Mit naturbelassener Optik auf Explorer Pfaden!
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In der heutigen Zeit, in der die Instrumentenbranche bis zum Anschlag mit Herstellern aller Couleur gesättigt ist, bedarf es wahrlich eines außerordentlichen Durchhaltevermögens, um ein neues Produkt erfolgreich zu etablieren. Folglich verdient YouTube-Influencer Ola Englund, der 2017 eine eigene Gitarrenmarke namens Solar Guitars ins Leben gerufen hat, losgelöst davon, was man von seiner Art der Präsentation halten mag, wahrlich einen großen Respekt. Englund, der einst selbst in verschiedenen Kapellen aktiv war, wechselte aufgrund der wirtschaftlich besseren Aussichten in das Feld der YouTube-Influencer und gründete parallel dazu sein eigenes Unternehmen. Mittlerweile verfügt Solar Guitars über eine breite Palette an Modellen und hat sich in den letzten Jahren insbesondere im Metal-Bereich einen sehr guten Namen erarbeitet. Im Rahmen dieses Artikels wird dieses Mal die Solar Guitars E1.6AAN aus indonesischer Fertigung einer gründlichen Überprüfung unterzogen.
Die Konstruktion der Solar Guitars E1.6AAN
Es ist wahrlich unschwer zu erkennen, dass die optische Grundlage der Solar Guitars E1.6AAN in der Form der Gibson Explorer zu suchen ist, obwohl sich die Modelle in vielen Details voneinander unterscheiden. Ich selbst hegte insbesondere in meinen Anfangstagen eine große Begeisterung für Gitarren der Explorer-Form, jedoch wie viele andere Gitarristen auch, litt auch ich unter der unpraktischen Form, die sich faktisch auf nahezu keinem regulären Gitarrenständer platzieren lässt und zudem sehr unhandliche Kofferabmessungen mit sich bringt.
Während man das Problem der Ablage des Instruments teilweise mit einem Hängeständer bewältigen kann, bleibt die asymmetrische Korpusform eine beständige Herausforderung für jeden Case-Bauer. Trotz der massiven Korpusabmessungen gestaltet sich das Gewicht des Instruments mit knapp 4 kg im Vergleich zu seinem Vorgänger eher moderat, was jedoch auch zum Teil auf die Fräsarbeiten der Evertune Bridge zurückzuführen ist.
Die Solar Guitars E1.6AAN hat einen Korpus aus Erle, welcher wie bei Instrumenten dieser Korpusgröße üblich, aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, in diesem Fall sind es vier Stücke in unterschiedlichen Größen. Um die Aggressivität des Instruments zu betonen, wurde die Korpusform von allen runden Kanten befreit und verleiht dem Instrument eine etwas modernere, leicht SciFi angelehnte Optik. Das klangliche Zentrum des Instruments ist der durchgehende Hals aus Ahorn, der mit einem Ebenholz-Griffbrett ausgestattet wurde.
Die Solar Guitars E1.6AAN verfügt über 22 Bünde aus Edelstahl, was den Vorteil bietet, dass der Halstonabnehmer im Bereich des imaginären 24. Bundes positioniert werden konnte, wo er die besten Obertonschwingungen abgreifen kann. Die Optik des naturbelassenen, wohl aber gebeizten Korpus erinnert mich ein wenig an „Eiche rustikal“, meine Großmutter hatte jedenfalls einen Wohnzimmerschrank, der exakt die gleiche Farbgebung hatte. Dies ist nicht wertend gemeint, aber jegliche schmückende Elemente wie Bindings oder Einlagen wird man an den Solar Guitars E1.6AAN nicht finden.
Die zum Musiker hingewandte Oberseite des Griffbretts wurde mit phosphoreszierenden Dot-Inlays versehen, die im Dunkeln grün leuchten und auf dunklen Bühnen von großem Nutzen sind. Interessanterweise wird die Solar Guitars E1.6AAN mit einer kurzen Mensur von 628 mm geliefert, möglicherweise um die Ausmaße des ausladenden Korpus etwas zu verringern. Die verriegelbaren Mechaniken, welche in einem 18:1 Verhältnis laufen, tragen das Solar-Trademark auf der Unterseite, erinnern mich aber stark an Grover Mechaniken. Vielleicht eine OEM-Zusammenarbeit. Das Instrument wird mit einem Gigbag geliefert, das zumindest einen moderaten Schutz während des Transports bietet. Gegen schwere Schrammen oder abgebrochene Kopfplatten hilft jedoch nur ein massiver Koffer oder ein professionelles Case.
Die Elektronik der Solar Guitars E1.6AAN
Die Solar Guitars E1.6AAN ist erneut mit den sehr beliebten Fluence Modern Tonabnehmern von Fishman ausgestattet. Insbesondere im Metal-Bereich erfreuen sich diese Tonabnehmer einer treuen Fangemeinde, da sie durch einen Switch zwischen zwei Charakteren umgeschaltet werden können. Der Schaltvorgang wird vom Mastertone-Regler übernommen, der als Push/Pull-Regler ausgeführt ist. Die beiden Charaktere der Tonabnehmer sind als „Vintage“ und „Modern“ bezeichnet und bestimmen ihren jeweiligen Einsatzbereich. Jedoch sollte man sich bewusst sein, dass der „Vintage“-Charakter nicht mit einem passivem Humbucker der Vintage-Klasse zu verwechseln ist, sondern nur die Aggressivität der Pickups zurückfährt. Für die allgemeine Lautstärkenkontrolle steht ein Mastervolume-Regler zur Verfügung.
