Der Zoom R20: Eine tolle Kiste!
Inhaltsverzeichnis
Nach dem Auspacken und Anschließen des Zoom R20 Multitrack Recorders hatte ich mehr und mehr ein großes Fragezeichen im Kopf – wie soll ich denn diesen Funktionsumfang in einen halbwegs verständlichen AMAZONA.de-Testbericht reinbekommen? Nur zur Veranschaulichung: Das deutschsprachige Handbuch hat 175 vollbedruckte Seiten. Da hilft nur priorisieren! Ich frage mich also: Was wird Sie, verehrter Leser, interessieren, wenn Sie diesen Testbericht anklicken? Nun, ich verspreche, mein Bestes zu geben, aber bitte seien Sie gnädig, ich werde hier einiges nur anschneiden können. Also, nicht jammern, sondern in die Hände spucken und los geht es!
Zoom R20 Multi Track Recorder: Worum geht es?
Der R20 ist ein komplettes Recordingstudio in einem Gehäuse. Also ein 16-Kanal-Mischpult mit Preamps, Effektsektion, Instrumenten, Loops, Stereo- und Multi Track Recorder, Editingplattform, Audiointerface und SD-Kartenrekorder. Für ganze 389 Euro bekommen Sie praktisch eine gut ausgestattete DAW. Der Zoom R20 ist als Desktop-Gerät konzipiert und neigt sich leicht dem Benutzer entgegen. Grundsätzlich findet also die gesamte Bedienung auf dem Gerät statt – man kann zudem ein MIDI-Keyboard für die Software-Synthesizer anschließen. Kurzum: alles in einer Kiste.
Hardware-Ausstattung und Verarbeitung
Fangen wir mit den Basics an! Wie erwähnt dominieren die neun Fader (8x Kanal & 1x Master, nicht motorisiert) das Design, die insgesamt 16 Kanäle regeln können. Oben dazu dann die entsprechenden acht Inputs, wobei Kanal 1&2 als Kombibuchse (XLR/Klinke) ausgeführt sind und die anderen sechs Kanäle als XLR (female). Input 1 kann als HI-Z Instrumenteneingang geschaltet werden und 5 bis 8 mit 48 V Phantomspeisung. Darunter die farbigen Gain-Regler und dann die bei Aktivierung rot leuchtenden REC-Schalter.
Auf der rechten Seite dominiert der4,3“ LCD-Touchscreen und darunter die Steuereinheit für Aufnahme, Play und die üblichen Steuerknöpfe. Gut finde ich den direkt aktivierbaren Click, damit über den gesamten Aufnahmeprozess ein Tempo festliegt.
Die Rückseite ist sehr spartanisch: Output (L&R), Kopfhörer mit Lautstärkeregler, der Power-Schalter und der verriegelbare Anschluss für das Netzteil. Weitere Anschlüsse finden sich auf der rechten Seite: eine Klappe, hinter der sich der Slot für eine SD-Karte verbirgt, ein USB-C Anschluss und ein Slot für das optional erhältliche Bluetooth-Modul.
Die Verarbeitung ist gut – die Input-XLR-Buchsen sind zusätzlich verschraubt, aber leider nicht mit einer Stecksicherung versehen. Die Fader laufen satt und alle Schalter und Knöpfe lassen keinen Zweifel über den aktuellen Zustand. Die USB-C-Buchse ist ebenfalls verschraubt und macht einen sehr soliden Eindruck. Klar, das Gerät besteht überwiegend aus Kunststoff, ist aber trotzdem nicht zu leicht und stabil gefertigt. Das Netzteil ist eine klassische „Warze“, aber immerhin verfügt der Stecker über eine Sicherung gegen versehentliches Abziehen.
