Effekt-Klassiker aus den 70ern
Vorwort der Redaktion
In der heutigen Ausgabe unserer Vintage-Serie ZEITMASCHINE möchten wir euch eine sehr seltene Effekt-Unit aus den 70ern vorstellen, die unser SwissDoc auf der Superbooth 19 entdeckt hat. Auf der „Intro-Seite“ der Superbooth beschreibt der Erfinder Klaus Fischer seine geplante Neuauflage wie folgt:
„1978 präsentierte ich auf der Tonmeistertagung in Berlin erstmalig einen in Eigenregie entwickelten digitalen Pitchtransposer mit Delay, Soundsampling und Sequencerfunktion. Aufgrund des großen Erfolgs kam es zu einem Lizenzvertrag mit der Firma „Barth KG“, die 50 Exemplare dieses „AUDIOS“ produzierte, wobei mein Patent der “glitchfreien Audio-Loop“ seine Anwendung fand. Seine Sounds prägten die Pop- und Filmmusik der 1980er Jahre und landeten auf geschätzten 100 Mio Tonträgern. Die neuen Features und die jetzt mögliche Anbindung an die Modularwelt und DAWs machen den AUDIOS zur Geheimwaffe!“
Barth Audios von Klaus Fischer
Beim Rundgang über die Superbooth 2019 fiel mir zwischen Haken Audio, Nonlinear Labs und Schmidt Synthesizer ein schwarzes 19 Zoll Rack auf, das mit dem zentralen LED-Display und der großen Anzahl von Reglern eine gewisse Vintage-Aura verbreitete. Irgendwo hatte ich das schon mal gesehen, aber der erste Verdacht mit einem Gerät der Firma aus Little Ferry, New Jersey, zwar daneben, wenn auch knapp.
Es handelte sich also um einen originalen Barth Audios, ein sehr seltenes Gerät, das mir von Bildern des Synlab in Essen grob in Erinnerung war. Nach kurzer Zeit im Gespräch am Stand war Folgendes klar: Klaus Fischer, der Erfinder und Entwickler des Audios, meldete sich in der Szene zurück und bietet nicht nur Wartung der Audios-Geräte an, sondern auch die Modifikation und Modernisierung derselben.
Klaus Fischer hatte den Audios ab Mitte der 1970er Jahre entwickelt und den Prototypen 1978 auf der Tonmeistertagung der Öffentlichkeit vorgestellt. Ab ca. 1981 wurde der Audios von der Firma R. Barth KG in Lizenz produziert und 50 mal an die verschiedenen Studios und Musiker verkauft. Die Liste der Nutzer reicht von Conny Plank und Klaus Schulze über einige Staatstheater und Hochschulen bis hin zu Modern Talking.
Der Audios bietet unter anderem Delay, Vibrato und Pitch-Shifting für links und rechts getrennt. Man kann je vier Werte-Paare zum Transponieren für beide Kanäle einstellen und zwischen diesen Steps mit einem Sequencer umschalten. Auch kann der Audios aufgenommenes Audiomaterial wiedergeben und transponieren, was ihn zum ersten Sampler macht.
Die Transpositionswerte für musikalische Intervalle sind auf der Frontplatte neben einer abstrakten Klaviatur markiert, so dass man diese entsprechend einstellen kann. Beim Sequencer sind diese Klaviaturen um die Regler gewunden, so dass auch hier die passenden Intervalle leicht eingestellt werden können.
Klaus Fischer hat mich dann noch in die faszinierende Welt der digitalen TTL-Schaltung im Audios entführt, eine Bauweise, die er damals wählen musste, um die benötigte Logik mit der entsprechenden Performance zu realisieren. Eine Prozessor-basierte Lösung war Ende der 70er nicht schnell genug. Hier ist nun aber genau der Punkt gekommen, wo die heutige Zeit mit all den kleinen und schnellen Prozessoren genau das ermöglicht, was Klaus Fischer nach 40 Jahren Pause mit der Weiterentwicklung des Audios umgesetzt hat.
