Kiwitechnics Editor vs Roland PG-200
Der Patch Editor von Kiwitechnics aus Neuseeland ist ein universelles Programmiergerät für verschiedene klassische Synthesizer der Achtziger Jahre. Die Zielgruppe sind (angehende) Besitzer von Synthesizern, die im Jahre 2011 rund ein Vierteljahrhundert alt sind: Spätes Chiptuning für den C64, den 2er Golf, die Columbia oder …“Bum Bum Boris“?
Thorsten Walter hat den Kiwi in seinem AMAZONA.de-Test vor einigen Wochen für „sehr gut“ befunden. Da es sich aus Sicht der AMAZONA-Redaktion um ein spannendes „Indepedent“-Produkt vom anderen Ende der midifizierten Welt handelt, haben wir uns entschlossen, noch einen Praxisreport nachzulegen. Besonders JX-3P-Nutzer kommen dabei auf ihre Kosten. Als Grundlage empfehle ich meinen AMAZONA-Test des JX-3P. Patch Editor-Neulinge sollten zunächst den Test von Thorsten lesen, der am Ende meines Berichtes verlinkt ist.
Wesentliche Inspirationsquelle des Patch Editors waren der Roland JX-3P, sein 19‘‘-Pendant MKS-30 und der für beide Geräte vorgesehene Programmer PG200.
Murray Hodge, engagierter Chef eines aufstrebenden Ein-Mann-Unternehmens und zugleich Entwickler und Programmierer des Patch Editors, schrieb uns:
“About 4 years ago I decided to try setting up a repair business for older synthesizers based at my home in Auckland, New Zealand. This has been more successful than I could have hoped, and I have to limit the repairs I accept now so that it doesn’t occupy all my time. Sometime I had the idea to make a replacement for the PG series of Roland controllers, as for the price that these were selling for I could make something better. I combined my micro controller design skills and love of music gear into the one unit and the result was the Patch Editor.”
Nachstehend also meine Erfahrungen und praktischen Tipps nach einem Monat mit dem Patch Editor. Viel Spaß!
Praxis
Der Patch Editor kommt in einem schicken Custom-Karton, aber leider ohne Netzteil. Das macht insofern Sinn, da die Geräte aus Neuseeland in eine weite Welt voller unterschiedlicher Netzspannungen und Netzstecker versendet werden. Der Kiwi bevorzugt eine Gleichspannung von 9 Volt, funktioniert, bei stärkerer Erwärmung, aber auch mit 12 Volt. Man beachte zudem die eher seltene Beschaltung: „Plus“ am äußeren Ring des Steckverbinders. Die Variante hatte ich, obwohl Eigentümer einer beeindruckenden Sammlung, gleich einmal nicht griffbereit. In weiser Vorhersicht lauert im Karton des Patch Editors der passende Koax-Stecker. Mit Schere, Messer, Licht und Lötstation wird aus der Wallwart vom Bastlwastl dann der passende Schuh. Aber Achtung: Gängige 3-12V Steckernetzteile aus dem Reich der Mitte schmücken sich gerne mit dem optimistischen Aufdruck „500mA“, die sich aber zumeist auf die kleinste abgegebene Spannung von 3V beziehen. Derartige konfuzianische Bescheidenheit quittiert der Patch Editor mit nervösem Flimmern oder Abstürzen. Er benötigt jedoch eine Versorgung mit „echten 6 Watt“. Ich empfehle daher, beim Kauf über den deutschen Vertrieb Touched By Sound noch ein passendes Netzteil rauszuschlagen.
Ich hatte einen der ersten Patch Editoren zum Test, noch versehen mit Murray’s altem Firmennamen „Painting By Sound“, irgendwann sicher einmal die „Collector’s Edition“. Mein Prüfling besaß zum Testzeitpunkt eine CPU der zweiten Generation, lässt sich aber, wie alle frühen Geräte, mit relativ wenig Aufwand auf die leistungsfähigere Version 3 aufrüsten. Ich hatte dazu leider keine Gelegenheit mehr, da mein Demogerät kurz vor dem Eintreffen besagter Paketsendung aus Neuseeland auf die Musikmesse nach Frankfurt verreisen musste. Ich rate, vor dem Öffnen des Gehäuses mit Murray oder Touched By Sound Kontakt aufzunehmen, und auch zu klären, wie es im Falle eines missglückten Upgrades oder späterer Defekte mit Garantieleistungen aussieht. Oder anders gesagt: Es empfiehlt sich, beim Kauf nach einem Gerät mit einer „3er CPU“ zu fragen.
