Jean Michel Jarre on Tour
Der Kreis schließt sich. Jean Michel Jarre kehrt zu jenen Anfängen zurück, die ihm 1976 einen Welterfolg bescherten. Fern von Laserharp und Mega-Events präsentiert der Künstler 2008 sein Erstlingswerk in neuem (altem) Gewand: Alles live, Originalinstrumente, Musik und Sauerstoff pur.
Den Auftakt zur Oxygene-Tour in Deutschland gab der Pionier des E-Pop vor wenigen Tagen – am 22. März 2008 – in München. Ein Muss für jeden Synthesizer-Freak, keine Frage! Für mich persönlich stellt das Erstlingswerk von Jarre ohnehin einen Meilenstein im Leben dar, denn es war jene LP ‘Oxygene’, die mein Interesse im Jahre 1986 auf Synthesizer lenkte. Für ‘Oxygene’ und ‘Equinoxe’ bewundere ich Jean Michel Jarre bis heute zutiefst. Spätere Alben – von einigen Songs bei Magnetic Fields beginnend, über Zoolook, Revolutions bis herauf zum – sehr eigenwilligen – Téo & Tèa scheinen mir – musikalisch gesehen – meist nicht mehr denselben (hohen) Stellenwert zu haben. Aber Jean Michel Jarre wußte schon immer musikalische Defizite gekonnt auszugleichen. Sei es durch gigantische Lasershows, außergewöhnliche Instrumente, ungewöhnliche Aufführungsorte (man denke an die Pyramiden von Gizeh), oder andere Spektakel. Seine Popularität ist bis heute ungebrochen.
Die Idee zur Oxygene-Tour kam Jarre – eigenen Angaben zufolge – erst vor wenigen Monaten – Weihnachten 2007. “Alles wieder original” oder “Back to the roots” könnte man hier sagen. Fast jedenfalls. Nicht zu vergessen ist das Album ‘Oxygene 7-13’, das vor einigen (vielen) Jahren veröffentlicht wurde und welches das originale Oxygene offensichtlich ergänzen sollte. Nun, die Songs 7 bis 13 konnten nie an die Qualität der frühen Songs anschließen (es war eher der matte Versuch Jarres, die Vitalität der Pionierszeit und damit sich selbst zu imitieren). Dennoch darf der späte “Appendix” in der Oxygene 2008 Tour nicht fehlen, was also so gesehen für eine gewisse “Neuheit” steht: Die klangliche Verbindung aller Oxygene Songs, eine gesamte Premiere sozusagen.
Auch die Instrumentierung hat natürlich Neuzuwachs bekommen und entspricht nicht dem (im Verhältnis sehr bescheidenen) Oxygene-Equipment von 1976. Einen Moog Voyager, Moog Little Phatty, Alesis Andromeda oder Roland JP-8080 muss man heute natürlich schon im Gepäck haben. Daneben gibt es aber all die herrlichen Klassiker, die Synth-Freaks zum Schwärmen bringen (und allein deretwegen sich der Konzertbesuch absolut lohnte!): ein Moog System 55 (das – erstaunlich genug – auf der Bühne praktisch nicht im Einsatz war und eher durch bunt leuchtende Schalter als durch analoge Sounds überzeugte), ein CS-80 (der – erstaunlich genug – vorwiegend zur Erzeugung eines simplen, sturmähnlichen Noise-Klanges unter nicht sehr zimperlichem Kontakt von Jarres Handflächen eingesetzt wurde), ein RMI Harmonic Synthesizer (der wirklich genial und ungewöhnlich klang, selbst wenn sich Jarre darauf ab und zu etwas verspielte), einige VCS3 und AKS-Synthesizer (die mit merkürdigen Modulations-Sounds und schönen Vocal-Kreationen sehr überzeugend waren), ein Jupiter-8 (der für die aufsteigenden, harfenähnlichen Glissandi in Oxygene I eingesetzt wurde, was sicher nicht ganz original ist, aber sehr gut passte), ein schöner ARP-2500 (der sich das faszinierende Leucht-Syndrom mit dem Moogsystem teilte und musikalisch eher selten zum Einsatz kam), ein Memorymoog (der Jarre quasi als Hauptkeyboard diente und zuweilen um ein paar Dezibel zu laut justiert war), sowie noch eine Fülle an weiteren, ehrwürdigen und erstaunlichen Synthesizern (OSCar, Korg PS-3200, Two-Voice, etc).
