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Test: Twisted Electrons Acid8 und AY3, 8-Bit Synthesizer

8 Bit in Reinkultur

30. November 2016

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Auf meinem Testertisch stehen heute zwei Geräte der kleinen Firma Twisted Electrons. Der etwas eigenwillige 303 Klon Twisted Electrons Acid8 sowie der extrem kleine polyphone Synthesizer AY3. Zugegeben, ich war etwas skeptisch, als ich für diesen Test angefragt wurde, da ich gewiss kein Fan der klassischen 8 Bit Ästhetik bin. Sie klang für mich stets etwas zu dünn, schwach und nasal. Wenn ich mich da mal nicht getäuscht habe.

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Äußerlichkeiten von Acid 8 und AY3

Diese Kistchen sind erstaunlich klein, jedoch nicht zu klein; gerade groß genug, um entspannt bedient zu werden. Sie fühlen sich sehr wertig an, haben ein gutes Gewicht und sind solide verarbeitet. Das Beste sind jedoch die Potentiometer, die sich schlicht butterweich anfühlen, mit angenehmem Drehwiderstand.

Steckbrief

  • Acid8
    – digitaler Synthesizer mit Sequencer im Stil einer TB-303
    – 8 Bit Klangerzeugung mit 16 Schwingungsformen (über Software editierbar)
    – Arpeggiator und Envelope Pitch Modulation
    – analoges Filter
    – eingebaute Effekte (Bit Crushing, Bit Invert)
    – Sequencer mit 128 Pattern, Swing und regelbarem Accent
    – Anschlüsse (alle als Miniklinke): Audio Out (mono), Sync In und Out, MIDI In und Out
    – Maße: 10×21 cm
  • AY3
    – sechsstimmiger Digital-Synthesizer
    – Unisono Modus
    – eingebauter Arpeggiator
    – LFO mit vier Schwingungsformen
    – Glide
    – einfacher Sequencer (16 Schritte, nur eine Spur)
    – 8×8 Speicherplätze für eigene Sounds
    – Steuerung aller Parameter über MIDI möglich
    Anschlüsse (Miniklinke): Audio Out (zweimal mono), MIDI In
    – Maße: 10×14 cm

Twisted Electrons Acid8

Vom Aufbau her kann man den Twisted Electrons Acid8 als nahen Verwandten der TB-303 und all ihrer Klone bezeichnen, wenn auch mit einer speziellen Klangerzeugung. Oben sitzen fünf Regler zur Steuerung von Lautstärke, Effekte, Filter und Hüllkurve, darunter dreizehn Tasten im gewohnten Piano-Layout zum Einspielen von Sequenzen. Über Shift stehen hier weitere Funktionen zur Verfügung wie Schwingungsformen, Pulsbreite, Accent und simple Effekte. Eine Reihe LEDs zwischen Tasten und Reglern, 16 an der Zahl, symbolisieren die Steps einer Sequenz. Zwecks besserer Orientierung ist jeder vierte Schritt  mit einem weißen Ring gekennzeichnet. Ein simples und sinnvolles Detail.

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Klangerzeugung

Das Besondere der Twisted Electrons Acid8 ist seine Klangerzeugung, die einen digitalen Oszillator mit einem analogen Filter kombiniert. Der Oszillator klingt dabei so was von digital, dass wir uns gar nicht erst die Mühe machen müssen, nach Ähnlichkeiten zu analogen Pendants zu suchen. Aliasing ist hier kein Manko, sondern ästhetisches Konzept. An Schwingungsformen stehen verschiedene Varianten von Sägezahn, Puls, Dreieck und Sinus zur Verfügung. Zusätzlich kann man über einen hauseigenen Editor eigene Schwingungsformen zeichnen und via MIDI importieren.

Das Filter klingt schon ziemlich nach Acid und hat gewiss ein Stück 303-DNA abbekommen. Ein eher bissiges, aggressives Filter mit viel Charakter. Klanglich würde ich auf 18 dB pro Oktave tippen. Verifizieren konnte ich es nicht, technische Angaben zum Filter gibt es nämlich nicht.

