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Test: Soma Laboratory The Pipe, Blaswandler Synthesizer

Blaswandler, Synthesizer und Effektgerät

30. Mai 2020

Soma Laboratory und The Pipe Projekt

Vlad Kreimer ist definitiv ein schräger Zeitgenosse.

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Der Gründer von Soma Laboratory hat nach eigenen Angaben ohne Kenntnis der Existenz von Samplern als eines seiner ersten Projekte kurz nach dem Ende der Sowjetunion einen 8 Bit Sampler gebaut und damit auch ein Album produziert. Legendenbildung hin oder her, spätestens mit dem Lyra-8 Synthesizer hat Soma Laboratory ein viel beachtetes Instrument abgeliefert und sich unter Freunden innovativer elektronischer Instrumente einen Namen geschaffen.

Kreimers Vision ist Instrumente zu bauen, die in direkter Verbindung zum Musiker stehen, ohne die Verwendung von klassischen „Interfaces“ wie z. B. Tastaturen. Als Inspiration bzw. initiales Vorbild gibt Kreimer das Theremin an, seine Vision ist die direkte Verbindung zwischen Musiker und Instrument auf einer emotionalen, spirituellen Ebene. Wie bei seinem Vorbild, dem Theremin, bedient sich Kreimer dabei auch der Kapazität des menschlichen Körpers, um Klangergebnisse zu beeinflussen.

A voice, breath, mouth-controlled Synthesizer with FX

The Pipe ist ein dynamisch spielbarer Effektprozessor/Synthesizer, der über ein speziell entwickeltes dynamisches Kontaktmikrofon angesteuert wird. Das Mikrofon sitzt auf einem Klinkenstecker und ist mit diesem auf dem Controller aufgesteckt. Statt des Mikrofons kann auch ein Klinkenkabel angesteckt werden und the Pipe kann auch mit externen Signalen als Effektprozessor verwendet werden.

Das eingespeiste Signal kann über 12 Algorithmen bearbeitet und verfremdet werden.

Das Gerät selbst besteht aus dem Controller mit 4 Reglern, einem Programmwahlschalter und einer Breakoutbox, die Power-In und Audio L/R-Out bietet. Verbunden wird the Pipe mit einem mitgelieferten XLR-Kabel.

The Pipe ist in zwei Gehäusevarianten erhältlich:

Weiß mit rot hinterleuchtetem Logo oder Schwarz mit weiß hinterleuchtetem Logo. Die Intensität der hinterleuchtenden LED ist abhängig vom Pegel des Eingangssignals, ein für Performances sehr schöner optischer Effekt.

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Die Breakoutbox für Stromzufuhr und Stereo-Out über zwei Klinkenbuchsen

Das entscheidende Teil ist hier natürlich das für the Pipe entwickelte Kontaktmikrofon.

Das kann man aus Distanz und im Mundraum besprechen, klopfen, reiben, wie ein Blasinstrument verwenden, an Oberflächen entlang gleiten lassen – der Kreativität der physischen Bearbeitung sind keine Grenzen gesetzt. Es reagiert dabei extrem sensibel auf kleinste Atemgeräusche, Zungenanschläge – man kann mit dem Instrument verschmelzen – was ja Kreimers Intention ist.

12 Synthese Algorithmen

ORPHEUS, FILTERRA, SYNTH, REVERB, MADELAY, PULSE, BASSDRUM (three versions), OCTAVA, GENERATOR, HARCHO!

Bei jedem Programm können über drei Drehregler drei Parameter editiert werden. Weiterhin muss stets der untere Kontaktsensor gehalten werden, damit the Pipe überhaupt ein Signal ausgibt. Mit dem darüber befindlichen FX-Sensor kann ein zusätzlicher Effekt aktiviert werden. Die Programme und die Möglichkeiten der Beeinflussung über die drei Regler werden im Benutzerhandbuch sehr gut beschrieben, man erhält damit eine gute Ausgangsbasis, um sich in das Instrument einzufühlen, alles weitere kann ohnedies erst in der Praxis erarbeitet werden.

Mit dem gerasterten Drehregler werden die Programme ausgewählt

Die Programme im Detail

ORPHEUS

Zwei virtuelle Resonatoren werden von der Stimme ausgelöst, Größe und Decay der Resonatoren können mit den Reglern beeinflusst werden.

FILTERRA

Dieser Algorithmus kombiniert ein dynamisches Resonanzfilter mit einem Hall. Die Filterfrequenz hängt vom FREQ-Regler und der Lautstärke des Eingangs ab. Die Resonanz ist auch dynamisch.

