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Amazing Readers Music: Stephan Straka aka sikØra

Technoproduzent Sikora

22. Februar 2023

Man muss ein wenig tiefer in der unendlich großen Kiste elektronischer Musik wühlen, um seine EPs und Alben zu entdecken, wird dann aber mit einer seit langer Zeit gut gefüllten, stets wachsenden und äußerst breit gefächerten Sammlung von feinen Tracks belohnt.
Im Frankfurter Techno-Kosmos der ersten Stunde entstanden sikØras erste Techno-Tracks und diesen Sound nimmt er seither mit in seine Produktionen. Seit einigen Jahren ist er bei Harthouse Berlin zuhause und hat auch dort bereits eine stattliche Anzahl von Veröffentlichungen vorzuweisen.
Seine Idee von elektronischer Tanzmusik ist unverkennbar: Liebe zu Kraft und Zartheit, Melanchloie und Maschinerie verbinden sich in oft unvorhersehbaren Tracks zu Hörspaß der besonderen Art. Gerade ist sein neues Album erschienen – Grund genug, sich einmal mit ihm zu befassen.

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Jens:
Mit sechs Jahren kamst du in Kontakt mit einer Orgel. Wolltest du eine haben oder gehörte die deinen Eltern und der Kontakt damit kam eher spielerisch zustande?

Stephan:
Die Orgel stand tatsächlich bei Freunden meiner Eltern und ich durfte immer mal ein wenig darauf herumdrücken, also eher eine spielerische Kontaktaufnahme.

Jens:
Dann ist ja das Klavier später die logische Konsequenz, kamen dann noch Unterrichtsstunden hinzu?

Stephan:
So ist es, das war allerdings erst einige Jahre später.

Jens:
Du hast auch in einem klassischen Orchester die Trommel bedient, das ist ja nun ziemlich artfremd, wie kam es dazu?

Stephan:
Mit ca. 14 wollte ich eigentlich unbedingt Schlagzeug spielen, Unterricht bei einer Musikschule gab es auch. Allerdings hat mein damaliger Lehrer mich überredet, ‘zunächst’ klassische Snare zu lernen. Ich habe sogar bei Musikwettbewerben oder Infotagen der Musikschule mitgemacht, jeweils mit viel kopfschüttelnden Eltern der anderen, die ‘richtige’ Instrumente gespielt haben. Die ‘Etüden für kleine Trommel’ sind aber auch recht harte Kost, das kann man ruhig zugeben …

Jens:
Du hattest als Keyboarder diverser Bands Live-Einsätze. Gab es in deinem direkten Umfeld eine lebendige Musikszene?

Stephan:
Ich würde sagen: ja. Es gab jedenfalls eine stattliche Anzahl von Bands, die sich in der regionalen und leicht überregionalen Szene getummelt haben, richtige große Erfolge hatte aber nach meiner Kenntnis davon keine.

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Sikora Studio 3

Jens:
Du kommst aus dem Großraum Frankfurt, der ja in den 80ern/90ern für viel innovative elektronische Musik und erfolgreiche Acts stand. Wir sind ähnlich alt, bei mir haben sie, die man weder im Radio noch TV gehört bzw. gesehen hatte, jedenfalls deutliche Spuren hinterlassen. Mein damaliger Schulfreund hatte damals einen guten Riecher für diese speziellen mainstreamfernen Platten. Inwieweit wurdest du davon geprägt oder beeinflusst?

Stephan:
Ich wurde gewissermaßen umfassend geeicht, vor allem durch die zum Ende der 80er entstehende Techno-Party-Szene, in Hinterhöfen, in Kellern, in Garagen, dann im Omen, im U60311 und später natürlich im Robert Johnson etc. Das war schon etwas sehr Aufregendes, bis dahin völlig ungehörte Tanzmusik zu hören oder bei der Entstehung dabei zu sein. Dass Frankfurt in dieser Entwicklung eines von zwei großen Zentren war, ist mit dem Abstand von heute eigentlich fast noch unglaublicher, als es in der Wahrnehmung damals schon war.

