Neuer Schrittmacher gefällig?
Eine Liebeserklärung
Sequentix Cirklon Stepsequencer – was soll ich dazu sagen, bin ich doch jetzt schon ganz nass von den Tränen, die meine Begeisterung auf meine Wangen gleiten lässt, alsbald dieser Name erklingt.
Ist es doch das Herz unseres Studios, das nun seit drei Jahren tüchtig MIDI durch die Kabel pumpt. Sie ahnen es, lieber Leser, weil Sie wissen: Das Herz ist ein Begriff, der in seiner Symbolik weit über die reine Funktion referiert. Ceci c’est pas une pipe! Man hat beispielsweise ein Herz für die Liebste, oder – im Fall des Nerds – ein Herz für das Liebste. Daher wird es mir wohl nicht möglich sein, die ansonsten bei Schweizern tief verankerte Neutralität zu wahren, verzeiht man seinem Allerliebsten doch auch, wenn es mal ein wenig kompliziert tut. Man vergisst, wenn das Schätzlein in dessen Erklärungen mal ein wenig unverständlich war oder wenn man gezwungen ist, sich mit des Schätzleins kleinen Unvollkommenheiten zu arrangieren. Die verliebten Momente sind es, die eine Beziehung tragen und ich bin auch nur ein einfacher Mann: Darf ich rumspielen, bin ich glücklich.
Verarbeitung des Sequentix Cirklon
In der Grundausstattung kostet „mein Schatz“ allerdings 1.600 Euro. Für die Variante mit CV/Gate Anschlüssen sind aktuell 1.850 Euro zu bezahlen.
Der hohe Preis drückt sich aber auch in der hohen Verarbeitung aus. Schalter und Regler wirken robust und laden zum Arbeiten ein, das Display ist auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen hervorragend abzulesen und das Gehäuse erfüllt meine Erwartungen an echtes Live-Equipment.
Struktur
Der Sequentix Cirklon bietet 32 Spuren. Diese können Pattern mit einer Länge von bis zu 256 beherbergen, wobei ja die Länge für die Lust nicht entscheidend sei, solange die Technik stimmt. Falls Sie anderer Meinung sind: Nebst dem klassischen Stepsequencer Modus bietet das Gerät auch einen Modus, der es erlaubt, in einem Drumgrid-Modus Pattern von beliebiger Länge zu kreieren. Doch nun fertig mit billigem Wortwitz. Kommen wir zu den harten Fakten (falls sich Ihnen auch in diesem Satz noch eine Pointe aufdrängt, möchte ich nichts mit Ihnen zu tun haben. Sie lachen wohl auch beim Wort Blasmusik):
Die klassischen Stepsequencer Pattern (P3), besitzen folgende Parameter: Notennummer, Velocitywert, Notenlänge, Delay, Gate sowie 4 sogenannte Aux-Events. Beim Kreieren eines neuen Patterns sind diese Aux-Events mit Control Change Befehlen bestückt – es lassen sich aber auch andere Aux Events erstellen. Aux Events erlauben auch das Kreieren von dynamischen, selbst-modifizierenden Pattern. Sie „holen“ beispielsweise die Werte anderer Pattern ab, können Zufall und Wahrscheinlichkeiten hinzufügen, Trackparameter und sogar globale Parameter wechseln. Die Verquickungen bringen Freude in altbekannte Beziehungsmuster und sind unglaublich komplex. Daneben gibt es im Sequentix Cirklon neben den soeben beschriebenen P3-Pattern die bereits erwähnten CK-Pattern, bei denen entweder im Sinne einer Drumgrid Werte gesetzt werden können oder aber direkt MIDI aufgenommen werden kann.
Die Pattern befinden sich auf Tracks, die jeweils ein definierbares Instrument beinhalten. Verschiedene Pattern bilden zusammen eine Scene. Diese lassen sich so anordnen, dass ein Song entsteht. Weitere Features sind gemeinsames Editieren von mehreren Noten und Werten. Kopieren, Transponieren oder Rotieren der Sequenz. Für jeden Step lassen sich verschiedene Schrittlängen und Zählzeiten einstellen. Patterns können vorwärts, rückwärts, alternierend, im Pendelmodus oder verschiedenen Zufallsmodi laufen.
