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The Jimi Hendrix Book (19) – Jimi Hendrix Kreativität

Jimi on Sunday 19: Hendrix und die Improvisation, Komposition & Produktion

22. Januar 2023

The Jimi Hendrix Book (19) Kreativität

Jimi Hendrix‘ Kreativität kann man im Werk des Gitarristen und Komponisten an ganz verschiedenen Punkten entdecken: Was seine Musik ganz entscheidend geprägt hat, sind neben den Kompositionen die Umsetzungen seiner Sound-Ideen mit Hilfe der Studio-Produktionstechnik. Insbesondere im Live-Zusammenhang spielen aber auch die oft ausschweifenden Improvisations-Parts eine zentrale Rolle, findet Amazona.de-Autor Lothar Trampert.

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Hendrix und die Improvisation

Die Bedeutung eines wichtigen Gestaltungsmittels bekam die Improvisation innerhalb der Popmusik vor allem durch deren Beeinflussung von Seiten der afroamerikanischen Musik. War der weiße Rock & Roll (Bill Haley, Elvis Presley, Jerry Lee Lewis u.a.) relativ straff arrangiert und nur durch kurze improvisierte Passagen aufgelockert, so machten sich im englischen Beat der 60er-Jahre (Rolling Stones, frühe Beatles, Alexis-Korner-Umfeld, Graham Bond u.a.) teilweise starke R&B-Einflüsse bemerkbar. Die Emanzipation der Gitarre als Soloinstrument und überhaupt die wachsende Bedeutung der Instrumentalisten in der Popmusik, sind nur eine deutliche Folge hiervon. Und damit kam dann auch die Improvisation ins Spiel – bei Studio-Aufnahmen dezenter, live oft sehr ausgedehnt. Nicht zuletzt aufgrund der Blues-Orientierung der britischen Szene, war es für Chas Chandler möglich, Hendrix (anfangs in erster Linie Gitarrist, Improvisator und schon rein äusserlich eine extreme Erscheinung) auf diesem Markt erfolgreich zu etablieren.

Improvisation ist bei Hendrix unter zwei Aspekten zu betrachten:

  • Improvisation als grundlegendes Charakteristikum der Interpretation eines Stückes, das nur als rudimentäre Idee oder speziell arrangiertes und strukturiertes Studioprodukt vorliegt und nun (unter Umständen in anderer Besetzung) neu realisiert werden soll.
  • Improvisation als Gestaltungsmittel eines mehr oder weniger festgelegten Abschnittes innerhalb eines Stückes. Bei Hendrix also das improvisierte Gitarrensolo, mit oder auch ohne Begleitung, z.B. im Intro eines Stücks.

Improvisation im ersten Sinne, ist Grundcharakteristikum jeder Interpretation von nicht schriftlich fixierter/tradierter Musik. Hier ist die Art und Weise dieser Interpretation eines Musikstückes natürlich durch mehr oder weniger stark wirkende Stilkonventionen und die musikalischen Fähigkeiten und Absichten des jeweiligen Musikers geprägt. Bei Hendrix steht hier ein klangliches Ideal im Vordergrund, das auf das musikalische Material des jeweiligen Stückes in verschiedener Weise angewendet wird. Vergleicht man Hendrix‘ Studioaufnahme von Bob Dylans ,All Along The Watchtower‘ mit verschiedenen Live-Versionen, so zeigen sich einmal die gestalterische Freiheit, aber auch dieses klangliche Ideal der LP-Version, die immer zugrunde liegt und damit auch die Grenzen dieser Interpretation bestimmt. Der britische Musiker und Theoretiker Derek Bailey betont in seinem Buch „Improvisation – Kunst ohne Werk“ (Hofheim 1987, S. 75), im Zusammenhang mit der Improvisation in der Rock-Musik die Notwendigkeit der Flexibilität des musikalischen Materials (auch wenn es meist nur relativ wenig verändert wird), allein schon aufgrund der „Reproduktionsbedingungen“ der Live-Situation. Ein, wie bei der klassischen Musik bestehendes, allgemein akzeptiertes, Interpretationsideal oder etwa schriftlich fixierte Maßstäbe für die Aufführung, gibt es hier nicht. Zumindest nicht in dieser Direktheit. Weite Teile der und auch der Stile der afroamerikanischen Musik blieben natürlich nicht immer unberührt von modischen Zwängen, die jedoch, je größer die Bedeutung der Improvisation für die jeweilige Richtung ist, um so weiter in den Hintergrund treten.

