Samples und Resynthese
Nemesis kann 16/24 Bit Wav-Dateien als Sample laden oder resynthetisieren. Das unterliegt jedoch einigen Einschränkungen. Sample-Loops und Root Key werden ignoriert, stattdessen wird das ganze Sample als Loop mit einer festgelegten Durchlaufzeit abgespielt, man muss also manuell nachstimmen. Stereosamples werden nach mono konvertiert. Außerdem kommt es beim Laden längerer Soundfiles (mehrere Sekunden) zu merkwürdigen Effekten, manchmal zu Artefakten, und je länger das Sample ist, desto stärker scheinen die Höhen bedämpft zu werden, so recht lässt sich nicht nachvollziehen, was da geschieht.
Single-Cycle-Schwingungsformen dagegen lassen sich problemlos als Sample laden (die eingebauten liegen auch als Wav-Dateien im Nemesis-Ordner vor), müssen aber exakt 2048 Samples lang sein, entsprechend einer Frequenz von etwa 21,5 Hz. Das kann man sich etwas praxisnaher vorstellen.
Die Resynthese liefert ebenfalls nur Single-Cycle-Schwingungen, die aus der Mitte des Samples extrahiert werden, wenn es länger als ein Cycle ist, und die werden auch korrekt gestimmt wiedergegeben.
Die ganze Abteilung ist also mehr auf Single-Cycles ausgelegt, und das funktioniert auch gut. Die Einbindung längerer Samples ist noch verbesserungswürdig, zumal sie wie die Shwingungsformen gefiltert und durch die Algorithmen gejagt werden können.
Trotz dieser Einschränkungen: Unter dem Strich ergibt das eine sehr vielseitige Syntheseengine, die es mit einem mittleren Gerätepark an digitalen Vintage-Synths aufnehmen kann, bei erstklassig-edlem, aliasingfreiem Grundklang (auf Wunsch auch LoFi und Digital-Trash).
Die jeweiligen Vorbilder oder andere spezialisierte Softsynths wie z.B. der FM8 von Native Instruments sind in ihren Domänen natürlich noch das Maß der Dinge, aber eben oft auch Monster mit Hunderten von Parametern. Tone2 hat es geschafft, ein vielseitiges, effektives Instrument mit minimaler Komplexität und einfacher Bedienbarkeit zu erschaffen. Nemesis liefert mühelos einen Großteil der Digitalsounds quer durch die Synthesizergeschichte und bietet auch anspruchsvollen Klangtüftlern ein fruchtbares Experimentierfeld. Die mitgelieferte Presetbibliothek (von namhaften Sounddesignern erstellt) demonstriert ganz gut das Potenzial, sie beinhaltet sowohl Altbekanntes wie typische FM-Bässe und PPG-Chöre als auch Zeitgemäßes wie Techno-Sounds und trancige Flächenklänge.
Endlich mal wieder einer Softwaresynth der neue Möglichkeiten bietet statt die Vergangenheit zu emulieren. Schade wurde der Schritt nicht bei der Grafik gemacht: diese fotorealistischen Oberflächen sind einfach nur ärgerlich.
@Joghurt Jau, der Nemesis kriegt bei mir seinen festen Platz im VSTi-Rack. Es ist prima, dass die digitale Synthese mal wieder einen Schritt vorankommt. Und die fotorealistische Schiene ist halt Standard, weil die Kundschaft es offenbar so verlangt… nun, es gibt schlimmeres. Aber ich habe auch schon besser ablesbare Potikappen gesehen als diese grau-auf-grau-Dinger…