Die getestete Softwareversion war „PE v2.3 BL v1.5a“. Der Patch Editor kann mithilfe eines MIDI-Dump auf den neuesten Softwarestand gebracht werden. Nur Geräte mit einer aktuellen CPU profitieren noch von derzeitigen und allen künftigen Software-Updates und damit der Unterstützung neuer Synthesizer. Vor dem Kauf des Kiwi rate ich zu einem Besuch auf der Herstellerseite, auf der Murray regelmäßig Software-Erweiterungen einstellt und die Änderungen dokumentiert. Lesen Sie auch die Bedienungsanleitung in ihrer aktuellen Version, und zwar mindestens die Einleitung und das Kapitel zum Synthesizer Ihres Interesses.
Beim Bewegen eines Reglers am Patch Editor wird dessen Funktion, wie bei vielen VA-Synthesizern im Display angezeigt. Wird dieser Regler nun für etwa zwei Sekunden nicht bewegt, wird der zuletzt eingestellte Wert eingefroren. Bei erneuter Bewegung springt der eingestellte Wert zunächst um 2 Einheiten, dann geht es in 1er Schritten weiter. Beide Maßnahmen vermeiden, dass der eingestellte Parameter zwischen zwei Werten hin- und herspringt und auf diese Weise nutzlose MIDI-Datenströme produziert. Sehr gut!
Die beleuchteten Schiebepotentiometer wurden von ihrem Lieferanten wohl einst für den Einsatz in Grafik Equalizern entwickelt. Sie sind leider eher klein und schwergängig, und der Kiwi kann bei ihrer Betätigung schon mal verrutschen. Auch alle Leuchttaster und durchleuchteten Drehpotentiometer verlangen nach herzhafterem Zupacken. Das ist gut für das Programmieren von Sounds, beim Werkeln und „Schrauben“ auf der Bühne kann der Patch Editor aber schon einmal verrutschen, vor allem auf dem JX-3P.
An der Rückseite des Patch Editors befindet sich nicht nur das bekannte MIDI-Trio, sondern auch eine 6,3mm-Klinkenbuchse, die als External Input dient. Hier kann ein beliebiger „Continous Controller“ in Form eines Drehpotentiometer von 50 bis 100 kOhm angeschlossen werden, in meinem Fall ein Volumepedal von Yamaha. Durch Drehen oder Verschieben eines Bedienelementes am Patch Editor wird der diesem Element zugewiesene MIDI-Controller auch dem Volumepedal am External Input zugewiesen. Für das Pedal ist der Wirkungsbereich einstellbar, Pedal und Bedienknopf bleiben parallel nutzbar. Vor dieser Übung sollte man in den Menü Level 6 wechseln. Nun können dem mitgebrachten Pedal im Verlauf einer Live-Performance blitzschnell völlig unterschiedliche Funktionen zugewiesen werden. Murray hat sich bei mir beklagt, dass dieses tolle Feature zwar viel Hirnschmalz gekostet hat, aber aus seiner Sicht zu wenig Beachtung in der Presse und bei seinen Kunden findet. Darum möchte ich hier noch einmal darauf hinweisen. Tolle Idee, sehr gut umgesetzt!
Die im Patch Editor gespeicherten Tables und sind nicht veränderbar. Der eingestellte MIDI-Kanal und das Mapping des External Input bleiben jedoch beim Wechsel der Tables und nach dem Ausschalten des Gerätes erhalten. Durch Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Tables lassen auf diese Weise zwar mehrere unterschiedliche Synthesizer steuern. Aber nie zwei Synthesizer des gleichen Typs auf zwei verschiedenen MIDI-Kanälen! Wird dies dennoch erforderlich, kann die erforderliche Anpassung nur in einem Untermenü vorgenommen werden, was auf der Bühne mitunter schwierig sein kann.
Thorsten hat in seinem Report bereits die MIDI to SysEx-Funktion des Patch Editors erwähnt und mit seinem JX-8P erprobt. Ich möchte dieses Feature noch ein wenig erläutern: Ich arbeite überwiegend mit Cubase. Cubase kann SysEx-Befehle aufzeichnen und senden, allerdings (oft) nicht interpretieren und visualisieren. Eine SysEx-Faderfahrt, die ich zuvor mit meinem mittlerweile historisch anmutenden Peavey PC1600 aufgenommen habe, z.B. für meine beiden fließend SysEx-sprechenden Peavey-Hybridsynthesizer, muss textbasiert nacheditiert werden. Das ist natürlich vollkommen anachronistisch. Mit dem Patch Editor kann man in Cubase MIDI Control Changes „malen“ und durch Auswahl eines passenden Tables im Patch Editor in SysEx „übersetzen“ lassen. Voraussetzung ist natürlich, dass Murray ein solches Table auch erstellt hat.