Jens:
Mir selbst haben die Frankfurter Projekte damals viel gegeben und sicher ist da auch so mancher Einfluss hängengeblieben. Moskwa TV, Two of China, Axodry, OFF etc. waren schon was Besonderes damals. Kennst du vielleicht sogar einige dieser Protagonisten?

In bester Gesellschaft

Stephan:
Für mich waren vor allem die wirklichen Lokal-Matadoren des damals doch recht rauen Techno richtig interessant und damit eigentlich alles, was sich vor allem bei Klang Elektronik und Harthouse, später natürlich bei Cocoon versammelt hat. Mit Alter Ego war ich kurz nach meiner ersten Veröffentlichung auf Klang auf Label-Tour, das war schon sehr wunderbar und irgendwie erstmal surreal. Heiko M/S/O war mein direkter Ansprechpartner beim Label und dort sowie auf den Gigs traf man eigentlich immer auf bekannte Gesichter. Heiko Laux, Anthony Rother & Johannes Heil sind obendrein auch Kinder der Wetterau, das verbindet dann irgendwie auch noch.

Jens:
Mit Ralf Henrich (Axodry, MCL) hatte ich vor einiger Zeit auch ein Interview geführt, darin ging es um die Entstehungsgeschichte des Techno, wo u. a. Frankfurt m.E. mit eben diesen Acts bzw. Produzenten eine entscheidende Vorreiterrolle gespielt hat. Wo würdest du die Anfänge des Techno verorten? Welche Namen würdest du nennen?

Stephan:
Das kommt wohl ein wenig darauf an, was man genau unter ‘Techno’ versteht. Es gibt immer diesen Wunsch, das genau abzugrenzen. Nach Produktionsart, Sound, verwendeten Geräten oder – und das gefällt mir besser – nach der Funktion, die diese Musik damals für Partys und das Drumherum erfüllt hat: die Leute zum Tanzen (oder mehr) zu bringen, natürlich mit teils brachialen elektronischen Klängen. Eigentlich ist Techno die logische und konsequente Fortsetzung von House: noch weniger Songstruktur, noch weiter weg von bekannten Klangmustern, oft ganz ohne jeden Bezug zu irgendetwas musikalisch Harmonischem, rein auf das funktionale Element ausgerichtet. Es entstand ja sehr schnell eine für jeden DJ und Live-Act passende Erwartungshaltung im Publikum, nur dass die eben nicht mehr durch greifbare radiobekannte ‘Songs’ oder deren 12”-Versionen bedient wurde, sondern durch DJ- oder Live-Sets, die die Erwartung passend erfüllen konnten – insofern sind die Sets von ‘Hit’-Listen zu eigenen Soundwelten mutiert. Die Anfänge von alledem gab es bestimmt über mehrere Orte verteilt, vor allem aber haben die Soundfamilien aus Detroit und Frankfurt diesem Genre einen fetten Stempel aufgedrückt, der heute noch zur Einordnung des Genres herangezogen wird.

Waves Abbey Road TG Mastering Chain

Jens:
Du produzierst eigentlich schon immer Techno, ist das richtig?

Stephan:
Als sikØra“ ja, in unterschiedlichen Ausprägungen natürlich – d. h., von ziemlich hart (zumindest früher) bis sehr chillig. Die Releases auf Klang haben da immer sehr viel Spielraum zugelassen, das gab es auf anderen Labels zu dieser Zeit nicht in einer solchen Bandbreite. Vorher und auch immer mal wieder zwischendrin habe ich noch ganz andere Musik veröffentlicht oder mitentstehen lassen, jedoch ohne das konsequent unter einem dafür angelegten Projektnamen zu verfolgen. Ein guter Freund von mir betreibt seit unserer gemeinsamen Schulzeit ein Label, auf dem er regelmäßig äußerst spezielle deutschsprachige EPs und LPs veröffentlich (streng limitiert auf 100 Stück), hier kümmere ich mich seit einigen Jahren das Vinyl-Mastering.

Jens:
Hat dein Projektname „sikØra“ einen besonderen Hintergrund?