Als Gestaltungsmittel eines Solos, hat die Improvisation in der afroamerikanischen Musik lange Tradition. Beginnend bei den archaischen Shouts und Field-Hollers, über alle Formen von Jazz und Blues, gab es eigentlich immer die Gegenüberstellung von Solist und Gruppe oder Orchester, bzw. von vereinbarten oder arrangierten Passagen und solistischen Freiräumen. Neben diesen festgelegten Abschnitten gibt es noch kurze solistische Einwürfe zwischen einzelnen Zeilen der Strophen des Gesangs, die im Wesentlichen auf die Fill-Technik des Blues zurückzuführen sind, nach jeder halben oder ganzen gesungenen Textzeile ein kurzes, instrumentales Statement abzugeben. Hendrix hat diese Technik auch kreativ in formal nicht Blues-typische Stücke eingebaut.

In Bezug auf das musikalische Material unterscheidet der Musikwissenschaftler Wolf Burbat (Drei Improvisationstechniken des Jazz, in: Musica, Jahrgang 38h/1984, S. 23ff., Kassel 1984) Improvisationstechniken, die sich auf jeweils unterschiedliche Aspekte des zugrundeliegenden musikalischen Materials beziehen

  • auf die Melodie
  • auf die Akkordfolge
  • auf die Skalen/Modi

Zur Beziehung dieser drei Typen untereinander betont er vor allem deren Überschneidungen: „Melodische Improvisation ist kaum ohne harmonische Bezugnahme möglich, das Spiel über Changes wird heute weitgehend modal gelernt; d.h. Akkorde und Akkordverbindungen werden stets in Zusammenhang mit dazugehörigen Skalen betrachtet.“

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Hendrix Kreativität

Die Festlegung auf einen bestimmten Improvisationstypus ist auch bei Hendrix nicht möglich; trotzdem sind Schwerpunkte zu erkennen. Basieren die Cover-Versionen (,Hey Joe‘, ,Like A Rolling Stone‘, ,All Along The Watchtower‘, ,Wild Thing‘ …) deutlich auf akkordischen Strukturen, die ebenfalls die improvisatorische Gestaltung bestimmen, so sind in den Balladen ,Little Wing‘ und ,Bold As Love‘ die Fills ebenfalls akkordisch angelegt. Die Gestaltung des Solos orientiert sich hier jedoch stärker an der Themenmelodie. Das später entstandene ,Angel‘ oder auch ,Drifting‘ (beide von der LP ,Cry Of Love‘), orientieren sich mehr an der klangtechnischen Ausgestaltung der akkordischen Strukturen durch elektronische Effekte (Phaser, Uni-Vibe, etc.). Die Aufnahmen mit der Band Of Gypsys basieren fast ausschließlich auf anfangs vorgestellten Riff-artigen Themen, die auch als Improvisationsgrundlage dienen. Harmonische Gerüste, im Sinne der üblichen, ausgespielten Akkordfolgen existieren hier nicht. Andere Stücke, wie ,Foxey Lady‘, ,Purple Haze‘, ,In From The Storm’, basieren ebenfalls auf Riffs, deren Akzente durch Einflechtung von Akkorden verstärkt werden. Hier können aber auch Akkordgerüste den Background für den Gesang gestalten; die instrumentalen Improvisationen gehen aber wieder in erster Linie von den zugrundeliegenden Riffs aus.

