Character in a Box
Zu den vielen Mini-Preamps für Mikrofone, die mittlerweile den Markt bevölkern, gesellt sich seit einigen Wochen ein weiterer Kandidat, dieses Mal aus russischer Fertigung: Soyuz The Launcher.
Der Hersteller verspricht neben einer rauscharmen Verstärkung von 26 dB eine klangliche Aufwertung, die durch eine eigens entwickelte, in das kleine Kästchen integrierte Schaltung erzeugt wird. Eine saubere, transparente Verstärkung ist explizit nicht das Ziel dieses Produktes, vielmehr soll ein besonderer „Vintage Flair“ mit jedem ordinären Audiointerface erzeugt werden können.
Soyuz The Launcher – der erste Eindruck
Der äußeren, mit Firmenlogo und Seriennummer bedruckten Pappschachtel entnimmt man neben dem im Minigigbag gelieferten Testgerät noch zwei Aufkleber sowie einen kleinen Umschlag, in dem sich neben einer kurzen mehrsprachigen Anleitung noch zwei Kärtchen befinden, auf denen die jeweilig verantwortlichen Soyuz Mitarbeiter mit Foto und Unterschrift den jeweiligen Arbeitsschritt bescheinigen. So weiß ich nun, dass Sergey den Launcher zusammengebaut und Vladimir ihn getestet hat. Irgendwie sympathisch, finde ich.
Das Gerät selbst ist mit 111 x 53 x 48 mm und einem Gewicht von 419 g für seine Produktgruppe durchaus überdurchschnittlich groß und schwer, was zumindest dafür sorgt, dass man es nicht direkt an das Mikro stecken kann, was ansonsten ja gerne mit solchen Gerätschaften gemacht wird, um Verluste durch Kabelwege gar nicht erst entstehen zu lassen. Auch für die Bühne, die neben dem Studio auch als Einsatzort genannt wird, erscheint mir der Formfaktor nicht ganz unproblematisch.
Zumindest hat Soyuz dem Launcher vier Standfüße aus Gummi spendiert, so steht er sicher auf dem Produktionstisch und beglückt den Benutzer mit seiner durchaus gediegenen Optik, die durch eine hübsche cremefarbene Lackierung auf dem robusten, aus gefalzten Stahlblech bestehenden Gehäuse besticht. Die beiden XLR-Buchsen für Ein- und Ausgang sind in bewährter Neutrik-Qualität ausgeführt.
Ein Blick ins Innere zeigt saubere Lötstellen und eine zylinderförmige Metallkapsel, in der besagte Schaltung, an der die Entwickler von Soyuz laut beiliegender Beschreibung länger als zwei Jahre getüftelt haben, untergebracht und somit vor neugierigen Blicken geschützt ist. Herzstück dieser Schaltung ist ein eigener, selbstentwickelter Übertrager. „Stellen Sie sich vor, sie drücken den Geist einer alten analogen Konsole in eine kleine magische Box“, erläutert der Hersteller.
Soyuz The Launcher Sound & Praxis
Der kleine Vorverstärker wird mit seinem Ausgang an den eigentlichen Mikrofonvorverstärker angeschlossen und von diesem via Phantompower mit Strom versorgt. Diese Phantompower wird nicht ans angeschlossene Mikro durchgelassen, sodass einerseits die dafür ungeeigneten Mikrofone (vor allem Bändchenmikrofone) davor geschützt werden, andererseits aber auch nur dynamische Mikrofone am Soyuz The Launcher betrieben werden können. Kondensatormikrofone bleiben hier also außen vor.
Nun schließe ich also mal das bekannte und beliebte SM7B von Shure an meinen Mikrofonsplitter an, verbinde dessen beide Ausgänge an identische Preamps und schalte den Launcher in einen der beiden Wege (die Beispiele mit der Endung „dry“ sind immer diejenigen ohne Launcher):
In der Tat ist das mit dem Launcher bearbeitete Signal klanglich verändert und das meiner Meinung nach zum Positiven: Das Signal gewinnt an Brillanz, wirkt leicht komprimiert und etwas kompakter. Außerdem ist das Signal eben auch circa 25 dB lauter, was ich durch Normalisierung ausgeglichen habe, um die klangliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Wie sieht es mit dem Rauschen aus? Obwohl das nicht das Alleinstellungsmerkmal des Produktes ist, soll ja auch eine rauscharme Verstärkung um 26 dB geboten werden. Im folgenden Klangbeispiel, in dem ein Shaker über ein günstiges Bändchenmikrofon (the t.Bone RB100) aufgenommen wird, ist das Rauschverhalten gut wahrnehmbar:
Klar ist hier, dass sich das Verhältnis von Rauschen zum Nutzsignal durch den Einsatz des Testkandidaten hörbar verbessert. Auch klanglich profitiert das Signal in der schon von dem ersten Klangbeispiel bekannten Manier: Der Shaker wird klarer und präziser aufgezeichnet.
Mit demselben Mikrofon wird hier eine einfache Steelstring-Gitarre verewigt:
Auch hier tritt wieder die klangliche Signatur des russischen Preamps zu Tage. Als hätte sich Vorhang geöffnet, besticht das Signal durch griffige Präsenz, die Gitarre wirkt, als sei sie näher am Ohr des Zuhörers. Der recht stark wummernde Tiefenbereich bleibt unberührt, die Änderung findet vor allem im Präsenzbereich statt.