Was dann richtig glücklich macht: Von Song zu Szene, von Tracks zu Patterns, sogar zu den MIDI-Ausgängen – alles kann im Sequencer benannt und gespeichert werden. Die Instrumente können, sind sie einmal definiert, auf jedem Track wiederverwendet werden. Auch die entsprechenden Control Changes der einzelnen Synthesizer lassen sich programmieren und speichern. Es braucht also keine kryptische Symbolsprache, damit die Tracks später wiedergefunden werden können.
Anschlüsse
Der Sequentix Cirklon besitzt 5 MIDI Ein- und Ausgänge, die sich beliebig routen oder von USB deren MIDI beziehen lassen. Beliebiges Verteilen des Sync mit verschiedenen Unterfunktionen. Dazu enthält der Cirklon einen Din Sync Out. Mit einer optionalen Steuerspannungs In/Out-Erweiterungsplatine und einer von verschiedenen Breakout-Boxen lässt sich der Cirklon um 16 CV-Ausgänge und 8 Gate-Ausgänge erweitern. Egal ob 1V/Oktave oder Hz/Volt, normales Gate oder S-Trigger, alles kann konfiguriert werden. Feineinstellung der Ausgangsspannungen erleichtert es, einen VCO anzuspielen, der schlecht trackt. Aus dem MIDI/CV-Sequencer Cirklon wird so auch ein luxuriöses MIDI/CV-Interface.
Laut Hersteller wird es demnächst auch ein „Multi-Channel-Percussion-Trigger-Interface“ geben, das dann direkt über das eingebaute USB-Interface angeschlossen und gesteuert wird.
Die Anschlüsse können auf Wunsch von oben auf die Rückseite verbannt werden, um den Sequentix Cirklon sowohl als Desktop als auch als Rack-Version einsetzen zu können. Der Hersteller bietet auf seiner Website ein Video, bei der der einfache Umbau erklärt wird.
Work-Around Sequentix Cirklon
Doch wen interessiert dies alles, zumal ich sowieso nicht mal ansatzweise die Möglichkeiten des Geräts aufzählen kann? Das Entscheidende ist doch, wie sich das Ganze anfühlt und ich kann Ihnen versichern: Wow. An alle Hausnerds, die wie ich auch unter ständiger Angst leben, dass schon bald Zombies die schöne Zeit im Studio zunichtegemacht haben werden, kann ich die frohe Botschaft senden, dass das Gerät auch noch im Topzustand sein wird, nachdem dieses notfallmäßig zur stumpfen Schlagwaffe zweckentfremdet wurde. Das daran klebende Blut ließe sich wohl ohne Probleme mit ein wenig Wasser abwaschen. Beim drohenden Atomkrieg könnte es sich durchaus lohnen, unter diesen zu kriechen und unter ihm Zuflucht zu finden. Kurzum: Gebaut für die Ewigkeit, ausgerüstet mit solider 80er Jahre Programmiertechnik.
Der Sequentix Cirklon verlangt im Gegensatz zu all den neumodischen durch Werbung und Dubstep-Soundpackages schmackhaft gemachten Softwarelösungen weder nach Updates, noch nach Firmware oder irgendwas. Es leidet nicht an Bugs oder an Dingen, die noch nachgeliefert werden. Es braucht keine Treiber, es läuft immer 1A und selbst in 50 Jahren ließe sich das Ding noch einfach per Betätigung des Powerschalters in seinen Laufmodus bringen. Ein Betriebssystem Update ist keine Gefahr. Man erhält Support, ohne dass man sich für den Newsletter interessieren muss. Es ist super verarbeitet, hochpräzise und einfach immer funktionierend.
