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Interview: Mike Soldano über Armut, Amerika und Amps

Interview mit Mike Soldano über Armut, Amerika & teure Amps

17. März 2021

Mike Soldano Interview 2021

Wenn man zehn professionelle Gitarristen nach den qualitativ hochwertigsten Amps auf dem Markt fragt, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass der Name Soldano Amplifications mindestens ein paar Mal fällt. Es gibt wenige Tüftler, die für den modernen High-Gain-Sound so bedeutend waren wie Michael J. Soldano. In den späten 80er- und frühen 90er-Jahren prägte sein Name den Gitarrensound an der Westküste vielleicht genauso sehr wie Marshall oder Fender.

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Die Person Mike Soldano steht auch für eine vergessene Ära – ein Mann, der die Rockwelt der 80er und 90er an der Westküste hautnah miterlebte. Der erlebte, was Los Angeles, Seattle und Grunge aus den Menschen machte, der den Zerfall des Heavy Metal mit ansah – the death of the guitar hero. Der allen Widrigkeiten zum Trotz eine Marke als Autodidakt und Überzeugungstäter aus dem Boden stampfte. Da war für uns klar – wenn wir mit jemandem ein Interview führen müssen, dann ist es Mike. Die jüngere amerikanische Progressive- und Hard Rock-Szene hat den Soldano Slo neu für sich entdeckt und auch wir haben vor Kurzem erst den Soldano Slo 30 bei uns im Test gehabt und haben das Teil geliebt.

Und so kam es dann auch: Unser Gespräch behandelte sein Leben, sein Werk, die neue Armutswelle in den USA, welche Reise die Marke Soldano im Laufe der Jahre nahm, welchen Stellenwert echte Röhrenamps im Jahre 2021 noch haben und wie es um den Markt als solches steht. Wir haben uns über Amerika unterhalten, über Los Angeles und darüber, wie sich das Land der grenzenlosen Möglichkeiten in seinen Augen im Laufe der Jahrzehnte verändert hat.

Das Gespräch wurde auf Englisch am 4.3.2021 um 22 Uhr europäischer Zeit geführt. Auf Mikes Seite war es früher Mittag, als er vom beschaulichen Tacoma aus durchklingelte und guter Dinge schien. Die Idee war es ganz klar, ein lockeres Gespräch zu führen und in erster Linie Mike die Plattform zu geben, aus seinem reichen Erfahrungsschatz zu erzählen.

Mike Soldano Interview 2021 – Über Amerika, Seattle und die neue Armut des Landes

Dimitrios Kasprzyk:
Seattle, das ist ja auch ein Stück weit die Geburtsstätte einer ganz besonderen Form von American Melancholia, oder? Keine andere Stadt der USA hat so etwas Nihilistisches, Dunkles hervorgebracht.

Mike Soldano:
…so ist das mit Seattle. Nur in Seattle! Gut für Grunge – speziell in den 90er brachte das die Stadt in die Wahrnehmung der Welt. Es gibt nach wie vor unglaublich viele talentierte Spieler, aber in den 80ern ging es wirklich in erster Linie um eins in Seattle: Heavy Metal. Ich mein wir hatten auch wirklich eine tolle Blues-Szene, aber in den 80er Jahren war Seattle eine der Heavy Metal Hochburgen Amerikas. Grunge ging daraus hervor, aus dieser schweren, harten Musik.

Dimitrios Kasprzyk:
Aber Grunge ist so viel dunkler, düsterer. Hätte Grunge nur in Seattle passieren können?

Mike Soldano:
In der Tat (lacht). Vielleicht liegt das am Regen hier. Ich glaube du hast definitiv recht. Jede Stadt hat ihr großes Ding – New York hatte sein eigenes, artsy Ding, New Wave. Chicago hatte den Blues. Nashville hatte den Country. Seattle hatte diese dunkle, schwerere, Drop Tuning Qualität. Melancholie macht in dem Sinn komplett Sinn. Das Traurige daran ist jedoch: all diese Dunkelheit führte zu jeder Menge Drogenkonsum. All diese Musiker, die von uns gegangen sind, so viele große Namen. Echt traurig. Anderseits hätte in keiner anderen Stadt so etwas entstehen können. Grunge ist und bleibt Seattles Baby.

Dimitrios Kasprzyk:
So viele sind gestorben aus dieser Zeit, wenn man mal drüber nachdenkt. Layne Stayley, der Sänger von Mother Loves Bone, und auch Chris Cornell. Ich war ziemlich jung als ich „Dirt“ von Alice in Chains entdeckte. Ich verstand die Dunkelheit damals noch nicht, aber dann realisierte ich: Jap, Drogen haben was mit dieser Musik zu tun (lacht). Wie siehst du Seattle heutzutage?