Stephan:
Das ist tatsächlich schon sehr lange ein Spitzname gewesen, aber ich weiß nicht wirklich, warum …

Jens:
Im Kontext Techno ist natürlich auch Detroit zu nennen, dessen Techno-Produzenten in etwa gleichzeitig angefangen haben wie die Frankfurter. Letztlich gibt es ja nicht den einen Techno, von diesem Begriff wussten die Pioniere seinerzeit noch gar nichts. Wie siehst du die Entstehung dessen, was später Techno genannt wurde?

Stephan:
Wie bereits kurz gesagt, wesentlich war glaube ich der Wunsch von DJs und deren Publikum, ein Set viel freier und auch spannender gestalten zu können als bisher. Dies ist mit dieser damals neuartigen Musik natürlich viel eher zu erreichen als mit anderen Genres. Das konsequente Weglassen von (meistens) Vocals im Pop-Sinne und das Konzentrieren auf die Elemente, die Menschen zum Tanzen bringen (Rhythmus, Bass) mit unerwarteten, weil vorher nicht so leicht herstellbaren, Klangelementen und der Reiz an einer gewissen Härte sind für mich die Hauptsache in dieser Entwicklung. Insofern ist Techno für mich doch ‘dieser eine’. Die Partyszenen, die die Clubs bevölkert haben, haben sich natürlich gerne untereinander abgegrenzt und dafür auch eine geradezu endlos lange Liste von Sub-Genre-Bezeichnungen erfunden, letztlich glaube ich aber, dass das wunderbare Gefühl der ersten Bassdrum nach einem Break alle diese Strömungen vereint.

Rob Papens „Punch“

Jens:
Der Techno ist musikalisch und rhythmisch natürlich stark limitiert und daher m. E. seit den 90ern nicht wesentlich verändert worden. Natürlich bin ich auch schon seit Längerem raus aus der aktiven Szene, aber trotzdem nehme ich das noch zwischendurch wahr. Ist mein Eindruck richtig?

Stephan:
Ganz und gar nicht. Da die Limitierung durch die gewollte Funktion dieser Musik selbstgesetzt ist, hat sich Techno natürlich ständig an anderen Stellen verändert: Tempo, Härte, Sounds, Gestaltung von Breaks. Obwohl die Grundanlage von Techno-Tracks wohl tatsächlich durchweg sehr ähnlichen Mustern folgt, ist diese Veränderung über die Jahrzehnte auch gut hörbar. Diese Limitierung gilt im Übrigen ja auch für alle anderen Genres, weil sie sonst auch nicht mehr als solche erkennbar wären. Trotzdem gibt es überall immer Bewegung – ein Vergleich von Pop- oder Rock-Songs aus dem 90er-Jahren und heute zeigt das sehr schnell: Trotz gleicher Genre-Idee ändern sich Produktions-Technik, Verwendung von Instrumenten und Effekte immer wieder. Da aber der wirklich musikalische Teil eines Songs, also die möglichen Harmonien und Melodien, die unseren Hörgewohnheiten entspricht und die wir in Rock, Pop akzeptieren, recht begrenzt sind, könnte man Techno hier sogar als weiter entwicklungsfähig bezeichnen, da hier mitunter auf diese Begrenzung vollständig verzichtet wird. Das Aufkommen und Abflauen von ‘Moden’ trägt zudem dazu bei, dass Wiederholungen älterer Strömungen in den einzelnen Genres immer wieder zitiert werden, ohne dass man dies den Künstlern übelnehmen würde – im Gegenteil.

Jens:
Du hast auch zwischendurch mal ein Label betrieben, wie kam es denn zum Aus?

Stephan:
‘Nummer Schallplatten’, das Frank Lorber und ich zusammen vor allem begonnen hatten, um schnell eigene und Tracks von befreundeten Künstlern veröffentlichen zu können, blieb leider irgendwann wegen jeweils anderer persönlicher Entscheidungen auf der Strecke. Frank hat das Label noch eine Weile weitergeführt, dann ist es aber ganz eingeschlafen. Der kleine Katalog ist aber trotzdem eine echte Empfehlung, auch heute noch.

Jens:
Im Anschluss daran hast du eine längere Kunstpause eingelegt. Ich selbst habe auch mal einige Wochen, in denen ich passiv bin, aber gleich 9 Jahre schaffe ich nicht ohne. Wie war es bei dir?

