Sound-Legende in schickem Blau
Es ist wieder einmal soweit. Neben der Fraktion „So billig wie möglich Schnäppchen“ befindet sich diametral am anderen Ende der Skala ein Produktbereich, der zumeist durch hohe Reputation, jahrelange Erfahrung, herausragendem Klang und sehr hohem Preis auffällt. Der hier zum Test vorliegende Tube-Tech MP2A der dänischen Firma Lydkraft gehört zweifelsohne zu dieser Liga und schickt sich an, ein großes Erbe anzutreten.
Die Übergabe des Staffelstabs: Tube-Tech MP2A
Ein Ladenpreis von 3.698,- Euro für einen zweikanaligen Preamp ist allerdings auch Wasser auf die Mühlen des „Hört kein Mensch im finalen Mix“-Lagers, von daher muss die blaue Elise unter den Pro-Audio-Produkten auch einiges liefern, um die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Neben der Tatsache, dass eine ethisch korrekte Abgabe von Lohn- und Nebenkosten in einem europäischen Land wie Dänemark deutlich höher liegt als in weiten Teilen Asiens, sind es primär die verwendeten Bauteile, die ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Anteil am finalen Verkaufspreis tragen.
Was aber genau lässt den optisch sehr spartanisch anmutenden 2 HE Preamp, der zudem noch über einen haptisch eher plump angeflanscht anmutenden Trafo verfügt, in der ganz hohen Liga mitspielen? Überhaupt hat Tube Tech eine klare Prioritätenliste aufgesetzt, die da lautet: Klang zuerst, Layout zuletzt.
Nun, vielen Tontechnikern wird das Vorgängermodell MP1A ein fester Begriff sein, gehört dieser Röhren-Mikrofonvorverstärker klanglich doch zu dem Besten, was Outboard-Gear in diesem Bereich zu bieten hat und ist auf unzähligen High-End-Produktionen zu hören. Schon vor einigen Jahren nahm die dänische Firma um John Petersen dieses Modell dann aus dem Katalog und ersetzte es durch besagten und uns heute vorliegenden Tube-Tech MP2A.
Der Aufbau des Tube-Tech MP2A
Wer über einen Standalone-Betrieb des Tube-Tech MP2A nachdenkt, möge den Gedanken umgehend verwerfen. Nicht nur dass das Produkt über keinerlei Gummifüße verfügt, nein, die Schrauben, die das Gehäuse auf der Ober- und Unterseite zusammenhalten, stehen knapp 3 mm über und zerkratzen jede Oberfläche in Sekunden. Es bleibt daher ausschließlich der Rack-Betrieb für das knapp 4,5 kg schwere Gerät übrig.
Optisch hat sich einiges im Vergleich zum Vorgängermodell verändert, wenngleich das charakteristische Industrieblau nach wie vor ein fester Bestandteil des optischen Markenzeichens darstellt. Die beiden „Wimpernregler“ auf jedem Kanal des MP1A wurden durch je 2 in 10 und 2 dB einrastende Gain-Regler des Schweizer Herstellers Elma ersetzt, was eine feinere Abstufung erlaubt. Auch auf der Rückseite des Gehäuses hat sich einiges getan, so verschwanden zum Beispiel die monströsen Übertrager des MP1A Modells, die aus dem Gehäuse herausragten und wurden durch kleinere ersetzt, die ebenfalls von der Firma Dantrafo hergestellt werden.
Der Eingangsbereich hinter der XLR-Buchse wird ebenfalls von einem Übertrager verwaltet. In diesem Fall der allgemein bekannte Lundahl LL 1571, einer sehr ausgewogenen und verzerrungsarmen Version aus schwedischer Fertigung, der das Signal mit 10 dB Aufholverstärkung versorgt. Der auf der Vorderseite angebrachte Klinken-DI-Input wird hingegen mit -10 dB angegeben, was die Vermutung nahelegt, dass eben jener Übertrager im DI-Betrieb umgangen wird. Insgesamt 6 Röhren, je 3 pro Kanal in Form von 4x ECC83 und 2x ECC82 regeln die Verstärkung des Tube-Tech MP2A, wobei die etwas moderatere ECC82 den Gain-Regler verwaltet, während je 2 Stück ECC83 die Ausgangsverstärkung durch Class-A/B-Gegentaktbetrieb auf bis zu 70 dB aufblasen kann. Damit lässt sich wahrlich auch das leiseste Bändchenmikrofon entsprechend aufholen.