Ein dynamischer Klassiker im Studioalltag, das SM57 darf hier natürlich nicht fehlen. Hören wir zunächst eine typische Anwendung, die Snaredrum:
Bei diesem recht präsenten Quellsignal zusammen mit einem recht präsenten Mikro ist der Einfluss des Soyuz The Launcher weniger deutlich als bisher, aber dennoch hörbar. Der Kessel der Trommel rückt zugunsten des Snare-Teppichs etwas in den Hintergrund und eine dezente Sättigung und Komprimierung ist hörbar.


Dasselbe Mikrofon befindet sich nun vor der Kalotte eines 12-Zoll-Lautsprechers, angetrieben von einem Röhrenamp für E-Gitarre mit cleanen und verzerrten Sounds.
Hier war ich ja zunächst skeptisch, ob der Signature-Sound des Testkandidaten diese Signale weiterbringt, da die Sounds ja von sich aus schon recht aggressiv und mittig sind. Aber tatsächlich würde ich auch hier den Launcher eher einsetzen als weglassen. Die Schaltung des Preamps entschärft hier in beiden Fällen die etwas nervigen Transienten, verrundet das Signal gekonnt und sorgt auch hier wieder dafür, dass das Ursprungssignal eine Verbesserung erfährt.
Schade eigentlich, dass man mit dem Launcher lediglich dynamische Mikros einsetzen kann, gerade die Erfahrung mit den E-Gitarren lässt doch den Wunsch aufkommen, man könnte diesen Sound auch dem einen oder anderen Kondensatormikrofon aufprägen.
Grundsätzlich kann man dem Soyuz the Launcher bescheinigen, seine Versprechen einzuhalten: Das Gerät verbessert tatsächlich die Signale im Sinne von mehr Präsenz und gleichzeitig einer gewissen Weichheit. Im Verlauf des Tests gab es kein einziges Signal, bei dem ich dachte: „Och nee, lieber doch nicht.“ Die Ergebnisse erinnern an etwas heißer angefahrene, Neve-artige Preamps und liegen so auch voll im derzeitigen „Vintage-Preamp-Trend“.
Mit einem Ladenpreis von 199,- Euro liegt das Gerät preislich an der Spitze seiner Produktkategorie und zumindest der Studiobetreiber wird sich fragen, ob nicht ein aktueller stationärer Preamp mit Übertragern, die es ja heutzutage in ordentlicher Qualität für ein paar Euro mehr schon zu kaufen gibt, die bessere weil flexiblere Wahl ist.
Wer jedoch mobil unterwegs ist und/oder viel mit dynamischen Mikros arbeitet, wird den Soyuz the Launcher angesichts seiner klanglichen Qualitäten sicher in Betracht ziehen.
Ich stimme dem zu, dass die Größe mit Abstellfüßen etwas merkwürdig erscheint. Denke in studio,-jamähnlichen Umgebungen völlig ok, auf der Bühne bei sehr beweglichen Sänger:innen hilft nur festtapen oder wo zwischenstellen um ganz sicher zu sein, dass es an Ort und Stelle bleibt. Wenn es klanglich verspricht was es hält, wird man auch beim Abstellplatz eine Lösung finden.
@Filterpad Naja, …D.I. Formfaktor a‘la StageBug!
Denke, das Teil ist von Soyuz eher für’s Studio gedacht. Viel zu hübsch für die Bühne um’s mit Gaffa-Resten zu verschmieren und wer weiß wieviel Bierduschen und hyperaktive Lead-Sänger das Teil mitmacht!?!
Ich denke auch, daß so etwas ins Studio gehört.
Wer nicht gerade im engen Kreis der Emmy Anwärter für Vintage Live Produktionen operiert, ist wohl besser beraten, Geld in die Optimierung seines PA Frequenzmanagements und Einmeß-Mikrofone zu stecken, als zu versuchen, dem SM58 der Sängerin einen Hauch Vintage zu verpassen.
Auch dürften Sänger, welche so ein Teil als unverzichtbare Komponente ihres Live-Signature Sounds auf die Bühne schleppen, beim Line-Check von den meisten FOH wohl eher ein mitleidiges Lächeln ernten….
Und wehe, die Stage Hands haben das Teil ans Kabel eines Condernsers links daneben gepatched, und suchen nun 20 Minuten nach dem Grund daß nix ankommt…
Also ab ins Studio damit – wobei ich persönlich auch eher eine Lösung bevorzuge, die einen nicht bei der Wahl des Mikrofons künstlich auf dynamische einschränkt. Der Sound der verschiedenen Mikros, und wie sie zu einer Stimme passen oder eben nicht, ist wesentlich prägnanter als ein Hauch von Vintage….
Ich glaube, da wird demnächst noch einen „Launcher“ für Kondensator kommen, ähnlich wie bei den Fetheads von Triton.
(Wenn überhaupt noch etwas aus Russland dank Sanktionen bei uns ankommt!?!)
Nachdem Ihr gestern einen schwarzen Screen auf Facebook gepostet habt, war ich echt geschockt, dass Ihr heute einen russischen Amp auf Facebook postet. :-(