Wie bereits angedeutet: Die Ursuppe für den Patch Editor wurde bei Roland gekocht und hieß PG200. Der Kiwi ist ein direkter Abkömmling und bietet sämtliche Funktionen des PG200 und viele mehr. Leider ist er auch etwas größer als sein Urahn. Die vielen zusätzlichen Bedienelemente und das Display müssen aber auch irgendwo hin, und so lassen wir den Formfaktor als gelungenen Kompromiss gelten. Er hält jedenfalls sicher auf dem JX-3P:
im PG200: 248*170*25mm, Patch Editor: 253*185*40mm, jeweils ohne Füße gemessen.Da der JX-3P ab Werk nur eine rudimentäre MIDI-Implementierung besitzt, muss der Patch Editor, wie sein Vorfahre PG 200, über ein Spezialkabel angeschlossen werden. Eine Anleitung zum Selberlöten ist im Manual zu finden. Den erforderlichen „6-poligen Rundsteckverbinder“ (der übrigens nicht in irgendeiner „DIN“ beschrieben ist, bei Roland aber häufiger für den Anschluss von Fernbedienungen verwendet wurde) gibt es im gut sortierten Elektronikfachhandel. Mit diesem Kabel wird aus dem JX-3P dann „über einen digitalen Controller vollständig bedienfähiges, nicht anschlagsdynamisches, analoges Live-Keyboard“. Mehr nicht! Die MIDI-Schnittstelle des JX-3P wird bei Nutzung der PG200-Schnittstelle deaktiviert. Zum Glück naht Rettung in Form eines Hardware-Upgrades. Mehr dazu in meinem Ausblick am Ende.
Ein Roland JX-3P kann immer nur die Änderungen eines Controllers verarbeiten. Dreht man beispielsweise gleichzeitig an Cutoff und Resonance, wird immer nur einer der beiden Parameter zeitgerecht verarbeitet, und es kommt zu Sprüngen auf dem anderen. Das Problem liegt in der obskuren Datenverarbeitung des JX-3P (er war Rolands erste Übung zum Thema „Analoger Synthesizer mit digitaler Steuerung“) und besteht auch mit dem PG200.
Das Table für den MKS-70 erlaubt getrennten Zugriff auf Tone A, Tone B oder beide Tones gleichzeitig. Das funktioniert prima, einige weniger wichtige Parameter müssen aber nach wie vor am Gerät eingestellt werden, z.B. die Wirkung der Velocity auf Lautstärke- und Filterhüllkurve. Dennoch ist es eine wahre Freude, den MKS mit dem Patch Editor zu bedienen, neu zu entdecken und dabei gehörig Leben einzuhauchen. Von meiner Seite eine dicke Kaufempfehlung für alle MKS-70-Nutzer ohne PG800!
Erwartungsfroh habe ich das „WldrfFilter“-Table geladen und mit meinem Microwave 1 V2.0 und Pulse V2.01 ausprobiert. Leider zeigte sich mein Microwave völlig unbeeindruckt von der Betätigung sämtlicher Bedienelemente. Der Pulse dagegen entwickelte ein interessantes Eigenleben. Auf Anfrage teilte Murray mit, dass er dieses Table anhand der MIDI-Implementierungstabelle für den Waldorf Q erstellt hat. Murray hat aber angekündigt, sich alsbald auch mit anderen Waldorf-Modellen beschäftigen zu wollen. Da Neuseeland keine Waldorf-Hochburg ist, hat er diese aber derzeit nicht zur Verfügung. Er wird sich aber sicher über fundierte und gut strukturierte Anregungen und Verbesserungsvorschläge kompetenter „Beta-Tester“ freuen. Das gilt auch für andere Instrumente.
Ausblick
Dieser Tage soll das zweite Projekt von Kiwitechnics erscheinen, ein Hardware-Upgrade für den Roland JX-3P. Ich besitze seit drei Jahren ein ähnliches Kit von Laurens Schilling aka „Organix, welches nicht mehr angeboten wird. Daher kommt das Aufrüstpaket von Kiwitechnics gerade recht. Murray dazu:
„While designing the PE and reverse engineering the PG-200 I was appalled at the poor design work from Roland. I also had a lot of difficulty with its interface. This led on to looking at the 3P hardware and programming to see if it could be improved. I soon decided that improving the program would be very difficult as the micro controller was old and slow and the program was very poorly written. I then decided to do a ground up rewrite about a year ago, using a better CPU. Hope, you‘ll have fun with it!”