Stephan:
Das war einfach eine Zeit, in der für das Produzieren aus verschiedenen Gründen kein Platz war. Im Nachhinein war das im Hinblick auf den dadurch verlorenen Anschluss an die Szene wohl eher ein Fehler.

Jens:
Du bist von Haus aus Tastenmensch, so wie ich auch. Ich habe mich damals natürlich auch immer wieder mal am Techno versucht, aber am Ende ist da eher was Poppiges herausgekommen. Mir fällt es durch meine klassische Klavierausbildung schwer, alles zu vergessen und minimalistisch zu bleiben. Wie schaffst du das?

Stephan:
Ich versuche, soweit das geht, ganz einfach keine Klaviatur zu verwenden, sondern die Player, die anderweitig zur Verfügung stehen: Die ‘Melodie’, die durch das Herumdrehen an einem Sequencer entsteht, würde vermutlich beim Spielen auf einem Keyboard nie hervorkommen, entweder aus spieltechnischen oder auch aus Gründen des eigenen Vorbehalts. Ich mag es sehr, wenn Harmonien sich durch Effekte oder Filterverläufe ergeben und dann zwar an ‘normale’ Akkorde oder Melodien erinnern, aber eben keine sind. Ich kann deinen Einwand aber ziemlich gut nachvollziehen und muss natürlich auch zugeben, dass ich im Großen und Ganzen sehr oft verdammt harmonisch produziere. Der Antrieb liegt hier wohl auch im ständigen Versuch, unpeinlichen Kitsch zu finden.

Jens:
Mich hat auf jeden Fall der Synthpop à la Depeche Mode so nachhaltig geprägt, dass ich Derartiges auch am liebsten selbst produziere und auch am besten kann. Auch wenn ich es mal anders vorhabe, läuft es eigentlich am Ende immer mehr oder weniger auf dieses Genre hinaus. Du bist doch auch ein Kind der 80er, hat denn dieses Jahrzehnt keine Spuren bei dir hinterlassen? Der sog. Techno ist ja an sich ein Ding, was sich ein Jahrzehnt später entwickelt hat.

Stephan:
Die ersten Songs, die ich selbst gemacht habe, waren auch Versuche, den Sound der 80er zu kopieren und so zu klingen, wie die großen Synthpop-Helden. Zu dieser Zeit war es (für mich jedenfalls) aber nur sehr bedingt möglich, diesen Vorstellungen gerecht zu werden. Hierzu benötigte Studiotechnik, Instrumente etc. waren irre teuer und man konnte den aktuellen Sound der Hits bestenfalls Jahre später irgendwie imitieren. Heute ist diese Hürde eigentlich so gut wie komplett gefallen und es kommt ’nur‘ noch auf Musikalität an. Und was die Spuren der 80er angeht, so hat das Jahrzehnt mich mindestens im Hinblick auf meine ständige Suche nach einer Prise Melancholie geprägt, die als Würze in elektronischer Musik sein darf.

Jens:
Du produzierst alles schon länger out oft he box, also ohne Hardware. Du hattest aber auch seinerzeit einen ansehnlichen Fuhrpark, besitzt oder benutzt du nichts mehr davon?

Stephan:
Ich habe tatsächlich, seitdem Ableton live existiert, sehr schnell alles verkauft, wenigstens bis zu dem Punkt, wie das damals möglich war – die Plug-in Dichte war nicht besonders hoch. Heute allerdings sehe ich eigentlich keinen Grund mehr in der Verwendung von Hardware, ganz im Gegensatz zu vielen Produzenten, die nach wie vor Geräte sammeln und verwenden. Aber diese Diskussion darüber ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unendlich.

Jens:
Die Zeiten, in denen Hardware klanglich überlegen war, sind vorbei, wo siehst du die Vor- und Nachteile beider Welten?

Stephan:
Vorteile für Hardware würde ich nur noch in der Haptik vermuten, dort also, wo durch Bedienung von Potis, Schaltern und Hebeln etwas passiert, das einem nicht sofort durch eine entsprechende Automation in einer DAW gelingt. So können natürlich tolle Momente entstehen. Andererseits kann dies auch mit einem Controller und einem Plug-in passieren, nur eben mit einer Abstraktionsebene dazwischen.