Da Jarre nicht alle Teile der Musik selbst live aufführen konnte, waren 3 weitere Keyboarder mit auf der Bühne, die dem Meister wertvolle Unterstützung leisteten. Das alles ließ sich von meinem “billigen” Platz in einer der letzten Reihen aus luftiger Höhe bestens einsehen.
Spektakulär waren einige artistische Einlagen von Jarre, der innerhalb seiner Keyboard-Burg zuweilen sehr flink die Seiten (und Instrumente) wechselte. Beinahe hätte der Oberheim Two-Voice daran glauben und einem vermeintlichen Stolperer von Jarre wiederstehen müssen, doch alles ist gut gegangen. Mangelnder Elan ist dem Franzosen auf der Bühne sicher nicht nachzusagen!
Ich hatte mich nach der Betrachtung der dazugehörigen DVD entschlossen, auch diese Tournee auszulassen. Der Vortrag (und ich denke, das Konzert wird ähnlich abgelaufen sein) hat mich doch etwas ermüdet, vergleicht man das Ganze mit dem Original von 1976. Es fehlt mir da ein gewisser Schwung im Spiel, das Feeling bekommt JMJ nicht mehr in den Griff. Und die Geschichte mit dem Theremin ist auf der DVD auch festgehalten. Leider! Aber Hauptsache, den Besuchern hat es Spaß gemacht.
Jeder soll seinen Spass haben und die Musik lieben, die er gut findet, das vertrete ich voll und ganz. Trotzdem macht für mich JMJ Fahrstuhlmusik, egal ob er das auf der Querpfeife oder einem sündhaft teuren Synthiepark spielt.
Mit Fahrstuhlmusik verbinde ich eine ruhige, gediegene Wirkung. Mir scheint JMJ's Musik, seit seinen erfolgreichen ersten Gehversuchen, eine überzeichnete, von Langeweile (man denke an die ewig dauernden Calypso-Songs) oder künstlichem Stress (Jarre's 'Live' CD ist ein akustisches Bollwerk an Lieblosigkeit) gezeichnete Suche nach sich selbst zu sein. Oder nach dem – für ihn wohl selbst überraschenden und nun offensichtlich nicht leicht zu wiederholenden – Grund des Erfolgs der ersten Stunde. 'Oxygene' und 'Equinoxe' sind nach wie vor Meisterwerke der Musikgeschichte. Hier zeigte Jarre wirklich Kreativität und kompositorisches Können. Selbst heute – 20 Jahre nachdem ich die Platten gekauft hatte – entdecke ich neue Melodielinien oder kleine, rhythmische Muster bzw. Patterns, die mir bisher verborgen blieben.
Das absolut Kontroverse am Wirken von Jarre ist die Tatsache, dass er 1976 mit einer – für heutige Maßstäbe – recht simplen Studiotechnik die beste Musik machte, während seine künstlerischen Ergebnisse heute – in Zeiten von MIDI, Sampling und vielen unterschiedlichen Syntheseformen – kein respektables Niveau mehr erreichen. (Das trifft teils auch auf den Werdegang / die Entwicklung von Tangerine Dream und Klaus Schulze zu). Den Schluß, den ich daraus ziehe ist, dass Technik an sich überhaupt kein Mittel od. Weg zur Musik ist, sondern sogar eher davon entfernt. Jarre würde ja gerne an seine genialen Schöpfungen von 1976 anschließen, doch der aufgeblasene technische Apparat lässt ihn in nichtssagende Spielereien versumpfen.
@Bloderer Wenn die Luft raus ist, ists halt rum uns Eck. Jarre ist wohl ein klassisches one (two) Hit Wonder.
(Fortsetzung)
Jarres Antwort darauf war bisher die Flucht nach vorne: Noch mehr Technik, in Form von Lasershows und gigantischen Spektakeln. Interessanterweise kann Jarre aber immer noch die Massen mobilisieren (zugegeben, die großen Jahre sind vorbei), und die Pflege seiner eigenen Aura ist ein Talent, das man dem Franzosen anerkennend zugestehen muss…
@TB: Deine Analyse hat einen entscheidenden Schwachpunkt. Du betrachtest die Technik als einzige Variable, die sich auf das Ergebnis auswirkt. Es gibt weitere, viel wichtigere Faktoren, die bei der Analyse von Jarres Wirken zu berücksichtigen sind. Beispielhaft führe ich seine persönliche (musikalische) Weiterentwicklung, die Entwicklung der elektronischen Musik, veränderte Hör- und Konsumgewohnheiten an. Abgesehen davon gibt es in diesem Forum ganz sicher niemanden, der auch nur ansatzweise eine Leistung wie Jarre erbracht hat. Insofern sollte man darüber nachdenken, ob man zu derartiger Kritik überhaupt befähigt ist.