Bedienung und die Software-Features
Der Touchscreen ist recht unempfindlich gegenüber Fingerabdrücken und ist sehr leuchtstark und sehr gut ablesbar. Die Auswahl von Funktionen ist OK, nur bei den virtuellen Schiebereglern ist die Zuverlässigkeit sagen wir „geht so“. Da man aber im Menü wenige dieser Fader hat (denn die werden meist über die Hardware-Regler bedient), ist dies kein großes Problem.
Insgesamt macht die Menüführung auch einen durchdachten Eindruck und auch ohne Lesen der Betriebsanleitung kommt man schon sehr weit. Starten, Projekt erstellen und dann die Kanäle einpegeln. Das geht ohne Probleme. Einen Mixdown machen, schneiden, editieren, einpegeln – das geht schnell und leicht. Für ein Gerät mit diesem Funktionsumfang ist das schon bemerkenswert.
Wenn man ein neues Projekt startet, dann hat man die Wahl zwischen einem leeren Projekt oder man kann ein Template auswählen, auf dem dann schon ein entsprechender Drumtrack vorhanden ist. Sie können wählen zwischen Rock, R&B, Electronic und sechs weiteren Variationen. Die Drumpatterns sind OK, wenn auch ein wenig verspielt (siehe Klangbeispiele). Dann kann jeder einzelnen Spur eine Variante zugewiesen werden, die die internen Kompressor- und EQ-Einstellungen vorgibt. Zur Wahl stehen Voice, Drums und Piano.
Die Erstellung von Intro, Strophe, Refrain etc. ist möglich und kann individuell benannt werden. Man kann nachträglich das Tempo verändern oder zwischen 3/4, 4/4 oder 6/8tel umschalten. Click, Precount – mir fehlt hier auf den ersten Blick nichts für alle grundsätzlichen Produktionsjobs. Sogar ein Tuner mit verschiedenen Einstellungen und Hertz-genaues Tuning ist möglich.
Auf der anderen Seite darf man aber auch keine pixelgenaue Bedienung erwarten. Man kann die Tracks schon taktgenau schneiden, aber eine höhere Auflösung ist mit dem Touchscreen dann wieder nicht möglich. Ein- und Ausblenden habe ich nicht gefunden und das Millisekunden genaue Ausschneiden oder Zusammenfügen von Bereichen wird man mit diesem Gerät – wenn überhaupt – nur sehr grob hinbekommen. Aber dies ist auch nicht der Anspruch, denn man an das Zoom R20 stellen sollte.
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In diesem Video sieht man die Möglichkeiten der Touch-Bedienung sehr gut. Wie gesagt: Die Akkuratesse einer Maus ist natürlich nicht möglich. Und das zeigt auch die Grenzen des Desktop-Konzeptes des Zoom R20 auf: Ein Multitrackrecording ist durch die Kanalvielfalt und das mischpultartige Design gegeben – eine echte Nachbearbeitung, wie in einer DAW, ist aber nur sehr begrenzt möglich. Gemessen am aufgerufenen Preis von 389,- Euro ist dies aber schon sehr viel. Die meisten professionellen DAW-Pakete sind teurer und zwar ohne jegliche Hardware.
Wie klingt der Zoom R20 Multi Track Recorder?
Bei der klanglichen Beurteilung muss man zwischen den Möglichkeiten der Hardware und der digitalen Klänge unterscheiden. In Sachen Preamps liefert der R20 sehr gut ab: Die Mikrofonvorverstärker sind rauscharm und bieten ordentliche Dynamik – nur muss in den Höhen etwas nachgeholfen werden. Allerdings darf man den Inputs nicht zu viel zumuten. Schon bei einem leisen Kondensatormikrofon muss man kräftig an den Gain-Reglern drehen, um eine saubere Lautstärke hinzubekommen.