Jens:
Gibt es besondere Synths und Plug-ins, die du einsetzt und erwähnt werden sollten?

Stephan:

Ich benutze sehr gerne Massive X und Reaktor, eben auch um Inspiration durch Unerwartetes zu bekommen. Ich bin auch ein Riesenfan von Complex-1, dem semi-modularen Synth in Reason – die meisten Arp-Sounds und Bässe erzeuge ich vorwiegend damit. Für die Kicks verwende ich fast ausschließlich Rob Papens Punch-BD, weitere Drums und Percussion kommen meistens aus Battery. Mein absoluter Liebling für Hall und Delays ist Raum. In den Kanalzügen halte ich den EQ im Reason-SSL-Pult für extrem zielführend und am Ende der Kette setze ich sehr häufig die Waves Abbey Road TG Mastering Chain ein.

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Jens:
Ich selbst bin Cubase-Nutzer seit der Atari-Zeit, du warst es bis 2001, seitdem benutzt du Live, warum der Umstieg?

Stephan:
Live hat mich damals völlig umgehauen, weil damit superschnell Track-Bausteine entstehen konnten, aus denen live oder in der DAW ganze Tracks zu basteln waren. Ich hatte auch recht schnell Kontakt zu der damals noch kleinen Truppe bei Ableton und für Live ein paar Jahre auf dem Musik-Messe-Stand in Frankfurt gestanden. Das Konzept der Software haben hinterher alle anderen irgendwie implementiert und doch so punktgenau nie umgesetzt. Mindestens genauso wichtig war jedoch die Stabilität von Live – von Anfang an. Mit Cubase hätte ich jedenfalls keinen Gig spielen wollen …

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Jens:
Wie der Name schon sagt, liegt der Grundsatz von Live in der Liveperformance. Kann man dich regelmäßig live hören und sehen? Und wenn ja, wird dabei viel improvisiert? Legst du auch noch manchmal auf?

Stephan:
Leider nicht wirklich, nur vereinzelt auf Parties oder spezielleren Events. Ich bin aber trotzdem sehr happy mit der Möglichkeit, Musik fast völlig frei zu produzieren und auf einer so renommierten Plattform veröffentlichen zu können – eine handvoll gebuchte Gigs pro Jahr wären natürlich die Kirsche.

Jens:
Ich hatte auch mal ein Interview mit Instant Boner, einem Modular-Projekt, das auch live auftritt. Die sagten, die Tracks entstünden auf der Bühne quasi immer neu und seien nicht reproduzierbar. Trifft das auf dich und deine Performances auch zu?

Stephan:
Teilweise ja, aber nicht in dieser Tiefe. Ich verwende viele Elemente, die einen Track sehr eindeutig erkennbar machen und gönnen mir nur innerhalb gewisser Vorgaben eine freie Gestaltung der Live-Tracks.

Jens:
Beim Querhören deiner Tracks habe ich keinen Gesang entdeckt, gibt’s den generell bei dir nicht bzw. bedienst du auch mal andere Genres?

Stephan:
Es gibt in der Tat so gut wie nie Vocals, auch fast keine Samples oder Ähnliches – einfach, weil es mir nicht fehlt. Ich mache aber hin und wieder Playbacks oder Remixe für Pop-Songs anderer Künstler und arbeite dann natürlich auch mit dem Gesangpart davon.

Sikora „new electric folk“

Jens:
Für mich ist da auch durchaus ein wenig die Gattung Ambient rauszuhören oder ist das nur mein persönlicher Eindruck?

Stephan:

Absolut. Ich versuche eigentlich so gut es geht, das Energie-Niveau über eine EP oder ein Album möglichst weit zu streuen. Das ergibt dann auch ab und an einen komplett Beat-freien Track.

Jens:
Wie beurteilst du als Produzent, der regelmäßig veröffentlicht, die Streaming-Dienste. Segen oder Fluch?