https://youtu.be/9yR6e4qf9gQ

Im Gegensatz dazu stehen die Blues-Kompositionen ,Red House‘ und ,Bleeding Heart‘, die sich solistisch durch eine lineare Interpretation der drei harmonischen Grundstufen auszeichnen und in der Strophe von der Korrespondenz zwischen Gesang und Gitarren-Fills bestimmt sind. Sind wirklich freie Improvisationen, ohne direkte harmonische oder tonale Bezüge, wie etwa ,Cave Man Bells‘ (vom 3LP-Set ,At His Best‘, das in den 70ern in Italien veröffentlicht wurde und Appartment-Jams aus den Tagen um das Woodstock-Festival dokumentiert) sehr selten, so finden sich aber rein klanglich angelegte, improvisierte Passagen in verschiedenen Stücken, so z.B. im Improvisationsteil von ,Third Stone From The Sun’, in dem Hendrix mit der Gitarre Geräusche über ein Bass-Riff und ein swingendes Schlagzeug produziert, ähnlich wie in ,Moon Turn The Tides Gently Away‘ (von der DoLP ,Electric Ladyland‘, von 1968). In ,EXP‘, dem Eröffnungsstück der zweiten LP ,Axis: Bold As Love‘ (1967), erzeugt Hendrix nur mit Hilfe der verzerrten Feedback-Gitarre und des Panning-Effektes, den Eindruck, der Sound würde sich (ähnlich einem Flugobjekt ausserirdischer Wesen) im Raum frei bewegen. Das Thema des Stückes wird im den Song einleitenden Kurz-Interview mit Jimi genannt, die musikalische Ausgestaltung besteht aus der Interpretation der akustischen Vorstellungen, die der Hörer der 60er-Jahre von einem UFO hatte.

Hendrix experimentiert: Cherokee Mist

Hendrix‘ Kreativität noch mal anders: Es geht um ein Stück auf dem Album ,Both Sides Of The Sky‘ (2018), das in seinen knapp sieben Minuten einmal mehr zeigt, was passiert, wenn Jimi Hendrix einfach mal was ausprobieren konnte: Es geht um den instrumentalen, improvisierten Track ,Cherokee Mist‘, eingespielt am 02. Mai 1968 im Record Plant, New York. Hier hat Hendrix eine Rhythmusgitarre, eine Feedback-Gitarre (die im Hintergrund laut leidet) und einen Part auf einer indischen Sitar eingespielt – begleitet wird er nur von Drummer Mitch Mitchell. Eine wirklich ungewöhnliche Aufnahme, immer wieder mal ganz schön schräg, und das einleitende Trommelspiel erinnert tatsächlich kurz an die Musik von Native Americans. Bis Hendrix ein kurzes Thema aus einer ganz anderen Welt anspielt, dann das Stück komplett übernimmt und ins Feedback-Universum abschweben lässt. Improvisation, Komposition, Produktion – hier passiert das alles auf einmal, und wer weiß, was Hendrix aus dieser Skizze noch gemacht hätte … Hat er aber nicht.

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Diese Aufnahme aus der letzten Produktionsphase für das im Oktober 1968 erschienene Album ,Electric Ladyland‘, die immer wieder durch Live-Konzerte und Festival-Auftritte unterbrochen wurde, zeigt extremst seine große musikalische Offenheit und die Bereitschaft, intensiv zu experimentieren. Wahrscheinlich hatte er 1968, bei der Produktion dieses genialen Doppel-Albums, wirklich (s)ein kreatives Hoch.

Im 4CD-Set/Buch ,The Jimi Hendrix Experience‘ von 2000 kann man eine weitere Version von ,Cherokee Mist‘ hören. Diese sechs Minuten Musik wurden im Trio von Hendrix, Billy Cox und Mitch Mitchell am 24. Juni 1970 in den Electric Lady Studios eingespielt. Hier hat das Instrumental schon klarere, formale Strukturen.

Im Netz findet man außerdem noch eine zweiminütige Version, diverse Remixe, komplett andere Stücke die falsch mit ,Cherokee Mist‘ betitelt wurden, und ein ganzes Album mit diesem Namen (das 1991 in Europa bei Triangle Records erschienen ist – einem Bootleg-Label, das wiederum illegale Veröffentlichungen des ebenfalls illegalen Labels Pyramid Records neu auf den Markt brachte. Außerdem gibt es noch das gleichnamige Buch, compiled and edited by Bill Nitopi: „Cherokee Mist. The Lost Writings“ (1993) bringt zwar keine neuen Erkenntnisse über die o.g. Aufnahmen, dafür aber eine Menge handschriftlicher Dokumente und Fotos des Künstlers. ,Cherokee Mist‘ scheint auf mehreren Ebenen inspiriert zu haben.