Sequencer

Ein beherzter Druck auf die Run-Taste startet die Sequenz des Twisted Electrons Acid8. Und siehe da, das kann ja richtig grooven. 8 Bit hin oder her. Per Druckknopf spielt die Sequenz vor- oder rückwärts oder in zufälliger Reihenfolge. Die Acid8 versteht sich als Live-Instrument. Die 128 Pattern des Sequencers können im laufenden Betrieb kopiert und zu längeren Chains verknüpft werden. Der Sequencer läuft dabei stoisch weiter. Die Synchronisation mit externer Hardware ist ein Kinderspiel, MIDI-Clock wird zuverlässig erkannt. Anderes Analog-Equipment kann über Sync Out getriggert werden.

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Effekte

Der Twisted Electrons Acid8 wartet mit einigen Effekten auf, wobei die Modulation der Pulsbreite sowie der Arpeggiator auch als Effekte gelten. Gewiss eine Definitionssache. Doch die beiden Bit-Zerhacker-Effekte Bits und Crush haben’s in sich. Ersteres ermöglicht die Invertierung einzelner ausgewählter Bits, während Crush die Samplingrate reduziert, was unter anderem zu disharmonischen Obertönen führt.

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Twisted Electrons AY3

Der AY3 ist noch ein gutes Stück kleiner als die Acid8 und versteht sich als sechsstimmiger 8 Bit Synthesizer mit eigenem Arpeggiator und Sequencer. Seine Klangerzeugung basiert auf dem AY3-8910 Chip, der in Heimcomputern und Spielautomaten der frühen 80er Jahre gerne verbaut wurde. Auf der Rückseite herrscht spartanische Sparsamkeit: zwei Audioausgänge und ein MIDI In (als Miniklinke). Die Bedienung erfolgt über eine 5×6 Matrix und ist erstaunlich logisch und intuitiv aufgebaut. Senkrecht sind einzelne Komponenten der Klangerzeugung aufgelistet, durch mehrfaches Drücken wählt man den gewünschten Parameter, der anschließend über die horizontalen Knöpfe und ein Datenrad editiert werden kann. Oben finden sich acht Piktogramme mit LFO-Schwingungsformen und Modi des Arpeggiators. Sie fungiert auch als Anzeige, beispielsweise für die Lautstärke der Oszillatoren oder die Auslesefrequenz des digitalen Rauschens.

ay3-gauche

Klangerzeugung

Die insgesamt sechs Oszillatoren können gegeneinander verstimmt und in der Lautstärke geregelt werden. Mehr Parameter gibt’s nicht. Die LEDs der Matrix leuchten dabei als V (Volume), T (Tuning) oder E (Enable) auf. Die Schwingungsform (ein digitales Rechteck) kann übrigens nicht verändert werden. Intern sind zwei Chips mit je drei Oszillatoren am Werk, beide mit eigenem Audioausgang, was in der Praxis zu eher seltsamen Stereo-Effekten führt. Meist habe ich beide Ausgänge im Mischpult wieder zusammengeführt. Hier wünschte man sich einen kleinen Schalter, um die beiden Ausgänge zusammenzulegen. Übrigens ist es möglich, die sechs Stimmen über MIDI auch einzeln zu spielen: MIDI-Kanal 1 spricht alle Stimmen an, die Kanäle 2 bis 7 sind jeweils für eine einzelne Stimme reserviert.

Doch zurück zur Klangerzeugung. Jeder Stimme kann ein digitales Rauschen beigemischt werden, dieses ist in acht Stufen stimmbar. Der Verlauf der Lautstärke-Hüllkurve wird über 8 Presets und ein Potentiometer eingestellt. Nicht die flexibelste, aber gewiss eine platzsparende Methode. Und dann sind da noch ein LFO und Arpeggiator mit unterschiedlichen Modi und variabler Oktavspreizung. Weitere Komponenten, wie beispielsweise ein Filter, sucht man vergeblich. Der Klang ist somit fest vorgegeben. Klangliche Varianz ist nur durch Verstimmen der Oszillatoren im Unisono Modus möglich, wahlweise mit oder ohne Rauschen.

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Sequencer AY3

Der simple Sequencer des AY3 bietet nur eine Spur und ist in der Bedienung etwas fummelig. Mit dem Potentiometer wählt man einen der 16 Schritte an und bestimmt anschließend die Klangerzeugung des Schrittes (Oszillatoren, Noise oder beides). Die Tonhöhe gibt man über ein angeschlossenes Keyboard ein. Im laufenden Betrieb kann die Sequenz über das Keyboard transponiert werden, das Tempo ist über ein Potentiometer regelbar.