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Mike Soldano:
Ich bin in Seattle aufgewachsen, also ich sah diese Stadt wirklich durch eine Menge Veränderungen gehen. Ich mein früher war das Jet City – Boeing war unsere größte Industrie, eine echte Blue Collar Stadt. Dann ging ich nach Los Angeles, und als ich ’92 nach Seattle zurückkehrte, hatte sich alles verändert. Da gab’s dieses Ding…Microsoft (lacht). Big Tech kam und Seattle veränderte sich komplett. Aber neuerdings leider…aktuell geht die Stadt wirklich durch eine verdammt harte Zeit. Seattle ist fast schon zu populär, zu viel Geld aus der Tech-Industrie ist hier hingekommen, und die Armut ist in die Höhe geschossen. Die Mittelklasse Seattles ist quasi zerquetscht worden, weil so viele Leute eben auch hier hin kamen mit der Mission, diese legendäre Stadt und die Westküste generell zu ihrem Zuhause zu machen. Und jetzt ist speziell Los Angeles wirklich voll mit Obdachlosen, es ist verdammt traurig.

Dimitrios Kasprzyk:
Eine befreundete Journalistin von mir reiste nach Los Angeles und erzählte mir davon. Ich hatte hier in Deutschland wirklich keine Ahnung davon, dass es inzwischen so schlimm ist. Jeder kennt Skid Row, aber es gibt ja inzwischen überall diese Tent Cities…

Mike Soldano:
Es ist verrückt, ja. Es ist auch einfach so teuer, dort zu leben. Es rivalisiert San Francisco, eine der teuersten Städte der Westküste. Als ich über Ruhestand nachdachte, kam Seattle also nicht in Frage. Es gefällt mir auch einfach nicht, diese Schere zwischen Arm und Reich. Es ist so extrem geworden. Also bin ich nach Tacoma gezogen, eine viel ruhigere Stadt, die mich an das alte Seattle erinnert.

Dimitrios Kasprzyk:
Ich glaub viele hier in Deutschland haben ein falsches Bild von Los Angeles. Es ist eine beunruhigende Entwicklung.

Mike Soldano:
Es ist beunruhigend. Und so traurig. Ich hoffe wirklich, dass sich was ändert. Ein großer sozialer Wandel kündigt sich an, aber ich habe keine Ahnung, wie dieser aussehen soll.

Mike Soldano Interview – über sein Erbe & den Slo

Dimitrios Kasprzyk:
Wir haben vor Kurzem den Soldano Slo getestet und sehr gefeiert. Generell scheint der Slo hier in Deutschland zurzeit gut dazustehen. Welche Bedeutung hat der deutsche Markt für die Marke Soldano?

Mike Soldano:
Nun, unsere Amps waren schon immer ziemlich populär in Deutschland, seit den späten 80er-Jahren. Ein Bekannter namens Peter Wolf führte damals einen PRS Guitar Shop und er importierte Soldanos damals sogar schon 1989. Wir hatten also immer eine Präsenz in Deutschland. Außerdem importierte Peter damals auch die ganzen PRS Gitarren, daher auch der Name. Die Kombination Soldano und PRS Guitars war also schon seit jeher ziemlich fantastisch. Er brachte also SLO nach Deutschland und sie waren ungemein teuer damals (lacht). Wir hatten aber nichtsdestotrotz unsere Präsenz und irgendwann übernahmen andere Vertriebe die Rolle. Es gab also immer eine kleine, aber konstante Lieferung von Soldanos nach Deutschland.

Dimitrios Kasprzyk:
Interessant. Mir ist aufgefallen, dass speziell in Deutschland aktuell vor allem die härteren Metal-Riegen sich zunehmend für den Soldano interessieren. Es ist so etwas wie ein offenes Geheimnis und auch wenn sie nicht billig sind, schwören viele Bands drauf.

Mike Soldano:
Gut! Das freut mich zu hören.

Mike Soldano Interview 2021

Dimitrios Kasprzyk:
Mike – wie viele Jahrzehnte bist du schon dabei? Über drei Jahrzehnte, richtig?

Mike Soldano:
Oh, ja. Kommt hin. Also ich fing Mitte der 80er an, wobei ich zunächst damit beschäftigt war, Gitarren zu bauen und zu reparieren. Ich hatte damals bereits ein kleines Geschäft und baute sie für Freunde und für mich selbst. In dieser Zeit begann ich, mit Amps zu spielen – gehört alles irgendwie zusammen. Ich verstand zunächst nicht viel von der Elektronik, ich hatte meine High School Grundlagen, aber ich tauchte erst 1981 richtig in das Amp-Thema ein. Ich brachte mir selbst über drei bis vier Jahre den Bau von Amps bei und um 1985 begann ich, Amps von Grund auf zu bauen. Ich baute den ersten SLO 1985/1986. Es war der Prototyp – Mr. Science. Hab das gute Stück immer noch.