Hendrix als Komponist

Im Gegensatz z.B. zur E-Musik sind im Bereich des Jazz, Rock und Pop Komponist und Interpret sehr oft identisch. Berücksichtigt man die zentrale Bedeutung der Improvisation und des „Er-Improvisierens“ im Jazz (der Begriff stammt von dem großartigen Musikkenner und Jazz-Forscher Joachim Ernst Berendt,, nachzulesen in: Das große Jazzbuch, Frankfurt/M. 1981, S.163) und in weiten Teilen der Rock-Musik, so ist diesem kreativen Akt, der sich zwischen Probe (Entwicklung und Einstudierung), Studio (Fixierung) und Bühne (Interpretation) abspielt, entscheidende Bedeutung beizumessen. Dieser kreative Prozess ist im Grunde genommen erst dann abgeschlossen, wenn eine eigene Komposition zum definitiv letzten Mal interpretiert worden ist –natürlich sofern sie freie Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt. Bei reinen Studiokreationen, wie z.B. den Alben der Beatles, deren Musik seit 1966/67 größtenteils nicht mehr im Konzert reproduzierbar war, gilt fast John Lennons etwas überspitzt ausgedrückte Sichtweise: „Was fertig ist, hat keine Bedeutung mehr.“

In Bezug auf die Improvisation wäre dann zu fragen, inwiefern man hier etwa überhaupt von Werkcharakter sprechen kann, wenn eine spontan entstandene Musik aufgezeichnet wurde. Komponist Gunther Schuller war der Ansicht, dass „die Schallplattenaufnahme einer Jazz-Improvisation die definitive Version von etwas sei, das niemals als etwas Definitives gemeint war.“ (aus Schuller, Gunther: Early Jazz, New York 1968, zitiert nach Jost, E.: Free Jazz, Mainz 1975, S. 15. – noch ein sehr empfehlenswertes Buch!)

Kann man zwar in der studioproduzierten Rock- und Jazz-Musik davon ausgehen, dass die Musiker mit einer aufgenommenen und veröffentlichten Version eines Stückes zufrieden waren und diese als definitive Plattenversion akzeptieren, bleibt ihnen natürlich die Möglichkeit der Neuinterpretation im Konzert, vielleicht weil sich nach einiger Zeit doch Unzufriedenheit eingestellt hat oder der solistisch improvisierende Musiker mal zeigen möchte, was er dazugelernt hat.

Ein gewisser Konflikt entsteht, wenn solch eine, freie Gestaltungsmöglichkeiten oder improvisierte Passagen enthaltende Aufnahme, aufgrund großen Verkaufserfolges definitiven Charakter dadurch bekommt, dass das Publikum genau die Plattenversion mit den gleichen typischen Soli im Konzert hören will. Man denke nur an Led Zeppelins ,Stairway To Heaven‘, das einfach so kommen muss, wie auf dem Album (,Led Zeppelin IV‘, von 1971) – und nicht wie live auf ,The Song Remains The Same‘, aus dem Madison Square Garden, New York, 1976, wo Jimmy Page erst mal noch enttäuschende vier lange Takte Chords zupft, bevor er mit seinem besten Solo ever loslegt. Oder ,Smoke On The Water‘: Was Deep Purple sich da an Freiheiten nahmen, nachdem Ritchie Blackmore ins Mittelalter geflohen war, das war schon mutig. Ihr kurzzeitiger neuer Gitarrist Joe Satriani fühlte sich angeblich immer dann am wohlsten, wenn er erst mal ein paar klassische Blackmore-Licks abgesondert hatte.

Das heißt für den Mega-Hit und Alltime-Klassiker: Das Konzept Thema und Improvisation/Variation wird irgendwann nicht mehr als variabler Bestandteil der Komposition verstanden (also als potenzielles Überraschungspaket), sondern das Werk als fest definiertes Produkt aufgefasst, das im Konzert, im Gegensatz zum Abspielen der Platte, durch zusätzliche Umbettung in einen optischen Rahmen und eine bestimmte Atmosphäre reproduziert wird – aber dann bitte möglichst original. OK, originell geht natürlich auch – aber das kann wirklich nicht jeder.