Dies mag zwar nun nicht so bedeutend klingen, doch ist diese Tatsache eng verwoben mit meinem persönlichen Leidensweg. Auf Kore 2 baute ich beispielsweise damals meine Soundlibrary und dieses gehört nun auf den Sperrmüll. Erwähnte ich meinen Guitar Rig 2 Controller oder mein Korg Zero 8, das nun nicht mehr lauffähig ist seit 10.6.8? Erwähnt sei der Softwareeditor für Radias, der nun nicht mehr funktioniert. Oder der VB-99 von Roland, für den es nun keine Treiber mehr gibt. Man rechne mal die Beträge zusammen.
Was für mich gültig ist, muss ja nicht für alle gelten, doch habe ich das Gefühl, dass wohl schon einige solches erlebt haben. Für mich steht fest: kein Geld mehr für Lösungen, die derart kurzlebig sind. Natürlich ist beispielsweise RME teuer, doch dafür wird man nach einem solchen Kauf nicht alle fünf Jahre genötigt, den alten Schrott gegen neuen Schrott einzutauschen. Mit dem so gesparten Moos lassen sich Geräte für die Ewigkeit kaufen – die Entscheidung nur noch auf solches zu setzten, zahlt sich bei mir jetzt schon aus.
Doch jeder muss selbst wissen, ob er derart viel Geld in ein Ding investieren soll, das keinen Klang von sich gibt. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Natürlich ist dies um so lohnender, wenn der analoge Fuhrpark größer ist. Das Schöne an dem Ding ist die Reduktion aufs Wesentliche und die dadurch resultierende Zukunftssicherheit. Oder die unglaubliche Logik, die sich durch die ganze Struktur des Gerätes zieht. Zwar klingt vieles am Anfang kompliziert, doch sind die Wege dorthin immer logisch. Das Timing, mit dem das MIDI verarbeitet wird ist unglaublich.
Die Tatsache, dass der Cirklon als Schaltzentrale zwischen Computer und Maschine verwendet werden kann, macht diesen pragmatisch. Die Stabilität des Betriebssystems, das seit 3 Jahren keinen Hänger hatte, sei besonders erwähnt. Die Vielseitigkeit, wie damit gearbeitet werden kann, bedarf auch Tribut. Die Livetauglichkeit ist großartig. Die Tatsache, dass durch dieses Gerät sämtliche Synthesizer, die ich besitze, an Möglichkeiten gewonnen haben. Um dies zu untermauern, habe ich alle Sounds mit demselben Synthesizer gemacht (Moog Voyager). Ich könnte mit dem Schwärmen endlos so weitermachen.
Und zu guter Letzt möchten wir Ihnen wie inzwischen üblich, ein ausgewähltes YT-Video präsentieren, bei dem der Cirklon seine Stärken zur Geltung bringt.
Das erste Soundbeispiel wird bei mir nicht abgespielt.
Danke für den Test. Er kommt für mich genau zum richtigen Zeitpunkt. :-)
Sollte jetzt gehen :-)
Mich würde noch interessieren (da es ja auch in der Überschrift angesprochen wird) wie sich das Gerät im Vergleich zum Schrittmacher von Manikin schlägt.
Die Überschrift ergibt sich mehr aus meiner billigen „das Herz“ Allegorie, die den Einstieg in den Test gestaltet. Die Similarität ist zufällig. Tendenziell haben verschiedene Stepsequencer verschiedene Konzepte. Beispielsweise hat der Schrittmacher von Manikin nur 2 Midi-Outs und lässt nicht die Möglichkeiten einer Studiozentrale zu.
Wow, ich kannte das Teil bis jetzt noch nicht.
Meine Gebete wurden erhört…
Das mit der „Liebeserklärung“ kann ich nur zu gut nachvollziehen.
Als langer Liebhaber des Quasimidi Cyber-6 ist das das „Upgrade“ auf das ich gewartet habe.
Habe mich soeben mit auf die Warteliste eingetragen, jetzt muss ich nur noch meiner Frau beibringen das bald ein paar Euros von der Hohen Kante abgehen. ;)
Wurden die Gebete nun von mir oder von Sequentix erhört? Ich fühle mich nun ein wenig göttlicher, danke. Dann wünsche ich eine erträgliche Wartezeit – bei mir war es damals ein Jahr.