Die Evertune Bridge
Die Evertune-Bridge ist trotz ihrer steigenden Bekanntheit in den letzten Jahren nach wie vor eine Besonderheit im Bereich der Hardware. Die Konstruktion basiert auf einem durchdachten Federsystem, das verhindert, dass sich die Gitarre in irgendeiner wie auch immer gearteten Form verstimmt. Dies bringt Vor- und Nachteile mit sich. Sobald das System für eine bestimmte Saitenstärke eingestellt ist, sind Verstimmungen aufgrund von Temperatur- oder Feuchtigkeitsunterschieden, zu starkem Fingerdruck oder mechanischen Einflüssen ausgeschlossen. Zu Beginn des Systems waren viele Produzenten in ihren Studios sehr erleichtert, da nun auch handwerklich minderbemittelte Musiker im Studio eine saubere Intonation bieten konnten.
Allerdings werden mit dieser Werkseinstellung auch alle Modulationen des Tons, wie Bending oder Vibrato, die den individuellen Klang des Künstlers formen, ausgeglichen, respektive eliminiert. Dadurch wird das Solospiel auf einer Evertune Bridge in seinen Ausdrucksformen stark beschränkt. Es ist jedoch möglich, das System innerhalb seiner Wirkungsweise auch so einzustellen, dass diese Modulationen der Saitenspannung berücksichtigt werden, allerdings erfordert dies eine präzise Justierung, die bei einem Wechsel zu einer anderen Saitenstärke und des damit einhergehenden Wechsels der Saitenspannung neu vorgenommen werden muss.
Trotz guter Justierung bleibt auch nach der Neueinstellung ein gewisses Maß an indirektem Ansprechverhalten, aber das Halten des Tunings trotz widriger Umstände gleicht diese Einschränkung wieder aus. Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, welches tonale Verhalten er bevorzugt, daher möchte ich auch keine Wertung bzgl. der Wirkungsweise abgeben. Es ist jedoch zu beachten, dass ein schneller Wechsel des Tunings, zum Beispiel zu Drop-D, mit der Evertune-Bridge nicht möglich ist. Wenn mehrere Tunings innerhalb eines Sets benötigt werden, empfiehlt es sich, mehrere Instrumente mit den jeweiligen Tunings zur Verfügung zu haben und zwischen den Instrumenten zu wechseln.
Die Solar Guitars E1.6AAN in der Praxis
Ja und da ist es wieder, das werkwürdige Problem, welches ich bereits in früheren Tests von Solar Guitars hatte und was ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Schließt man das Instrument am Verstärker an, so ertönt kein Ton! Der Grund hierfür ist schnell gefunden, es befindet sich wieder einmal keine Batterie im Batteriefach. Ich kann ja irgendwie verstehen, dass sich der Hersteller bei längerer Lagerzeit des Instruments Sorgen um eine auslaufende Batterie macht, aber dann sollte zumindest dem Instrument ein 9 V Block nebst Beipackzettel beigelegt werden, in dem auf den Umstand aufmerksam gemacht wird. Ich bin mir sicher, dass viele Einsteiger sich erst einmal mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn auf die Fehlersuche begeben, was nun wirklich nicht nötig ist.
Nachdem die Gitarre endlich mit einem 9 V Block für die Elektronik ausgestattet wurde, konnte sie ihre klangliche Stärken ausspielen. Das Klangverhalten ist gezielt auf den Heavy-Bereich ausgerichtet und besticht durch eine knackige Ansprache mit Fokus auf den hohen Mitten. Obwohl das Instrument vergleichsweise schwer ist, hängt es gut ausbalanciert am Gurt und hält sich bequem auch in der Sitzposition. Die beiden Pickups können dank Vintage- und Modern-Einstellung des Voicings sehr gut auf die persönliche Spielweise angepasst werden.
Für die Aufnahme wurde das Instrument an einen Hughes & Kettner Triamp MK3 und ein Marshall 412 Cabinet mit Celestion G12 75T Speakern angeschlossen und mit 2 Shure SM 57 Mikrofonen abgenommen. Die Einstellung des Instruments ab Werk war sehr gut, daher waren keine weiteren Anpassungen notwendig. Die Evertune-Bridge zeigte zudem keine Einbußen in Sachen Sustain oder Nachschwinggeräuschen, wie es noch bei den ersten Ausführungen des Systems vor einigen Jahren der Fall war. Die leuchtenden Griffbrettmarkierungen erwiesen sich als echtes Highlight, da sie bereits bei leichter Dämmerung ihre Arbeit aufnahmen. Insgesamt erfüllt die Solar Guitars E1.6AAN durch ihre Ausrichtung auf die Zielgruppe, sowohl optisch als auch klanglich, alle Erwartungen. Die Verarbeitung ist wie gewohnt sehr gut und es ist einmal mehr beeindruckend, wie Indonesien innerhalb kurzer Zeit eine handwerklich hochwertige Fertigung innerhalb des Landes aufgebaut hat.
Hi Axel
schöne Gitarre, guter Bericht.
Ein Typo in der Überschrift ;-)
@Metaphistopheles Korrigiert :-)
Ein sehr schöner Test von einer wirklich geilen Gitarre. Wenn ich nicht schon so viele hätte, wäre diese hier direkt auf Platz 1 meiner Shoppingliste gerutscht 😍
An den spitzen Headstock werde ich mich bei Solar wohl nie gewöhnen können, ansonsten sehr schick!