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Studio-Produktion versus Live-Interpretation

Die mögliche kreative Diskrepanz zwischen Plattenversion und Live-Interpretation eines Stückes ist im Jazz eigentlich Grundbedingung, und alltäglicher als in der Rock-Musik. Hendrix war in Bezug hierauf kein typischer Vertreter des Rock; seine Soli und Interpretationen haben vom kreativen Ansatz her eher Jazz-Charakter. Ist Improvisation ein wesentliches Gestaltungsmerkmal einer Musik, geht sie also noch über das Schema „Thema, acht Takte Solo, Thema“, eingebettet in ein festes Arrangement hinaus, so muss der Begriff „Komposition“ in diesem Zusammenhang neu definiert werden. Für das Beispiel Hendrix heißt das folgendes: Abgesehen von einem im herkömmlichen Sinne bestehenden, gedanklich komponierten Grundgerüst gibt es zwei Varianten:

  • die definitive Studio-Version, die auf Platte veröffentlicht, das bekannte Bild dieser Komposition ist und klanglich komponiert wurde.
  • die Interpretation dieser Aufnahme im Live-Zusammenhang.

Aufgrund der, in der Rock-Musik meist fehlenden schriftlichen Fixierung einer Komposition, ist die Studio-Version (auf Platte) das einzig vorliegende Material. Diese Studioproduktion bei Hendrix ist bestimmt von der Mehrspurtechnik, die das nacheinander folgende Einspielen verschiedener, später simultan ablaufender Bestandteile eines Musikstückes ermöglicht. Oft entsteht in der Rock-Musik die Komposition erst durch die Auslotung der technischen Möglichkeiten direkt im Studio. Es wird also nicht mit theoretischem Wissen auf dem Papier komponiert, sondern mit dem musikalischen Material und den Produktionsmöglichkeiten selbst. Die ursprüngliche Bedeutung von „componere“ also „zusammenstellen, zusammensetzen“ tritt hier viel direkter hervor, als bei der abstrakten Arbeit über das Medium Notenschrift. Im Zusammenhang mit dem anfangs erwähnten kreativen Prozess, der in der Rock-Musik stark im Vordergrund steht, heißt das: Der Komponist ist hier der im Studio arbeitende Musiker, insbesondere, wenn er seine eigenen Ideen entwickelt. Der Stockhausen-Schüler und legendäre Can-Bassist und –Waldhornist Holger Czukay hierzu: „Das ist wie eine Partitur schreiben, aber mit richtig klingenden Tönen.“ (aus: Meierding, Gabriele: Can. Die Neugier oder Funksprüche; zitiert nach Schmidt-Joos, S.: Idole 8, Frankfurt/M. 1986, S. 200)

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https://youtu.be/GDoP8HPds6A

 

Die Interpretation eines Musikstückes im Live-Zusammenhang hat, sofern gewisse Freiheiten, wie freie Improvisations- und Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, ebenfalls wieder kompositorischen Charakter, denn da wird ja dann unter Umständen wieder was „er-improvisiert“. In Bezug auf Hendrix bedeutet die Umsetzung einer Mehrspur-Studioaufnahme in reduzierter Trio-Besetzung und mit entsprechend reduzierten klanglichen Möglichkeiten, eine neue Realisierung der gleichen Grundidee. Dass die Live-Version bei vielen Stücken schon vor der Studio-Interpretation bestand, ist hier nicht wesentlich – denn da war der Song ja meist noch nicht bekannt.

Bei Hendrix ist das eigentliche klangliche Ideal außerdem gleichermaßen in seiner Gitarrentechnik, seinem Trio-Konzept und seinen Studio-Aufnahmen erkennbar. Sein Ziel ist ein Klangbild mit orchestralen Qualitäten, das er mit den jeweils vorhandenen Mitteln, im Extremfall der akustischen Gitarre, im anderen Extrem dem durch Obertonschwebungen, Verzerrung und Feedback angereicherten Mehrspur-Gitarrenchor, erreicht. Die Interpretation steht bei Hendrix im Vordergrund – das was man im klassischen Sinne als Komposition bezeichnen würde, also das relativ unmissverständlich festgelegte Werk, existiert hier nicht. Diese Tatsache basiert jedoch nicht etwa auf einem festen theoretischen Konzept, sondern ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Einmal fehlten Hendrix, wie vielen Musikern aus dem afroamerikanischen Bereich, grundsätzlich die Möglichkeiten, im europäischen Sinne das Komponieren zu lernen; andererseits handelte es sich hier immer um eine mündlich überlieferte Tradition, die erst einmal keinen sehr engen Bezug zur europäischen Musikkultur hat. Die zentrale Bedeutung der Improvisation, auch in der von europäischer Kunst mitgeprägten Jazz-Musik, verweist jedoch immer eindeutig auf diese Ursprünge.