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Klassische dynamische Mikros, wie das Shure SM57/58 wird aber ausreichend versorgt. Schade, dass Zoom dem R20 nur zwei Line-Level-Inputs spendiert hat. Das Konzept wäre sicher sehr gut für einen Groove mit mehreren Synthesizern geeignet. Man kann zwar die Tracks der Kanäle 1 & 2 nach dem Recording verschieben und dann wieder auf Track 1 & 2 aufnehmen – aber das kann auch in einem Chaos enden, wenn man nicht aufpasst. Aber insgesamt finden sich beim R20 immer wieder Lösungen und Workarounds, was das Gerät durchaus sympathisch macht.
Die digitalen, internen Klänge sind OK – mehr nicht. Aber das ist auch nicht der Fokus des Geräts. Die E-Pianos und Synthie-Klänge sind etwas dünn und auch die Drums haben nicht die Durchschlagskraft, die man von anderen Plug-ins und DAWs kennt, aber noch mal: Für das Grundkonzept des R20 ist diese Ausstattung sowieso viel mehr, als was man erwarten dürfte.
Ich habe in den Klangbeispielen ein paar Synthieklänge und auch ein paar Drumloops aufgenommen und auch eine kleine „Liveperformance“, um das Konzept zu zeigen. Tatsächlich sind all diese Tracks schnell und einfach im Kasten gewesen und auch die Nachbearbeitung ging zügiger, als man von einem Touchscreen erwarten kann.
Eher durchschnittlich mag ich eigentlich nur die Sound-Effekte bewerten (Klangbeispiel 04b): Hall, Echo und die anderen Effekte sind wirklich nur beispielhaft einzusetzen, um ein Gefühl für das Endergebnis zu bekommen. Hier rate ich dringend zu einer Nachbearbeitung in der DAW. Selbst die kostenlosen Effekt-Plug-ins der meisten Digitalen Workstations sind hier besser.
Ansonsten haben wir es mit dem Zoom R20 mit einem ausgereiften und sehr breit einsetzbaren Gerät zu tun. Songs, Podcasts oder Ideen sind mit dem kompakten Multi Track Recorder schnell in der Kiste und ebenso schnell auch editiert und gemischt. Mit dem SD-Kartenslot sind die Tracks dann schnell in der DAW und können dort fein-getuned werden. Für diesen Preis und Anwender mit dem Wunsch nach einer schnellen und unkomplizierten Recording-Lösung ist das Zoom R20 sehr gelungen.
Vor dem Fazit noch ein Hinweis: Aufgrund des großen Funktionsumfangs ist es in einem Testbericht kaum möglich, alles auszuprobieren. Nach dem eigentlichen Test habe ich noch viele weitere Features, wie die Touch-Tastatur, Fingerdrumming, die Verwendung der internen Drumloops oder auch die Bedienung per Stylus ausprobiert. Letzteres hat in meinem Falle keine Verbesserung zur Fingerbedienung gebracht.
Interessantes Gerät. Erinnert vom Konzept stark an die Tascam Portastudios.
Dort ist man von den Eingängen, Tracks und Editierfunktionen noch etwas flexibler, dafür ist die Software und das User Interface schon etwas in die Jahre gekommen.
Ist es möglich die Eingänge 3 bis 8 mit Adaptersteckern zu bestücken, um sie als „Line -in“ für Synthesizer zu benutzen (XLR 3-polig Male auf TRS female)
und wenn ja gibt es dabei Einschränkungen? (abgesehen von Hi-Z)
@Bria Es scheint zu gehen. Zitat aus dem Handbuch:
❶ Eingangsbuchsen
Verwenden Sie die INPUTS 1 und 2, um Mikrofone, Keyboards oder Gitarren anzuschließen. Es werden XLR- und (unsymmetrische) 6,35 mm Klinkenstecker unterstützt.
Verwenden Sie die INPUTS 3 bis 8, um Mikrofone oder Keyboards anzuschließen. Diese Anschlüsse sind für XLR-Stecker ausgelegt.