Auch die Regelmöglichkeiten des Signals wurden deutlich erweitert. Zwar gestaltet sich die Pegelanzeige für Vollröhren typisch lediglich durch eine Overload-LED immer noch sehr spartanisch, ist aber im Vergleich zum Vorgänger eine hundertprozentige Steigerung, der bekanntermaßen über keinerlei Anzeige in diesem Bereich verfügte.
Auch der von vielen vermisste Phaseninverter ist nunmehr mittels eines kleinen Schalters auf der Vorderseite aktivierbar. Als Besonderheit muss der Impedanz-Schalter gewertet werden, der zwischen den Bereichen 600 Ohm, 1.200 Ohm und 2.400 Ohm wählt und so dem jeweiligen Mikrofon einen anderen Grundklang offeriert, insbesondere wenn es über eine hohe Ausgangsimpedanz verfügt.
Erhalten geblieben ist der – 20 dB PAD-Switch, die +48 V Phantomspeisung und der zweifache Low-Cut, der bei 20 Hz mit 12 dB/Okt und bei 40 Hz mit 6 dB/Okt zu Werke geht. Rechts außen wird das Frontpanel von einem On/Off-Schalter abgerundet, der in seiner Haptik in jedem russischen U-Boot seinen Platz finden könnte und einer Betriebsleuchte, wie sie auch in klassischen Vollröhren-Gitarrenverstärkern verwendet wird.
Für die technisch interessierte Daten-Nerds, hier noch kurz eine Auflistung der inneren Werte:
Impedanz:
Mic Input: 600/1200/2400 Ohm
DI-Input: >1 Mohm/82 pF
Output: <60 Ohm
Frequency Response @ -3 dB: 5 Hz to 60 kHz
Distortion THD+N @ 40 Hz: 0 dBU <0,10 % +10 dBU <0,10 %
Max. Output: +26 dBU <1 % THD
Max. Output without PAD: +6 dBU <1 % THD
Max. Output with PAD: +26 dBU <1 % THD
Noise Rg=200 Ohm
Gain: +20 dB, +60 dB
22 Hz-22 kHz: <-82 dBU, <-60 dBU
CCIR-468-4: <-72 dBU, < ,-50 dBU
CMRR @ 10 kHz: <-60 dBU
Gain Mic-Input: -10, +70 dB
Gain DI-Input: 0 – 60 dB
Der Tube-Tech MP2A in der Praxis
Wie immer im Bereich der Röhrentechnik muss sich der geneigte A nwender in Geduld üben. Zwar ist die nötige Betriebsspannung bereits nach wenigen Sekunden vorhanden, jedoch ändert sich der Klang des Preamps aufgrund der unlinearen Bauteile noch innerhalb der ersten Minuten, so dass man guten Gewissens von einer Aufwärmphase von ca. 10 Minuten ausgehen kann. Ein Standby-Schalter, wie er bei den Leistungsröhren klassischer Gitarrenverstärker verwendet wird, ist in diesem Segment allerdings nicht von Nöten.
Für den Rack-Betrieb sollte ebenfalls berücksichtigt werden, dass die sechs ECC Röhren mitunter eine ordentliche Abwärme produzieren und sie entsprechend abgeleitet werden will. Zwar befinden sich am oberen hinteren Rand entsprechende Lüftungsschlitze, da das Gehäuseoberteil aus Stahl sich aber ebenfalls entsprechend aufheizt, kann ich nur einen entsprechenden Abstand zum nächsthöheren Einschub empfehlen bzw. den Tube-Tech MP2A am besten gar nicht zu überbauen und zum Rack-Deckel hin entsprechend Platz einzuplanen.
Sobald man die ersten Signale in den Tube-Tech MP2A einspeist, springen einem die Röhrenmerkmale geradezu ins Gesicht. Im Gegensatz zu vielen günstigen Produkten, bei denen eine einzelne Röhre mehr zu Alibizwecken ein wenig an der Klangfärbung mitarbeitet, hört man beim Tube-Tech MP2A die Röhrenarbeitsweise auf der ganzen Ebene. Insbesondere die latent anliegende Sätttigung des Klangs bringt die Andickung, die man selbst mit den besten Kompressoren nicht erreicht. Der Klang erscheint selbst bei geringem Pegel sehr verdichtet und geht gleichmäßig in erste leichte harmonische Verzerrungen über, selbst wenn die Overload-LED noch nicht reagiert. Dieser Klang bringt eine sehr starke Färbung mit sich, was sich gerade bei „schwierigen“ Mikrofontypen wie zum Beispiel Bändchenmikrofonen sehr positiv auswirkt. Im Gegenzug führt diese Klangformung aber auch zu einem dezenten „Gleichmachereffekt“, soll heißen, sämtliche verwendeten Mikrofone werden hervorragend verstärkt, jedoch verschwindet die persönliche Note des Mikrofons ein wenig.