Schöner Bericht. Danke schön, dass das hin und wieder einmal Geräte getestet werden, die nicht von einem großen Hersteller kommen.
Für den Schrittmacher würde ich mir eine Art „Chiptuning“ wünschen, die ein paar Schwächen des Gerätes abstellen könnten. Schön wäre eine Songfunktion oder mehr als 16 Schritte pro Sequenzerlinie…
Hallo Roland,
sehr schön. Sequencer kann man nie genug haben :-)
einer der alles kann sollte reichen ;)
Sehr schöner Test, danke! Und ein bisserl Gearporn geht immer.. ;-) Aber Grundgütiger, was sind das für enorme Speaker in eurem Studio? Sehen super aus.
LG aus Luzern
Das sind Tyler Acoustics Decade D1x mit ausgetauschten Hochtönern. Ja sie klingen besser als sie aussehen :-) Grüsse Zurück
So ganz konkurrenzlos sehe ich den nicht: Es gibt noch die uCapps MIDIbox Seq v4. Ist zwar ein DIY-Projekt, kann man sich aber auch zusammen bauen lassen.
Also, diese Kiste kann wirklich als DAW-Ersatz durchgehen. Bin sehr interessiert und werd in Zukunft bestimmt oft überlegen, ob ich wirklich ein DAW-freies Studio einrichten will.
Aber was micht jetzt interessiert: werde mir früher oder später den Korg Radias holen, aber der Software Editor funktioniert nicht mehr? Wieso? Windows?
Hallo Peter,
so ein DAW-freies Studio kann schon Laune machen. Am Wichtigsten ist meiner Meinung nach dabei das Routing der ganzen MIDI In- und Outputs, das Monitoring und die Clock-Distribution. Weniger das eigentlich Feature-Set des Sequencers. Mein Setup bestand damals aus mehreren Stepsequencern die einen RM1X gefüttert haben, plus zwei MIDI-Patchbays. Es hat alles funktioniert wie gewünscht, nur intuitiv war es nicht mehr ;-) Wenn du den DAW-freien Weg gehen magst, schau ganz genau hin, wie der Workflow im Einzelnen aussieht. Alte Kisten wie Standalone MPCs, Roland MC909 oder MV8000 oder besagte Yamahas waren (oder sind) richtig gut auf diesem Gebiet.
Der Cirklon kann sogar 64 Spuren zugleich befeuern!
Auf 5×16 MIDI-Ports, bis zu 8x CV/Gate und 5x USB hat man die freie Auswahl wie man seine Instrumente ansprechen möchte.
Zur Noteneingabe kann in beiden Einspiel/Programmiermodi auch ein externes Masterkeyboard oder ein bereits angeschlossener Synth mit Klaviatur zur Eingabe dienen.
Ganz toll finde ich zB die SCULPT-Funktion: damit kann man in einem Pattern einen Parameter anwählen (Note, Velocity, MIDI-CC, Note-Delay…) und schreibt sich buchstäblich aus dem Handgelenk Werte ins Pattern rein.
-Ich bin geneigt zu behaupten dass dieses Feature auch so manchen CV-Recorder im Modularsystem ersetzen könnte. Ach ja, es muss kein MIDI-CC sein; CV/Gate geht natürlich ebenso. ;-)
303-Lines? kein Problem! einfach ein „P3-Pattern“ öffnen bzw starten, Noten eingeben und mit der Next/Tie Taste SLIDES setzen.
Noch toller: möchte man einen sauberen Werteverlauf von zB Schritt 1-8 haben um das Modulationsrad „zu öffnen“ drückt man Pushencoder 1 nach unten und dreht nach rechts und Pushencoder 8 ebenso gedrückt haltend nach links. Zack fertig!
Könnte hier noch ewig weiterschwärmen. :D
Hallo, kann jemand den Cirklon mit dem Pyramid von Squarp vergleichen? Was gibt es für Unterschiede? Danke!
im in love