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Auf die Dauer störend ist, dass bei gewissen Funktionen die gerasterten Potis nicht mit jedem Klick einen Wert weiterspringen, sondern manchmal mit jedem zweiten oder dritten. Somit lässt sich die AY3 nicht blind bedienen. Ansonsten ist das Bedienkonzept in sich schlüssig. Ein bisschen nerdy vielleicht, aber eigentlich ganz in Ordnung.

Die AY3 ist übrigens auch als Eurorack Modul erhältlich, freilich ohne Sequencer.

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Interview mit Alex Smith

Twisted Electrons (welch cooler Firmenname!) ist eine Einmann Firma von Alex Smith aus Frankreich. Wir haben ihm einige Fragen gestellt, die wir hier im Original abdrucken:

Martin:
Hi Alex, could you tell us something about your biography?

Alex:
Sure. I was born in Peterborough UK (1982), and moved the France at an early age (1991).
I attended a music school in Grasse where we learned Piano and sang in Choir for 8 years.
I then attended a Cinema/photography oriented high school in Cannes. In 2004 I was the sound bod for British rock band GTA. From 2008 – 2013 I lived in LA where I met cool tech guys in a hackerspace. 2014 I moved back to Nice, France, and created Twisted-Electrons. I’m self-taught in electronics, through books and websites.

Martin:
When and why did you decide to build your own instruments and where did you learn how to do it?

Alex:
I started with midibox kits in the early 2000s (ucapps.de). Thorsten Klose’s forum and the arduino forums were a great resource for learning midi and electronics in general, then I moved on to more complex kits like the elby-designs.com ASM1. A decade later I was a member of the LA-based hackerspace „crash space“ where I had access to a laser machine and the rest is history :)

Martin:
What were your ideas and goals while designing the Acid8 and AY3?

Alex:
First synth was the AY3. I ‚m crazy about lo-fi sound, brings me back to the early video games. The Ay3 offers 3 voices in one chip, so I was tempted to play with it. For such a basic chip I found the sounds quite interesting especially when adding the crude envelope and pitched noise. Then I got carried away with 2 chips for big wide 6 voice pads and arpeggiators. Acid8 was born from a need for an acid machine that isn’t a 303 clone. There are already plenty of replicas that do a great job of recreating the roland sound, I was more interested in providing waveforms that you won’t expect from an acid machine, like sine waves, nintendo NES triangle, piano and other odd waveforms. The other goal in creating acid8 was to provide real time fx, and fun tricks beyond the classic slide/accent.

Martin:
What are in your opinion the most important aspects and characteristics of an electronic instrument?

Alex:
I think an electronic instrument should be simple to use, intuitive with minimal learning. I’m lazy and don’t want to read hundreds of pages to get to a hidden menu. Of coarse I would want the instrument to sound good and characterful, but above all I think there needs to be a fun factor, a rewarding experience with minimal challenge – a desire to keep it within reach in the studio.

Der Klang des ACID 8 und AY3

8 Bit bedeutet eine ganz eigene Ästhetik, mit der ich mich erstmal anfreunden musste. Die Klänge sind direkt, kräftig und auf ihre eigene Weise fett, jedoch fehlt ihnen jede Räumlichkeit. Sie wirken zweidimensional, was wiederum perfekt zur Welt passt, aus der sie ursprünglich stammen: Computerspiele der 80er Jahre. Diese Sounds sind das akustische Pendant zu Super Mario und Pacman in 2D.

Die Acid8 bietet dank variabler Schwingungsform und analogem Filter ein breites Spektrum an Klängen, die die 8 Bit Herkunft nicht leugnen können und wollen. Die AY3 ist eingeschränkter, bietet aber dank Detune einige fette Sounds, die mit der Acid8 nicht möglich wären.

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Die Klangbeispiele stammen von Sebastian Thümmel alias Zeebie, dessen Zweitmeinung für diesen Artikel sehr wichtig war. Die Bilder sind von Twisted-Electrons.