Der Algorithmus ermöglicht das Spielen schöner Leads, etwas zwischen einem Duduk und einem Synthesizer.

SYNTH

Mit SYNTH können Synthesizer-ähnliche Lead-Sounds erzeugt  werden. Der Algorithmus  verfügt über ein dynamisches Tiefpassfilter mit einstellbarer Grenzfrequenz sowie Hall/Delay und einen Oktaver.

REVERB

Reverb ist der vielleicht „konventionellste“ Algorithmus, ein Hall mit regelbarer Distortion plus Delay.

MADELAY

Ist tatsächlich ein „crazy“ Delay. Der Input wird in rhythmischen Intervallen, die in der Frequenz regelbar sind, abgetastet und kann eingefroren werden, weiterhin ist das Feedback regelbar. Das eingestellte Tempo bleibt beim Wechsel zu einem anderen Programm erhalten.

PULSE

Pulse verwandelt den Input in einen rhythmischen, arpeggierten Synthesizer-ähnlichen Sound. Das Decay der Impulse ist dabei regelbar, weiterhin ist noch ein metallisch klingendes Reverb zumischbar.

BASSDRUM

Bassdrum verwandelt den Input der Stimme in eine 909-artige Bassdrum, bei der Tune, Pitch und Decay regelbar sind und Distortion zugefügt werden kann.

SWITCHABLE BASSDRUM

Erweiterter Bassdrum-Algorithmus: Dabei kann der Bassdrum-Sound, der zuletzt erzeugt wurde, auch mit dem FX-Button getriggert werden.

BASSDRUM AND SNARE

Eine Variation des schaltbaren Bassdrum-Algorithmus, wenn der FX-Sensor nicht gedrückt wird, wird der Input in einen Snare-Sound umgewandelt, wird er gedrückt in einen Bassdrum-Sound.

OKTAVA

Oktava ist eine Kombination aus Pitch-Shifter, Filter und Delay.

GENERATOR

Generator ist einer der ungewöhnlichsten Algorithmen des PIPE. Er enthält einen sprachgesteuerten Sound-Generator, Filter, Ringmodulation und ein Delay mit dynamischer Rückkopplung. Wenn man einen langen und lauten Ton erzeugt, überschreitet der Rückkopplungspegel in der Verzögerung 100 % und ein Teil des Klangs friert in einer selbstoszillierenden Verzögerung ein, bis der Eingangspegel wieder abfällt. Die daraus resultierende Selbstoszillation kann durch Berühren des FX-Sensors gestoppt werden.

ХАРЧО! ხარჩო! (HARCHO)

Harcho ist eine nationale georgische Rindsuppe mit Reis, Walnüssen und Tkemali-Sauer-Sauce. Die Suppe ist üppig gewürzt, mit viel Knoblauch und grünem Gemüse und gehaltvoll. Харчо (Harcho auf Englisch) ist der extremste Algorithmus der Pipe 3 Typen digitaler Verzerrung, Delay/einem Hall und einem Tiefpassfilter.

Auf der Rückseite sind die Programme und Funktionen der 3 Drehregler abgedruckt

All das ist aber (graue) Theorie und spätestens hier stößt man an die Grenzen des schriftlichen (Test-) Berichtes, zumal der Input, also die eigene Stimme, ja wohl der direkteste Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist, der zur Verfügung steht.

Wenn man sich ein wenig mit the Pipe beschäftigt hat, dann kann man einzigartige Klangfarben produzieren, die kein anderes Instrument, Plugin oder Hardware in dieser Form erzeugen kann.

Nachbearbeitung in der DAW ist aber meistens notwendig, um den Dynamikumfang in den Griff zu bekommen.  In dieser Hinsicht ist das Kontaktmikrofon der Pipe sehr sensibel, aber auch übersteuerungsfest. Da bereits feinste Berührungen des Gehäuses und des Mikrofons mit den Lippen an das Kontaktmikrofon übertragen werden, ist es bei leisen Passagen auch nicht immer möglich, völlig nebengeräuschfrei aufzunehmen, man muss die Spuren öfter säubern.

Das habe ich bei den Klangbeispielen nicht getan, damit man sich auch davon einen Eindruck machen kann.

