn, es wäre ein sehr, sehr dunkler Stern. Für die Seitenmarker wurden Luminlay Glow in the Dark, für das Griffbrett Offset/Reverse Circles verwendet. Das Instrument hat die lange Mensur von 25,5″ (648 mm), wobei der Hals ein vergleichsweise dünnes „C“ als Profil ausweist.
Die Dicke des Halses ist mit 1st Fret- .787″ (20 mm) bis 12th Fret- .866″ (22 mm) als vergleichsweise schlank zu sehen, hat aber immer noch mehr „Fleisch“ als was man allgemein hin unter der Bezeichnung Powerstrat Hals versteht. Das Griffbrett verfügt über 24 X-Jumbo Stainless Steel Bünde, was dazu führt, dass der Halstonabnehmer ein wenig aus dem mir persönlich bevorzugten Bereich unterhalb des 24. Bundes herausrutscht. Der Griffbrettradius weicht mit den Werten 12″ (305 mm) -16″ bis (406 mm) Compound-Radius auch etwas von der ultra-flachen Ausführung ab und erleichtert so das Barrespiel ungemein. Auch die Nut Width von 1,625″ (41,3 mm) ist vergleichsweise moderat ausgelegt.
Schecter hat sich beim Trussrod auf einen 2-Way Adjustable Rod festgelegt, welcher am Halsfuß mittels eines Spoke Wheels zu justieren ist. Wenngleich die elegante Optik des Instruments ein wenig unter der vergleichsweise grobschlächtigen Ausführung des Stellrades leidet, so bin ich doch ein großer Freund dieses Zugangs, da sich der Hals binnen Sekunden ohne speziellen Inbusschlüssel einstellen lässt. Zudem erhält der Hals eine zusätzliche Stabilität, da die Schwächung des Halses an dem ohnehin schon kritischen Hals-/Kopfplattenübergang deutlich geringer ausfällt als bei dem sonst üblichen Zugang über die Kopfplatte.
Hardware und Pickups der Schecter
Wie es sich für eine typische Powerstrat gehört, ist die Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote natürlich mit einem Floyd Rose Vibratosystem ausgerüstet, wobei es das Instrument auch ohne Vibratosystem mit der Bezeichnung HT (Hard Tail) zu erwerben ist. Bei der Vibrato-Variante wurde ein Floyd Rose aus der 1500 Serie verbaut, welches bei dem werksseitig verbauten 009er Satz mit 3 Federn in der Waagerechten gehalten wird und mit dem passenden Klemmsattel geliefert wird. Um auch exzessive Up-Bendings mittels des Vibratosystems umsetzen zu können, ist das System unterfräst und mit einer Schicht aus Schaumstoff gegen unvermitteltes Aufsetzen der Stimmhebel gesichert.
Die gesamte Hardware ist in Schwarz gehalten, bestehend aus Grover Rotomatic 18:1 Tunern, dem Vibratosstem und je einem Speedknob für Mastervolume und Mastertone. Als Pickups kommen als Bridge-Pickup ein Schecter USA Sunset Strip™ und als Neck-Pickup Schecter USA Pasadena™ zum Einsatz. Geschaltet werden die beiden Pickups über einen 5-Wege-Schalter, welcher neben den Standards erwartungsgemäß auch eine Spulenanzapfung in den Positionen 2 und 4 ermöglicht. Die gesamte Elektrik wird im Strat-Style auf einem einschichtigen, schwarzen Hochglanz-Pickguard montiert, welcher mit 11 Schrauben auf dem Korpus verschraubt wurde.
Die Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote in der Praxis
Nimmt man die Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote das erste Mal in die Hand, mag es bei dem einen oder anderen zu ein wenig Verwirrung kommen, insbesondere, wenn man das Wort Powerstrat fallen lässt. Haptik, Handhabung und vor allem das Gewicht lassen nur wenig Assoziationen zu Ibanez, Charvel oder Kramer aufkommen, sondern schubsen den Spieler mehr in Richtung „echter“ Strat auf Steroiden. Selbiges soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass musikalisch alles zu realisieren ist, was man sich von einer Powerstrat wünscht. Die ungewöhnliche Holzauswahl bietet einen interessanten Grundklang, welcher vom Resonanzverhalten her in der Tat manchmal mehr Richtung E-Bass tendiert, als man es größtenteils in der E-Gitarrenklasse gewohnt ist.
Was mich persönlich nicht ganz überzeugt, ist die Pickupwahl der Schecter Sun Valley Super Shredder Exotic FR Ziricote. Ich weiß nicht, ob Schecter tatsächlich eine eigene Wickelmaschine angeschafft hat oder die Pickups eventuell als OEM fertigen lässt, aber insbesondere im High-Gain-Bereich klingen die Pickups vergleichsweise „schmalbrüstig“. Statt des gerne genommenen weichen, hoch komprimierten Sounds anderer passiven Konkurrenten, bleiben die beiden Hausmarke-Pickups auch im hohen Gain-Bereich immer noch leicht „sperrig“ oder den nötigen Charakter, der entsprechende Markierungen setzt.
Was im Crunch-Bereich noch zu einem guten Durchsetzungsvermögen verhilft, wirkt spätestens ab dem Lead-Bereich etwas „kantig“ und konnte etwas mehr Geschmeidigkeit vertragen. Bis auf diesen Punkt überzeugt mich die Gitarre jedoch auf der ganzen Linie. Verarbeitung, Hardware, Sustain und Haptik bieten ein eigenständiges Konzept, welches vielen Gitarristen einen interessanten Spagat, welcher zwischen einer traditionellen 3-fachen Singlecoil und einer hochgezüchteten Steroid-Lösung punkten kann.
Schön geschriebener Testbericht, man hat sofort Lust die Gitarre zu spielen 👍🏻