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Fazit

Ich gebe zu, meine Meinung ist geteilt. Dies sind zwei kleine, gut verarbeitete Geräte mit eigenem, stringenten Konzept, zuweilen etwas eigenwillig, jedoch sehr wohl durchdacht. Und sie stammen von einer Ein-Mann-Firma, was auf Anhieb sympathisch wirkt. Die Acid8 bietet auf kleinstem Raum einen potenten Sequencer und eine eigenständige Klangerzeugung, die dank der Kombination von 8 Bit Oszillator mit analogem Filter zwei gegensätzliche Pole vereint und sich geschickt einer Klassifizierung in analog oder digital entzieht. Ein kleines Musikproduktionsstudio für unterwegs. Bloß schade, dass man es nicht über Batterien betreiben kann.

Die AY3 lässt mich etwas ratlos zurück. Klanglich ist sie aus meiner Sicht weit weniger reizvoll als die Acid8. Sechs Oszillatoren ohne Filter und Effekte hat man schnell ausgereizt. Der Arpeggiator bringt zwar ordentlich Bewegung in die Sounds, doch viel mehr als Nokia Klingeltöne und Pacman Gezirpe liegt nicht drin. Das klangliche Potential ist überschaubar. Doch je nach Sichtweise und eigenen Präferenzen ist genau dies die Stärke des Instrumentes. Persönlich würde ich dem Eurorack Modul den Vorzug geben, weil gerade die Kombination der schrillen Oszillatoren mit analogen Filtern und Effekten sehr vielversprechend ist.

Zweifelslos haben die Instrumente von Twisted Electrons ihren eigenen Reiz, Charme und Nerdfaktor. Der schräge und spröde Sound ist Geschmackssache. Wer genau diesen Klang sucht, der sollte sich die Geräte von Twisted Electrons näher anschauen. Oder ein altes Casio Keyboard auf dem Flohmarkt kaufen. Die Quintessenz ist wohl: Während viele Librarys versuchen, wie echte Hardware zu klingen, findet hier genau das Umgekehrte statt: Diese Hardware klingt wie ein alter Computer. Computermusik ohne Rechner sozusagen.

Plus

  • eigenwilliges Konzept
  • spezieller Sound
  • Verarbeitung
  • klein und handlich
  • Preis

Minus

  • überschaubares Klang-Potential (AY3)

Preis

  • Acid8: 399 Euro
  • AY3: 299 Euro
  • AY3 (Eurorack Modul): 179 Euro
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Klangbeispiele
Forum
    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @Chick Sangria „Kind of Bloop“ ist echt der Hammer…

  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Also ich glaub 50€ würde ich investieren für diese paar Sounds aber dann ist bei mir schon wieder ende. Lofi ausm Keller. Muss man wirklich mögen. Klingt dafür sehr nah am Original weil es ja eigentlich auch das Original ist. Also kein Nachbau, sondern eher das Original nochmal gepimpt. Wer drauf steht dem bleibt nichts anderes übrig als kaufen kaufen kaufen

  2. Profilbild
    Atarikid AHU

    Ein Stern ist subjektiv zu wenig. Ich finde das Teil recht spaßig, gerade in der Eurorack-Variante auch nicht unbedingt zu teuer. Aber so ist das mit den Geschmäckern ^^….

    • Profilbild
      Martin Andersson RED

      @Atarikid Ja, das ist allerdings subjektiv. Der eine Stern des AY3 bezieht sich nur auf das Desktop Gerät; wie ich im Artikel schon geschrieben habe, halte ich das Eurorack Modul für interessanter.

  3. Profilbild
    pytrel

    Oh man! Gab es nicht so einen club-track-anthem der so ging wie das vierte beispiel „acid8-of-consciousness“ ? kennt jemand den track über den ich rede? war so mitte-anfang 90er soweit ich mich erinnern kann… und der ganze track war eigentlich hauptsächlich wie die 303 mit fast genau dieser Sequenz voll in die Verzerrung und Resonanz langsam rein und rausfährt

  4. Profilbild
    dr w

    die neue freddy fresh acid single ist mit acid8 produziert
    ein brett geraet!

  5. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Roland A-01. Nur der Roland gefällt mir um Welten besser. Und 1 son Dinges Zuhause reicht völlig aus.
    Dazu gibt es noch die preiswerte Variante. Im Internet gibt es unter Google Suchbegriff : vst 8 bit. Einige überzeugende VST Plugins für lau!
    Nennt man auch chiptune Plugins!
    Der Sound ist natürlich total verpixelt!!!

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