Das ideale Saxophon für ruhige Nächte?
Mit dem YDS-150 hat Yamaha ein Ausrufezeichen am Markt der digitalen Saxophone gesetzt. Drei Jahre später erscheint nun der kleine Bruder, das Yamaha YDS-120 Digital Saxophon: eine leicht abgespeckte Version, vollständig aus Kunststoff gefertigt und fast die Hälfte günstiger als das YDS-150. Was ist von dem Instrument zu erwarten? Und an welche Zielgruppe wendet es sich?
Inhaltsverzeichnis
Lieferumfang und Aufbau des YDS-120 Saxophons
Der Yamaha YDS-120 Blaswandler wird in einer funktionalen Papp-Box geliefert samt gedruckter Bedienungsanleitung in sieben Sprachen. Und das war auch schon der gesamte Lieferumfang. Um das Instrument überhaupt in Betrieb zu nehmen, braucht man zusätzlich entweder vier AAA-Batterien oder ein USB-Kabel. Mindestens Letzteres hätte man beilegen können, ebenso fehlt ein Nackengurt. Als Saxophonist hat man eine Tragehilfe natürlich ohnehin schon zu Hause, was man auch als versteckte Botschaft lesen kann: Das YDS-120 sehe ich eher als Übeinstrument für Saxophonisten und weniger als Einstiegsinstrument für Anfänger. Dazu später mehr.
„Sieht aus wie Darth Vaders Spielzeug“, war der erste Eindruck einer befreundeten Saxophonistin, als ich ihr das YDS-120 zeigte. Es ist vollständig aus schwarzem Plastik gefertigt und wiegt etwas über 800 g. Zum längeren Üben empfiehlt sich ein Tragegurt, um den Daumen der rechten Hand nicht zu stark zu belasten. Mir gefällt das Design. Lieber ein ehrliches Plastikdesign als der Versuch, ein Saxophon nachzubilden, was ohnehin nicht funktionieren kann.
Das Mundstück entspricht ungefähr einem Altsax-Mundstück, hat aber im Gegensatz zum Yamaha YDS-150 kein Blättchen, sondern gehört zur Kategorie der „Schnabel-Mundstücke“ wie auf der Blockflöte. Trotz des fehlenden Blättchens fühlt es sich ziemlich natürlich an, der Umstieg von meinem Tenor Otto Link Metall bereitet keinerlei Probleme.
Das digitale Saxophon in der Praxis
Die Bedienung des Yamaha YDS-120 Digital Saxophon ist mehr oder weniger selbsterklärend, man findet sich schnell am Instrument zurecht. Die 56 Klänge wählt man über Plus/Minus-Taster aus, die für meinen Geschmack etwas fummelig geraten sind, aber ihren Zweck erfüllen. Die Grundeinstellungen wie Stimmung oder die Empfindlichkeit des Blassensors erreicht man über eine Kombination der Funktionstaste (“Fn”) und jeweils einer bestimmten Saxophonklappe. Anschließend lässt sich der entsprechende Parameter über die Plus/Minus-Tasten editieren. Wem diese Bedienung zu umständlich ist, findet in der hauseigenen App (“YDS Controller”) eine komfortablere Alternative. Dazu muss das Smartphone aber über USB mit dem Instrument verbunden sein, eine Steuerung über Bluetooth ist nicht möglich. Über die App können auch alternative Griffsysteme angewählt werden.
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In der Standardeinstellung verhalten sich die Griffe genau gleich wie auf dem Saxophon. Überblasen funktioniert hingegen nicht. Aber dafür gibt es ja die Oktavklappe, die eher “Oktav-Schalter” heißen müsste. Sie bewegt sich nur minimal, viel weniger als auf dem akustischen Instrument, so dass es mir zu Beginn schwerfiel zu fühlen, ob ich sie überhaupt gedrückt halte. Mit der Zeit gewöhnt sich der Daumen aber daran.