Er konnte die komplette TTL-Engine mit einem modernen Prozessor ersetzen, der 1:1 bis auf das letzte Bit genau die Berechnungen und Funktionen der originalen Hardware ersetzt. Die am charakteristischen Klang des Audios beteiligten Bestandteile, der analoge Audio-Pfad, die Anti-Aliasing-Filter und die Wandler bleiben so bestehen. Der digitale Teil lebt in der Software weiter, es öffnen sich nun aber weitere Möglichkeiten, die die Features des Original-Gerätes erweitern.
So kann man nun MIDI über USB oder DIN MIDI nutzen und die Parameter des Audios über CC in Echtzeit steuern. Es gibt auch eine CV Break-Out Box, mit der die Integration in eine modulare Umgebung möglich ist.
Umfassende Informationen zur Geschichte und die genauen Features der möglichen Erweiterungen hat Klaus Fischer auf seiner Webpage gelistet.
Ob es eine komplette Neuauflage des Audios geben würde, habe ich zum Abschluss noch wissen wollen. Das müsse man dann sehen, auch wie auf der Superbooth 2019 die Resonanz sei.
Diese Maschine weckt Emotionen.
Tolles Gerät, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Das Akronym „TTL“ kannte ich eher in Verbindung mit Belichtungsmessern, da steht es für „Through The Lens“. Schön, dass ich immer noch etwas dazulernen kann…
@Son of MooG Hallo Son of Moog,
das Headerfeld von TCP/IP kennt auch ein TTL. ich bin dafür Abkürzungen auszuschreiben, weil die hier im Kontext des Berichtes nichts ausagt, denn es gibt alte TTL ICs, 74L: Low-Power TTL mit geringerem Stromverbrauch bei geringerer Schaltgeschwindigkeit,74H: High-Speed TTL mit sehr viel höherer Schaltgeschwindigkeit bei höherem Stromverbrauch, 74S: Schottky TTL mit höherer Schaltgeschwindigkeit bei höherem Stromverbrauch, 74F: Fast-Schottky, 74LS: Low power Schottky, 74AS bzw. 74ALS: Advanced Schottky und aktuelle 74HC: aktuelle CMOS-Familie: HC steht für High Speed CMOS, Versorgungsspannung 2 …6 V, max. Frequenz ca. 25 MHz, 74AHC, 74AC: wesentlich schneller als 74HC (A steht für advanced), 74HCT: ähnlich 74HC, aber TTL-kompatibel, Versorgungsspannung 4,5…5,5 V, 74ACT: ähnlich AC, aber TTL-kompatibel und je nach dem was du vorhast, musst du dich entscheiden :-) Der Nachteil der TTL ist das verbraten von elektrischer Energie in Wärme wenn du was mit 74H baust, die Netzteile kann man schön groß dimensionieren. Ebenso korrodieren alte TTL Chips innerlich ganz gerne, heute hat man das im Griff, damals hat man das nur bei den 54xx Militär und 84 Industrie richtig gemacht.
Faszinierende Kiste. Durfte sie bei einem befreundeten Eigner schonmal hören. Das Gespräch mit Herrn Fischer auf der Superbooth war sehr erhellend.
Danke für den Bericht!
TTL= Transisor-Transistor Logik = Der Grund warum alte digital Kisten (zum Beispiel ein Friendchip SRC) vielfach bis heute ein besseres Timing haben als CPU basierte Geräte.
Deswegen sind auch die FPGA so interessant !
@Llisa Jup, Zustimmung, FPGAs sind der Weg in die Zukunft!
Als mir Herr Fischer erzählte, dass er die Logik neu gebaut hätte, dachte ich auch zuerst an FPGAs (die sind ja zur Zeit „in“ beim Peak/Summit, Kyra oder auch schon früher 2006 beim Airbourne AVS-04 A). Er kam aber offensichtlich mit einem ARM Chip aus. Kommt wahrscheinlich auf die Details der Implementierung an und auch das Umfeld. In einem Mac oder PC hat man da ja noch einiges drumherum, was in einem eher „embedded“ Umfeld nicht relevant ist.
