Viel zu gut um schlecht zu sein
Das XLN Audio RC-20 Retro Color ist ein Plug-in, das antritt, euren Sound so richtig zu versauen. Nein, ehrlich – es soll alle möglichen Imperfektionen der analogen Aufnahmetechnik in einem Plug-in vereinen und dabei auch noch einfach zu bedienen sein!
Früher …
Ist es nicht irgendwie drollig? Für relativ kleines Geld bekommt man heute eine Aufnahmetechnik, die vor 25 Jahren noch Studios vorbehalten war. Immer bessere integrierte Schaltkreise und Designs ermöglichen immer perfektere Aufnahmen – wenn man mal rein von den Werten der Geräte ausgeht. Linearer Frequenzgang bis acht mal über der Hörschwelle und eine Transientenansprache, als ob man das Ereignis direkt erleben würde.
Vielen geht das zu weit und sie vermissen die Probleme und Ungenauigkeiten, die man noch z. B. mit analogen Band hatte. Allerdings geht es beim Band eher um die Bandkompression. Persönlich habe ich letztens selbst noch ein paar Mix-Downs durch das gute alte 4-Spur-Tape gejagt. Dabei musste ich feststellen, dass es tatsächlich eine angenehme Verdichtung und Frequenzkorrektur ergab, die einfach nett zum Ohr ist.
XLN Audio RC-20 eilt zur Hilfe
Die schwedische Softwareschmiede XLN Audio ist nun angetreten, all diese glorreichen Defizite in einem Plug-in wiederaufleben zu lassen. Das Plug-in bietet sechs Stufen der Verschlimmbesserung, obwohl ich da den Reverb mal ausnehmen möchte. Auch der Bit-Crusher ist jetzt nichts, was ich unbedingt mit „Vintage“ in Verbindung bringen würde; aber der Reihe nach.
Das Signal durchläuft der Reihe nach verschiedene Stufen, von denen jede einzelne sachte in ihrem Anteil geregelt werden kann. Zusätzlich wird über den globalen „Magnitude“-Regler die Gesamtmischung eingestellt.
Die Stufen des RC:
- ein Re-Noiser, der typische Nebengeräusche hinzufügt, wie sie von Vinyl, Kassetten-Tape, VHS-Band oder Röhren bekannt sind
- ein Wow-and-Flutter-Prozessor, der dem Ton das Eiern beibringt
- eine Distortion-Stufe mit Einstellungen wie Eisentrafo, Röhre oder einem einfachen Crunch
- eine kombinierte Bit-/Samplerate-Reduktion
- ein Reverb
- ein Wear-and-Flutter-Prozessor, der alterndes Tape mit seinen Drop-Outs simuliert
In der unteren Hälfte des GUI kann man das Signal noch Bandbegrenzen und den Pegel einstellen, um z. B. auch bei Clip-basiertem Einsatz (also FX per Clip, nicht per Track) immer die Kontrolle über die Lautstärke zu haben. Abgerundet wird das Setup mit einem Stero-Width-Regler, der das Signal aufbläht (200%) oder komplett auf Mono dreht (0%).
Bedienung des RC-20 Plug-ins
Jede Stufe des XLN Audio RC-20 besitzt maximal sechs Regler, deren Auswirkungen auf das Signal meist recht anschaulich in einem Fenster darüber dargestellt werden. Distortion, Reverb und Bit-Crush haben noch zusätzlich eine Bandbegrenzung, um die doch recht auffälligen Effekte zu zähmen.
Ich gehe mit einem Drum-Loop mal einige der Presets durch.
Dabei fällt auf, dass die Presets alle gut balanciert sind, bei keinem fällt man auf einmal rückwärts vom Stuhl. Apropos Preset – es gibt eine ordentliche Verwaltung, in der man übersichtlich User- und Werkspreset verwalten kann. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, Unterordner anzulegen.
Vielseitiger kleiner Helfer, man sollte aber auch nicht zu viel erwarten, es gibt für jeden der Effekte weitaus bessere Plugins, aber als schneller Werkzeugkasten durchaus brauchbar.
Ist in den letzten Jahren recht berühmt geworden durch diverse Produzenten die das Tool als ihre Geheimwaffe predigten, dadurch sind die Effekte teilweise sehr häufig zu hören bei Nachahmern.
Trotzdem durchaus empfehlenswert, immer mal wieder im Sale für circa 50€ (statt 89€).
Aktuell zum Beispiel noch bis Ende der Woche.