TB hat doch vollkommen recht. Was ist ist nach Oxygen und Equinoxe noch gekommen? Vielleicht sollte man die Concerts in China noch mit einbinden aber danach war Ebbe. Spätestens nach dem Zoolook- und Custeao-Schrott hätte es dem Herrn Jarre doch eigentlich auffallen müßen das es so nicht mehr weitergeht oder mal Papa Maurice um Hilfe bitten. Es könnte ja sein das der alte Mann doch noch über seinen Schatten springt und seinem Sprößling unter die Arme hilft. Aber trotzdem hat doch jeder das Recht seine Kritik zu äußern. Das Argumennt der Mangelnden Leistung ist ja wohl das Pünktchen auf dem i des Wortes Unsinn.
Gerade das wäre ja schön, wenn es wirklich eine musikalische Weiterentwicklung gegeben hätte. Nun, vielleicht gibt es sie und vielleicht ist sie für dich zB Realität. Ich kann in Jarres Mittel/Spätwerken hingegen nicht allzuviel Inspirierendes entdecken. Doch das ist ohnehin meine persönliche Sichtweise. Jarres Einfluß bzw. seine Bedeutung als Wegweiser in manchen Bereichen der elektronischen Musik ist unbestritten.
Ich habe dieses Konzert zwar nicht gesehen/gehört. Aber ich war vor x Jahren mal auf einem JMJ Konzert in Oberhausen. Nach den klasse Opener mit der Laserharfe ging´s stark bergab bis zur Werbekampangne für "den gerade eingetroffenen Nord Lead 2". Das war mein 1tes Konzert, das ich vorzeitig schnell verlassen habe. Einfach schrebbelig. Bitte versteht mich nicht falsch. Auch ich liebe Oxygene.
Für mich sind auch die frühen Sachen wie Oxygène und Equinoxe Meilensteine der elektronischen Musik. Besonders bei Oxygène II muss Jarre eine göttliche Eingebung gehabt haben – ein unvergleichliches Klangerlebnis. Absoluter Tiefpunkt waren nach meinem Geschmack die Rendez-Vous Hymnen. Das Oxygène 7-13 Album kann durchaus an die Qualität seines Urahns anknüpfen. Sequencermusik ist eben nur bedingt livetauglich. Und eine musikalische Weiterentwicklung ist nicht immer ein Segen; man denke da an Alphaville oder Pet Shop Boys.
kurz um… die ersten sachen von jarre waren absolut genial, unerreichter sound und klang,
da hat bis heute nie einer mithalten können, die sachen von 1976 klingen unglaublich, früher musste man alles programmieren, da gab es kaum gute presets wie heute !
jarre hat zusammen mit vangelis & kraftwerk elektronische musikgeschichte geschrieben.
DANKE FÜR DIE BILDER !!!
Oxigene und Equinoxe wird man noch in 100 Jahren genießen, davon bin ich überzeugt.
Ich finde aber auch das viele Werke danach gute kreative Synth-Werke geworden sind. Daumen hoch.
Jörg
Wirklich schöner und ehrlicher Bericht! Macht Lust auf mehr, freu mich schon auf morgen in Berlin.
Sicher war es für Jarre bei seinen letzter Alben schwierig an seine großen Erfolge wie Oxygene und Equinoxe anzuknüpfen, aber er bleibt unumstritten einer der ganz Großen der elektronischen Musik.
Ich freu mich einfach mal auf das Konzert gleich in Hamburg . Hätte nicht gedacht Jarre mal Live sehen zu können .
Ich denke einfach mal fallen lassen und genießen . Wird schon gut werden . Wehe ich bekomme keine Gänsehaut .