Dimitrios Kasprzyk:
Und du hattest wirklich kein großes Vorwissen? Ich selbst bin völlig unbewandert, was Fragen der Elektronik angeht – ging es dir auch so am Anfang? Bist du wortwörtlich quasi bei Null eingestiegen?

Mike Soldano:
Ich brachte mir alles selbst bei, ja. Als das Interesse begann, 1980 herum, wusste ich ungefähr zumindest, wie eine Vakuum-Röhre funktioniert und kannte mich mit den grundlegenden Prinzipien aus. Ich konnte Schaltkreise lesen, aber mir fehlte viel Wissen. Ich begann, viele alte Radio-Anleitungen zu lesen oder Lehrbücher aus den 50ern zu dem Thema. Das war alles 1980 schon bereits altes Wissen, aber es war ein Anfang. Ich arbeitete also meinen Tagesjob, kam nach Hause, habe was gegessen und setzte mich dann stundenlang in einem kleinen Arbeitsteil meines Schlafzimmers hin und begann damit, Schaltkreise zusammenzusetzen. Bis ich irgendwann besser verstand, womit ich es zu tun hatte.

Dimitrios Kasprzyk:
Oh wow. Wie lange dauerte dieser Prozess des sich selbst Beibringens an?

Mike Soldano:
Es dauerte vier bis fünf Jahre, bis ich wirklich verstand, was ich da machte. Aber in dieser Zeit bereits begann ich damit, Amps zu modifizieren für meine Kunden. Kleine Fender Bassamps, Marshalls, diese Geschichten. Jede Modifikation brachte mir etwas bei, ließ mich verstehen, was funktionierte und was nicht. Als ich dann allmählich genug Selbstvertrauen hatte, kam Finetuning ins Spiel für ein paar Jahre, und das Ergebnis am Ende war der SLO 100.

Dimitrios Kasprzyk:
Der SLO 100 ist ein bisschen wie so eine ewige Blaupause, mithilfe derer du dich deiner Vorstellung von einem perfekten Amp näherst, richtig?

Mike Soldano:
Ja, ist es. Ich fühle mich glücklich darüber, dass der Sound, den ich in meinem Kopf hatte, tatsächlich auch einer ist, mit dem die Gitarrenwelt etwas anfangen konnte. Dabei war das nie geplant, dass das ein richtiges Unternehmen wurde. Erst als das Interesse wuchs und viele Gitarristen mich auf das Gerät ansprachen, wuchs in mir das Wissen: Weißt du was, Mike – das hier ist vielleicht was Besonderes, das andere mögen könnten.

Wer möchte, kann sich Rabeas Lobhymnen auf den Soldano SLO 100 ansehen – the hype is real.

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Mehr Informationen

Das ganze Interview könnt ihr euch im Player unten anhören:

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Na denn ….. schönen Gruß an den Meister!

    Ich habe mir – nach längerer Überlegung letztlich inspiriert durch den Amazona Test – IN DER TAT den SLO 30 für mein Homestudio zugelegt.

    Dieser Amp wird bleiben …. das kann ich jetzt schon sagen.

    Der ist teuer, ja …. aber aus meiner persönlichen Sicht jeden Cent wert.

    Ich bin halt in der glücklichen Lage, mir das leisten zu können … kann aber jeden verstehen, dem das einfach zuviel ist.

    Gerne kann ich später noch einmal ausführlicher berichten.

  2. Profilbild
    Armin Bauer RED

    Ich kann einfach nur meinen Kommentar zum SLO 30 wiederholen:
    Als ich meinen Yamaha T-100C modifizieren wollte (Anfang der 90er von Mike Soldano entworfen), wusste Yamaha nicht mal mehr, dass sie den Amp irgendwann mal im Portfolio hatten.
    Soldano fühlt sich da immer noch für sein Baby verantwortlich und schickt innerhalb weniger Tage alle benötigten Infos und Vorschläge.
    Gerade für ein amerikanisches Unternehmen eine unfassbare Serviceleistung. Der Mann ist ein Held und nun hat er sich das alles auch noch autodidaktisch angeeignet…

  3. Profilbild
    Bokon

    Hallo!

    Gibt es die Podcasts auch für die Podcatcher-App meines Vertrauens? Oder habe ich das nur überlesen?

    Herzlichen Dank

  4. Profilbild
    holg48

    Super Interview (weil‘s auch nicht nur um technische Details geht).
    Ich habe einen der Ur-SLOs von M.Jabs (Scorpions), der die legendären Jahre der Band soundmässig mitgeprägt hat. Cooles Teil.

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