Ich habe alle Klangbeispiele ohne jegliche Klang- oder Dynamikbearbeitung aufgenommen, weshalb die Samples auf den ersten Höreindruck ein wenig „belanglos“ erscheinen. Wer jedoch über das nötige Abstraktionsvermögen verfügt, kann sich gut vorstellen, was für ein großartiges Fundament der Preamp für die weitere Bearbeitung liefert. Interessanterweise fielen die klanglichen Unterschiede im Bereich der Impedanzvariation deutlich geringer aus als zum Beispiel bei meinem „Brot und Margarine“ Golden Audio Project Pre-73 Preamp. Bei einem GAP FC1 MK2 sind die Unterschiede kaum wahrnehmbar, lediglich bei einem Tauchspulenmikrofon, wie zum Beispiel dem M88 von Beyerdynamic, hört man dezente Unterschiede.
Alles in allem handelt es sich bei dem Tube-Tech MP2A um einen hervorragenden Preamp, der genau das liefert, was man von einem Röhren-Preamp der Spitzenklasse erwartet.
Das Gerät wird sicherlich seinen Platz im Rack finden, ansonsten gibt es aber hervorragende selbstklebende Füße, z.B. die von mir präferierten quadratischen, transparenten. Die färben auch nicht ab.
Genaugenommen müsste man solche Geräte als Verzerrer-Vorverstärker bezeichnen, denn um neutrale Verstärkung geht es Herstellern und Nutzern nicht, sondern um Mojo, um genau die samtenen Verzerrungen, die dem Signal helfen, sich im Mix subtil durchzusetzen.
Ist es nicht bemerkenswert, dass überall dort ein besonders warmes und angenehmes Ergebnis rauskommt, wo es glüht und heizt – egal ob bei Verstärkern oder bei Leuchtmitteln?
Mal sehen, wann Umweltschützer alle Röhrengeräte als Teufelswerk brandmarken und verbieten lassen.
@bluebell Das wird gewiß passieren — in der Hifi-High-End-Branche wurde es ja schon vorexerziert, ebenso in der Elektrotechniksparte mit Lötzinn oder Bauteilen, die nicht mehr hergestellt und verwendet werden dürfen, weil ja eventuell und sowieso und überhaupt…
@bluebell „Ist es nicht bemerkenswert, dass überall dort ein besonders warmes und angenehmes Ergebnis rauskommt, wo es glüht und heizt – egal ob bei Verstärkern oder bei Leuchtmitteln?“
Genau deshalb versuche ich schon ewig meine Idee eines Röhren-Midi-Interfaces an den Mann*in zu bekommen, aber irgendwie ist niemand so recht an warmen und angenehmen Steuersignalen interessiert.
Quasi miditerrane Wärme für noch tighteren Groove!
@Markiman Du musst Dein Produkt aufwerten. Mit hochwertigen Spikes aus 4-Sorten-Verbundmaterial und einem doppelwandigen Gehäuse (innen Recycling-Marmor, außen Recycling-Kunststoff aus alten Turnschuhen wegen Understatement). Den Zwischenraum füllst Du mit Sand, der vom Boden des Marianengrabens stammt. Macht breite Bühne, erhält die Tiefenstaffelung und spielt mit Autorität.
Denk an unterschiedliche Versionen für die 16 Röhren (pro MIDI-Kanal eine Röhre): Uralt-NOS-Röhren für die Premium-Version, neue russische Electro Harmonix für die günstige 6500,- EUR Budget-Version.
Von Jungfrauen bei Vollmond handgewickelte Lastwiderstände für die Eintaktbetriebsweise der Röhren sollten selbstverständlich sein. Man hört schließlich, was man hört. Oder so.
@bluebell Endlich mal einer der die Sache ernst nimmt!
Hey bluebell, ich glaube wir machen ein Startup!
@bluebell Jeder, der professionell Musik macht und seinen Lebensunterhalt damit verdient kommt irgendwann an den Punkt, an dem er merkt, dass er den ganzen klanglichen Aufwand nur zu seinem persönlichen Vergnügen macht.
Man verkauft nicht eine CD mehr, schafft nicht einen Stream mehr oder erhält auch nur 100,- € mehr Gage, egal ob das Aufnahmeequipment normaler Durchschnitt oder High-End ist. Nicht einmal die Kollegen hören einen Unterschied, wenn du es ihnen nicht sagst.
Aber die Arbeit mit High End Equipment ist einfach befriedigender und damit der künstlerische Output höher. Hier muss jeder selber entscheiden, was einem die eigene Kreativität wert ist.