Wenn man die 12 Algorithmen durch hat (bei denen die 3 Drum-Programme auch noch artverwandt sind), bekommt man Lust auf mehr. Hier zeigt sich dann eine der Schwächen des Konzeptes. Es gibt keine Möglichkeit, die Programme der Pipe zu erweitern, es wird auch im Handbuch und auf der Homepage nichts diesbezüglich erwähnt. Es gibt keine Möglichkeit, die Firmware gemäß heutigem Standard per Download und Übertragung auf das Gerät upzudaten. The Pipe ist ein geschlossenes System. Ich habe diesen Punkt betreffend bei Soma Europa nachgefragt und dort wurde mir bestätigt, dass an eine Erweiterung der Algorithmen nicht gedacht ist. Gearbeitet wird derzeit an einer Möglichkeit, eine Art Hold-Funktion für die beiden Kontakt-Sensoren zu implementieren, sodass man beide Hände für die Parameterregelung frei hat.

Dem gegenüber steht aber die Qualität und Flexibilität der Algorithmen. Diese sind allesamt sehr gelungen und gut ausbalanciert. Die Regelbereiche sind gut aufeinander abgestimmt und mit den sehr präzisen Reglern kann man feinste Parameteränderungen vornehmen und auf Klangreise gehen. Man merkt beim Spielen, dass da viel Arbeit drinsteckt.

Um zum Ausgangspunkt des Artikels zurückzukehren: Vlad Kreimers Vision ist es, elektronische Instrumente und Soundgeneratoren zu bauen, die mit dem menschlichen Körper und der Umwelt interagieren. Das ist bei the Pipe eindrucksvoll gelungen.

Soma Laboratory The Pipe on YouTube

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Mehr Informationen

 

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Fazit

The Pipe ist ein sehr ungewöhnliches und sehr persönliches elektronisches Instrument. Es braucht Zeit, um sich einzufühlen und Spieltechniken zu entwickeln. Stets faszinierend ist das unmittelbare Erlebnis des Ausdrucks und das Erforschen der Feinheiten der Parameter. Die Palette geht von feinsten Klangereignissen über superfette Bassdrums bis zu total verzerrtem Chaos und Exzess. Eines ist the Pipe ganz sicher nicht – konventionell.

Plus

  • Klang und Ausdruck
  • außergewöhnliche Algorithmen mit guter Parameterabstimmung
  • Empfindlichkeit und Übersteuerungsfestigkeit des Kontaktmikrofons
  • robuste Verarbeitung
  • sehr präzise und ergonomisch gute Regler für die Parameter

Minus

  • Algorithmen nicht erweiterbar
  • bei manchen Programmen hörbare Parametersprünge beim Drücken und Loslassen des FX Sensors

Preis

  • 539,-Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    ctrotzkowski

    Ein schön kreatives Hastenichgesehen :-)

    Das referenzierte Weird Gear Video überrascht mich sehr bzgl. der Praxistauglichkeit, die ich aufgrund der einzelnen Sounds unterschätzt hatte.

    Mich würde einmal ein ähnlich ausführlicher Amazona Test über einen der Eigenharp Controller interessieren.

  2. Profilbild
    Mr.Ketoujin

    Sehr schöner Testbericht.
    Ich mag ja solche Teile die zum Körpereinsatz auffordern. Es sind schöne Nischengeräte.

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Bei meiner chronischen Kurzatmigkeit reicht es gerade mal zum Bassdrumanpusten.

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @Coin Pedal treten ist mit meinem Fersensporn auch nicht schmerzfrei möglich. ;-)

          • Profilbild
            AMAZONA Archiv

            @Coin Zu drucksensitive Extremitäten. Trage ja schon beim Keyboatdspielen gepolsterte Handschuhe. Ansonsten gibbet blaue Flecken. Ähnliches gilt auch für die Füße. Einlagen und Schuhpolsterung.
            Mir hilft nur Mitleid, um das Leid zu mildern.

              • Profilbild
                AMAZONA Archiv

                @Coin Genau, Aber mit G hinten. Das K kommt mir da schon zu hart, verursacht Schmerzen. ;-)

    • Profilbild
      toneup RED

      Tipp bei Kurzatmigkeit: Das Kontaktmikrophon reagiert auch auf – Kontakt. Man kann die Bassdrums auch einklopfen. Es gibt ein sehr schönes Video mit auf der SOMA Homepage was man da so alles anstellen kann, als Appetizer sozusagen.

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @toneup Ja, nee… war ja nur ’n Spaß. Tolles Teil, keine Frage. Aber so’ne Darth Vader-Gedenk-Asthmapumpe ist nicht so wirklich mein Dingen. Gebläse liegt mir generell nicht. Aber ist definitiv ’ne spannende Sache, keine Frage. Auch optisch ein Hingucker.

  4. Profilbild
    costello RED

    Ich fühle mich beim Orpheus-Algorithmus in ein tibetanisches Kloster versetzt. Wirklich teilweise sehr außergewöhnliche Klänge. Das wäre was für Laurie Anderson. Danke für den Test!

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