Interessant finde ich, dass gerade "Zoolook" und "Cousteau" sehr kontrovers aufgenommen werden. "Zoolook" ist in meinen Ohren ein Meisterwerk, weil kein anderer Künstler zu dem Zeitpunkt so konsequent und kreativ mit Sampletechnologie umgegangen ist. Gegenbeispiele erwünscht! Und das Titelstück zu "Cousteau" ist großartiger Ambient. Überraschend inspiriert für einen Popelektroniker wie JMJ. Die anderen Stücke kann man da getrost vergessen. Beide Alben daher "Must-haves" m.M. nach.
Gegenbeispiel sind definitiv
-The Art of noise -welche auch als erste Band den fairlight cmi benutzten.
Meiner Meinung sind Art Of Noise auch kreativer mit dem Sampling umgegangen.
Klar, dass die kommen mussten. ;-)
The Art Of Noise waren sicherlich eine kreative Band, aber letztlich haben sie nur beliebige Geräusche als Klangversatzstücke benutzt. Und das zum Teil aus der Fairlight-Library. JMJ hat seine Stücke aus Sprachfragmenten von 25 Weltsprachen montiert. Das halte ich als Ansatz für deutlich künstlerischer.
Als absoluter Zoolook fan kenn ich nur ein anderes werk bei dem mit sprach-samples musik gemacht wurde, Inyan-rock vom blue chip orchestra
Also ich war beim Konzert in Frankfurt. Meiner Meinung nach war es das schwächste Konzert, daß ich von Ihm besucht habe (anm. es war mein 4. Jarre-Live-Event). Die Musik war übersteuert und zu laut. An einigen Stellen habe ich gedacht, mirt ätzt mein Trommelfell weg. Vor allem beim Themerin. Auch musikalisch gesehen, war es eher enttäuschend als begeisternd. JMJ hat sich oft verspielt, das ist aber in dem teilweisen hektischen Arrangement des Konzertes untergegangen.
Lichtshow war OK, jedoch hätte man hier noch viel mehr machen können.
Alles in allem muß ich sagen, daß hier das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht gestimmt hat. 84 EUR waren schon heftig für das Gezeigte.
Ja, die Eintrittspreise der Jarre Konzerte sind schon ziemlich stolz… Aus Anlass der JMJ Diskussion kaufte ich soeben die CD "Musik aus Zeit und Raum" (hatte ich vor Urzeiten als LP). Da ist neben den "Klassikern" noch ein beinahe vergessenes geniales Stück darauf: "Arpegiator" (genau so geschrieben!). Sehr hörenswert…!!!
Ich war am 03.05.08 in Zürich.\r\nIch fand dieses Konzert fenomenal.\r\nAber er hatte ein sehr hohen Konzertpreis und es war sehr Kurz.\r\n
leider ist mir entgangen das J.M.Jarre live zu sehen und hören
ist und das auf original instrumenten. 1976 habe ich mir die platte als kleiner bub gekauft und
war völlig fasziniert. vor ein paar
monaten hörte ich eine neu gemischte fassung und war wieder
genauso begeistert. allein der groove der percussionsounds ist
sensationell.das werk ist nachwievor state of the art. nie und nicht
mehr kommt da art of noise heran. nach so einem werk kann es nicht mehr bergauf gehen.
schöner bericht
Hatte den Privileg am 15. 04. 2008 in FFM (Alte Oper) zu sein…
OK, es wurde viel (?) geschrieben; wer nach Fehler sucht – der findet die auch (!).
Der Preis- na ja…
Der Sound- na ja…
Der JMJ – ganz OK (bis auf die Zugabe!!!)
Ich fand es OK – vor Allem so viel seltene Synths auf ein Haufen – sehe ich wahrscheinlich nie wieder(leider)…
Es war auch Live gespielt – Nobody is perfect!!! Selbst der JMJ nicht!
Leute diese Musik ist von 1976 (!) – bitte betrachtet es auch so…
LG
Silvo
Übrigens die DVD ist auch sehr fein …
Mal eine spöttische Bemerkung an dieser Stelle.Der gute Mann ist 63 Jahr alt und steckt offensichtlich die selbe Summe in Plastische Chirurgie wie in sein Equipment. Auf seinen aktuellen Pressefotos wirkt er wie 20. Meine Herren, da ist mir Opa Vangelis schon viel lieber ;-).
Leider wird die Eminent 310 und der Arp 2600 im vergleich zum Original sehr stiefmütterlich behandelt, man denke nur an Oxygene 2.