Da ein Kiwi-JX seitens MIDI nur noch wenig mit dem JX-3P gemein hat, wird er im Patch Editor von einem gesonderten Table und über ein Standard-MIDI-Kabel versorgt. Freundlicherweise hat sich Murray das Controller-Mapping von Laurens 1:1 übernommen; das Table mit dem schönen Namen „Kiwi3P-Upgrade“ ist also voll Organix-kompatibel! Der Patch Editor funktioniert also auch direkt an der MIDI(!)-Buchse eines Organix-JX, wobei am MIDI-Eingang des Patch Editors eingehende Noten-Daten zum JX-3P weitergeleitet werden. Und das, auf Wunsch, unter Berücksichtigung von Velocity!
schade dass der Matrix-1000 nicht unterstützt wird, das wärs echt gewesen.
FünFhUNdeRt EUrO!?!
Alles klar, das Marktsegment ist über schaubar, aber 179€ hätten es doch auch getan, oder?
Fünfhundert? Vergesst es.
naja der preis orientiert sich daran, was für einen PG-800 momentan bei ebay gezahlt wird…;)
Naja, das ist ja auch recht, aber trotzdem arg teuer. Der PG800 kann hier nicht das Maß der Dinge sein,weil der selten und Original ist (wir müssen auch an die Sammler denken). Als Produktmanager würde ich den Leuten raten den Preis dramatisch zu senken um so schnell als irgend möglich den Markt zu sättigen. Denn irgendwann gibt es keine funktionierende JX3P & Co. mehr, die damit gesteuert werden können. Oder es kommt ein Plagiator auf den Markt, und der räumt dann ab.
Aber ist deren Sache. Von Technik scheinen sie ja was zu verstehen …
Mancher Produktmanager legt vielleicht auch Wert drauf, sein Produkt nicht über den günstigsten Preis zu verkaufen, sondern über besonders gute Qualität oder Einzigartigkeit. Werte, die je nach Kundenkreis auch ankommen.
Aber zugegeben, 500,- Euro sind nicht von Pappe, wir Musiker sind heute schon Günstiges gewöhnt :-)
@c.hatvani Die 500 muss man nur zahlen, wenn man den Import- und Gewährleistungs-Service von Touched by Sound nutzen möchte. Bestellt man selbst bei Kiwitechnics, so kommt man incl. Versand, Zoll und Umsatzsteuer auf knappe 390 Euro.
Naja, für nen PG 800 muss man ja aktuell nur gute 300 hinlegen:-(
In ein paar Tagen kommt mein JX8P, wahrscheinlich werde ich mich mit einem „virtual controller“Plugin begnügen, falls ich den eins für OSX finden sollte.
Der leider sehr SysEx-lastige Matrix wird unterstützt, an echtes „Live-Schrauben“ ist aber offenbar bei weitem nicht zu denken. Ich besitze diesen Synthesizer leider nicht und kann daher nur aus dem Manual zitieren:
„Some Sysex commands on the Oberheim Matrix 1000 are very slow responding to sysex and it does not
respond well to large numbers of commands in rapid succession. This is especially so for the filter cutoff. When
a series of Sysex commands are sent to the M1000 the synth will stop responding and hang notes or have other
random problems until it catches up. This makes it unsuitable to control parameters in a live situation but a patch
has been provided to help set up the M1000.“
In Versteigerungen wird gelegentlich der Masterkeyboard Controller TURBO VOLCON/D 128 von QUASIMIDI angeboten. Der hat ein paar fest eingebaute SysEx-Befehle für verschiedene alte Synthesizer (z.B. Alpha Juno, Matrix 6 & 1000, DX7, Kawai K1, Microwave, Korg M1 u.a.). Die Impementierung ist nicht vollständig und beschränkt sich auf einige wichtige Parameter. Der JX3P wird nicht abgedeckt. Auch ist die Bedienung (Baujahr 1989) etwas kryptisch.
Meine Erfahrungen mit dem Controller sind recht gut, da man mal eben schnell ein paar Werte editieren kann. Dazu kommen noch Split- und Layer-Funktionen. Der Volcon hat 2 MIDI-IN mit merge und 4 MIDI-OUT.
Gibt es eigentlich wieder einen deutschen Importeur, nachdem TBS aufgegeben hat???
@actionjaxon Hallo,
richte Deine Frage bitte an Murry Hodge
http://www.kiwitechnics.com/contact.htm
oder bestell direkt bei ihm für 475 Kiwi-$ plus Frachtkosten:
http://www.kiwitechnics.com/order.htm
Gruß,
Falk.