Ohne die eingebauten Klänge und Style Auswahlmöglichkeiten würde mir das Teil besser gefallen. Die lenken nur vom Musikmachen ab. Ansonsten – 16 Kanäle ohne Overdub-Rauschen – da konnte ich vor 40 Jahren mit meiner 4-Spur Bandmaschine nur träumen…
Tolle Kiste? Ich kenn eine noch tollere: Nennt sich R24 und ist von 2009. Hat natürlich kein Tatsch-Display – aber der R20 viele Features voraus: 24 Spuren in höherer Auflösung als das oben Gebotene, 8 Kombibuchsen, Batteriebetrieb möglich, 2 brauchbare Send-FX (Reverb & Delay gleichzeitig nutzbar und individuell editierbar), unzählige FX für E-Git & Bass sowie Mastering FX (nicht Hi End, aber skizzentauglich und editierbar), eingebauter Drumcomputer, eingebauter Sequenzer/Sampler, als Interface nutzbar – und einen USB-Sticks mit Drumloops vollgepackt gibt’s obendrauf, die obigen Hörbeispielen das Wasser reichen können. Die Preamps sind nicht so toll, aber der Beschreibung nach die der R20 auch nicht.
Außer dem bunten Wischplay und dem Projekt-Voreinstellungs-Auswahlgimmick sehe ich nichts, was die neue R20 der alten R24 voraus hätte. Stattdessen eine Armada von Abstrichen, Rückentwicklungen, Verschlechterungen. Auf Anhieb enttäuschend. Ich hatte mich bereits bei Erscheinen der R20 näher kundig gemacht. Die Enttäuschung verstärkte sich.
Und wer zum Stromausfall braucht einen schlechten Synth in einem Multitracker – Fans der Plugin-Klangqualität von 1998?
Digitalisierte Touchfade-Streifen wären was gewesen.
Ich bleib bei meiner R24.
wenn man mal beim Treppendorfer Standardkauflink nachschaut, bekommt man schon den Eindruck, dass Zoom dieses Segment zusch… eine gewisse Marktsättigung erreicht, indem es einen verhältnismäßig kleinen Preisrahmen mit „unzähligen“ Geräten flutet. Die offensichtlichste Frage, die da aufkommt: Wenn man das Touchdisplay zwar trendy findet, aber die Funktion im alltag in Frage stellt, warum sollte man dann nicht zum (zumindest bei Thomann) gleichpreisigen R24 greifen?
Ganz grundsätzlich finde ich es aber schon erstaunlich, was man für so wenig Geld bekommt. Da sollten die minderwertigeren Effekte als nette Dreingabe durchgehen. Und vor allem ist es schön zu sehen, dass auch Musiker die keinen PC haben, wollen oder brauchen immer noch solche Portastudios bekommen.
…. wäre praktisch für mehrer Synthesizer . Ohne Midi ? Ohne FX- Send ?
Und dann noch das Debakel mit den Eingangsbuchsen . Murks .
Die Funktionalität und Routingmglichkeiten eines Mixers/Recorders eröffnen sich mir meist indem ich das Block-Diagramm ausgiebig studiere. So verstehe ich bereits vor dem Kauf was möglich ist und was nicht.
Habe mal ins Handbuch geschaut, doch finde ich bei Zoom lediglich für die L-Lifetrack-Linie Diagramme. Für die hier diskutierte R-Linie sehe ich nichts im Handbuch. Oder gibt es dafür ein separates Dokument? Vielleicht habe ich was übersehen?
Danke für Hinweise.
@dct Hallo, auf deren Homepage gibt es das Version 2.0 Supplementary Manual. Hier ist ein Blockdiagramm drinnen. Schau mal, ob das helfen könnte. Mehr habe ich auch nicht gesehen.
Grüße
@Jörg Hoffmann Tatsächlich! Danke für den Hinweis.
In den Helpseiten des Herstellers findet man diese Zusatzinfo für den R20. Aber nur genau diesen aus der R-Reihe. Für alle anderen R-Geräte muss man sich anscheinend selbst was zusammenreimen und zeichnen.