Allgemein hat die Haptik noch Luft nach oben. Die Klappen haben vergleichsweise wenig Widerstand und fühlen sich ungewohnt an. Außerdem könnten die Seitenklappen, also d’’-, eb’’- und f’’- der linken respektive die Bb-, c- und e’’-Klappen der rechten Hand, etwas höher liegen. Für meine Hände liegen sie zu nah am Korpus. Problematisch sind die Klappen für die kleinen Finger, die seltsamerweise ohne Klappenröllchen auskommen müssen. Mag sein, dass dies als Hommage an die ersten Saxophone von Adolph Sax gedacht war, aber dies ist beinahe 200 Jahre her. Heute haben ausnahmslos alle Saxophone, auch die billigsten Modelle, Klappenröllchen. Weshalb Yamaha bei den YDS Instrumenten darauf verzichtet, ist mir schleierhaft.
Jedes Instrument ist anders, eine Umstellung ist immer geboten, auch zwischen zwei baugleichen Instrumenten desselben Typs. Heute denke ich, dass meine Finger durch die leichtgängigen Klappen des YDS-120 etwas feinfühliger wurden, was auch meinem Spiel auf dem Tenorsax zugute kommt.
So klingt das Yamaha YDS-120
Die Klänge sind allesamt Saxophon-Sounds der vier wichtigsten Typen: Sopran, Alt, Tenor und Bariton, von jedem Saxophon-Typ etwas über zehn Variationen, von rockig bis jazzig. Sopranino- und Basssaxophon fehlen hingegen. Außerdem finden sich ein paar Klänge mit Effekten (Distortion, Flanger und Phaser) und kombinierte Sounds aus zwei Saxophon-Typen, z. B. Tenor und Alt in Quarten oder Bariton und Tenor in Oktave oder Duodecime, was ziemlich druckvoll klingt.
Die Klangqualität würde ich als gute Mittelklasse bezeichnen, während spezielle Saxophon-Softwares wie Respiro in einer eigenen Liga spielen. Besonders gut gefiel mir aber der Tenorsound Nr. 4: ein luftiges Tenor, das an Stan Getz erinnert. Vom eingebauten Lautsprecher sollte man hingegen nicht zu viel erwarten. Über die Anlage oder Kopfhörern klingt das YDS-120 um Längen besser.
Das einfache Mundstück reagiert nicht auf Lippendruck, sondern setzt nur die Stärke des Luftstroms um. Meistens wird darüber die Lautstärke angesteuert. Der Klang selbst kann am YDS-120 über einen Joystick des rechten Daumens moduliert werden, was aber weit weniger intuitiv ist als ein Lippendrucksensor. Auf die Dauer wäre mir dies wahrscheinlich zu einfach, da ja gerade der Ansatz ein wesentlicher Teil des Saxophonspielens ist. Dennoch war ich überrascht, wie gefühlvoll sich die Sounds spielen lassen, notabene nur über den Luftstrom. Das Mundstück kann abgenommen werden und sollte nach jedem Spielen gereinigt und getrocknet werden, wie bei akustischen Instrumenten auch. Wie man hingegen die Feuchtigkeit aus dem Instrument selbst wieder rausbekommt, bleibt unklar. Am unteren Ende, direkt neben dem Lautsprecher, findet sich eine kleine Öffnung, durch die die geblasene Luft austritt. Dass sich dabei auch Kondenswasser bildet, liegt in der Natur der Sache. Ob sich auf lange Sicht Feuchtigkeit im Instrument anreichern wird oder ob sie vollständig in der dünnen Luftröhre verdunstet, kann ich nicht abschätzen. Konstruktionsbedingt lässt sich die Luftröhre des YDS-120 aber nicht reinigen. Auch bleibt uns Yamaha die Antwort auf die Frage schuldig, wie das Yamaha YDS-120 zu transportieren sei. So etwas wie einen Gigbag (früher auch Instrumentenkoffer genannt) gibt es nämlich nicht. Und die Papp-Box halte ich nur für mäßig geeignet, um das Instrument häufiger außer Haus zu bringen. Auf der anderen Seite ist dies gar nicht so wichtig, da das Instrument eher zum Üben zu Hause gedacht ist und nicht für Konzerte. Ein Übungsinstrument mit Einschränkungen. Wie man’s dreht und wendet, wird einem leider klar, dass das YDS-120 keineswegs das Pendant zum digitalen Piano ist, da dessen Spielgefühl viel näher am akustischen Klavier ist als das YDS-120 einem Saxophon.