Stephan:
Beides. Fluch, da ich es sehr schade finde, dass es so gut wie keinen wirklich eigenen Musikkatalog mehr für die Hörer gibt, den sie über ihr ganzen Leben behalten können – so, wie das mit physikalischen Tonträgern nun einmal passiert (eine Plattensammlung kann man nicht ‘teilen’). Segen, da Musik sofort überall für jeden verfügbar ist. Ansonsten muss man wohl oder übel als Produzent elektronischer Musik, die sich seit Beginn die Weiterentwicklung von Hörgewohnheiten auf die Fahne geschrieben hat, damit leben können, dass sich andere Sachen ebenso weiterentwickeln.

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Jens:
Was planst du für die Zukunft, gibt es evtl. Neuerungen, Kooperationen oder andere Ideen?

Stephan:
Für das aktuelle Album wird es wohl noch Remixe geben, bei Harthouse liegen noch Tracks für zwei EPs und mit Tom Wax steht auch noch ein gemeinsames Release an. Durch das wunderbare Glück, auf einem renommierten Label veröffentlichen zu können, bleibt der Reiz, ständig weiter zu produzieren, natürlich sehr hoch. Also: weitermachen!

Jens:
Stephan, vielen Dank für das Gespräch.

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Forum
  1. Profilbild
    ole

    Interessanter Artikel….
    Ist der kleinere, schräg auf dem Tisch liegende Bildschirm ein Touchscreen? Kennt jemand eventuell die Bezeichnung für sowas oder das Modell?

    • Profilbild
      herw RED

      @ole Wenn man das Bild des Schreibtisches vergrößert, dann liest man SNSV? Nach einer google-Suche mit dem Zusatz Touchbildschirm, löste ich aber das Rätsel. Das Firmenlogo steht auf dem Kopf und die Firma heißt ASUS.
      Also google unter ASUS Touchbildschirme und du wirst fündig.
      ciao herw

    • Profilbild
      sikora

      @ole … ist ein ASUS ZenScreen USB Monitor – leider ohne Touch, aber sehr schnuckelig

  2. Profilbild
    Flowwater AHU

    Obwohl Techno nun so gar nicht meine Musik ist – außer ich stehe schwitzend in der tobenden Menge und lasse mich mit 100 dB, Kunstrauch und zuckenden Blitzen umwallen – ist der Artikel echt spannend. 🙂

    Am spannendsten sind für mich die Ausführungen, wie Techno sich verändert, weil die üblichen Song-Strukturen wegfallen. Und dass sikora alles nur noch »In the box« produziert. Da musste ich doch heftig grinsen, wenn ich an Diskussionen auch hier auf Amazona denke, wie wichtig echte Hardware ist (und wie die Leute den Sound (!) eines echten Minimoog verteidigen). Ich persönlich und für mich halte echte Hardware auch für wichtig … aber eher als Inspirations- und Motivations-Quelle sowie als eine Art Bestätigung »Du stehst zu dem, was Du machst«.

    Gleich eine kleine Frage: In dem Absatz unter dem Foto mit der »Abbey Road Mastering Chain« spricht sikora von einem Kumpel, der ein kleines Plattenlabel betreibt. Da frage ich doch mal neugierig: Welches ist das denn?

    • Profilbild
      herw RED

      @Flowwater „ Da musste ich doch heftig grinsen, wenn ich an Diskussionen auch hier auf Amazona denke, wie wichtig echte Hardware ist ”.

      Habe ich auch über Jahre hin gedacht. Für Klänge ist auch nicht mehr so unbedingt wichtig, ob sie analog oder digital erzeugt werden.
      Jedoch ist es persönlich zu spüren, ob eine Klangveränderung mit der Maus oder direkt über die Hand an einem Regler erfolgt. Das geht mit viel größerer Geschwindigkeit. Man braucht in jedem Fall einen Hardware-Controller, wenn man sich auf reine Software-Lösungen einlässt. Da hilft auch kein Touchscreen.
      Automatisierungen helfen nur bedingt.
      Allerdings sind die klanglichen Veränderungen in den dargestellten Beispielen auch extrem langsam. Dafür benötigt man natürlich keine Hardware.