Hendrix als Komponist, das bedeutet also in erster Linie:

  • Hendrix als kreativer Musiker, der mit Hilfe der Studiotechnik und seiner instrumentalen Fähigkeiten Musik produziert – und damit komponiert.
  • Hendrix als innovativer Instrumentalist, der die Verstärker- und Effekt-Elektronik in sein Spiel integriert und hierüber neue klangliche Dimensionen erreicht – bzw. komponiert.
  • Hendrix als Interpret sowohl seiner eigenen als auch fremder Musik, der improvisatorisch das zugrundeliegende Material neu definiert – und damit im weiteren Sinne kompositorisch behandelt, zumindest aber neu arrangiert.

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Statement: Billy Corgan / The Smashing Pumpkins

Der so eigenwillige wie charismatische Frontman der Band The Smashing Pumpkins  hat in den frühen 1990er-Jahren die Alternative-Rock-Szene entscheidend bereichert – und wurde Popstar. Corgan ist Gitarrist und Fan von Hendrix‘ Kreativität. „Für mich war Hendrix vielleicht der Höhepunkt in der Geschichte der elektrischen Blues-Rock-Gitarre. Und was die anderen, eher straight ahead spielenden Blues-Musiker angeht, bei denen kann ich nichts Neues raushören: Das ist immer nur eine moderne Variation der gleichen alten Sache. Und genau das ist es auch, was mich oft so an der Gitarre frustriert. Ich würde am liebsten immer etwas ganz anderes machen, dem Instrument eine wirklich neue Aufgabe geben. Aus diesem Grund vermeide ich auch Blues-Akkordfolgen, Blues-Soli und so etwas – das kommt mir wirklich überflüssig vor. Und ich versuche wenigstens etwas anderes. Ob ich es schaffe, ist eine andere Frage. Und was z.B. Reeves Gabrels in David Bowies Side-Project Tin Machine machte, das war für mich eine Verschmelzung von fünfzehn verschiedenen Stilen, die er dann auf der Gitarre umsetzt. Er fütterte sein Instrument mit diesen neuen Informationen und arbeitete dann damit. Und selbst da sehe ich eine Sackgasse, weil man als Gitarrist einfach kaum noch Möglichkeiten hat, wirklich neue Schritte mit diesem Instrument zu gehen.“

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Statement: Reeves Gabrels / Tin Machine, David Bowie, The Cure

Als Gitarrist von David Bowies Rock-Band Tin Machine habe ich Reeves Gabrels zum ersten Mal 1989 wahrgenommen. Danach war Gabrels noch bis 1999 an Bowies Saite und bereicherte so großartige Alben wie ,Outside‘ (1995), ,Earthling‘ (1997), und ,Hours‘ (1999). Seit 2012 ist Reeves Gabrels Gitarrist von The Cure.

„Jimi Hendrix habe ich mir eigentlich erst sehr spät angehört, wobei er heute derjenige ist, mit dem ich die größte Seelenverwandtschaft spüre. Leider war ich damals zu jung, ihn selbst live zu erleben.
Eine Sache, die David Bowie mir sagte, als ich den Job in seiner Band bekam, war: ,Wenn wir live spielen brauche ich einen Gitarristen, der eine Mischung aus Jeff Beck, Jimi Hendrix, Albert King, Mick Ronson, Aaron Copland …‘ usw. Er hatte eine ellenlange Liste! ,Du sollst nämlich die Lücken füllen, wenn ich mal nicht singe, du sollst den Ball aufnehmen und weiterspielen, den ich dir zuwerfe. Und wenn du den Ball zu mir zurückwirfst, dann muss es nicht mehr der selbe sein, dann kann er ruhig wie ein Würfel aussehen.‘ Ich antwortete ihm: Oh, vielen Dank, dass du jeden Druck von mir nimmst! Hahaha!“

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Nächsten Sonntag, 17 Uhr …

geht es weiter mit JIMI ON SUNDAY 20  über die SIDEMAN-JOBS von Jimi Hendrix

Danke fürs Lesen und bis demnächst!

 

 

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