Yamaha YDS-150 oder Yamaha-120?
Das Yamaha YDS-150, das ich vor ein paar Jahren hier zum Test hatte, unterscheidet sich vor allem durch den Messing Schallbecher und das Mundstück mit Blättchen. Die Klappen sind auch beim YDS-150 aus Plastik und leichtgängig.
Im Vergleich zum Yamaha YDS-150 würde ich das YDS-120 wählen, da mir der Messingschallbecher des YDS-150 ohnehin nicht viel bringt. Das YDS-120 ist dabei handlicher, leichter und günstiger. Und das blockflötenartige Mundstück gefällt mir insgesamt besser als das Pseudo-Saxophon-Mundstück des YDS-150, dessen Blättchen ohnehin nicht mitschwingt. Die Mundstücke lassen sich abnehmen und austauschen. Prinzipiell ist es auch möglich, ein eigenes Alto-Mundstück zu verwenden, sofern das Blättchen nicht mitschwingt.
Welche Alternativen gibt es zum YDS-120
Auch wenn es heute einige „Wind-Controller“ am Markt gibt, finden sich nur wenige Instrumente, die dem Anspruch „digitales Saxophon“ gerecht werden. AKAIs EWI-Blaswandler fallen aufgrund ihrer starren Klappen schon mal weg, so toll sie ansonsten sind. Roland bietet mit ihrer Aerophon-Baureihe interessante Instrumente mit Drucksensoren im Mundstück, hingegen sind die Klappen einfache Druckknöpfe. Das Spielgefühl ist gewöhnungsbedürftig.
Viel besser läuft dies mit dem EMEO mit einer Original Saxophon Mechanik aus Metall. Was dem EMEO wiederum fehlt, ist ein Drucksensor des Mundstücks.
Hätte ich einen Wunsch frei, so wäre dies eine professionelle Version des YDS-120 mit Original Saxophonklappen und Sensoren am Mundstück. Da Yamaha ohnehin gute akustische Saxophone baut, würde sich der Entwicklungsaufwand wahrscheinlich in Grenzen halten. Ein solches Instrument wäre schwerer und bestimmt auch teurer als ein YDS-120, aber als Übungsinstrument sehr attraktiv.
Ich hatte 2x ein WX ein 7 und ein 11. Die waren deutlich besser designt. Pure Eleganz gegenüber diesem doch sehr grob geformten Instrument. Kosteten allerdings auch mehr. Ich bin kein Saxer, habe das aber immer gerne gespielt. es hatte im Gegensatz zu den Akai Windcontrollern richtige Tasten, wo ich die Finger auch ablegen konnte, ohne einen Ton auszulösen. Das Akai Prinzip mit den Sensoren habe ich nie verstanden. Dass das überhaupt verkauft wurde, wundert mich schon. Ok, Joo Kraus konnte damit umgehen. Die Trompete hat aber nur drei Ventile. Ich glaube von Casio habe ich mal so eine Tröte mit Lautsprecher gespielt.
Sehr gut geschriebener Bericht.
Was ich bei Yamaha überhaupt nicht verstehe: Da hat die Firma schon in den 90ern mit dem VL-1 die bisher ausdrucksstärksten Sax-Emulationen programmiert – nochmal eine Klasse besser als Respiro (ich nutze beide). Und dann lassen sie es in Vergessenheit geraten, anstatt diese Blaswandler mit inspirierenden Sounds aus eigenem Haus auszustatten und von der Konkurrenz abzuheben…
@ctrotzkowski Danke für Deinen Kommentar.
Ich sehe das gleich wie Du: bei Yamaha hat man offensichtlich vergessen, was man vor gut 30 Jahren richtig gut konnte. Eine Weiterentwicklung der alten Windcontroller und physical modelling Sounds wäre weitaus zielführender gewesen als das YDS-120.