      • Profilbild
        Flowwater AHU

        @herw > […] Jedoch ist es persönlich zu spüren, ob eine Klangveränderung mit der Maus oder direkt über die Hand an einem Regler erfolgt. […]

        Unbenommen: Wenn jeder Parameter eine eigenen Regler hat, dann ist man ungeschlagen schnell beim Einstellen von Sounds. Und – für mich vielleicht ein noch wichtigeres Argument – die »Happy Accidents« nehmen ebenfalls zu.

        Auf der anderen Seite bin ich zum Beispiel mit dem TAL-Mod (sorry wenn ich den immer erwähne, aber ich bin nach wie vor begeistert von dem Ding, er ist nach wie vor mein Haupt-Synthesizer) inzwischen so schnell, dass ich mir darüber gar keine Gedanken mehr mache.

        Software hat für mich noch andere Vorteile: Dass man oftmals Möglichkeiten serviert bekommt, von der man als Hardware nicht einmal träumen würde. Ich denke da an den vor Weihnachten von mir erworbenen »u-ha Zebra 2« oder den »Waverazor 2«, bei dem unter der Haube der Wahnsinn schlummert (bei der ersten Version konnte man ja noch nicht unter die Haube sehen). Oder das »Grid« von Bitwig oder das eingebaute »Max/MSP« von Ableton Live Suite.

        Mich persönlich beflügelt der Gedanke mehr, was da alles potentiell wartet, als physische Dreh- und Schiebe-Regler. Das liegt vielleicht einfach auch daran, dass ich sowieso so’n Computer-Nerd bin. 😁

        PS: Und trotzdem … so’n »Quantum« (da isser wieder) oder ein »C15« … *schleck* 😜

    • Profilbild
      sikora

      @Flowwater Moin Henrik. Danke für Deinen Kommentar.

      Das genannte Label heißt ‚Frischluft‘ und wurde bereits 1988 gegründet. Anfangs Sammelort einer Menge Anorak-verliebter Gitarren-pOp! Kombos hat es sich seit vielen Jahren als Heimat einer musikalischen Gattung etabliert, die wohl so nirgendwo anders existiert – und Achtung: die Musik ist tatsächlich äußerst speziell. Sie besteht (im playback) zu 100% aus selbst gesampelten Loops, aus denen ‚Collagen’ gebaut werden. Ein besonderes Augenmerk liegt sicher auch auf der graphischen Ausgestaltung der Vinyl-Ausgaben, die ist absolute Weltklasse, sowie der Geschichten (sic!), um die sich die VÖs drehen.

      https://frischluft.bandcamp.com/

      • Profilbild
        Flowwater AHU

        @sikora Hallo Stephan,

        vielen Dank für den Link zum Label. Vielleicht isses nix für mich … aber anhören werde ich mir das auf jeden Fall! Außerdem habe ich einige in meinem Bekanntenkreis, die auch auf Extravagantes stehen. 🙂

      • Profilbild
        Flowwater AHU

        @sikora OK, ich habe jetzt mal vorsichtig ein Ohr an die Veröffentlichungen Deines Kumpels gehalten. Ja, das ist wahrlich SEHR speziell. Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Art von Musik Liebhaber findet (eine Auflage von 100 muss sich auch erst einmal verkaufen, ich spreche da aus Erfahrung … 😀). Gleichzeitig finde ich es absolut saucool, dass sich da jemand diese Mühe gibt. Da kann ich wieder mal nur den Hut ziehen. 🙂👍

        Und ich freue mich wieder einmal über Bandcamp, das diese Vertriebs-Möglichkeiten zur Verfügung stellt.

  3. Profilbild
    herw RED

    @ Jens: ein schönes Interview und ein sehr sympatischer Interviewpartner

  4. Profilbild
    Tomtom AHU 1

    Frankfurt lebt! Sehr interessantes Interview! Die grundlegende Veränderung in der Dance Szene durch Ableton Live kann gar nicht klar genug herausgestellt werden. Das war echt revolutionär.

    • Profilbild
      herw RED

      @Tomtom stimmt, aber Logic hat ordentlich mit den Live Loops nachgelegt

      • Profilbild
        Tomtom AHU 1

        @herw Ja das ist wahr, allerdings 20 Jahre zu spät, um in diesem Bereich noch relevant zu sein. Versteh mich bitte nicht falsch, ich bin selbst langjähriger Logic Nutzer; der Impact, den Ableton auf die Dance- und Technoszene hatte, war damals ein echter Game Changer.