PSV-DDV,
wir sind in der Zukunft sind FPGAs Realität :)
@TobyB Sicher. Habe schon erwartet, dass das jemand postet. :)
Die ersten kommerziell erhältlichen FPGA basierten Geräte im Audiobereich waren waren die Fairlight CC-1 Workstations. Das ist auch schon wieder 13 Jahre her. Seitdem warte ich darauf, dass diese Technologie im Studio/Musikbereich auf breiter Front genutzt wird. Langsam taucht da ein bisschen was auf (UDO Super 6, etc.), aber bisher überwiegen CPUs und DSPs noch bei Weitem. Daher mein Kommentar. Der Weg in die Zukunft ist noch lang.
Antelope Audio verbaut schon länger FPGAs, ist preislich allerdings auch eine rechte Ansage. Dafür gibt es FX incl. Reverb dazu.
@swissdoc Ja, es gibt mittlerweile ein paar Hersteller, die FPGAs nutzen. Ich sehen da aber noch grosses ungenutztes Potential; Leistungs- und kostenmässig. Mir wurde mal gesagt es gäbe einfach immer noch zu wenige Entwickler, die die Teile programmieren können.
Damit liegst du richtig. FPGAs werden ja nicht nur in Synthies und FX verbaut. Nur liegen die Einstiegs und Gehaltsentwicklungsmöglichkeiten bei der MI unter denen anderer Industriebereiche. Siehe Stepstone FPGA Entwickler. An anderer Stelle hatte ich was zur Umsatzentwicklung der MI geschrieben, ich sehe hier eine Herausforderung für die MI. Es macht nicht Sinn alles mit reinen SW Lösungen betreiben zu wollen. Es macht aber Sinn mit FPGAs Plattformen zu entwickeln.
Ich hatte an der Stelle des Textes Umgekehrten Wein von Terry Pratchett im Kopf. Die Saat erfolgt ein Jahr nach der Ernte. Der Genuss von umgekehrten Wein verursacht einen Hangunder. ;)
Gerne doch. Einzigartig bei den alten Geräten dieser Zeit vor allem auch die variable Rate DACs. Da kommen die modernen Lösungen, bei denen der DAC immer mit 44.1/48/96 kHz läuft, doch schon an ihre klanglichen Grenzen.
@swissdoc Shannon Nyquist zeigt uns den Weg, Wo Shannon Nyquist aber nicht helfen kann, Schaltungsdesign und Komponenten Auswahl. Das sind die Basics der E Technik und Elektronik. Herr Fischer scheint da viel richtig verstanden zu haben.
@swissdoc Ja, variable versus fixed rate DACs machen einen grossen klanglichen Unterschied. Ebenso wie R-to-R versus Delta Sigma DACs. Die Entwickler mussten damals richtig was auf dem Kasten haben um mit den begrenzten technischen Mitteln ihre Traumgeräte zu bauen.
Heute ist scheinbar alles easy mit hochgetakteten Standardlösungen machbar. Klingt nur leider vollkommen anders.
Klasse absolut lesenswerte Story!
Wann kommt Dein Audiotest? ;-)
Sehr abgefahren, dass nach so langer Zeit noch ein Upgrade entwickelt wurde.
Das DIng war seiner Zeit Lichtjahre voraus und wurde scheinbar für die Ewigkeit entwickelt.
PS: Das Lesen wäre noch einfacher, wenn man den AUDIOS wie auf der Herstellerseite konsequent in Grossbuchstaben schreibt :-)
@volcarock Auf der Seite von Klaus Fischer sind nun Demos online…
@swissdoc Danke für den Tip!
Danke für die Story!
Bei der Barth KG habe ich ’89 das Löten gelernt. :-)