  5. Profilbild
    autorhythm

    Hallo Stephan,

    sehr nettes Interview, und vielen Dank für die Erwähnung von Frischluft. Ich habe da mal reingehört, finde es super und werde wohl ein paar Platten bestellen.

    PS: vielleicht erinnerst du dich noch – wir saßen vor Jahren mal gemeinsam im Playhouse ‚Tourbus‘ auf dem Weg nach Hamburg und Berlin?

    Viele Grüße
    Bodo Elsel

    • Profilbild
      sikora

      @autorhythm … Hallo! Ich erinnere mich in der Tat an diesen Trip (Gott, ist das lange her – Jahre ist da eher noch gutgemeint) – und überhaupt: wie könnte man Discount Baby vergessen

      … wie ist es Dir denn ergangen, in den letzten (Achtung) Jahrzehnten?

      … viele Grüße aus der goldenen Wetterau!

      Stephan

  6. Profilbild
    TBS

    Sehr interessantes Interview, Sikora muss ich doch jetzt mal den Umstieg von Hardware auf Software zugute halten, ich denke dieser Schritt erfordert auch sehr viel Mut und Neugier und das von der älteren Generation.

    Ich habe selbst mit Ende der Neunziger angefangen Musik in der DAW zu machen, anfangs habe ich eine Roland D2 Groovebox als Hardware gehabt. Erfahrungen mit Ejay, Cubase und das große Tor zur Welt war damals für mich Rebirth und dann Reason als Haupt DAW gewesen und der nächst größere Schritt war dann Ableton Live gewesen und immer noch aber auch mal mit kleineren Blicken nach links und rechts in verschiedene andere DAW’s.

    Was will ich nun damit aussagen, ich habe für mich den Nutzen der DAW’s um Musik zu produzieren erkannt. Und das bis heute. Auch der Schritt ohne Hardwarecontroller zu arbeiten finde ich auch sehr mutig, man muss ja hier dann abstrahieren können, wie der Reglerweg bei Hardware sein könnte, das erfordert Erfahrung mit Hardware vorher oder viel Ausprobieren mit Software.

    Am Ende soll jeder so Musik produzieren wie er möchte, es gibt hier nicht richtig und falsch. In meinem Freundeskreis gibt es jemanden, der produziert Musik nur noch mit Ableton auf einem Apple Notebook und Kopfhörern und bald kommt der Umstieg auf das Produzieren mit dem IPad, ist auch ein weiterer Schritt in eine andere Richtung.

    • Profilbild
      sikora

      @TBS … genau so – kein richtig, kein falsch.

      … viele Grüße von der älteren Generation ;-)

  7. Profilbild
    Wedo

    Hallo zusammen!

    Ich bin seit über 20 Jahren stiller Mitleser auf AMAZONA, aber dieses Interview hat mich dazu bewegt doch mal einen Account anzulegen um einen Kommentar da zu lassen:

    Sikora hat mich ab dem Moment, als ich die Scheiben in den (Väth-) Clubnights gehört habe sofort geflashed und ich habe immer schnell in die Tracks reingehört wenn ich den Namen gelesen habe – kann sogar sein, dass ich im U60 war bei der Veranstaltung von dem Flyer ;)
    Bridge Builder ist für mich ein Meisterwerk, den Track hab ich immernoch in einer Playlist! Die Tanzcafe EP oder Tanzen, was für Scheiben!

    2019 hab ich das Sammelbild Album entdeckt, was soll ich sagen, den Sikora Sound erkannt und bin auch hier schwer begeistert.

    Ich fand es sehr interessant zu lesen, dass Staphan aus der Wetterau kommt, das war mir nicht bewusst. Da scheint es gutes Wasser zu geben, Laux, Rohter und Heil (!!!) – die Namen fallen bei mir auch immer recht schnell wenn ich unglaublich gute Produzenten denke.

    Bin sehr gespannt auf das neue Album!

    Viele Grüße von einem Hessen,
    Daniel

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